Protocol of the Session on September 16, 2004

Das Land Sachsen-Anhalt wird in beiden Haushaltsjahren Mittel in Höhe von ca. 2,3 Milliarden € des 9,9 Milliarden € umfassenden Gesamthaushalts für das Personal aufwenden. Im Vergleich zum Haushaltsplan 2004 ist dies ein erfreulicher Wert, denn darin waren immerhin 434 Millionen € mehr für Personalkosten veranschlagt. Hierbei schlagen die Arbeitszeitkonten der Lehrer mit 254 Millionen € sowie Ausgliederungen in Höhe von 153 Millionen € in die Hauptgruppe 6 zu Buche.

Es gibt aber nicht unerhebliche Belastungen im Haushaltsjahr 2005. Ich möchte darauf hinweisen, dass 60 Millionen € für Sozialversicherungsbeiträge im Jahr 2005 wieder fällig werden, die aufgrund der Verschiebung des Auszahlungstermins für die Angestelltenvergütungen im Jahr 2004 einmal nicht fällig waren. Aber das ist ein einmaliger Effekt, den wir in den nächsten Jahren wieder beachten müssen.

Lassen Sie mich jetzt zu der angesprochenen Thematik „Sonderzuwendung“ kommen. Im letzten Jahr wurde das so genannte Weihnachtsgeld drastisch gekürzt und das Urlaubsgeld vollständig gestrichen. Die CDU-Fraktion hat dies als zwischen der Landesregierung und dem Beamtenbund ausgehandelten Konsolidierungsbeitrag der Beamten bis zum Jahr 2006 angesehen.

Meine Damen und Herren! Wenn es notwendig sein sollte, dass dieser Konsolidierungsbeitrag noch stärker als bisher eingefordert wird, so kann ich den Unmut der Betroffenen an dieser Stelle tatsächlich verstehen. Aber ich bitte Sie zu bedenken, dass es eine ganz bittere Wahrheit gibt. Ich weiß nicht, wie in diesem Haushalt noch Mittel in Höhe von 27 Millionen € seriös erwirtschaftet werden können.

Ich möchte daher alle Beteiligten bitten, den Wahlkampf nicht auf Kosten der Bediensteten des Landes zu eröffnen und auf Plätzen oder durch Pressemitteilungen nicht Hoffnungen zu wecken, die im Laufe der Haushaltsberatungen wieder eingesammelt werden müssen. Eine endgültige Entscheidung wird erst mit der zweiten Lesung getroffen werden. Wer jetzt schon meint, Verteilungsspielräume dieser Größenordnung zu erkennen, der kennt den Haushalt wesentlich besser als ich, aber der soll dann auch die entsprechend fundierten Vorschläge machen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Zu- rufe von Herrn Bullerjahn, SPD, und von Herrn Bischoff, SPD)

- Wohin habe ich jetzt geguckt?

(Zuruf von Herrn Felke, SPD)

- Wie bitte?

(Zurufe von Herrn Felke, SPD, und von Herrn Bi- schoff, SPD)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nun auf einige Schwerpunkte näher eingehen.

Schwerpunkt unseres Handelns sind natürlich die Anstrengungen, auf den Gebieten der Wirtschaftsförderung und der Schaffung von mehr Arbeitsplätzen voranzukommen. Danach kommen die so genannten weichen Politikfelder. Die weichen Politikfelder wie die Sozialpolitik, die Bildungspolitik usw. haben aber durchaus harte Fakten, die mit über die Zukunft unseres Landes entscheiden werden. Aber an erster Stelle steht nun einmal die Aufgabe, alles zu unternehmen, um die Wirtschaft und den Faktor Arbeit im Land Sachsen-Anhalt zu stärken.

Dabei müssen wir bedenken, dass unsere Ressourcen, insbesondere die finanziellen Ressourcen, endlich sind. Der Haushalt bildet deshalb ab, in welcher Qualität die Politik in der Lage ist, nachhaltige Entwicklungen im Land Sachsen-Anhalt zu initiieren. Finanzminister Herr Paqué hat mit eindringlichen Worten dargestellt, welches Schuldenszenario auf uns zukommt, wenn es uns nicht

gelingt umzusteuern. Die Landesregierung hat den festen Willen umzusteuern. Der Haushaltsplanentwurf 2005/2006 ist ein Zeugnis des Umsteuerns. Die Koalitionsfraktionen werden die Regierung bei der Durchsetzung der haushaltspolitischen Eckwerte nachhaltig unterstützen, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU)

Es kann deshalb überhaupt nicht die Rede davon sein, dass wir Gefahr laufen, das Land kaputt zu sparen; das ist ein Szenario, das die PDS an die Wand zu malen beliebt. Nein, die Gefahr liegt woanders. Wenn wir jetzt nicht zügig und konsequent handeln, dann werden wir in einigen Jahren in eine Situation kommen, in der wir Zins- und Tilgungszahlungen nicht mehr leisten können. Dann wird das Land Sachsen-Anhalt nicht mehr steuerbar sein. Das ist in meinen Augen die größere Gefahr. Diese Gefahr muss abgewendet werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Trotz der angespannten Haushaltslage ist es der Landesregierung gelungen, eine insgesamt befriedigende Investitionsquote von 18,2 % bzw. von 17,2 % auszuweisen. Ich denke, dass dieser Wert ausreichend ist.

