Protocol of the Session on July 8, 2004

das Publikum gewandt, warum der Ältestenrat den Bildungspolitikern jeweils nur fünf Minuten Redezeit eingeräumt hat und für den Tagesordnungspunkt zum Thema Biotechnologie eine Redezeit von jeweils zehn Minuten vorgesehen hat.

Ich kann diese Frage gern beantworten. Aufmerksame Zuhörer haben das nach dem Redebeitrag der PDS mitbekommen. Das lag daran, dass die PDS, die anfangs sehr sachlich und wissenschaftlich fundiert an dieses Thema herangegangen ist, längere Zeit braucht, um dem Publikum zu erklären, warum sie aus dieser sehr konstruktiv geführten Debatte aussteigt,

(Zustimmung bei der CDU)

nämlich um Klientel von den Grünen bei den Wahlen wieder zurückzugewinnen.

(Zuruf von Herrn Dr. Thiel, PDS)

Warum Biotechnologie und warum sich dieses Themas annehmen? - Ich will daran erinnern, dass wir uns mit dem vor langer Zeit eingebrachten Antrag unter der Überschrift „Chancen der Biotechnologie für SachsenAnhalt nutzen“ einem ganz wichtigen Thema gewidmet haben, das nicht nur für Sachsen-Anhalt von großer Bedeutung ist, sondern das weit darüber hinaus die Menschheit in den nächsten Jahren bewegen und bestimmen wird.

Warum? - Während wir die Folgen der Demografie - den Rückgang der Bevölkerungszahl, schrumpfende Städte, zu wenige Schüler in den Schulen und dergleichen mehr - beklagen, wächst die Zahl der Bevölkerung auf diesem Globus enorm. Mit diesem Wachstum wächst leider nicht Wohlstand, sondern Hunger. Mit diesem Wachstum der Bevölkerung auf diesem Globus wächst zudem das Problem, die Umwelt für die nachfolgenden Generationen gesund zu erhalten.

Mit diesem Wachstum insbesondere an Bevölkerung in Gebieten dieser Erde, wo Gesundheitsversorgung, Ernährung, Bildung nicht gesichert sind, stehen wir in den Industrienationen vor der Frage: Wie gehen wir mit diesen Sorgen verantwortlich um? Was ist unser Beitrag, um Hunger auf der Welt zu bekämpfen? Was ist unser Beitrag, um die Umwelt zu schützen und so zu erhalten, dass nachfolgende Generationen gesund und glücklich aufwachsen können?

Insbesondere vor diesem Hintergrund bieten die Bio- und die Gentechnologie einen Ansatz, diese Probleme anzugehen. Wir in Sachsen-Anhalt haben gegenüber anderen Regionen in Deutschland den Vorteil, dass wir zu einem führenden Standort der Bio- und der Gentechnologie in Deutschland werden können; denn wir haben hier Forschungseinrichtungen, Wissenschaftler.

Ferner haben wir es anders als an anderen Standorten in Deutschland mit dem Innoplanta-Netzwerk, einem von der Bundesregierung geförderten Netzwerk, geschafft, Wissenschaft, Forschung, Landwirtschaft und Industrie an einen Tisch zu bekommen und all die Themen, die damit zusammenhängen, nämlich Chancen und Risiken, unter einen Hut zu bringen, zu begleiten und voranzubringen.

Um Hunger zu bekämpfen, Gesundheit zu fördern, Umwelt zu schützen, aber auch um Wohlstand zu mehren, müssen wir die Biotechnologie ernst nehmen, sie fördern und unterstützen.

Ich will dazu einige wenige Fakten nennen: Wir haben bereits seit 1996 Freisetzungsversuche. Wir haben wie in keiner Industrienation, die sich der Biotechnologie widmet, Verfahren und Gesetze geschaffen, die das InVerkehr-Bringen oder das Genehmigen von Sorten nach einer sehr umfangreichen Risikofolgenabschätzung so schwer machen, dass wir davon ausgehen können, dass es keine andere Nation auf der Welt gibt, die sich so sorgfältig mit neuen Produkten, mit neuen Pflanzen, mit neuen Ergebnissen der Forschung auseinander setzt, bevor man sie unter das Volk bringt, bevor man sie in Verkehr bringt.

