Protocol of the Session on May 7, 2004

kann doch nicht immer nur der SPD gestellt werden. Das ist doch zuallererst eine Aufgabe der Landesregierung.

(Beifall bei der SPD)

Ich will also noch auf die drei, vier Punkte kommen, die ich angesprochen habe - die werde ich immer wieder anführen -:

Erstens. Erläutern, warum heute Nachtragshaushalt!

Zweitens. Inwieweit das Defizit jetzt wirklich endgültig ist und welche Probleme aus diesem Defizit für den laufenden Haushalt oder auch für den Doppelhaushalt entstehen.

Drittens. Die Frage, inwieweit Sie diesen Konsolidierungskurs, wie auch immer Sie ihn definieren, für die nächsten Jahre aufrechterhalten wollen.

Ich habe noch die mittelfristige Finanzplanung vor Augen. Darin gehen Sie von einer Halbierung der Nettoneuverschuldung laut dem alten Stand aus. Wenn ich Sie heute zum Thema Konsolidierung höre, muss ich davon ausgehen, dass Sie sich, wenn die Steuermindereinnahmen weiterhin ein relativ gleiches Niveau haben, generell von der Frage verabschieden, inwieweit Sie in den nächsten Jahren die Nettokreditaufnahme auf null zurückführen wollen. Ansonsten müssten Sie jetzt - zumindest in den nächsten Monaten - erklären, zulasten welcher Ausgaben Sie die Nettoneuverschuldung zurückführen wollen.

Ich will nur einmal aus einem Info-Brief der CDU aus dem Jahr 2003 zum Haushalt 2003 vorlesen - ich nenne mal den Namen dessen, der das geschrieben hat, nicht -:

„Was - so fragen derzeit viele Menschen - ist neu an diesem in Zahlen gegossenen Politikkonzept? Die Antwort lässt sich in drei Punkten zusammenfassen: Die Ansätze sind realistisch und damit den Grundsätzen von Haushaltsklarheit und Bilanzwahrheit verpflichtet.

Zweitens. Der wirkliche Abbau der Nettoneuverschuldung wird vorangetrieben.

Drittens. Der zwingend erforderliche Umbau des Haushaltes von konsumtiven hin zu investiven Schwerpunkten ist deutlich erkennbar. Unsere Haushaltspolitik ist auf das Jahr 2006 ausgerichtet. Am Ende dieses Jahres wird abzurechnen sein über unsere Finanzpolitik. Denn mit Abschluss des Haushaltsjahres 2006 wollen wir die Nettoneuverschuldung unseres Landes gegen null gefahren haben - nicht mehr und nicht weniger.“

CDU-Veröffentlichung!

(Herr Dr. Püchel, SPD: Deswegen spricht er nicht mehr dazu!)

Ich sage das alles nicht, um mir damit Applaus einzuhandeln.

(Herr Scharf, CDU: Es klatscht auch gar keiner!)

Aber ich habe Ihnen jetzt zwei Jahre zugehört. Ich könnte auch ganz polemisch sagen, wie Sie es früher gemacht haben: Sie müssen beim Personal endlich mal kürzen, Sie müssen bei den Investitionen mal kürzen, Sie müssen bei den Sachkosten kürzen, Sie müssen

endlich mal kürzen, Sie müssen gleichermaßen die Nettoneuverschuldung zurückfahren, Sie müssen dafür sorgen, dass dieses Land endlich stabiler vorankommt. - Auf die Frage, was wir dazu machen sollten, die Antwort: Wir sind Opposition, das geht uns nichts an. Wir überlassen das der Regierung. - Applaus bei der CDU.

So war es doch jahrelang, Herr Scharf.

(Beifall bei der SPD - Herr Scharf, CDU: Nein!)

- Doch, so war es. - Aber ich sage Ihnen aufgrund meiner eigenen Überlegungen auch: Wenn wir in den nächsten Jahren nicht mit der Nettoneuverschuldung runter kommen, wird sich das im Jahr 2008/2009 bitter rächen, weil dann der Solidarpakt und andere Dinge rückläufig sein werden.

(Beifall bei der SPD)

Das weiß der Minister. Er stellt sich hier hin und wird uns das theoretisch immer wieder erklären. Nur, wenn ich in die Bücher schaue, sehe ich da ganz andere Zahlen.

(Herr Scharf, CDU: Wissen wir alle!)

- Ja, nur ist das doch Ihre Aufgabe, verdammt noch mal. Sie regieren doch.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage immer wieder: Wenn Sie das nicht wollen - das habe ich beim letzten Mal schon gesagt -,

(Zuruf von Frau Feußner, CDU)

dann hindert Sie keiner, hier aufzustehen.