Wichtiger als der Haushaltsansatz für Investitionen ist aber der Vollzug der Investitionen. Hiermit möchte ich den Bogen zum Anfang meiner Rede spannen. Dort habe ich die Wichtigkeit eines punktgenauen Vollzuges betont. Denn eines muss uns allen klar sein: Gelingt es dem Finanzminister nicht, den Haushalt punktgenau zu steuern, so können wir, um die haushaltspolitischen Eckwerte einzuhalten, im Vollzug nur bei den Investitionen sparen, was wir alle jedoch nicht wollen. Also müssen wir ein großes Interesse daran haben, den Haushalt so umzusetzen, wie wir ihn planen.

Die Steuerdeckungsquote verzeichnet nach den Prognosen der Steuerschätzer ein erfreuliches Plus von knapp 3 % auf 44,6 % im Jahr 2006.

Meine Damen und Herren! Die politische Lage eines Landes hängt entscheidend von der Einschätzung der Lage durch die Bevölkerung und durch die Entscheidungsträger in der Wirtschaft und in der Gesellschaft selbst ab. Insofern sind positive und negative Rückkopplungen möglich.

(Frau Bull, PDS: Das ist zutreffend! - Zuruf von Frau Dr. Sitte, PDS)

Das heißt, wir können verstärken oder schwächen. Deshalb ist es den Politikern gleichermaßen verboten, schwarz zu malen oder eine rosarote Brille aufzusetzen; denn die Langeeinschätzung, die wir für das Land Sachsen-Anhalt äußern, wird unmittelbar Einfluss auf die Entwicklung unseres Landes haben. Lassen Sie mich deshalb einige Beispiele für Lageeinschätzungen vortragen, die mir durchaus zu denken geben. Dabei gehe ich über die Grenzen Sachsen-Anhalts hinaus.

Es gibt eine ernüchternde Umfrage des Bundesverbandes Deutscher Banken vom April dieses Jahres. Danach glauben nur noch 33 % der Befragten, dass es den Menschen in Deutschland besser geht als unseren westeuropäischen Nachbarn. Gefragt nach den sozialen Sicherungssystemen sind nur 6 % der Ansicht, dass diese in Ordnung seien, größere Probleme sehen 50 % und sogar 42 % der Bevölkerung sehen diese vor dem Zusammenbruch.

Die Konjunkturumfrage der IHK Magdeburg im zweiten Quartal 2004 stand unter der Überschrift „Geringe Abschläge in der Lage, Erwartungen konstant“. Die leichten Zugewinne in der Geschäftslage werden insbesondere von der Industrie, vom Großhandel und vom Verkehr getragen. Der Einzelhandel und die Gastronomie geben von dem bereits niedrigen Niveau aus noch stärker nach. Die Investitionsabsichten sind zum Glück wieder gestiegen. Das Exportvolumen gibt allerdings erneut nach. Erfreulich stimmt der positive tragende Einfluss der Industrie, der darauf hoffen lässt, dass es in der zweiten Jahreshälfte wieder aufwärts geht.

Meine Damen und Herren! Die Bevölkerung schätzt die Lage als sehr schlecht ein. Die Industrie hält die Lage für ambivalent. Die Politik ist also gefordert, durch berechenbare Schritte notwendige Reformen in Deutschland einzuleiten, zu beschließen, umzusetzen und diesen Weg auch durchzuhalten.

Die Industrie muss die Gewissheit bekommen, dass wir keine „Umfaller“ sind. In der Bevölkerung muss die Gewissheit zunehmen, dass unsere Maßnahmen auch wirklich sinnvoll sind. Wir müssen die Menschen auf ihrem Weg - um mit den Worten von Altbischof Leo Nowak zu sprechen - mitnehmen; wir müssen die Wahrheit menschenfreundlich sagen.

Bei aller Notwendigkeit deutlicher Reformen will ich eines aber ganz klar sagen: Jeder Politiker, der meint, mit der Brechstange arbeiten zu müssen, und jeder Populist, der meint, er müsse das Geld nur umverteilen und wenn man es bei den Reichen hole, werde es schon ausreichen, der wird unweigerlich zur Radikalisierung der Bevölkerung beitragen, mit all den unabsehbaren Konsequenzen, die dann auf uns zukommen können.

(Beifall bei der CDU und von der Regierungs- bank)

Meine Damen und Herren! Wirtschaftliche Erfolge in Deutschland haben wir noch immer dem sozialen Frieden zu verdanken. Wir haben in Deutschland die geringste Anzahl von Streiktagen. Wir kennen keinen Generalstreik. Wir kennen auch keine Ghettos und keine Slums. Wir kennen auch nicht die Situation, dass jemandem notwendige medizinische Leistungen vorenthalten werden, weil er diese nicht bezahlen kann.

