(Frau Dr. Sitte, PDS: Das macht Ihre Rede auch nicht besser! - Herr Tullner, CDU: Ihre Einwürfe aber auch nicht, Frau Sitte!)
Aber kommen wir vielleicht auf das Land Sachsen-Anhalt zurück. Die positiven Meldungen über das Ansteigen der Gewerbesteuereinnahmen im Land SachsenAnhalt im ersten Halbjahr 2004 freuen uns natürlich. Aber ich warne davor, zu sehr in Euphorie zu verfallen. Wir haben gerade bei den Gewerbesteuereinnahmen schnell ein Auf und Ab erlebt und eine konstante Entwicklung möchte ich an dieser Stelle zu diesem Zeitpunkt noch nicht prognostizieren. Ich kann mir eher eine Stabilisierung oder einen Anstieg auf einem insgesamt nur sehr niedrigen Niveau vorstellen.
Nehmen wir die Ich-AGs, die auf Bundesebene als der Initialzünder für mehr Beschäftigung initiiert worden sind. Ohne dass Geschäftspläne vorgelegt werden mussten, wurde eine Förderung bewilligt. Nur so war es möglich, dass sich Arbeitslose aus der Perspektivlosigkeit in zum Teil waghalsige Unternehmungen flüchten konnten, von denen zu viele mit menschlich schlimmen Schicksalen diesen Weg schon wieder aufgeben mussten. Wir werden nach drei Jahren sehen, wie sich die Entwicklung der Ich-AGs abzeichnet. Wir prognostizieren, dass dieses arbeitsmarktpolitisch ein teurer, aber letztlich ein relativ ineffektiver Weg ist, den die Bundesregierung eingeschlagen hat.
Wenn wir uns die Personalserviceagenturen anschauen - was sollten diese für ein Jobwunder verursachen. Die Personalserviceagenturen haben nur sehr teure Arbeitsplatzvermittlungen durchgeführt. Jeder von den Personalserviceagenturen vermittelte Arbeitsplatz wird mit knapp 30 000 € subventioniert. Beim Jobfloater haben wir gar eine Subvention von 73 000 €. Dies, meine Damen und Herren, sind teure, ineffektive Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die uns leider nicht auf dem Weg voranbringen, mehr Menschen in Arbeit zu bringen und mehr Menschen insbesondere auf dem ersten Arbeitsmarkt in Arbeit zu bringen.
Viel wichtiger wäre es gewesen, deutliche Schritte zu gehen, um die Lohnnebenkosten in ganz Deutschland zu senken und in Deutschland
Zum Kompromiss bei der Gesundheitsreform haben wir gestanden, und ich kann durchaus bei der Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung gewisse Fortschritte erkennen, die wir erreicht haben. Wir haben zu diesem Kompromiss auch gestanden. Wir haben diesen Kompromiss in der öffentlichen Diskussion nicht zerredet. Freilich wissen wir: Wir haben auf diesem Gebiet wahrscheinlich nur ungefähr bis zum Jahr 2006 oder 2007 Zeit. Bis dahin müssen wir neue Konzepte für die Zeit danach gefunden haben. Wir sind als Opposition bereit, unbequeme Wege mitzugehen, wenn sie Sinn machen und wenn sie uns einen Aufzeig geben, dass wir so die Zukunftsgrundlagen unseres Landes und in ganz Deutschland sichern können.
Einige wenige Anmerkungen noch zur Finanzpolitik des Bundes. Die Verschuldung des Bundes wird unter RotGrün um weitere 150 Milliarden € auf 890 Milliarden € anwachsen. Ich will auf Fehlveranschlagungen und auf Luftbuchungen nicht im Einzelnen eingehen. Aber ich habe, meine Damen und Herren, nicht die Gewissheit, dass es uns gelingen wird, die Maastricht-Kriterien wieder einzuhalten.
Dies ist eine ganz bedenkliche Entwicklung für Deutschland. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass wir bei der Einführung dieses Vertrages in ganz andere Länder geschaut und befürchtet haben, dass andere Länder nicht in der Lage sein werden, diese strengen finanzpolitischen Kriterien einzuhalten. Inzwischen stehen wir in Deutschland Jahr für Jahr bei dieser Frage - ich will schon einmal sagen, zu Recht - am Pranger.
Aber, meine Damen und Herren, im Lande Sachsen-Anhalt gibt es durchaus positive Entwicklungen. Die muss man nennen, weil wir den Auftrag haben, für das Land Sachsen-Anhalt Perspektiven aufzuzeigen. Das aktuelle Dynamik-Ranking in der „Wirtschaftswoche“ macht deutlich, dass wir uns in Sachsen-Anhalt ein gutes Stück vom Bundestrend abheben konnten. Im Unterschied zu vielen anderen Ländern konnten wir ein nennenswertes Wirtschaftswachstum von 0,5 % verbuchen. Ich erinnere daran: Der Bund musste minus 0,1 % hinnehmen. Damit haben wir Arbeitslosen in Sachsen-Anhalt eine Perspektive gegeben, um wieder Arbeit finden zu können.
