Protocol of the Session on July 9, 2004

(Herr Scharf, CDU: Eine Kriegsgebietsreform wol- len wir nicht! - Heiterkeit bei der CDU)

- Herr Scharf, man kann sich ja einmal versprechen. Sie gestatten? - einer Kreisgebietsreform heraus verständlich.

(Frau Feußner, CDU: Man darf auch mal lachen! - Herr Tullner, CDU: Sie bekommen auch eine Minute mehr Redezeit!)

- Danke, das gefällt mir sehr.

(Heiterkeit)

Die Landesregierung erklärte wiederholt, dass der Beschluss des Landtages vom 17. Januar 2002 die Leitlinie für ihr weiteres Handeln darstellen werde, nachdem die

sich damals in der Opposition befindliche CDU-Fraktion diesen in der vergangenen Legislaturperiode noch abgelehnt hatte.

Es galt, diesen Antrag durch die Landesregierung umzusetzen und, wie gesagt, in Gesetzesform zu gießen. Nachdem der Minister dies zunächst für das Jahr 2002 ankündigte und nichts passiert war, sprach er in der Landtagsdebatte am 12. Dezember 2002 dann darüber, dass im ersten Quartal des Jahres 2003 die Einbringung eines solchen Gesetzentwurfes folgen sollte. Aber wir wissen: Es passierte auch dann noch nichts.

Ein halbes Jahr später anlässlich der zweiten Lesung des Entwurfes eines Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetzes kündigte der Minister an, bis zum 30. Juni 2003 alle Aufgaben der Landesverwaltung zu erfassen. In dieser Debatte kündigte er für das Jahr 2003 die Einbringung eines Entwurfes eines Gesetzes zur Funktionalreform an. Es sollte nach der Aussage des Ministers Regelungen zur Verlagerung staatlicher Aufgabe auf die kommunale Ebene und Regelungen zur interkommunalen Aufgabenverlagerung enthalten. Aber auch im Jahr 2003 wurde leider kein Gesetzentwurf vorgelegt.

Jetzt endlich, im Sommer des Jahres 2004, brachte die Landesregierung einen Gesetzentwurf ein, der von uns mit Spannung erwartet wurde. Umso enttäuschter waren wir, als wir sahen, was nach all den Ankündigungen und Versprechungen herausgekommen war. Nach dieser langen Vertröstungstaktik liegt nun ein unserer Meinung nach unzureichender Gesetzentwurf vor. Die CDU hat es in der Zeit nicht geschafft, ein Konzept zur Verwaltungs- und Gebietsreform zu entwickeln, sondern sie betreibt kontinuierlich Stückwerk. Dadurch geht Zeit verloren, Zeit, die wir nicht haben und die sich SachsenAnhalt auch nicht leisten kann.

Der Tagesordnungspunkt 25 der heutigen Sitzung - es handelt sich um einen Antrag von der CDU und von der FDP - betrifft die Übertragung von Kreisstraßenmeistereien auf das Land. Er spiegelt die Widersinnigkeit des Handelns der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen wider. Aufgrund der ausgebliebenen Kreisgebietsreform sind viele kleine Kreise vorhanden. Dadurch treten Effizienzverluste deutlich zutage. Nun wollen Sie diese Effizienzverluste ausgleichen, indem Sie Aufgaben von den Kreisen an das Land übertragen. Das ist also eine Verwaltungsreform, wie sie CDU und FDP verstehen.

(Zuruf von Herrn Dr. Daehre, CDU)

Es findet nicht eine Kommunalisierung statt, sondern die Aufgaben gehen von unten nach oben, von den Kommunen auf das Land.

(Herr Tullner, CDU: Wo denn?)

- Gucken Sie sich mal Ihren Antrag an.

(Herr Tullner, CDU: Welchen Antrag?)

Wenn Sie, wie in der Begründung des heute zu verhandelnden Antrages zu den Kreisstraßenmeistereien steht, 300 Stellen von den Kreisen auf das Land verlagern wollen, dann ist die Bilanz für die Kreise einfach negativ.

