denn Sie haben vorhin eingeschoben, die Logik zwischen Einnahmen, Neuverschuldung und Ausgaben herstellen zu wollen.
Es gibt ein Kriterium, das die Ausgaben im Moment bedingt. Das sind die zurückgehenden Zuweisungen des Bundes. Das sind die gleich gebliebenen Steuern, Herr Paqué, nicht die Steuerausfälle. Es gibt gravierende Veränderungen bei den Ausgaben und den Einnahmen, die nicht nur etwas mit Dritten zu tun haben. Es hätte für Sie gesprochen, wenn Sie sich endlich einmal dazu durchgerungen hätten, das hier einmal ehrlich darzustellen. Sie hätten trotzdem noch genug Möglichkeiten, Ihre Kenntnisse, Ihre bisher anscheinend unerkannt schlummernden Talente, die wir jedenfalls noch nicht wahrgenommen haben, auszuleben.
Uns hier aber vorzuwerfen, wir seien nicht in der Lage gewesen, wir seien nicht ehrlich, wir würden nicht erkennen, was Sie alles können, und gleichermaßen solche Zahlen vorzulegen, die eigentlich für sich sprechen, das, Herr Paqué, ist nicht redlich. Deswegen werden wir auch Mittel und Wege finden, eine Haushaltsdebatte im nächsten Jahr trotzdem stattfinden zu lassen. Sie kennen sicherlich genug parlamentarische - -
(Herr Gürth, CDU: Mit welchem Ziel und mit wel- chen konstruktiven Vorschlägen denn? - Oh! bei der SPD)
- Dass Sie, Herr Gürth, und auch andere im Wahlkampf den Menschen ganz klar sagen müssen: Was haben wir als CDU und FDP einmal versprochen? Wir haben versprochen, zu konsolidieren. Wir haben versprochen, die Investitionsquote hoch zu halten. Wir haben allen alles versprochen. Leider ist aber der böse Kanzler daran Schuld, diese unfähige Opposition, dass wir das alles nicht einhalten konnten. Das werden wir Ihnen auch im nächsten Jahr sagen.
Eine Frage an die Opposition ist immer wieder gestellt worden, nämlich die, womit wir unsere eigenen Standpunkte und Überlegungen speisen. Da ist auch eine Frage, die ich weitergeben möchte, nämlich die Frage: Warum verändern sich Dinge, die wir alle scheinbar nicht richtig im Blick haben? Eine Frage ist nämlich die nach der Demografie. Sie scheinen diese Frage bei bestimmten Entscheidungen überhaupt nicht zu berücksichtigen. Ich komme nachher noch auf diese Frage zu sprechen.
(Herr Tullner, CDU: Warum machen wir denn die Hochschulreform und die Schulentwicklungspla- nung? Das ist doch Blödsinn!)
Das heißt, ein Finanzminister, welcher Farbe auch immer, wird immer wieder hier verteidigen müssen, dass in Zukunft die öffentlichen Haushalte - übrigens auch unser Haushalt - spürbar abnehmen werden. Das ist im Prinzip dann kein Versagen irgendeines Politikers, sondern, wenn man sich einmal die Einnahmenstruktur anschaut, ganz normal. Wulf Gallert hat vorhin darauf hingewiesen, dass es eben nicht mehr möglich ist, die zurückgehenden Einnahmen durch irgendein Wirtschaftswachstum zu kompensieren.
Herr Scharf, Sie dürften gewisse Kreisläufe auch kennen. Wenn man ein Wachstum von 0,5 % hat, dann gibt es noch lange keine positive Bewegung auf dem Arbeitsmarkt. Deswegen: Lassen Sie die Kirche auch bei Ihren wirtschaftlichen Erfolgen im Dorf.
Sie treiben die Gesamtverschuldung auch aufgrund der Neuverschuldung der letzten Jahre auf einen Betrag von 20 Milliarden €. Insofern von Konsolidierung zu sprechen, halte ich wirklich für mehr als überzogen. Sie sind gescheitert - ich habe es gesagt - an den zu hohen Ansprüchen, an politischen und handwerklichen Fehlern und nicht, wie eben erwähnt, nur an den vorhandenen Rahmenbedingungen. Diese gibt es auch. Es gibt aber auch fünf Länder, die alle dieselbe Bundesregierung haben und damit unterschiedlich umgehen.
