Herr Dr. Daehre, Sie haben damals bewusst, ohne zu sagen, was Sie in bestimmten Politikfeldern wollten, Dinge instrumentalisiert, emotionalisiert, bei denen Sie wussten, dass eine Lösung wichtig wäre. Eine Lösung muss inhaltlich diskutiert werden. Aber Sie wussten, dass Menschen oder Strukturen - übrigens trifft das auch auf den Landkreistag zu -, die davon betroffen sind, den leichtesten Weg wählen. Sie wählen den Weg, der Ihnen am angenehmsten erscheint. Sie werden immer diesen Weg wählen.
Sie sind damals - das haben Sie bestätigt, Herr Madl - mit dieser bewussten Beeinflussung, dieser Instrumentalisierung in den Wahlkampf gezogen und haben in Kauf genommen, dass das Land Sachsen-Anhalt an diesem Punkt zurückgeworfen wird.
(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CDU und bei der FDP - Herr Scharf, CDU: Sie haben sich verrannt!)
Ich glaube, da ich ein ähnliches Problem mit meiner Zeit haben werde, bitte ich Sie, Herr Madl, Ihre Frage am Ende zu stellen.
Wir haben uns nicht verrannt. Ich sage Ihnen eines, Herr Scharf, und damit bin ich bei meinem zweiten Punkt: Denken Sie bitte einmal Ihre Zeitkette weiter. Im Januar erfolgt die Befassung im Landtag. Dann soll ein Innenminister eine Karte vorlegen, die genauso viel Widerspruch hervorrufen wird wie jede andere Karte, die auf dem Markt ist.
Wir sind dann wieder mitten in der Diskussion im Vorfeld eines Wahlkampfes - frei von Emotionen, wir alle, die wir hier sitzen, wie auch alle, die es draußen betreffen soll. Es geht darum, Diskussionen auszuhalten, bei denen es Gewinner und Verlierer geben wird. Ich sage Ihnen eines: Sie selbst werden es aushalten müssen, gerade Sie in der CDU vor Ort, da die CDU über die Wahlkreise einziehen will.
Sie werden von Ihren Bürgermeistern, von Ihren Landräten, von Ihren Parteistrukturen gefragt werden: Na, Werner, wie hältst du es denn mit Köthen? - Und Werner wird sagen: Ich werde im Interesse des Landes einer Lösung zustimmen, die vielleicht gegen Köthen läuft, und werde damit bewusst in Kauf nehmen, dass ihr mich vielleicht nicht aufstellt.
So wird das nämlich ablaufen. Deswegen kann ich Ihnen nur sagen: Wenn Sie aufgrund dessen, dass Sie es bisher nicht in den Griff bekommen haben - das ist nämlich der Grund -, fahrlässig in Kauf nehmen, dass dieses für das Land so wichtige Thema wieder Thema im Wahlkampf wird, dann müssen Sie sich zum zweiten Mal den Vorwurf gefallen lassen - aus Gründen, die nur Sie zu verantworten haben -, das Thema ebenso dilettantisch wie auch politisch fragwürdig in den Wahlkampf zu ziehen. Diesem Vorwurf setzen Sie sich anscheinend schon heute aus.
Trotzdem glaube ich aber - darüber kann man, glaube ich, sehr sachlich reden -: Diese Gebietsreform muss kommen. Es gibt Diskussionen darüber, welche kommen soll
Ich will nur mal einflechten: Wenn ich mir vorstelle, dass bei unserer Diskussion der Herr Innenminister, der hier dauernd erwähnt wird, Manfred Püchel, nicht hätte reden dürfen - den hätten wir wahrscheinlich in Ketten legen müssen, sonst wäre er hier wahrscheinlich kollabiert, und das zu Recht. Egal, wie es Herr Daehre hier gerne ummantelt: Dieses ist eine ureigene Aufgabe des Innen
Mit diesen Sprüchen, Herr Daehre: „Zwischen meine Kollegen und mich passt kein Blatt Papier“, habe ich acht Jahre Erfahrung.
Ich habe vorhin zur Gebietsreform etwas gehört, was ich sehr gut finde: Ich habe dazugelernt. Deswegen sage ich, ich finde es ja gut, dass Sie sich an dem Antrag so gerieben haben. Das war nämlich auch der Zweck. Die Innenpolitiker wollten Sie bewusst mit diesem Thema konfrontieren. Uns ist doch selber klar, dass das nicht mehr funktioniert.
Übrigens kann die SPD, glaube ich, für sich in Anspruch nehmen, dass sie durch die öffentliche Diskussion über die fünf Landkreise dazu beiträgt, das weiterzuentwickeln.
