Protocol of the Session on June 17, 2004

Im Ergebnis haben die Fraktionen der CDU, der SPD und der FDP den Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur

Änderung des Abgeordnetengesetzes Sachsen-Anhalt vorgelegt. Dieser Gesetzentwurf hat zum Ziel, über die bereits erwähnte Streichung der Leistungen für die Bestattungskosten bei den Abgeordneten das Überbrückungsgeld für die Hinterbliebenen im Todesfall zu reduzieren.

Im Abgeordnetengesetz ist geregelt, dass die Hinterbliebenen eines verstorbenen Abgeordneten bis zu zwei Grundentschädigungen als Überbrückungsgeld gewährt bekommen, um sich auf die neue finanzielle Situation, wenn nämlich ein Verdiener wegfällt, einstellen zu können. Hinzu kommt, dass das Büro des Abgeordneten, wenn er noch im Amt war, aufgelöst werden muss. Vorhandene Arbeitsverträge müssen gekündigt werden und vieles andere ist zu regeln. Das Überbrückungsgeld wird gezahlt, um all dies abzufedern.

Nun stellt sich die spannende Frage, ob diese Leistungen denn überzogen sind und ob sie in dieser Höhe beibehalten werden können oder nicht. Ich persönlich halte sie nicht für überzogen, sondern für gerechtfertigt. Dennoch haben die erwähnten Fraktionen sich entschieden, einen Gesetzentwurf einzubringen, der diese Leistung darüber hinaus gehend kürzt, und zwar um einen Betrag in Höhe von 1 050 €.

Jetzt habe ich mir einmal die Mühe gemacht und nachgeschaut, ob die Abgeordneten und somit die Politiker hiermit eine Sonderleistung für ihre Hinterbliebenen bekommen oder nicht. Im Übrigen gab es in den ganzen 14 Jahren der Landtagsgeschichte in Sachsen-Anhalt lediglich sechs Fälle, in denen solche Zahlungen gewährt wurden.

Es ist keine besondere Leistung, die den Hinterbliebenen von Abgeordneten gewährt wird. Es ist eine Leistung, die Hinterbliebenen in Deutschland vielfältig gewährt wird, zum Beispiel jedem im öffentlichen Dienst Beschäftigten, der nach dem Bundesangestelltentarifvertrag beschäftigt wird. Dieses so genannte Sterbegeld wird nach § 41 des Bundesangestelltentarifvertrages in vergleichbarer Höhe gewährt.

Darüber hinaus stellt sich die Frage: Gönnt sich das nur der öffentliche Dienst? Das wird schließlich aus Steuergeldern bezahlt. Was macht denn die private Wirtschaft? - Auch in den allermeisten Tarifverträgen der freien, der privaten Wirtschaft sind vergleichbare Leistungen enthalten.

Ich habe mir heute Morgen den gültigen Manteltarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie beschafft. Auch dieser sieht die Gewährung entsprechender Leistungen vor - ich darf zitieren -:

„Beim Tode eines oder einer Beschäftigten zahlt der Arbeitgeber dem Ehegatten, der zum Zeitpunkt des Todes mit dem Verstorbenen in häuslicher Gemeinschaft lebt, oder an unterhaltsberechtigte Kinder eine Unterstützung in Höhe des Verdienstes von eineinhalb Monaten, bei einer Betriebszugehörigkeit von mindestens fünf Jahren von zwei Monaten, bei einer Betriebszugehörigkeit von mindestens zehn Jahren von drei Monaten.“

Das ist also noch mehr als das, was wir für unsere Hinterbliebenen geregelt haben.

Ähnliches kann man auch in anderen Tarifverträgen feststellen. Ich habe ein weiteres Beispiel. Ich habe hier den Manteltarifvertrag für Redakteurinnen und Redak

teure an Tageszeitungen vom Deutschen Journalistenverband e. V., das ist die Gewerkschaft der Journalisten.