Seit 1996 werden in Freisetzungsversuchen Mais, Tabak, Erbsen, Raps, Zuckerrüben, Kartoffeln und in Deutschland selbst Pappeln angebaut. Weltweit erstreckt sich die Anbaufläche mittlerweile auf 68 Millionen ha. Im Jahr 1997 betrug sie bereits 11 Millionen ha. Mit Stand 2003 beträgt sie 68 Millionen ha.

Was begegnet uns bereits an gentechnisch veränderten Organismen in unserem täglichen Leben? - Das fängt mit dem Ketchup auf den Pommes an und geht so weit, dass selbst die Baumwolle, die Bestandteil des Rohproduktes für unseren Euro-Schein ist, gentechnisch verändert ist. Deswegen möchte ich alle ermuntern, im Zusammenhang mit dem Thema Gentechnologie ein Stück weit zur Versachlichung anstatt zu Verwirrung und zur Verängstigung beizutragen; denn es besteht kein Grund zur Verängstigung.

Für mich ist allerdings die Tatsache beängstigend, dass in einer Branche, die wächst wie keine zweite, in der Bio- und Gentechnologie, mittlerweile die Länder USA und Argentinien die Führung übernommen haben. Wenn wir nur die Flächen nehmen, auf denen gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden - die PDS reicht gerade in der „Bild“-Zeitung abgebildete nackte Frauen durch die Fraktion; vielleicht können Sie sich wieder dem Thema widmen -,

(Frau Dr. Sitte, PDS: Später!)

dann müssen wir feststellen, dass die USA mit einer Anbauflächen von 63 % der Marktführer ist, gefolgt von Argentinien mit einer Anbaufläche von 21 %. Die Frage, die sich für mich daraus ergibt, ist, ob wir den Zug der Zeit verpassen wollen oder ob wir das Potenzial an Forschung, an Know-how, an Standorten, die wir haben, nutzen, um in der Biotechnologie und in der Wirtschaft in dieser Branche wieder die Führung zu übernehmen. Wir können dies, weil wir Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Regionen haben.

Wir haben mit dem Antrag unter der Überschrift „Chancen der Biotechnologie für Sachsen-Anhalt nutzen“ nicht nur blind auf Chancen gebaut, sondern wir haben damit auch gesagt: Wir wollen, um diese Chancen wirklich nutzen zu können, auch die Risiken, die gesehen werden, und die Sorgen der Menschen vor unbekannten Risiken ernst nehmen. Es ist uns in der CDU-Fraktion wichtig, dass Transparenz nicht eine Floskel bleibt, sondern dass Transparenz die Sorgen nimmt.

Das war auch Bestandteil der Initiative der Landesregierung. Ich will ausdrücklich darauf hinweisen, dass infolge unseres Antrags und unserer Debatte eine öffentliche Debatte über Chancen und Risiken der Gentechnologie stattgefunden hat, die es davor nicht gab. Insofern sind der Antrag und die Debatte darüber schon ein großer Erfolg.

Ein weiterer Punkt ist: Wenn man mit den Leuten über auf diese Technologien spricht, dann stellt man ziemlich schnell fest, dass abstruse Vorstellungen Ängste begründen und dass man gar nicht weiß, was eigentlich Gentechnologie ist.

Gentechnologie ist, auf den Punkt gebracht, schlichtweg das, was Züchtungsforschung ebenfalls macht, nur in einem Zeitraffer. Wir haben hier keine wildwachsenden Pflanzen mehr; vielmehr gibt es in diesen Breiten Europas oder der Industrienationen Kulturlandschaften, in denen Kulturpflanzen angebaut und genutzt werden. Die Züchtungsforschung, die uralt ist, hat bereits Eigenschaften von Pflanzen verändert, um sie erfolgreicher nutzbar zu machen.

Die Gentechnik macht genau dasselbe, was die Züchtungsforschung macht, nur in einem Zeitraffer mit neuen Technologien in den Laboren. Deswegen bitte ich insbesondere die PDS - Sie stehen ja nicht nur für wissenschaftlichen Marxismus, sondern Sie haben auch eine große Zahl von Wissenschaftlern in Ihren Reihen -, wieder auf den Pfad der Sachlichkeit bei diesem Thema zurückzukehren und eine Chance für Sachsen-Anhalt und für andere zu unterstützen, anstatt aus parteitaktischen, wahltaktischen Gründen aus dem Boot auszusteigen.