Das mag in einer solchen Debatte manchmal schwierig sein. Doch wir haben damals immer zu hören bekommen: Es gibt andere Konstellationen. Aber auch dann, Herr Scharf, gilt das für beide Seiten, für die, die vorher regiert haben, und für die, die jetzt regieren.
Wie kam es zu diesem Scheitern? - Die Regierung und die sie tragende Koalition haben versäumt, ein komplexes Leitbild für die Entwicklung des Landes aufzustellen und auch danach zu leben. Sie haben keine Vision für dieses Land, aus der deutlich wird, wohin Sie eigentlich mit ihm wollen, bzw. aus der abzuleiten ist, wie Sie zu diesem Ziel, dieser Vision kommen. Sie haben viel Stückwerk gemacht. Es wird in den nächsten Monaten auch unsere Aufgabe sein, dies immer wieder darzustellen.
Ich glaube aber, solange man nicht eine Vision hat, wird man auch keine Generallinie finden. Sie haben - das hat mich sehr überrascht, besonders nach Ihrer anfänglichen Diskussion im Wahlkampf und zu Beginn der Wahlperiode - den Mut verloren, Sie haben nicht die Unabhängigkeit und die Entschlossenheit gehabt und auch das Stehvermögen vermissen lassen, bestimmte Strukturveränderungen - ich möchte hier nur die Gebietsreform ansprechen - umzusetzen und durchzuziehen.
Sie selbst wissen nur zu gut - das unterstelle ich Ihnen; ich werde es gleich ansprechen -, wie wichtig diese Schritte wären. Sie haben Sie nicht gemacht. Sie haben uns damals vorgeworfen, wir wären aufgrund irgend
welcher politischen Konstellationen zu schwach gewesen, wie zum Beispiel bei der Gebietsreform. Sie haben eine Mehrheit, die aus Ihrer Sicht viel stabiler ist. Sie haben vieles unterlassen. Ich glaube, das ist auch das prinzipielle Problem. Sie hatten hier am Anfang so eine Stimmung nach dem Motto: Wir packen das an. - Dabei blieb es auch.
Aus irgendwelchen Gründen - dazu komme ich gleich noch - gibt es diese Stimmung nicht mehr. Diese Erkenntnis gibt es übrigens mittlerweile auch außerhalb der SPD. Es gibt ein Gutachten eines wirtschaftswissenschaftlichen Institutes - es ist das IfW, ich sage es gleich, bevor wieder ein Zuruf von Herrn Gürth kommt -, in dem geschrieben steht - ich zitiere -:
„Den derzeit praktizierten Förderprogrammen des Landes Sachsen-Anhalt liegt kein konsistentes und politisch legitimiertes Kriterium oder Zielsystem zugrunde. Aus den Regierungserklärungen und anderen vorliegenden Veröffentlichungen der Regierung lässt sich nur begrenzt auf eine Art Leitbild für die Förderpolitik und für die Landespolitik allgemein schließen.“
Das ist das, was ich meine. Man kann darüber streiten und kann Reinhard Höppner, Manfred Püchel und anderen vorwerfen, sie hätten ein falsches Leitbild gehabt. Nur sollte man sich dann einmal aufmachen, ein eigenes zu konzipieren. Ich glaube, dann ist die Kritik berechtigt.
Die SPD darf für sich in Anspruch nehmen, in SachsenAnhalt inhaltlich auf dem Weg zu sein, weiter zu sein, als es so manche Diskussionen in der Regierung und auch in den Mehrheitsfraktionen sind.
Ich will Ihnen das anhand einiger ausgewählter Ausgabenbereiche des Haushaltes erklären, zuerst natürlich am Beispiel der Wirtschaft. Nur, das auszuführen, würde zu weit gehen. Ich will mich auf den Punkt beschränken, der schon mehrfach angesprochen worden ist, die Förderung.
Ich will einmal eines sagen: Der Streit, diese kreative Diskussion, die jetzt stattfindet, hat doch eine Grundlage und die wird immer wieder vergessen. Minister Rehberger hat doch eigentlich für dieses und für das nächste Jahr gar kein Geld mehr, zusätzliche Investitionen, Investitionen, die nicht schon durch Fördermittelbescheide beschieden wurden, überhaupt nur zuzusagen.