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

In § 6 des Tarifvertrages für die Redakteurinnen und Redakteure ist Folgendes geregelt - ich darf zitieren -:

„Im Falle des Todes eines Redakteurs/einer Redakteurin hat der Verlag an die hinterbliebenen Unterhaltsberechtigten das Gehalt bzw. den Zuschuss gemäß § 5 für den Sterbemonat sowie Sterbegeld für drei Monate, nach zehnjähriger Betriebszugehörigkeit das Sterbegeld für vier Monate, nach 15-jähriger Betriebszugehörigkeit das Sterbegeld für fünf Monate zu zahlen.“

Des Weiteren wird aufgeführt:

„Das Sterbegeld ist auch dann zu zahlen, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Redakteurs/der Redakteurin kein Anspruch auf Gehalt oder Zuschuss nach § 5 mehr besteht, das Arbeitsverhältnis aber noch bestanden hat.“

Wir können daraus ersehen, dass es keine exorbitante, unverschämte Leistung ist. Sie hat von ihrer Höhe her ohnehin keine große Relevanz, sondern hat eher eine symbolische Bedeutung. Insofern sind wir in einer guten Gemeinschaft. Dennoch wollen wir diese Leistung für die Hinterbliebenen um 1 050 € kürzen, um einen symbolischen - wie ich es nenne - und deutlich erkennbaren Beitrag zu leisten.

Zusätzlich wird ein zweiter Sachkreis geregelt, über den noch gar nicht gesprochen oder geschrieben wurde. Ab 1. April 2004 müssen Rentner den vollen Beitrag zur Pflegeversicherung leisten und nicht mehr wie bisher den hälftigen Anteil der gesetzlich vorgeschriebenen 1,7 %. Gleiches soll nun auch für ehemalige Abgeordnete und deren Hinterbliebene gelten, sofern diese als Versorgungsempfänger nach dem Abgeordnetengesetz Mitglieder einer gesetzlichen Versicherung sind.

Ehemalige Abgeordnete und Hinterbliebene, die eine private Pflegeversicherung wie Beamte abgeschlossen haben und beihilfeberechtigt sind, sind von den Änderungen der Beihilfevorschriften unmittelbar betroffen. Das heißt, wir werden auch hier, ohne dass wir von irgendjemandem von außen gedrängt werden müssen, unverzüglich handeln und eine Gleichstellung herbeiführen, sodass die Abgeordneten dieses Hauses auf keinen Fall besser gestellt sind als alle anderen Bürgerinnen und Bürger in unserem Land.

Ich bitte Sie herzlich, diesen Gesetzentwurf zu überweisen und ihn einer weiteren Beratung zuzuleiten. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Abgeordneter Gürth, für die Einbringung. - Wir treten in die Debatte der Fraktionen ein. Es ist vereinbart worden, eine Fünfminutendebatte zu führen. Als Erster wird Herr Dr. Eckert für die PDS-Fraktion reden.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Anlass für die heutige Debatte sind eigentlich Gesetze der rotgrünen Bundesregierung und des von der CDU domi

nierten Bundesrates vom Dezember 2003, mit denen der Sozialabbau juristisch fixiert wurde.

Durch die Ausgliederung von bisher gewährten Leistungen aus dem Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung sowie durch die Festlegung, dass Rentnerinnen und Rentner sowie Pensionärinnen und Pensionäre seit dem 1. April dieses Jahres den vollen Beitrag zur Pflegeversicherung bestreiten, sollen die staatlichen Zuschüsse zur Rentenversicherung reduziert werden.

Die auf diese Art und Weise freigeschaufelten finanziellen Mittel werden benötigt, um, wie wir kürzlich am Beispiel Vodafone aus der Zeitung erfahren durften, die steuerliche Entlastung der Großindustrie und der Kredit- und Finanzwirtschaft gegenzufinanzieren. Dieses Vorgehen schafft zwar keine neuen Arbeitsplätze, ermöglicht aber nach wie vor risikoreiche Spekulationen und Fehlentscheidungen an den internationalen Börsen.

(Unruhe bei der CDU)

- Das ist so. Das wird nämlich freigeschaufelt.

