Protocol of the Session on July 8, 2004

Deswegen kann man sich nicht hinstellen und sagen: Weil wir kein Geld haben, müssen wir dort kürzen. Nein, je enger der Landeshaushalt ist, um so stärker und um so entscheidender ist die Frage nach der politischen Prioritätensetzung innerhalb dieses Haushaltes.

(Beifall bei der PDS)

Lassen Sie mich am Ende meiner Rede noch auf ein weiteres Problem hinweisen. Wir haben innerhalb der Haushaltsberatungen sehr früh auf das Problem der Grundsicherung aufmerksam gemacht. Nun war es nicht von vornherein so, dass die Koalition und die Landesregierung die Grundsicherungskosten für die Landkreise mit diesem Nachtragshaushalt ausgleichen wollte. Wir haben sie getrieben.

(Unruhe bei der CDU - Herr Scharf, CDU: Das ist doch Quatsch!)

Das ist die Aufgabe der Opposition. Herr Scharf, wenn man sich dabei erwischen lässt, tut es natürlich besonders weh. Das ist mir schon klar.

(Beifall bei der PDS)

An dieser Stelle ist uns ein gewisser Erfolg gelungen. Aber wir wissen auch: Das ist der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.

(Zuruf von Herrn Scharf, CDU)

Spätestens seitdem wir die Diskussion über die fehlenden Halberstädter Gehaltszahlungen haben, wissen wir, wie die groß die Defizite bei den Kommunalfinanzen wirklich sind.

In den letzten zwei Jahren sind die Kommunalfinanzen insgesamt um etwa 500 Millionen € gekürzt worden. Jetzt haben wir das Ergebnis, das dabei herausgekommen ist, flächendeckend in diesem Land. So wie die Nettoneuverschuldung in Höhe von 1,336 Milliarden € die krisenhafte Situation des Landeshaushaltes zeigt, zeigt das Beispiel Halberstadt die krisenhafte Situation der Kommunalfinanzen in diesem Land. Öffnen Sie die Augen! Schauen Sie sich die Realitäten an und lassen

Sie uns für einen gemeinsamen Neuanfang streiten. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Herr Abgeordneter, Sie waren bereit, eine Frage der Abgeordneten Frau Dr. Hüskens zu beantworten. - Bitte sehr, Frau Dr. Hüskens.

Ich habe eine Zwischenbemerkung, keine Frage. Ich will nur darauf hinweisen, dass in der Begründung zum Katastergesetz, auf die Sie gerade abgestellt haben, als Grund für die Reduzierung der Einnahmen konjunkturelle Einflüsse und die Gesetzesveränderungen benannt wurden. Wenn Sie den Mittelabfluss betrachten - ich gehe davon aus, dass Sie es getan haben -, sehen Sie, dass ganz offensichtlich konjunkturelle Einflüsse überwiegen, sodass es hierbei nicht um 3 Millionen € geht, sondern, wenn Sie Glück haben, um 1 Million €.

Dazu muss ich eines ganz deutlich sagen, Frau Hüskens; denn eine Antwort will ich Ihnen darauf schon noch geben: Erstens steht der Betrag von 3,9 Millionen € in dem Landeshaushalt, und zwar mit diesen beiden Ursachen. Nun ist es so, dass ich dazu nachgefragt habe. Ich habe die entsprechenden Haushaltsaufsteller im Innenministerium am Telefon gehabt und habe gefragt: Wie schaut es aus; was ist von diesen 3,9 Millionen € eigentlich Aufgabenverzicht und was ist auf die konjunkturelle Entwicklung zurückzuführen?

Die Antwort lautete: Herr Gallert, das wissen wir auch nicht so genau; aber es gibt eine Gesetzesbegründung, die explizit dazu geschrieben worden ist. In dieser Begründung wurden von der Einnahmenminderung in Höhe von 3,9 Millionen € der Betrag von 3 Millionen € der Aufgabenverlagerung zugeschrieben und 900 000 € den zu erwartenden konjunkturellen Entwicklungen.

Es geht aber noch weiter. Wir hatten dazu eine ausführliche Diskussion im Finanzausschuss mit dem entsprechenden Mitarbeiter, Herrn Professor Kummer, der sich genau zu diesen Dingen geäußert hat.

(Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

Er hat genau diese Aussagen bestätigt und darüber hinaus gesagt: Das Interessante an dieser ganzen Geschichte ist, dass das Land in diesem Bereich sogar einen gewissen Gewinn gemacht hat; denn selbst wenn wir alle Personal- und Sachkosten in diesem Bereich zusammenlegen würden, hätten wir immer noch geringere Kosten als die Einnahmen, die wir über die Vermessungsarbeit erzielen können. - Das ist übrigens auch der Grund, warum diese Aufgabe jetzt den öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren übertragen werden soll. Damit möchte ich dieses Thema beenden.

(Herr Kosmehl, FDP, meldet sich zu Wort)

- Herr Kosmehl, wenn Sie mich dazu noch befragen wollen, kann ich Ihnen sagen: Es handelt sich hierbei um etwa 0,3 % des Haushaltsdefizits, über das wir gerade reden. Lassen Sie uns einmal das Augenmerk auf die wirklich wichtigen Dinge legen. Das ist wirklich nur eine Marginalie.

(Zustimmung bei der PDS)

Herr Abgeordneter Gallert, sind Sie trotzdem bereit, eine Zwischenbemerkung des Abgeordneten Herrn Kosmehl zuzulassen?

Eine Intervention, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Gallert, Ihr Verhältnis zur Haushaltsklarheit und -wahrheit will ich jetzt gar nicht weiter bewerten. Wenn Sie sich einmal anschauen, was im Ergebnis des letzten Jahres bei diesem Titel verbucht werden konnte - bei dem Sie meinen, dass uns 3 Millionen € durch die Lappen geht -, dann werden Sie feststellen, dass das Land 1 Million € weniger eingenommen hat, und zwar ohne eine Gesetzesänderung, allein auf der Grundlage der konjunkturellen Veränderung.

Wer in diesem Zusammenhang meint, dass bei einem gegenüber dem vergangenen Jahr um fast 3,9 Millionen € abgesenkten Haushaltsansatz trotzdem noch Mehreinnahmen zu errechnen sind, der hat die Realität schlicht und ergreifend nicht erkannt. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kosmehl, das ist jetzt das Spiel des gewollten Missverständnisses.

Natürlich haben wir akzeptiert - im Gegensatz zu der Aussage, die der Finanzminister im Finanzausschuss gemacht hat -, dass notfalls konjunkturelle Einbußen in Höhe von 1 Million €, möglicherweise sogar in Höhe von 2 Millionen € zu erwarten sind. Aber Sie wissen natürlich, dass diese Veränderungen proportional umgerechnet werden müssten. Dann betrüge der Einnahmeverlust des Landes nicht 3 Millionen €, sondern möglicherweise nur 2,7 Millionen €; denn Sie wissen, es handelt sich um einen Einnahmeposten in Höhe von 16 Millionen €. Wenn 1 Million € weniger kommt, bedeutet das also eine Reduzierung um etwa 8 %.

Lassen Sie es uns an dieser Stelle beenden, Herr Kosmehl. Bei den Zahlen erwischen Sie mich nicht. Das kann ich Ihnen garantieren.

(Beifall bei der PDS - Frau Dr. Hüskens, FDP, lacht)

Vielen Dank, Herr Gallert.

Meine Damen und Herren! Es sind neue Gäste eingetroffen. Begrüßen Sie mit mir Gäste von der Hochschule für Psychologie und Sozialpädagogik Iaschi in Rumänien und des Weiteren Damen und Herren der Jugendgruppe des Deutschen Roten Kreuzes Wolfen/Bitterfeld.

(Beifall im ganzen Hause)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Herr Tullner das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als letzter Redner hat man es natürlich immer etwas schwerer, wenn man über eine so wichtige Thematik wie das Haushaltsgesetz redet, weil viele Dinge von den Kollegen eben schon genannt worden sind. Deswegen

werde ich mich bemühen, noch auf einige wesentliche Punkte einzugehen.

Bevor ich aber dazu komme, möchte ich mich zunächst einmal bei der Ausschussvorsitzenden und bei dem Stab der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die auch diesmal wieder fairen Beratungen bedanken, die von Sachdebatten geprägt und bei aller Hitze der Debatte immer ein Ringen um die Sache waren - das kann ich für unseren Finanzausschuss sagen. Ich denke, dass das uns auch angemessen ist.