Zum Schluss will ich noch auf einen Punkt zu sprechen kommen, der mir auch sehr wichtig ist.

Herr Gürth, möchten Sie zwischendurch eine Frage von Herrn Gallert beantworten?

Zum Schluss sehr gern.

Ich möchte, dass das, was bei uns aufgebaut wurde, erfolgreich fortgeführt wird. Die Biotechnologieoffensive ist ja bereits im Jahr 2000 begonnen worden und wird jetzt fortgeführt. Mit diesem Anbauprogramm hat sie, wie ich finde, eine hervorragende Entwicklung bekommen, die uns weiterführt. Ich möchte, dass wir diese Chance nicht vertun, sondern dass wir alle dazu beitragen, dass dies ein Erfolg wird.

Wenn dann Organisationen wie Greenpeace rechtsbrecherisch, gewalttätig, mit Landfriedensbruch und anderen Methoden Sachbeschädigungen durchführen, in Privateigentum eindringen und Privateigentum zerstören, dann halte ich dies nicht für hinnehmbar. Davon müssen sich alle in diesem Hause distanzieren. Ich erwarte, dass die Landesregierung und alle, die das tun können, dafür Sorge tragen, dass solchen Organisationen die Gemeinnützigkeit aberkannt wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe sehr, dass wir heute zum Abschluss einer gut ein Jahr andauernden Debatte über die Chancen der Biotechnologie in Sachsen-Anhalt das beabsichtigte Signal aus diesem Hause heraus, über die Landesgrenzen hinaus transportieren können, dass hier in Sachsen-Anhalt die Politik über die Fraktionen hinweg in einem ganz wichtigen Thema in der Lage ist, das Land gemeinsam voranzubringen.

Wir haben den Versuch unternommen. Ich meine, wir sind ein gutes Stück vorangekommen, selbst mit dem kleinen Ausrutscher der PDS am Schluss der Debatte.

Wenn wir das einmal übersehen, könnte dies, so meine ich, eine der Sternstunden des Parlamentes werden, wenn wir heute mit einer großen Mehrheit diese Beschlussempfehlung auf den Weg bringen. - Dazu lade ich Sie alle ein und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Gürth. - Nun bitte Ihre Frage, Herr Gallert.

Es ist zuerst eine Feststellung und dann eine Frage. Herr Gürth, ich hoffe, dass sich die konsequente Verfolgung sämtlicher Dinge, die man möglicherweise in Zukunft noch als Rechtsbruch einordnen wird, bei der CDU-Fraktion nicht nur auf Greenpeace beschränkt, sondern auch beispielsweise rechtswidrige Auftragsvergaben mit umfasst. Wir werden dann sehen, ob Sie dort die gleichen Kriterien anlegen.

Jetzt die Frage: Sie haben der PDS einen Ausrutscher, eine populistische Diskussion, wie auch immer, oder die Bedienung grüner Klientel unterstellt. Nun will ich einmal die Bedienung von Klientel an der Stelle nicht so sehr in den Mittelpunkt stellen; das könnte auch eine sehr interessante Diskussion werden.

Ich frage Sie, Herr Gürth: Warum gehen Sie nach vorne und behaupten so etwas, ohne ganz offensichtlich den Änderungsantrag der PDS überhaupt gelesen zu haben? Im ersten Satz steht: „Der Landtag von SachsenAnhalt bekennt sich dazu, die der Biotechnologie innewohnenden Potenziale in ihrer ganzen Anwendungsbreite für Sachsen-Anhalt nutzen zu wollen.“ Das ist eine ganz eindeutige Aussage. Ignorieren Sie bitte solche Dinge nicht. Wir haben uns dazu bekannt. Was wir kritisieren, ist das Verhalten der Landesregierung, und das werden Sie von einer Opposition ertragen müssen.

(Beifall bei der PDS)

Verehrter Herr Kollege Gallert, Kritik ist nichts Strafbares. Wo kämen wir denn da hin; das wäre ja wohl furchtbar. In einer Demokratie muss man nicht nur Kritik ertragen, sondern man muss sich damit auseinander setzen.

