Protocol of the Session on July 8, 2004

Ich will in keiner Weise in Abrede stellen, dass das völlig legitim ist, wenn sich die Initiatoren des Volksbegehrens mit den DGB-Gewerkschaften und der PDS verbünden. Es muss aber erlaubt sein, auf diese enge politische Verbindung hinzuweisen.

(Zurufe von der PDS)

Dieser enge Schulterschluss legt die Vermutung nahe - Frau Bull, hören Sie bitte zu -,

(Frau Bull, PDS: Ich habe doch gar nichts ge- sagt!)

dass es über das eigentliche Anliegen des Volksbegehrens, eine vermeintlich bessere Betreuung für unsere Kinder zu erreichen, hinaus gehende Ziele gibt, die von übergeordnetem Interesse für die PDS und die DGBGewerkschaften sind.

Mit weniger immer mehr zu fordern, hört sich in der Öffentlichkeit immer recht gut an. Allerdings muss dann die

Frage erlaubt sein, ob es einigen hierbei noch um die eigentliche Sache geht bzw. ob es überhaupt um die Zukunft unserer Kinder geht.

Dies vorangestellt, lassen Sie mich nun einige Ausführungen dazu machen, warum die CDU-Fraktion der Auffassung ist, dass das geltende Kinderförderungsgesetz das Gesetz ist, dass den Interessen und Bedürfnissen der Kinder in unserem Land Sachsen-Anhalt besser gerecht wird als der Gesetzentwurf des Volksbegehrens.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich stelle bewusst als wesentliche Gründe die inhaltlichen Aspekte des Kinderförderungsgesetzes in den Vordergrund, und nicht einfach die finanziellen Folgen des Gesetzentwurfs des Volksbegehrens. Der Ausgangspunkt für das KiFöG war und ist unser Verständnis von Familie. Bekanntermaßen beschäftigt sich der Ausschuss für Gleichstellung, Familie, Kinder, Jugend und Sport derzeit mit diesem Thema, sodass ich mich nur auf zwei Kernaussagen beschränken will.

Familie ist für uns vor allem dort, wo Eltern für ihre Kinder und Kinder für ihre Eltern Verantwortung übernehmen.

(Zuruf von Frau Bull, PDS)

Daraus leitet sich das auch durch das Grundgesetz geschützte Recht der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder ab. Umgekehrt besteht allerdings auch das Recht der Kinder auf Erziehung durch ihre Eltern. Dem tragen wir mit dem geltenden Gesetz Rechnung.

Derzeit haben alle Kinder in Sachsen-Anhalt von Geburt an bis zur Versetzung in die siebente Schulklasse einen Anspruch auf Betreuung, Bildung und Erziehung in Höhe von 25 Stunden wöchentlich bzw. fünf Stunden täglich. Dieser Anspruch geht weit über das hinaus, was bundesgesetzlich in Deutschland geregelt ist. Mit seiner Regelung leistet das Land einen erheblichen Beitrag zur Förderung und zur Entlastung der Familien.

Dabei möchte ich auch betonen, dass darüber hinaus mehr oder weniger Stunden der staatlichen Kinderbetreuung möglich sind. Der Rechtsanspruch von fünf Stunden sperrt die Kinder nicht anschließend aus, sondern regelt eine weitere Betreuung durch die Eigenverantwortung der Eltern. Wer darüber hinaus Betreuung möchte, muss und kann im Land bezahlbare weitere Stunden erwerben.

(Zuruf von Frau Ferchland, PDS)

Ich möchte zwei Beispiele dafür nennen, dass die Stunden erwerbbar und bezahlbar sind. Ich nehme eines aus dem Süden: Merseburg. Wenn man sich dort neben dem Fünf-Stunden-Anspruch noch zwei Stunden dazu kaufen möchte - in einem Monat, tagtäglich, vier Wochen lang -, dann zahlt man 40 € mehr. In Lostau - gar nicht weit von hier - zahlt man 32 € mehr. Ich denke, das sind die Möglichkeiten und das ist die Flexibilität, die dieses Gesetz wirklich auch ermöglicht. Rechtsanspruch heißt nicht, dass darüber hinaus mehr oder weniger nicht möglich ist. Das muss noch einmal ganz deutlich hier in diesem Hause betont werden.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Herr Abgeordneter, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Bull zu beantworten?