Vor meinen eigentlichen Ausführungen möchte ich noch zwei Vorbemerkungen machen. Erstens zu Herrn Bullerjahn, der nun leider nicht da ist - leider scheidet er jetzt aus dem Finanzausschuss aus; deswegen werden wir nicht mehr so oft das Vergnügen haben, uns miteinander auszutauschen -: Er hat wieder einmal beklagt, dass die Listen nicht da gewesen seien.

Wenn ich eine Erfahrung in zwei Jahren Finanzpolitik gemacht habe, dann ist es nicht die, dass wir jemals einen Mangel an Papier erlitten hätten, und zwar nicht nur von leerem Papier, sondern von inhaltsgefülltem Papier. Die Listen waren uns zugänglich. Man kann über die inhaltliche Aussagekraft von einzelnen Papieren sicherlich streiten, aber hier wird an einer Mär gestrickt, dass das Finanzministerium die Listen nicht vorgelegt habe. Das muss richtig gestellt werden.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP und von Minister Herrn Prof. Dr. Paqué)

Zweitens. Herr Gallert, die Prioritätensetzung - das ist sozusagen die Gretchenfrage in der Landespolitik schlechthin. Man kann immer wieder einzelne Punkte herausgreifen, von denen man sagt, das ist unsere Prioritätensetzung. Man kann immer auch darauf schielen, wo gerade die eigene Klientel liegt oder wozu man eine besondere Affinität hat.

Ich sage: Die Zukunftsfähigkeit unseres Landes hängt davon ab, dass die Leute hier leben können. Leben ist eben auch mit Erwerbstätigkeit verbunden. Deshalb hat die Arbeitsplatzfrage und keine andere Frage die oberste Priorität. Wenn wir diese Frage nicht gemeinsam lösen, können wir hier hervorragende Leute ausbilden und haben damit sicherlich einen Erfolg zu verzeichnen, aber wenn sie dann alle weg gehen, dann sind sie eben weg.

(Herr Gallert, PDS: Das können wir nur, wenn sie gut ausgebildet sind!)

Das ist die Frage, der wir uns stellen müssen. Deswegen müssen wir das in einen Gesamtkontext einbinden. Wenn Sie die wissenschaftlichen Debatten bei uns im Land richtig verfolgen - das IWH ist in der Beziehung bei uns im Land führend -, dann ist es immer der Kombinationsmix aus Wirtschaftsförderung, Bildungspolitik und Standortpolitik, den wir zusammenbinden müssen. Wenn wir uns daraus einzelne Punkte herausgreifen, bedienen wir einzelne Klienteln - ich könnte mir dabei auch einiges vorstellen -, aber werden wir im Ganzen keinen Erfolg haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Gallert, ich habe lange überlegt, ob ich mich an dieser Stelle wirklich auf diese Ebene begeben möchte. Wenn Sie sich aber hier mit breiter Brust und lauter Stimme hinstellen und der Landesregierung vorwerfen, sie würde an Stellen kürzen, die das Land in den Grundfesten erschütterten und die Zukunft bedrohten, dann

will ich doch eines sagen: Es tut immer mal wieder gut, wenn wir einen Blick über die Landesgrenzen hinaus werfen und mal ein Stück weit in die Nachbarschaft gucken. Dann stellen wir fest - ich zitiere die Finanzministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Frau Keler -:

„Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen stehen zu den Kürzungen bei den Kommunen, bei den Personalausgaben, bei den Landesprogrammen und bei den Investitionen.“

Das war Frau Keler zum zweiten Nachtragshaushalt 2003. Die Koalition lautet SPD-PDS.

Dann gucken wir auch noch nach Berlin. Was finden wir da? - Herr Sarrazin hat einen Finanzplan aufgestellt, der die Landesfinanzen saniert: Hochschulen minus 75 Millionen €, Kinderbetreuung - das Thema schlechthin - im Jahr 2005 minus 72 Millionen €, im Jahr 2006 minus 87 Millionen € und im Jahr 2007 minus 102 Millionen €. Herr Sarrazin ist Angehöriger einer Koalition, die von SPD und PDS gestellt wird.

Wenn Sie sich dann hier hinstellen und erklären, im Himmel sei Jahrmarkt, dann kann ich dazu nur sagen: Das können Sie gern machen und Ihre Klientel bedienen. Glaubhaft ist das aber nicht, Herr Gallert.