(Herr Schröder, CDU: Ihre Kollegen im Ausschuss begrüßen das!)

112 Stellen bekommen sie aufgrund Ihres Funktionalreformgesetzes, 300 Stellen werden ihnen genommen. Das macht im Saldo ein Minus von 188 Stellen. So sieht

die Bilanz aus. Der Antrag bringt einen Lösungsansatz für ein kleineres Teilgebiet der Verwaltung zum Ausdruck. Wiederum nur eine Teillösung - ein weiterer Beitrag zur Flickschusterei. Es fehlt bereits das angemahnte Gesamtkonzept. Stattdessen wird es von Zeit zu Zeit immer wieder zu Einzellösungen bzw. zu Einzelbetrachtungen kommen müssen.

Zu dem, was der Gesetzentwurf im Einzelnen an Aufgabenübertragungen enthält, nur so viel: Der wesentliche Teil der Aufgaben stammt aus der Umweltverwaltung. Die Bereiche darüber hinaus sind nicht Bestandteil des Gesetzes. Zum Beispiel werden Aufgaben wie die Überwachung der Fischetikettierung auf die Landkreise und kreisfreien Städte übertragen. Aber das sind alles Dinge, über die wir im Ausschuss zu diskutieren haben.

Ihr Gesetzentwurf, Herr Jeziorsky - das ist einmalig -, enthält keine Regelungen zum Personalübergang. Wie man dem Vorspann entnehmen kann, haben dies auch die Gewerkschaften kritisch bemerkt. Die Landesregierung lehnt eine solche Regelung mit der Begründung ab, es werde eine abschließende Rahmenvereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden geben. Das haben Sie ja bereits vorhin gesagt. Uns verwundert es aber, denn leider wurde die Vereinbarung aus der letzten Legislaturperiode zwischen der Landesregierung und den Gewerkschaften gerade zu diesem Thema nach der Landtagswahl als unverbindlich abgetan und abgewertet.

Die Regelungen zum finanziellen Ausgleich und zum Personalmehrbedarf sind natürlich in den Ausschussberatungen zu hinterfragen. Da wird es schon interessant sein, was die kommunalen Spitzenverbände tatsächlich in einer Anhörung zu den vorgeschlagenen Änderungen sagen werden.

Die interkommunale Funktionalreform ist in diesem Gesetzentwurf nicht berücksichtigt worden. Aber in dem Gesetz zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der gemeindlichen Verwaltungstätigkeit sind in Artikel 3 mit einem Umfang von weniger als zwei Personalstellen pro Kreis Aufgaben an die gemeindliche Ebene übertragen worden. An diesen „Erfolg“ knüpfen Sie mit dem ersten Funktionalreformgesetz nahtlos an. Dazu kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch! Es kann also nur besser werden. Wir hoffen, dass nach diesem ersten Funktionalreformgesetz noch Weiteres kommt.

Der Boden für ein weiteres substanzielles Funktionalreformgesetz wird tatsächlich erst im Zusammenhang mit einer Kreisgebietsreform bereitet. Diesen Zusammenhang haben Sie konsequent ignoriert. Sie haben immer behauptet, Sie könnten die Aufgabenbereiche gemäß dem Landtagsbeschluss vom 17. Januar 2002 auf die jetzt bestehenden Landkreise verlagern. Mit dem heute eingebrachten mageren Funktionalreformgesetz räumen Sie unserer Meinung nach ein, dass das gerade nicht geht.

Wir wollten, dass die Kreisgebietsreform zur Jahresmitte 2004 wirksam wird. Wir wollten die Kreisstrukturen sowohl um ihrer selbst willen effizient gestalten als damit auch die entscheidende Voraussetzung für eine umfassende Funktionalreform schaffen. Auf Landesebene verbleibende Aufgaben hätten wir in einem schlanken Landesverwaltungsamt zusammenfasst.