Das heißt, Diskussionen wie ich sie jetzt immer höre, dass wir Regionen abhängen würden, bestimmte sektorale Bereiche der Wirtschaft abhängen würden, sind im Moment akademischer Natur. Sie sollen aber einem dienen - damit bin ich bei Herrn Scharf -: die Zeit vorzubereiten, in der das Geld noch knapper wird. Denn es ist nicht nur ein ideologischer Streit, in dem immer die Frage aufkommt, ob ich die Wirtschaft lenken kann oder nicht, sondern er hat einen handfesten Hintergrund, nämlich den Hintergrund, dass das Geld immer knapper wird.
Da wird man irgendwann, wenn man fünf Investoren hat und sich vielleicht nur noch einen leisten kann, die Frage beantworten müssen, welchen von denen man nimmt. Da würde ich mir trotz liberaler Weitsicht wünschen, dass man die Raumordnung - Herr Daehre, das müssten Sie eigentlich Ihrem Wirtschaftsminister sagen - ein wenig berücksichtigt.
Es kann doch nicht sein, dass man sagt: Egal, wohin der Investor will, wir werden ihm mit dem kaum noch vorhandenen Geld folgen.
(Herr Gürth, CDU: Das ist Traumtänzerei! - Minis- ter Herr Dr. Rehberger: Das ist pure Theorie! - Weitere Zurufe von der CDU)
- Das ist doch Ihnen überlassen. Ich habe den Finanzminister auf einem sehr guten Podium, bei den Arbeitgeberverbänden, gehört, wo, glaube ich, allen Beteiligten klar war, dass man sich in Zukunft auf Wachstumszentren konzentrieren und bestimmte Überlegungen anstellen sollte, das weniger werdende Geld zu konzentrieren. Sie sind anscheinend der einzige, Herr Minister, der das nicht mitbekommt. Das ist aber Ihr Problem. Es ist auch insofern egal, als das nächste Geld im Jahr 2007 zur Verfügung stehen wird, und dann werden Sie wahrscheinlich nicht mehr dabei sein.
Deswegen lassen Sie mich drei, vier Punkte von dem ansprechen, was wir wollen. Wir wollen diese Konzentration. Frau Budde hat das mehrfach auch öffentlich geäußert. Es geht nicht darum, Regionen abzuhängen. Es gibt eine Grundförderung, und aufgrund eines Leitbildes geht es darum, Unternehmen wie auch Strukturen - ob Cluster oder was auch immer; die Diskussion ist auch da sehr theoretisch - eine zusätzliche Förderung zukommen zu lassen.
Ich sage Ihnen eines, Herr Rehberger: Das, was ich immer wieder erkenne, ist die Angst vor den Konsequenzen. In theoretischen Fachseminaren ist man sich immer einig, bloß wenn es an die Öffentlichkeit geht, wird derjenige geprügelt, der es sagt. Aber Sie machen es trotzdem schon. Ich will auf Klemme nicht eingehen, aber Sie habe es in praxi gemacht. Sie haben in praxi einem Unternehmen, das wächst, das ein mittelständisches Unternehmen war, aus aus Ihrer Sicht guten Gründen die Förderung verwehrt. Nichts anderes hat die SPD aufgeschrieben und zur Diskussion gestellt.
- Ich sage mal eines, Herr Rehberger: Es ist ein Unterschied, ob Sie das von dem Schreibtisch eines Wirtschaftsministers aus machen oder ob es dazu ein Leitbild gibt, das alle, ob Unternehmer oder Einwohner, auch Partner, die das in der Region aushalten müssen, nachvollziehen können.
Deswegen sage ich es noch einmal: Das muss man doch jetzt aushalten können, dass wir eine andere Sicht auf die Dinge haben.
Ich weiß doch im Innersten, dass Sie das Problem genauso haben, wie es jeder andere Wirtschaftsminister hätte: Sie haben einfach kein Geld mehr. Sie werden diese Entscheidung umsetzen und irgendwann sagen müssen: da und da nicht.