In diesem Dynamik-Ranking wird ausdrücklich auch der erfolgreiche Personalabbau im öffentlichen Dienst gewürdigt. Dieser Umbau der Landesverwaltung ist ein Eckpfeiler unserer Haushaltskonsolidierung. Die „Wirtschaftswoche“, meine Damen und Herren, straft diejenigen Lügen, die das Personalabbaukonzept der Landesregierung kritisiert haben. Im Übrigen ist mir aufgefallen, dass die Kritik der Opposition an unserem Personalabbaukonzept, die in den letzten Jahren noch sehr heftig vorgetragen worden ist, deutlich leiser geworden ist. Wir sind durchaus in der Lage, unsere ehrgeizigen Ziele auf diesem Gebiet umzusetzen.
Wir sollten diese Erfolge selbstbewusst vertreten. Wir brauchen unsere Erfolge beim Aufbau Ost nicht unter den Scheffel zu stellen. Die meisten Wirtschafts- und Strukturinvestitionen im Lande Sachsen-Anhalt waren erfolgreich. Hier wurde in der Regel kein Geld in den Sand gesetzt.
Im verarbeitenden Gewerbe Sachsen-Anhalts stieg der Beschäftigungsumfang im Jahr 2003 gegenüber dem Jahr 2002 um 1,5 %, und dieser Trend hält an. Entgegen dem Bundestrend werden bei uns mehr Unternehmen gegründet als liquidiert. Im ersten Halbjahr 2004 ging die Zahl der Unternehmensinsolvenzen gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres um 4,5 % zurück.
Aber, meine Damen und Herren, all dies reicht im Saldo leider noch nicht aus, weil der Beschäftigungsrückgang hauptsächlich in der Bauwirtschaft alle anderen positiven Tendenzen überdeckt. Wer aber in der Lage ist, kumulative Aussagen differenziert zu betrachten, kann sicher feststellen, dass die Trendwende in Sachsen-Anhalt geschafft ist. Es wird auch der Zeitpunkt kommen, an dem der Saldo aus aufwärts und abwärts gerichteten Tendenzen wieder aufwärts zeigt. Wohlstand für alle ist auch in Sachsen-Anhalt möglich, meine Damen und Herren.
Da die Wirtschaft das Hauptfeld unserer Politik ist, lassen Sie mich einiges zu den Grundsätzen unserer Förderpolitik ausführen. Seit nunmehr etwa einem Jahr wird im Land Sachsen-Anhalt öffentlich über die Konsequenzen aus der zunehmenden Fördermittelknappheit diskutiert. Es geht um die Frage, wie die Kriterien für die Investitionsförderung modifiziert werden sollen. Die Bundesergänzungszuweisungen sinken im Zeitraum von 2005 bis 2006 zwar nur um ca. 0,5 %, bis zum Jahr 2019 sind es jedoch fast 78 %. Die EU-Strukturfondsförderung geht bis zum Jahr 2006 gegenüber dem IstStand um ca. 7 % zurück. Schon ein Jahr später könnte sie sich aber jedoch durchaus halbieren.
Die sektoralen Konsequenzen für die Unternehmensförderung sind, meine Damen und Herren, längst im Gange. Das SPD-Wirtschaftspapier hinkt somit hinter der von uns schon seit langem praktizierten Entwicklung in der Förderpolitik deutlich hinterher, meine Damen und Herren!
Dennoch begrüße ich die Diskussion um die zukünftigen Schwerpunkte der Unternehmensförderung. In der Öffentlichkeit muss das Bewusstsein für abnehmende Förderspielräume geschärft werden. Die Erwartungshaltung von Arbeitgebern und von Arbeitssuchenden wird sich sonst immer weiter von der Haushaltssituation entfernen.
Drei Fragen, meine Damen und Herren, stehen im Mittelpunkt der Diskussion. Die Frage nach den sektoralen Schwerpunktsetzungen hat das Kabinett zum 1. September 2003 neu beantwortet. In einigen Branchen werden nur noch in Ausnahmefällen Förderungen möglich sein: Handel und Logistik, Nahrungsmittelproduktion, Tourismus und Baustoffproduktion.
Damit wird zum Teil auch die zweite Frage, die Frage nach der regionalen Konzentration des Fördermitteleinsatzes beantwortet. In einzelnen Branchen ist die Unternehmensdichte schon heute so hoch, dass jedes einzelne Unternehmen um seinen Bestand fürchten muss. Es wäre daher geradezu paradox, wenn wir einige Regionen von dem notwendigen Umsteuerungsprozess ausnehmen würden, nur weil dort die betroffenen Branchen zu den größten Arbeitgebern zählen. Zum Beispiel ist ein Baustoffproduzent im Mansfelder Land von der Baukonjunktur in Halle abhängig und der Gastwirt im Harz auch von der Reisefreudigkeit der Magdeburger.