Bitte sehr, Frau Bull.

Herr Kurze, ich hätte gern einmal gewusst: Wenn ich künftig als langzeitarbeitslose Mutter mit 331 € und noch ein paar Zerquetschten auskommen muss, wie stellen Sie sich dann vor, dass ich für mein Kind Bildung hinzu kaufen kann?

(Beifall bei der PDS und bei der SPD - Frau Bud- de, SPD: Richtig! - Zuruf von Minister Herrn Dr. Daehre - Unruhe)

Meine Damen und Herren! Herr Kurze ist gefragt worden und nicht Sie. Ich bitte, Herrn Kurze die Antwort zu ermöglichen.

Danke, Herr Präsident. - Wir reden jetzt und heute hier in der Debatte über die Dinge, die zurzeit im Lande existieren, über die Dinge, die heute diskutiert werden müssen. Was im nächsten Jahr auf uns zukommt, dazu ahnen wir alle, dass es sicherlich schwere und auch harte Einschnitte werden,

(Zuruf von Frau Rogée, PDS)

die auch 180 000 Leute in Sachsen-Anhalt treffen werden. Das weiß ich.

Aber, Frau Bull, werfen Sie bitte nicht mir vor, dass ich dafür verantwortlich bin, und werfen Sie bitte auch nicht mir vor, dass wir an den Dingen, die auf uns zukommen werden, mit unserem Kinderförderungsgesetz sogar Schuld sind, dass sich am Ende irgendwie Konsequenzen ergeben. Also, Frau Bull, das eine und das andere müssen wir ein Stück weit auseinander halten. Wer den Betreuungsanspruch für denjenigen bezahlt, der ihn nutzen will, das wissen Sie ganz genau.

(Frau Budde, SPD: Aber nicht dazu kaufen!)

Aber ich will wieder zur Sache kommen, zu unserem Thema in der Diskussion. Zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf regelt das KiFöG darüber hinaus einen weitergehenden Betreuungsanspruch von 50 Wochenstunden bzw. zehn Stunden täglich für den Fall, dass Eltern aus Gründen der Erwerbstätigkeit, der Aus-, Fort- und Weiterbildung oder der Teilnahme der Eltern an einer Maßnahme der Arbeitsförderung einen höheren Bedarf für eine solche Förderung haben. Das war schon immer Sinn und Zweck einer zusätzlich angebotenen staatlichen Kinderbetreuung, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erzielen und darüber hinaus alle Kinder mit einzuschließen, wenn es um staatliche Kinderbetreuung geht. Genau das machen wir ja.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Aus eigener Erfahrung aus meiner Arbeit als staatlich anerkannter Erzieher kann ich einschätzen, dass die Arbeit in der Kita nicht einfach ist und viel Engagement und - unter uns gesagt - auch manchmal strapazierfähi

ge Nerven erfordert. Diese Leistungen der Erzieherinnen und Erzieher erkennen wir an und wollen diese außerhäusliche Betreuung auch weiterhin als Land fördern.

Aus der Sicht der Eltern weiß ich natürlich auch, wie anspruchsvoll die Betreuung zu Hause ist. Wenn ich meinen kleinen Lucius aus der Kita abhole oder ihn mal nicht in die Einrichtung bringe, weiß ich auch, was mir dann zu Hause bevorsteht und wie ich mich letztlich anstrengen muss, ihm entsprechend Bildung, Erziehung und Förderung zukommen zu lassen. Aber ich denke schon, dass sich dieser Verantwortung alle Eltern stellen müssen und dass die meisten Eltern auch Spaß daran haben, sich diese Zeit zu nehmen, auch wenn dabei auch mal alles andere liegen bleibt.