Ich will auch eines sagen - das habe ich auch an der Reaktion von Herrn Tullner, wie er geredet hat, und anderen ein bisschen gemerkt -: Ich glaube immer mehr, dass das nicht so richtig sein Thema ist. Theoretisch mag das alles klappen, und ich würde mich überhaupt nicht darauf einlassen, mit dem Ökonomen Paqué über Dinge zu reden, bei denen er meint, er müsse mich aufs Glatteis führen. Aber ich bitte einfach darum, dass man aufhört, uns in Haushaltsfragen etwas vormachen zu wollen.

(Beifall bei der SPD)

Damit haben wir genug Erfahrung.

Deswegen sage ich: Dieser Nachtragshaushalt wird natürlich von uns überwiesen werden und wir werden auch in den Ausschüssen darüber beraten. Denn es stimmt mitnichten, dass, wie er sagt, konsumtive Ansätze nicht erhöht worden sind. Da gibt es zum Beispiel Gutachten; das ist ein ganz heikles Thema. Aber ich will das jetzt nicht in andere Zusammenhänge bringen. Ich will nur sagen: Wenn man sich hier hinstellt und ganz allgemein erklärt, es gebe überhaupt keine Erhöhung, dann ist das falsch.

(Zuruf von Ministerpräsident Herrn Prof. Dr. Böh- mer)

- Nein, es gibt Gutachten, es gibt auch Zuschüsse zu anderen Maßnahmen im konsumtiven Bereich. - Herr Ministerpräsident, ich mache doch nicht solche Sprüche hier vorn. Nur, wenn jemand solche Sprüche macht, dann muss er damit leben, dass sie nachgeprüft werden. Das passiert seit zwei Jahren. Seit zwei Jahren ist er, muss ich sagen, bei diesem Nachprüfen meist derjenige gewesen, dem nachgewiesen wurde, dass er etwas nicht ganz Richtiges gesagt hat.

Es ließe sich viel sagen. Wie gesagt, Wulf Gallert hat die gesamten Zahlen schon genannt. Wir werden auch noch eines berücksichtigen müssen - das ist bisher auch noch nicht angesprochen worden -, und zwar gibt es etwas Bemerkenswertes im Haushaltsgesetz, § 3b: Über die Kreditermächtigung nach Absatz 1 - neu: 1 316 979 100 € - hinaus darf das Ministerium der Finanzen Kredite bis zur Höhe der bis zum 31. Dezember 2004 für das Haushaltsjahr 2004 vom Land Sachsen-Anhalt bei der Europäischen Kommission gestellten Erstattungsanträge aufnehmen. Die nach Satz 1 aufgenommenen Kredite sind mit den entsprechenden Erstattungen aus den Strukturfonds zu tilgen.

Was heißt das? - Das werden nämlich die meisten gar nicht bemerkt haben. Der Minister hat es bisher auch verschwiegen. - Das heißt, Sie können für bestimmte Ausgaben Einnahmen auch aus den Krediten gegenfinanzieren. Es ist vorhin einmal so lax gesagt worden, als es um die erste Förderperiode ging - ich glaube, es war Wulf Gallert -: Wir hatten auch immer damit zu kämpfen, dass Geld über Förderperioden falsch abgeflossen ist und auf der Einnahmeseite etwas verrechnet werden musste.

Dann sind wir immer wegen Verstoßes gegen, glaube ich, § 9 Abs. 2 und 3 mächtig kritisiert worden. Wenn ich weiß, dass im jetzigen Haushaltsvollzug die EuropaMittel auf der Einnahmeseite erst, so glaube ich - stimmt es, Herr Tullner -, zu 1 % eingegangen sind, während die Ausgabeseite wieder davon galoppiert, dann weiß ich doch - da will ich am Ende auch hin -, dass ich im nächsten Jahr die gleiche Diskussion wieder führen werde, weil nämlich ihm die Ausgaben fortlaufen, weil er auf die Ressorts keinen Einfluss hat.

Die haben das zum Teil wie Minister Rehberger - aus seiner Sicht sicherlich richtig - schon mit den Verpflichtungsermächtigungen alles abgedeckt. Ihm rennt das weg, weil nämlich die Einnahmen nicht kommen. Er hat das Problem - das hat er aber selbst verschuldet -, dass er nämlich, was ich ihm im letzten Jahr vorgeschlagen habe, die Steuereinnahmen nicht auf dem Niveau von jetzt einfriert und sie fortschreibt, sondern er wird sich wieder 300 bis 400 Millionen € zu viel Steuereinnahmen in die Bücher schreiben.