Was passiert, wenn Subventionen nicht gesteuert und hinterfragt werden, sehen wir im Ruhrgebiet. Wir müssen also aufpassen, dass bei uns keine Subventionsmentalität aufkommt, dass wir keine Subventionen an den Stellen ausgeben, an denen es nicht unbedingt notwendig ist. Am Ende werden sonst die Unternehmen selbst zu Verlierern, weil sie sich in die Abhängigkeit von der staatlichen Förderung gebracht haben.
Die dritte Frage, meine Damen und Herren, betrifft die Anschlussinvestitionen. Bei einer geringen Unternehmensdichte hat eine Erweiterung eine ähnliche Bedeutung wie die Erstinvestition. Daher müssen Anschlussinvestitionen auch weiterhin gefördert werden. In immer zahlreicheren Fällen müssen wir aber Mitnahmeeffekte befürchten. Da müssen wir dann gegensteuern. Es ist unsere Pflicht, die Wettbewerber und den Steuerzahler vor solchen Auswüchsen zu schützen.
Deshalb sage ich an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich: Die CDU-Fraktion unterstützt das konsequente Vorgehen von Minister Rehberger im Fall der Klemme AG und in ähnlichen Fällen. Wir müssen dabei auch dem öffentlichen Druck standhalten. Wir können es uns nicht leisten, uns die Fördermittel aus der Tasche ziehen zu lassen, während sie uns bei anderen dringend notwendigen Projekten fehlen.
Knappe öffentliche Mittel erzwingen oft heilsame Einsichten. Wir müssen noch mehr tun, um bestehende Unternehmen zu stärken, und dazu muss man nicht immer nur Geld in die Hand nehmen. Bessere Rahmenbedingungen entstehen auch durch Bürokratieabbau und durch eine gute Bildungspolitik. Mit unserer Entbürokratisierungsoffensive und mit der neunten Schulgesetznovelle setzen wir weitere wichtige Signale auch für die Wirtschaft.
Kommen wir zu einigen weiteren Feldern der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Unsere Sozialpolitik wird auf hohem Niveau fortgesetzt. Freilich müssen wir uns angesichts der Mittelknappheit noch stärker als bisher fragen, ob wir schon heute zielgenau fördern oder ob weitere Konzentrationen möglich sind.
Im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik ist aus purer Finanznot das Feststellenprogramm aus der Kabinettsvorlage herausgefallen. Meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion wird versuchen, im Rahmen der Haushaltsberatungen Kompensationen zu finden, um ein stabiles Netz der Jugendarbeit auch weiterhin bedarfsgerecht finanzieren zu können.
Die Ausgaben für Kindertageseinrichtungen steigen im Jahr 2005 um ca. 6,6 Millionen € an. Dies ist durch die steigende Anzahl zu betreuender Kinder und die entsprechende Personalkostenentwicklung begründet.
Wenn wir die Forderungen des Volksbegehrens umsetzen würden, meine Damen und Herren, müssten wir an dieser Stelle nochmals reichlich 41 Millionen € drauflegen. Diese Gelder würden zwangsläufig an anderer, mindestens genauso wichtiger Stelle eingespart werden müssen.
Zum Zweiten möchte ich noch einmal betonen, dass wir das modernste und komfortabelste Kinderförderungsgesetz in ganz Deutschland besitzen.
Mit der sich gegenwärtig in der Beratungsphase befindenden Novelle werden wir dieses Gesetz nochmals ein Stück verbessern und qualifizieren. Mehr ist nach unserem familienpolitischen Leitbild aber auch nicht notwendig. Das Notwendige werden wir jedoch bezahlen.
Ich appelliere eindringlich an die SPD, sich jetzt nicht in die Büsche zu schlagen, wie Kanzler Schröder einmal in anderem Zusammenhang zu formulieren beliebte, sondern zu dem einmal gefundenen Kompromiss zu stehen. Ich sage es ganz deutlich in Richtung SPD: Wir stehen mit Ihnen gemeinsam zur Reform der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen auch bei dem von uns gemeinsam verabschiedeten Kinderbetreuungsgesetz bleiben. Sonst handeln Sie unredlich, meine Damen und Herren.
Dabei habe ich mit einigem Schmunzeln gesehen, dass dies der Parteitag sein wird, der Sie wieder auf den Weg zur Regierungsfähigkeit bringen wird.
Aber von mir aus, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, können Sie ruhig weiter üben. Wir haben uns in der Arbeit mit der FDP gut eingespielt und wir werden mit der FDP auch weiterhin gut zusammenarbeiten.