(Zuruf von der PDS: Man muss bei der Wahrheit bleiben!)

Zu Ihrem Antrag: Die Vertreter Ihrer Fraktion, die sich insbesondere im Wirtschaftsausschuss aktiv an der Debatte beteiligt haben, wissen, dass wir durchaus in Ihrem Antrag und in der vorliegenden Beschlussempfehlung Gemeinsamkeiten haben, die wir gemeinsam tragen. Aber es gibt Formulierungen, die aus gutem Grund nicht Bestandteil der Beschlussempfehlung geworden sind.

Ich habe das jetzt nicht vor mir liegen. Herr Dr. Thiel, der zu diesem Thema hier vorgetragen und sich auch an der Beratung sehr sachlich beteiligt hat - Ihre frühere Fraktionsvorsitzende Frau Dr. Sitte auch -, weiß ganz genau, um welche konkreten Formulierungen es geht. Weil Sie genau wissen, dass wir dem im Detail nicht zustimmen können, kann sich jeder ausmalen, warum Sie genau

diese Formulierungen wieder in Ihren Änderungsantrag eingearbeitet haben.

Ich will damit die Gemeinsamkeit und die teilweise auch sachlichen Beiträgen Ihrer Fraktion in dieser Debatte nicht verniedlichen oder wegwischen. Das erkenne ich durchaus an. Aber Sie suchen jetzt parteitaktisch den Ausstieg, damit Ihnen die Klientel, die Sie aus wahltaktischen Gründen im Auge habe, nicht vorwerfen kann, Sie hätten sich am Schluss einkaufen und einfangen lassen und hätten einer Sache zugestimmt, die Sie dieser Klientel, deren Stimme Sie haben wollen, nicht erklären können. Ansonsten traue ich Ihnen zu - Sie haben ja durchaus eine Reihe von hochqualifizierten und guten Leuten bei sich -, dass Sie in der Lage gewesen wären, das, was wir gemeinsam erarbeitet haben, auch mitzutragen. Nicht, dass Sie das nicht könnten, Sie wollen es nicht, das wissen Sie ganz genau.

Vielen Dank, Herr Gürth. - Nun erteile ich Frau Budde das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schrader, ich will vorwegschicken: Die Diskussion im Ausschuss ist anders gelaufen. Es war eine sehr gute, sehr inhaltsreiche und sehr faire Diskussion. Deshalb hatte ich auch gehofft, dass ich in dieser Debatte mit zehn Sätzen klar kommen werde, weil die ganze inhaltliche Diskussion wirklich sehr ausgewogen im Ausschuss geführt worden ist. Aber nach dem, was hier an Wortbeiträgen gekommen ist, muss ich auf einiges von dem eingehen, was vorgebracht worden ist; denn das geht zum Teil an der bisherigen Debatte vorbei.

Herr Gürth, wenn Sie beim Hunger auf der Welt anfangen und sagen, unser Beitrag ist, wir bringen die Biotechnologie voran, und dann sagen, wir machen es den USA und Argentinien nach, dann sind wir aber nicht dabei, den Hunger auf der Welt abzuschaffen oder zu mildern, sondern dann sind wir bei einer ganz anderen Position. Dann müssen wir erst einmal eine ganz andere Diskussion führen.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Die fängt nicht bei der Biotechnologie an, sondern die fängt dabei an, dass es eine solidarische Verteilung auf der Welt geben muss, dass wir über Teilhabe an Wohlstand reden müssen und dass wir über das NordSüd-Gefälle reden müssen und darüber, wie man das abbauen kann. Die Biotechnologie ist ein ganz kleiner Bereich dabei. Ich glaube, das war doch ein bisschen weit gesprungen und ein bisschen kurz gelandet.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Dann müssen wir die Debatte grundsätzlich führen und können nicht nur darüber reden, ob es um eine zugelassene Sorte geht oder nicht und wer etwas zugelassen hat und hinterher nicht mehr gut gefunden hat. Dann müssen darüber reden, dass es grundsätzlich unterschiedliche ethische Auffassungen dazu gibt, inwieweit man jede Art von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt bringt. Dazu gibt es nun einmal unterschiedliche Auffassungen.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)