(Herr Gürth, CDU: Das ist doch Parteitagspole- mik! - Zuruf von Frau Feußner, CDU)

Die PDS hat diese Gesetze als für die Lösung der Probleme der sozialen Sicherungssysteme untauglich abgelehnt.

Nun geben die Fraktionen der CDU, der FDP und der SPD vor, im Namen des Abbaus von Privilegien durch die Änderung bei den Zuwendungen für die Abgeordneten eine Gleichbehandlung zu gewährleisten.

(Herr Gürth, CDU: Wir kürzen mehr!)

Meine Damen und Herren, Ihre Vorschläge zur Novellierung des Abgeordnetengesetzes sehen vor, dass auch Abgeordnete des Landtages nunmehr den vollen Beitrag zur Pflegeversicherung selbst tragen und dass das Sterbegeld nach § 22 in Höhe der zweifachen Entschädigung, gegenwärtig also 7 874 €, um 1 050 € gekürzt wird. Wenn also ein Abgeordneter stirbt, werden seinen Hinterbliebenen immer noch mehr als 6 800 € ausgezahlt.

Dazu muss gesagt werden, dass laut Abgeordnetengesetz die in § 23 geregelte Hinterbliebenenversorgung unmittelbar nach dem Tod eines Abgeordneten oder eines ehemaligen Abgeordneten in Kraft tritt. Danach erhalten die Hinterbliebenen 60 % der nach § 18 berechneten Altersentschädigung. Man muss also auch hierbei addieren.

Ich frage Sie: Welche Bürgerin und welcher Bürger kann nach dem für alle Menschen traurigen Ereignis derartige Gelder beanspruchen?

(Herr Gürth, CDU: Viele Tausend!)

Meinen Sie tatsächlich, dass mit Ihrem Gesetzesvorschlag die Abgeordneten den Bürgerinnen und Bürgern gleichgestellt werden? Die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes sehen das anders.

(Frau Weiß, CDU: Das ist doch bloßer Populis- mus, was Sie da machen!)

Erlauben Sie, dass ich Ihnen einige Meinungen vortrage - ich zitiere -:

„Unser Land ist pleite, die Kommunen ebenfalls. Für Kultur und Kinder ist kein Geld da. Uns Rentnern wurde die Rente gekürzt und die Gesund

heitsreform traf uns alle empfindlich. Schämen sich die Abgeordneten bei diesen Summen nicht? Geht es um den kleinen Mann, werden sehr schnell Reformen durchgepeitscht, die oft viele Ecken und Kanten aufweisen. Geht es aber den Damen und Herren an die Geldbörse, tut man sich bei Kürzungen schwer.“

Eine zweite Meinung:

„Als blanken Hohn gegenüber der Bevölkerung empfinde ich die 7 874 € Sterbegeld für die Angehörigen von Abgeordneten. Uns Bürgern dagegen liegt der Brief der Krankenkasse über die Streichung des Geldes vor.“

Sie können solche und andere Bürgermeinungen in der „Volksstimme“ vom 15. Juni 2004 nachlesen. Es gibt nicht einen Leser, der sich für den Vorschlag der Fraktionen der CDU, der FDP und der SPD ausspricht oder auch nur Verständnis dafür äußert.

Meine Damen und Herren! Um es noch einmal zu sagen: Wir halten die auf Bundesebene verfolgte Politik des Sozialabbaus für falsch und für kontraproduktiv für den Sozialstaat und auch für die Wirtschaft.

(Herr Gürth, CDU: Ist das eine Parteitagsrede oder eine zur Sache?)

Aber wenn Sie schon behaupten, Sie wollten Landtagsabgeordnete mit der übrigen Bevölkerung gleich schlecht stellen, dann tun Sie es auch. Die PDS hat deshalb einen Änderungsantrag eingebracht, der vorsieht, § 22 ersatzlos zu streichen. Mit dieser Streichung würde tatsächlich ein Privileg der Abgeordneten gegenüber unseren Wählerinnen und Wählern beseitigt.

(Frau Weiß, CDU: Quatsch!)

Ich fordere Sie auf, unserem Antrag zuzustimmen. - Danke.

(Beifall bei der PDS)