Er wird dann wieder ganz überrascht tun, wenn er im nächsten Jahr wieder an dieser Stelle steht und sagt: Es tut mir einfach Leid; die rot-grüne Wirtschaftspolitik in Berlin und die Rot-Roten der letzten acht Jahre haben dafür gesorgt, dass die Steuereinnahmen nicht kamen. Dafür können wir nichts; denn wir haben nach bestem Wissen und Gewissen veranschlagt; wir haben uns darum bemüht, dass dieses Land vorankommt. Wir werden zum dritten Mal erleben, dass wir einen Nachtragshaushalt haben werden, weil es ein Defizit gibt, da die Steuereinnahmen nicht kommen.

Ich habe in meiner Projektion die Steuereinnahmen in einem Zeitraum von drei Jahren einmal auf den gleichen Wert gesetzt. Ich habe im vorigen Jahr - so viel müssen Sie von der CDU auch einmal zugestehen - genau das gesagt, als über die Haushaltsveranschlagung diskutiert wurde: Stellen Sie andere Steuereinnahmen ein. Ziehen Sie das ab. Es geht immer um 300 bis 400 Millionen €. Geben Sie diesen Wert auch auf die Ausgabeseite. Das heißt natürlich, Sie müssen mehr sparen.

Da bin ich bei dem Punkt von vorhin: Das ist zuerst Ihre Aufgabe, und sagen Sie jetzt bitte nicht gleich wieder, Herr Böhmer, das wäre doch zuerst eine Frage an die

Opposition wert. So viel Offenheit, wie wir in den letzten Monaten bezüglich dieses Punktes gehabt haben, hätte ich mit einmal in den ganzen anderen Jahren gewünscht.

Deswegen: Wir werden bei der Diskussion über den Doppelhaushalt bestimmten Fragen nicht ausweichen können, auch bei der Frage der mittelfristigen Finanzplanung. Aber ich glaube, ich kann von der Regierung erwarten, dass sie erstens eine richtige mittelfristige Finanzplanung vorlegt, nämlich eine, bei der nicht wie im letzten Jahr zig Varianten offen gehalten worden sind. Es hieß beispielsweise: Wenn ich im konsumtiven Bereich das machen würde, dann heißt es für die Investitionen das. Oder im Umkehrschluss: Wenn ich da kürze, dann kommt es dahin.

Dann sollte eine Vorausschau gemacht werden, die wirklich drei Monate lang aushält. Denn wenn ich einmal ein Fazit ziehe: Was haben wir jetzt? - Wir haben ein Defizit aus dem letzten Haushalt. Wir haben einen beschlossenen Haushalt, der einen Nachtragshaushalt hat. Wir haben eine Haushaltssperre. Wir haben in wenigen Monaten einen Doppelhaushalt vor uns, bezüglich dessen mir nach dieser Diskussion Angst und Bange wird. Und wir haben einen Finanzminister, der nach meinem Eindruck mittlerweile gar keine richtige Lust mehr hat, dieses ganze Spiel auf Dauer mitzumachen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Bullerjahn. Möchten Sie jetzt eine Frage von Herrn Scharf beantworten?

Von Herrn Scharf immer.

Herr Kollege Bullerjahn, Sie haben wiederholt die These vertreten, die Landesregierung stellt die Steuerprognosen falsch ein und sollte sich auf eigene und andere Steuerprognosen verlassen. Nach meiner Kenntnis gibt es keine seriöseren Prognosen als die Steuerschätzungen des Bund-Länder-Arbeitskreises. Die sind leider sehr ungenau. Aber haben Sie denn verlässliche Anhaltspunkte dafür, dass Sie oder andere einen Apparat vorhalten können, mit dem man zu genaueren Prognosen kommen könnte?

Ich kann mich noch daran erinnern, dass wir uns vor Jahren einmal heftig gestritten haben, als der frühere Finanzminister Schaefer 40 Millionen € zusätzlich an Steuern eingestellt hat, weil er meinte, durch einen Sondereffekt für Sachsen-Anhalt besser planen zu können als der Bund und die Länder. Das ist alles nicht eingetreten. Wir haben das damals heftig kritisiert. Meinen Sie nicht, wir sollten die Finger davon lassen und uns nicht doch auf die Bund-Länder-Steuerschätzungen verlassen?

Für diese Frage bin ich richtig dankbar.

(Zuruf von Frau Ferchland, PDS)