Sie haben Recht: Es gibt natürlich auch in der SPD unterschiedliche Auffassungen, auch aufgrund dessen, welche Funktion jemand hat. Ich habe noch keinen Verband gesehen, der bei solchen Fragen ganz vorn an der Spitze der Diskussion ist - es ist egal, ob das ein Industrieverband oder ein Verband von kommunalen Gebietskörperschaften ist -, der sagt: Bitte, macht es noch größer, schafft noch mehr von uns ab; wir werden bei dieser Meinungsbildung ganz kreativ mitwirken. - Das kann man auch von denen gar nicht erwarten. Deswegen: Den Landkreistag immer als ersten Zeugen ins Feld zu führen, halte ich für schwierig.
Es gibt den schönen Spruch von der Gans zu Weihnachten. Da sind rote Gänse genauso wie schwarze Gänse: Am Ende denken sie dann nur über sich nach.
Aber egal wie das kommt: Wir werden Lösungen, Herr Dr. Daehre, zu der Frage Dessau und Umland - Sie haben es raumordnerisch schon ein bisschen beantwortet - haben müssen. Dazu steht bei Ihnen im Entwurf, dass Dessau kein Verdichtungsgebiet mehr ist. In der Karte steht, dass es ein ländlicher Raum ist.
Deswegen werden Sie den Dessauern wie auch dem ganzen Haus die Frage beantworten müssen: Wie soll die Rolle Dessaus - ob nun Oberzentrum oder nicht - generell sein? Ich hoffe, dass alle die Kraft haben, sich von den Begrifflichkeiten zu lösen. Denn in vier, fünf Jahren ist nicht die Frage, ob ich ein Zentrum bin oder ein Oberzentrum bin, sondern die Frage wird sein: Was passiert mit diesem Raum? Was hat man erreicht? Wohin will man eigentlich?
Es gibt die Frage nach den raumordnerischen Grundprinzipien, es gibt die Frage nach den Einwohnern, es gibt die Frage nach den finanziellen Möglichkeiten für die Zukunft. Aus all diesen Gründen - das sage ich Ihnen ganz klar - bin ich zum Beispiel für diese Lösung mit fünf Landkreisen. Jeder, der das nicht macht - - Ich weiß auch, dass das bei der SPD umstritten ist.
- Damit wir Sie zwingen können, zu dem Thema Gebietsreform hier im Landtag und nicht auf der ersten oder dritten Seite der „MZ“ Stellung zu nehmen. Das war der Sinn. Und Sie werden nicht von uns erwarten können, dass wir hier noch Ihr Leitbild entwickeln. Das ist Ihre Aufgabe.
Trotzdem, um zum Schluss zu kommen: Die SPD wird jetzt abwarten, was passiert. Wir werden einen eigenen Prozess auch in der Partei vorantreiben. Ich weiß, es gibt Verfechter und es gibt auch Kritiker dieser FünfLandkreise-Lösung.
Ich habe kein Problem damit, das zuzugeben. Ich wunderte mich auch, mit welcher Überzeugung - man kann es auch Arroganz nennen - Sie so tun, als ob in der CDU alle nur ein Leitbild vor Augen hätten. Das können Sie gern sagen, aber ich kenne genug Leute, die das auch anders sehen.
Deswegen werden wir die Diskussion auch so demokratisch aushalten und austragen, wie es sich für eine Partei gehört. Wenn Sie meinen, das werden zwei Leute vorgeben und der Rest muss schlucken - - Aus der Erfahrung der letzten Kreisgebietsreform weiß ich: Wenn hier abgestimmt wird, kommt es für jeden Einzelnen zum Schwur. Ob das dann noch hält, darauf bin ich mal gespannt.
Ich will aber ganz klar sagen, damit das nicht infrage gestellt wird: Wenn konkrete Vorschläge hier vorliegen, wird sich die SPD - was nicht selbstverständlich ist - mit diesen Vorschlägen auseinander setzen. Wenn diese Vorschläge auf einer möglichen Kompromisslinie liegen, die das aufnimmt, was wir alle wollen: Nachhaltigkeit, sinnvolle, auch zeitlich dauerhafte Räume, die nicht nur fünf bis zehn Jahre halten, dann wird die SPD-Fraktion auch als Opposition sich der Mühe unterziehen, zu diesem Konzept ja oder nein zu sagen. Aber es hängt zuallererst, Herr Dr. Daehre, davon ab, was die Regierung hier vorlegt, und zwar die Regierung insgesamt.
Deswegen mein abschließender Satz: Wer kleine Lösungen beschließt - das gerade in die Richtung der CDU -, legt den Grundstein dafür, dass wir in spätestens zehn bis 15 Jahren wieder über die Gebietsreform reden werden.
Herr Bullerjahn, Sie waren bereit, die Frage des Abgeordneten Herrn Madl zu beantworten. Sind Sie auch bereit, eine Frage des Abgeordneten Herrn Gallert zu beantworten? - Zunächst Herr Madl bitte.