Die Betreuungsvarianten durch das Land Sachsen-Anhalt haben wir mit dem KiFöG auf bezahlbare Grundpfeiler gestellt. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der gleichberechtigte Anspruch aller Landeskinder - aller; ich will es noch einmal betonen - wird finanziell zu Rahmenbedingungen angeboten, die bezahlbar sind und zu denen es sich lohnt, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen - selbstverständlich mit dem Gedanken im Hinterkopf: Mein Kind ist in der Kita gut betreut.

Ich habe kein schlechtes Gewissen, wenn ich meinen Jungen mal ein bisschen eher aus der Kita abhole. Dabei habe ich kein schlechtes Gewissen, das will ich hier einmal ganz deutlich sagen.

Eine qualitative Verbesserung gegenüber dem früheren KiBeG ist das KiFöG deshalb, weil der Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Kindertageseinrichtung verknüpft ist mit dem Bildungsauftrag der Kindertageseinrichtungen. Kinderförderung ist eben mehr als ein Angebot zur Entlastung von Familien. Kinderförderung umfasst nach unserer Auffassung Bildung, Erziehung und Betreuung. Dies haben wir im KiFöG entsprechend eindeutig geregelt und damit bundesweite - dazu gucke ich mal hier in die Mitte - Maßstäbe gesetzt.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Herr Abgeordneter, ich habe Ihnen eine Minute zugegeben.

Bitte kommen Sie jetzt zum Schluss.

Na, dann will ich mal die anderthalb Minuten auch nutzen, die mir vorhin gegeben worden sind. - Wir stellen dabei nicht in Abrede, dass die Erzieherinnen und Erzieher im Land auch schon vorher einen Bildungsauftrag wahrgenommen haben. Das Land bekennt sich damit zu seiner Verantwortung für die öffentliche Erziehung und Bildung der Kinder im Vorschulalter.

Die vielfachen Beispiele der Praxis belegen, dass unsere Annahme, dass der Anspruch auf Bildung und Betreuung von mindestens fünf Stunden täglich bzw. 25 Wochenstunden diesen Anforderungen gerecht wird, zutreffend ist.

Die Praxis belegt, dass die Aktivitäten in den Einrichtungen, die den Bildungsaspekt betreffen, vormittags durchgeführt werden, also zu einer Zeit, zu der alle Kinder - unabhängig vom Umfang ihres Anspruches - in der Kita anwesend sind. Der Vorwurf, dass es durch den unterschiedlichen Umfang des Rechtsanspruchs zu Benachteiligungen der Kinder mit nur einem Rechtsanspruch auf fünfstündige Betreuung täglich käme, ist damit durch die Praxis entkräftet worden.

Sachsen-Anhalt - ich will es noch einmal betonen - ist das einzige Bundesland, das einen Rechtsanspruch von Geburt an bis zum 14. Lebensjahr garantiert. Wir haben eine Versorgungsquote von 100 % für Kindergartenkinder und von 56,6 % für Kinder im Krippenalter. Damit sind wir im europäischen Vergleich Spitze.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will langsam zum Schluss kommen. Wir sind letztlich mit dem KiFöG auch einer Forderung der kommunalen Spitzenverbände und der Liga der Freien Wohlfahrtsverbände nach mehr Flexibilität und mehr Entscheidungsspielräumen nachgekommen. Das wird heutzutage angewendet im Land, von Arendsee bis Zeitz.

Ich denke, die Meinung zu diesem KiFöG hat sich in den letzten Wochen deutlich verändert, die Akzeptanz ist gestiegen und wir finden maßgeschneiderte Beispiele für die Individualität der Betreuung. Die muss man natürlich auch sehen wollen, möchte ich am Ende dazu sagen.

Wenn wir noch einmal das KiFöG mit dem KiBeG vergleichen, kommt uns der Gedanke, dass es den Initiatoren der Initiative wohl an Kraft für ein modernes, fachlich und juristisch korrektes KiBeG irgendwie gefehlt haben muss. Das muss man mal am Ende sagen - -

Herr Abgeordneter, Sie haben bereits um drei Minuten überzogen. Jetzt machen Sie bitte Schluss.

Dann mache ich Schluss, Herr Präsident. Herr Präsident, ein Beispiel zum Abschluss.