Sie haben die Umweltexperten erst im Landesverwaltungsamt zusammengezogen, um dann einen kleinen

Teil auf die Kreisebene zu versetzen. Sie haben das Pferd vom Schwanz her aufgezäumt. Einer substanziellen Funktionalreform muss jedoch die Kreisgebietsreform unmittelbar vorausgehen.

Es wäre schön, wenn Sie wenigstens jetzt zu dieser Einsicht gelangten und gemeinsam mit uns die Kreisgebietsreform zügig angingen, damit nicht noch mehr Zeit vergeht, in der ineffiziente Verwaltungsstrukturen aufrechterhalten werden und das Geld dort fehlt, wo wir Leistungen für Bürgerinnen und Bürger zu erbringen haben. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Fischer. Als Lehrerin müssten Sie sich jetzt arbeitsbefreien lassen, aber als Politikerin ist das etwas anderes. - Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Wolpert das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein weiterer Schritt in der Verwaltungsreform. Getreu dem Motto „So viel Freiheit wie möglich, so viel Staat wie nötig“ ist die Koalition der Überzeugung, dass das Land Sachsen-Anhalt in seiner Verwaltung auf allen Ebenen, ob Land oder Kommunen, reformbedürftig war und weiterhin ist. Die Reformbedürftigkeit erstreckt sich sowohl auf die Strukturen als auch auf die Zuständigkeiten in der Verwaltung, insbesondere aber auf den Aufgabenbestand selbst. Nur wer die Aufgaben des Staates zurückdrängt, kann auch den Staat in seiner drohenden Allzuständigkeit zurückdrängen und Freiräume für die Bürger schaffen.

(Zustimmung bei der FDP - Oh! bei der SPD)

Der Bereich der notwendigen Aufgabenwahrnehmung ist, geleitet von den Grundsätzen der Subsidiarität und der Effektivität, zu verändern. Um dies zu erreichen, hat die Koalition das Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz beschlossen, in dem unter anderem die Kommunalisierung von staatlichen Aufgaben als Mittel der Strukturreform vorgesehen ist. Die ersten Schritte zur Umgestaltung der Strukturen sind auf gemeindlicher Ebene mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, über die interkommunale Funktionalreform, die darin teilweise enthalten ist, und auf Landesebene durch das Abschaffen der Regierungspräsidien bereits getan worden.

Da das Leben nicht statisch verläuft, kann auch die Wahrnehmung der Aufgaben nicht unverändert bleiben. Der Auftrag aus dem Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz ist also kein einmaliger Vorgang, sondern ein auf Dauer angelegter Reformauftrag. Folgerichtig ist nun mit dem ersten Funktionalreformgesetz ein weiterer Baustein des Reformgebäudes zum Einbau vorgelegt worden. Es gibt keine Funktionalreform aus einem Guss. Das geht logischerweise nicht, weil sich das Leben verändert und damit auch die Aufgabenwahrnehmung.

Meine Damen und Herren! In dem vorliegenden Gesetzentwurf stehen Aufgabenverlagerungen von der Landesebene auf die Kreise und kreisfreien Städte an. Die

Aufgabenbereiche erstrecken sich von der Namensgebung und der Wappengenehmigung für Gemeinden über das Wasser-, Abfall- und Denkmalschutzrecht bis hin zu den Folgeregelungen im Finanzausgleichsgesetz.

Ich gebe zu, dass ich selbst die Aufgabenübertragung im Bereich der Überwachung der Fischetikettierungsverordnung der EU nicht für das wichtigste Reformelement halte. Aber dennoch wird hieran sichtbar, dass die Übertragung der Zuständigkeit auf die Kreisebene im Rahmen der Lebensmittelüberwachung Subsidiarität und Effektivität gleichermaßen berücksichtigt. Das ist also ein Beispiel dafür, wo es funktioniert, wie das gedacht ist.

