Ich will es an dieser Stelle vorweg nehmen: Wir werden heute zu dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion nicht abschließend Stellung nehmen. Bekanntermaßen wird der Ausschuss für Gleichstellung, Familien, Kinder, Jugend und Sport zu diesen beiden Gesetzentwürfen sowie zu dem Gesetzentwurf des Volksbegehrens eine Anhörung durchführen. Diese wollen wir nutzen, um die anzuhörenden Sachverständigen, Praktikerinnen und Praktiker zu fragen, welche Verbesserungen aus deren Sicht mit einer derartigen Regelung verbunden wären.
Das Argument der besseren Einbeziehung der Kinder in die Bildungsangebote vermögen wir aufgrund der Gespräche, die wir mit Eltern und Trägern geführt haben, nicht zu teilen. Aber es ist nicht auszuschließen, dass sich aus der Anhörung Argumente ergeben, die eine solche Änderung rechtfertigen könnten. Allerdings muss ich schon jetzt anmerken, dass wir uns dann auch über den Weg der Finanzierung einer solchen Ausweitung des Rechtsanspruchs verständigen müssten. Mir fallen derzeit keine Finanzierungsmöglichkeiten ein, die nicht zulasten anderer Bereiche gehen würden. Vielleicht wird die SPD-Fraktion im Zuge der Ausschussberatungen derartige Vorschläge unterbreiten.
Im Vorfeld der heutigen Debatte ist über die Medien immer wieder transportiert worden, dass die SPD-Fraktion ihren Gesetzentwurf auch als ein Kompromissangebot sowohl an die Initiatoren des Volksbegehrens als auch an die Regierungsfraktionen versteht. Ohne dies im Detail werten zu wollen, halte ich es jedenfalls nach dem derzeitigen Diskussionsstand für ausgeschlossen, dass die Vertrauenspersonen des Volksbegehrens einen solchen Kompromiss eingehen werden. Das meine ich völlig wertungsfrei.
Ich teile nämlich die Einschätzung der Vertrauenspersonen des Volksbegehrens, die diese bereits gegenüber
der Presse wiederholt getätigt haben, dass die Vertrauenspersonen für derartige Kompromissverhandlungen kein Verhandlungsmandat der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Volksbegehrens erhalten haben. Allerdings haben wir im Zuge der Beratung zum Kinderförderungsgesetz schon vieles erlebt, sodass ich nicht so vermessen bin, schon hier und heute irgendetwas gänzlich auszuschließen.
Wir sind gespannt darauf, welche neuen Gesichtspunkte sich im Rahmen der Ausschussberatung sowie in der bereits im Ausschuss für Gleichstellung, Familie, Kinder, Jugend und Sport vereinbarten Anhörung zu den drei Gesetzentwürfen ergeben werden. Wir beantragen die Überweisung beider Gesetzentwürfe federführend in den Ausschuss für Gleichstellung, Familie, Kinder, Jugend und Sport sowie mitberatend in den Ausschuss für Inneres sowie den Ausschuss für Finanzen. - Vielen Dank.
Danke, Herr Abgeordneter Kurze. - Für die PDS-Fraktion wird die Abgeordnete Frau von Angern sprechen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich schicke vorweg, dass ich die Nachbesserungsversuche der Landesregierung am Kinderförderungsgesetz grundsätzlich wohlwollend zur Kenntnis nehme. Zum Gesetzentwurf der SPD komme ich später. Die Aussicht auf eine Sternstunde der Demokratie habe ich dabei allerdings nicht. Da gehe ich doch eher mit Herrn Scharf mit, denn auch heute wird hier keine Feierstunde stattfinden.
Aber lassen Sie uns nicht um den heißen Brei herumreden. Am Grundübel des Gesetzes, der teilweisen Ausgrenzung von Kindern aus Betreuung, Bildung und Förderung, ändert Ihr Entwurf herzlich wenig. Ebenso zweifele ich an, dass die von der Landesregierung vorgeschlagenen Nachbesserungen Ergebnis einer kritischen Prüfung sind. Vielmehr sind sie der undurchdachten und handwerklich mangelhaften Qualität des Kinderförderungsgesetzes geschuldet, und sie sind vor allem Ergebnis starken öffentlichen Drucks, nicht zuletzt des Volksbegehrens.
(Beifall bei der PDS - Herr Scharf, CDU: Warum haben wir schon vor einem halben Jahr ange- kündigt, evaluieren zu wollen?)
Bei Ihren Nachbesserungsversuchen habe ich das Gefühl, dass wir in unserer Anfangskritik bestätigt werden und Sie wider besseres Wissen das Kinderförderungsgesetz erst einmal unters Volk geschmissen haben, die Menschen dann ihren Problemen überlassen haben und anschließend nach kritischer Prüfung Ihr Machwerk nachbessern. Vielleicht sollten Sie mal über effizientes politisches Handeln nachdenken.