Meine Damen und Herren! Warum sage ich das? - Ich sage das deshalb, weil in einer globalisierten Welt mit einem zunehmenden Kostendruck auf all unsere Waren und Dienstleistungen diese heute selbstverständlichen Tatsachen auf Dauer keine Selbstverständlichkeiten mehr sein werden, wenn es uns nicht gelingt, den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder so fit zu machen, dass mit einem ausreichenden Wirtschaftswachstum Wohlstand für alle auf Dauer gesichert werden kann. Das ist die Wahrheit, der wir entgegensehen müssen.

Aber die Wirtschaftspolitik des Bundes, meine Damen und Herren, ist leider nicht so, dass man sich darüber freuen könnte. Betrachten wir die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik des Bundes. Gut zwei Jahre nach der Veröffentlichung des Hartz-Konzeptes am 16. August 2002 ist von dem Versprechen, die Arbeitslosenquote innerhalb von drei Jahren zu halbieren, keine Rede mehr. Wollte man dieses Ziel noch erreichen, müssten in jedem der verbleibenden elf Monate jeweils knapp 200 000 Menschen in Lohn und Brot gebracht werden. Dieses Vorhaben schätzt wohl jeder als nicht erreichbar ein.

Zugleich werden die dramatischen Fehleinschätzungen von Rot-Grün in Bezug auf die volkswirtschaftliche Lage in unserem Land deutlich. Der Finanzminister hat meiner Auffassung nach zu Recht darauf hingewiesen, dass das Land Sachsen-Anhalt in erheblichem Maße von bundesinduzierten Entwicklungen abhängig ist, die das kleine Land Sachsen-Anhalt beim besten Willen nicht beeinflussen kann.

(Frau Dr. Sitte, PDS: Sie haben doch die Arbeits- marktreformen mitbestimmt! - Weitere Zurufe von der PDS)

- Ich komme noch auf Fakten zu sprechen, die wir im Land Sachsen-Anhalt sehr schmerzlich zu spüren bekommen haben und die wir selbst so nicht beschlossen haben, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU - Frau Dr. Sitte, PDS: Tun Sie nicht so, als ob Sie damit nichts zu tun gehabt hätten!)

Ich darf darauf hinweisen, dass bis Mitte Januar 2003 die Wachstumserwartungen in der Bundesrepublik von 2,25 % auf 1,0 % zurückgenommen werden mussten und wir zum Ende des Jahres überhaupt kein Wachstum, sondern sogar ein Minuswachstum - allein dieses Wort ist schon eine besondere Sprachschöpfung - von 0,12 % hatten. Angesichts dieser Daten muss man doch sehen, dass zwischen den ursprünglich von der Bundesregierung prognostizierten wirtschaftspolitischen Entwicklungen und den tatsächlichen Geschehnissen in Deutschland Welten liegen. Hierauf mussten wir Antworten geben, Antworten auf Entwicklungen, mit denen zum Zeitpunkt der Prognose der Bundesregierung beim besten Willen niemand hatte rechnen können.

Statt die Wirtschaftspolitik auf den Mittelstand zu konzentrieren - das ist ein Kritikpunkt, den ich an dieser Stelle anbringen möchte -, hat die Bundesregierung in für uns unverständlichem Maße auf die spezifischen Wünsche von Großunternehmen Rücksicht genommen.

(Frau Bull, PDS: Das haben wir im Land auch ge- tan, Herr Scharf!)

Dass der Bund den Unternehmen im Jahr 2001 eine halbe Milliarde Euro zurückerstatten musste und Großkonzerne wie BMW und E.ON heute an keinem deutschen Standort mehr Gewerbesteuer zahlen, kann keine auf Dauer gewollte Entwicklung in Deutschland sein. Das sind wirtschafts- und steuerpolitische Fehlsteuerungen der Bundesregierung.

(Zustimmung bei der CDU - Frau Dr. Sitte, PDS: Genau!)

Dies haben wir der Bundesregierung - so meine ich, Frau Dr. Sitte - auch rechtzeitig und deutlich genug vorgehalten.

(Zuruf von Frau Dr. Sitte, PDS - Herr Dr. Höpp- ner, SPD: Das war das Verhalten der CDU im Vermittlungsausschuss!)

- Sie wissen doch selbst, dass das Geschehen im Vermittlungsausschuss sehr komplex gewesen ist

(Lachen bei der PDS)

und dass wir uns als Union im Vermittlungsausschuss längst nicht so mit unseren Forderungen haben durchsetzen können, wie wir dies angedacht hatten.

(Zurufe von der SPD)

Das muss man als Wahrheit auch so stehen lassen. - Es ist schön, dass Sie wieder einmal im Landtag vorbeischauen.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Vielleicht sollten Sie uns dann auch einmal über die Kungelgeschäfte aufklären, die in den letzten Jahren im Hintergrund abgelaufen sind. Ich glaube, da gibt es noch einiges zu bereden, meine Damen und Herren.

(Frau Dr. Sitte, PDS: Das macht Ihre Rede auch nicht besser! - Herr Tullner, CDU: Ihre Einwürfe aber auch nicht, Frau Sitte!)