Als viel bedeutender ist die Veränderung im Bereich des Abfall- und Wassergesetzes einzuschätzen. Hier wird durch die Verlagerung der Aufgaben auf den Landkreis bzw. auf die kreisfreie Stadt neben der rechtlichen auch die fachtechnische Prüfung vor Ort zusammengeführt. Den Bürgern steht also nur ein Verhandlungspartner gegenüber, der darüber hinaus nur eine Entscheidung zu treffen hat. Die Effektivität und die Vorteile der Subsidiarität liegen hierbei deutlich auf der Hand, weshalb der Schritt, den das Gesetz hier vorgibt, richtig ist.

Auch die Veränderungen innerhalb des Gebietes des Immissionsschutzes gehen in die richtige Richtung, wenn versucht wird, den Grundsatz „Eine Anlage - eine Behörde“ auf kreislicher Ebene zu verwirklichen. Die Subsidiarität findet hierbei vernünftigerweise ihre Grenzen in der Effektivität, wenn einige Bereiche wegen der notwendigen vorzuhaltenden Fachkompetenz und gleichzeitigen geringen Häufigkeit einer zentralen Aufgabenwahrnehmung auf der Landesebene zugeführt werden.

Mit der Abschaffung von Sonderzuständigkeiten im Denkmalschutzbereich und der Rückführung von Ausnahmeregelungen im Bereich der Zuständigkeitsverordnung im Wasserrecht findet gleichzeitig eine Entschlackung der Regelungsdichte statt und ist deshalb auch zu begrüßen.

Meine Damen und Herren! Artikel 12 regelt die notwendigen Folgen im Finanzausgleichsgesetz, wie das bei einer Aufgabenübertragung bereits in Artikel 87 Abs. 3 der Landesverfassung vorgegeben ist.

Da ich nun kein ausgesprochener Finanzexperte bin, will ich gern zugeben, dass ich den Rechenvorgängen in der Begründung des Gesetzentwurfs Glauben geschenkt habe, um nicht mit den Besoldungsgruppen des BATOst von A 7 bis A 14 und den Sachkostenpauschalen jonglieren zu müssen. So erscheint es plausibel, wenn unterschieden wird zwischen den Aufgabenübertragungen, bei denen ein Personalaufwuchs bei den Landkreisen und kreisfreien Städten zu erwarten ist, und denen, bei denen nicht davon auszugehen ist.

Die unterschiedliche Belastung der Kreise rechtfertigt dann auch die unterschiedliche Höhe der Ausgleichszahlungen. Wenn also bezogen auf die Anzahl der für die Aufgabenerledigung notwendigen Vollbeschäftigungseinheiten eine Entschädigungszahlung berechnet wird, weil auch Personal übernommen wird, ist das dem Grunde nach plausibel.

Schwieriger wird es für mich aber, nachzuvollziehen, wie bei einer Aufgabenübertragung ohne Personalübernahme eine 100-prozentige Entschädigung gefordert werden kann. Das hieße im Umkehrschluss, dass bei der

Aufgabenübertragung der Personalübergang bei den Kreisen und den kreisfreien Städten kompensiert wird, während das Land das eigene Personal behält und gleichzeitig die Kreise und kreisfreien Städte für die Wohltat des Landes zusätzlich belohnt. Der ordnungspolitische Gedanke, der dahinter steckt, hat sich mir noch nicht erschlossen. Ich bin mir aber sicher, dass in einer der Ausschusssitzungen meinem einfachem Gemüt noch Erleuchtung zuteil werden wird.

(Heiterkeit bei der PDS)

Die Artikel 13 bis 16 des Gesetzentwurfs runden letztendlich das Begonnene nur ab. Darin werden die Übergänge und Folgen geregelt, die notwendig sind, um das Gesetz zum 1. Januar 2005 wirksam werden zu lassen und um Klarheit für die Anwender zu schaffen. Das Gesetz wird, wie eingangs dargestellt, ein weiterer Baustein in dem Reformwerk der Koalition sein, das unser Land nötig hat.

Ich beantrage für die FDP-Fraktion die Überweisung des Gesetzentwurfes zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Inneres und zur Mitberatung in den Ausschuss für Finanzen und in den Ausschuss für Umwelt. - Danke schön für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Wolpert. - Für die PDS-Fraktion spricht nun Frau Dr. Paschke.