Zu den Inhalten Ihres Gesetzentwurfs. Positiv zu bewerten ist, dass die Kinder von nicht erwerbstätigen Müttern den Kindern von erwerbstätigen Müttern gleichgestellt werden sollen und zumindest in der Mutterschutzzeit einen Ganztagsanspruch haben sollen. Außerdem erfolgt mit der Erweiterung der Ganztagsbetreuung auf Mütter mit Mutterschutz eine dringend notwendige Korrektur. Mütter im Mutterschutz sind und bleiben Arbeitnehmerinnen, die einem Beschäftigungsverbot nach dem Mut
Genau betrachtet, ist Ihre Korrektur keine nette Geste von Ihnen, sondern notwendig, weil die Rechtsanspruchsregelung des Kinderförderungsgesetzes mit den Regelungen des Mutterschutzgesetzes kollidieren.
Ich zitiere aus dem Frage-Antwort-Katalog zum Kinderförderungsgesetz zur Frage Mutterschutz, abrufbar über die Ministeriumsseite:
„Ein Anspruch des älteren Kindes auf ganztägige Betreuung besteht nicht. Zwar mag die Mutter auch während des Mutterschutzes als erwerbstätig anzusehen sein, jedenfalls fehlt es aber an einer den Betreuungsbedarf begründenden Erwerbstätigkeit, da die Mutter während des Mutterschutzes von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt und somit an der Betreuung des älteren Kindes nicht gehindert ist.“
Zu den Neuregelungen gemäß § 20 SGB VIII: Jeder und jede kann durch extreme Belastungen oder Schicksalsschläge in Krisensituationen geraten. In solchen Fällen ist die ausreichende Betreuung und Versorgung von Kindern leider nicht immer gesichert oder nur sehr eingeschränkt möglich.
Neben den in § 20 SGB VIII genannten Gründen können hier insbesondere extreme Arbeitsbelastung, Prüfungen, Pflege von Angehörigen, Todesfälle, Scheidung, schwere Erkrankungen, Klinik- oder Kuraufenthalte Notsituationen für das Kind herbeiführen. Es ist daher eher ein nettes Beiwerk, den § 20 SGB VIIII explizit in Zukunft zu beachten, mehr jedoch nicht, weil das bereits gesetzlich normiert ist. Das wird auch daran deutlich, dass Sie selbst den finanziellen Mehraufwand nur anhand der zusätzlichen Betreuungsleistungen im Mutterschutz begründen, nicht jedoch aufgrund der Betreuung gemäß § 20 SGB VIII.
Zu den Änderungen hinsichtlich des Wunsch- und Wahlrechtes möchte ich Folgendes sagen: Ich zitiere zunächst wiederum aus dem Frage-Antwort-Katalog zum Kinderförderungsgesetz. Die Frage lautete:
„Die Übertragung der Aufgabe der Tagesbetreuung auf die Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften lässt den Charakter der Aufgabenerledigung als Maßnahme der Jugendhilfe unberührt. Das Wunsch- und Wahlrecht gemäß § 5 SGB VIII ist daher auch im Verhältnis zu diesen anwendbar.“
Mir drängt sich der Verdacht auf, dass die Regelungen des bis zum Jahr 2002 gültigen Kinderbetreuungsgesetzes, die auch das Volksbegehren wieder anstrebt, logischer, einfacher und für alle klarer waren und eben nicht, wie gestern von Herrn Scharf, als einfach bürgerfern abzustempeln sind. Hierin und in den vollkommen unregulierten Ausgleichszahlungen zwischen den Gemeinden liegen die Hauptgründe der flächendeckend
Entscheidend ist, dass es tatsächlich eine Regelung ist, die von vielen Eltern und Einrichtungsträgern hoffnungsvoll erwartet wird, was anscheinend auch die Landesregierung eingesehen hat. Ich melde aber bei der von Ihnen vorgenommenen Regelung Bedenken an und bin neugierig, wie sich die kommunalen Spitzenverbände zu dieser Thematik in der Anhörung verhalten werden.
Ich meine, dass die von Ihnen eingebauten so genannten unverhältnismäßigen Mehrkosten, die dem Wunsch- und Wahlrecht seitens der Kommunen entgegengesetzt werden können, durchaus ein Schlupfloch sein werden. Es bedeutet für eine kleine Kommune mit einer städtischen Einrichtung durchaus finanzielle Einbußen, wenn Kinder aufgrund der Erwerbssituation ihrer Eltern beispielsweise in der nächstgrößeren Stadt die Kinderbetreuung in Anspruch nehmen wollen und dadurch verloren gehen. Das sind finanzielle Einbußen.
Das war auch schon das Paket oder, besser gesagt, das Päckchen an Änderungen, das Sie mutig unter innovativer Bevölkerungspolitik subsumieren. Das ist nicht gerade überzeugend.
Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es zwei Gründe gibt, warum CDU- und FDP-Fraktion uns heute dieses Änderungsgesetz zum Kinderförderungsgesetz vorlegen. Zum einen hat sich Herr Kley endlich auch mit kritischen Anmerkungen zu diesem Gesetz auseinander gesetzt und hat diese wenigstens zum Teil aufgegriffen. Zum anderen möchten Sie durch marginale Änderungen des Kinderförderungsgesetzes zugleich den Bürgerinnen von Sachsen-Anhalt eine Beruhigungspille verpassen und sie von einer Zustimmung zum Volksentscheid abhalten. Das ist natürlich legitim.
Nein, Frau Präsidentin. - Ich finde es allerdings schade, dass die Beruhigungspille so klein ausgefallen ist, sodass ich davon ausgehe, dass sie zwar geschluckt wird, aber keinerlei Wirkung entfalten wird. Selbst ein Placebo entfaltet sicherlich mehr Wirkungen.
Die Menschen in Sachsen-Anhalt werden erkennen, dass Sie durch die Gesetzesänderung keineswegs einen spürbaren Schritt auf die Intention des Volksbegehrens zugegangen sind. Der entscheidende Punkt, das teilweise Ausgrenzen von Kindern aufgrund des Erwerbsstatus ihrer Eltern, bleibt bestehen.
Nun möchte ich noch etwas zum SPD-Gesetzentwurf sagen. Frau Grimm-Benne, ich war ja begeistert über Ihren Lernprozess hinsichtlich der Argumentation, warum denn Betreuung am Nachmittag so wichtig sei.
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie Herr Bischoff in der Diskussion um das Kinderförderungsgesetz und auch zur argumentativen Untersetzung Ihres Kompromissvorschlags äußerte, wie entbehrlich und
unbeachtlich doch eigentlich die Nachmittagsstunden seien. Umso mehr freut es mich, wie gesagt, dass Sie diesem Lernprozess unterliegen.
Gegenüber dem jetzt bestehenden Kinderförderungsgesetz ist der Gesetzesänderungsvorschlag der SPD natürlich eine Verbesserung. Es verwundert allerdings schon, dass gerade Sie, die der CDU und der FDP bei der drastischen Verschlechterung in der Kinderbetreuung Hilfe geleistet haben, jetzt einen solchen Vorschlag machen. Ich finde es aber gut, dass Sie versuchen werden, den vorliegenden Gesetzentwurf als Alternative zum Entwurf des Volksbegehrens zu stellen. Dann könnten wir zumindest endlich erfahren, ob im Lande tatsächlich nur 300 000 Menschen einen Ganztagsanspruch für Kinder von null bis sechs Jahren haben wollen.
Passiert das nicht, ist diese Gesetzesänderung lediglich das Vorgaukeln einer Kompromissmöglichkeit, die das Bündnis - da gebe ich Herrn Kurze Recht - aus rechtlichen Gründen einfach nicht hat. Ich bitte Sie, das so zu akzeptieren und in der Öffentlichkeit auch nichts anderes zu propagieren.
Wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, dass ein Sieben-Stunden-Betreuungsplatz der Grundintention des Volksbegehrens entspricht, kann ich nur sagen: Schade, dann haben Sie es immer noch nicht begriffen. Was mich aber ärgert, ist, dass Sie, werte Kolleginnen in der SPD-Fraktion, meiner Meinung nach bewusst dadurch zugleich auch den Volksentscheid aushöhlen. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass CDU und FDP freudestrahlend auf Ihr Ross aufsteigen und sich nunmehr für einen Sieben-Stunden-Anspruch stark machen. Das hätten sie doch schon längst machen können, ohne dass als Urheberin die SPD-Fraktion hätte genannt werden müssen.
Zu unserem Abstimmungsverhalten: Wir werden uns bei der Überweisung des SPD-Entwurfs der Stimme enthalten und der Überweisung des CDU-FDP-Gesetzentwurfs nicht zustimmen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wir beraten heute über das Kinderförderungsgesetz, das vor gut einem Jahr mit der Mehrheit im Landtag von Sachsen-Anhalt beschlossen wurde.
Es ist ein Gesetz, das sich zum Ziel gesetzt hat, die staatliche Kinderbetreuung so zu gestalten, dass die Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder unterstützt werden, die Verantwortung aber nicht aus der Hand der Eltern genommen wird. Es ist ein Gesetz, das sich vor allem zum Ziel gesetzt hat, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten. Es ist ein Gesetz, das das Ziel hat, den Einrichtungen die Möglichkeit einzuräumen, kreativ und eigenverantwortlich Konzepte zu erarbeiten