Es hilft an der Stelle auch nicht, wenn man darauf verweist, dass der Bund das möglicherweise bezahlt. Herr Scharf ist lange genug Finanzpolitiker gewesen, um zu wissen, wie der Bundeshaushalt aussieht. Ich frage Sie: Wenn Ihnen 40 Millionen € aus der Landeskasse zu viel sind, aber 80 Millionen € aus der Bundeskasse nicht, was ist dann mit Ihrer Sicht auf die Situation der öffentlichen Kassen in ihrer Gesamtheit? Ist das nicht auch nur eine sehr beschränkte Sicht, eine Kirchturmpolitik, die hier betrieben werden würde?
Ich kann leider auf die aus meiner Sicht sehr schädliche Ost-West-Debatte, die sich zurzeit in den öffentlichen Medien abspielt, inhaltlich nicht mehr eingehen.
Ich fordere Sie, Herr Ministerpräsident, lediglich zu etwas auf. Ich habe mich, als ich den von mir bereits erwähnten Beitrag des Politmagazins „Kontraste“ und Ihren Auftritt in dieser Sendung gesehen habe, wahnsinnig geärgert. Sie haben leider der Versuchung nicht widerstehen können, die Probleme, die dieses Land auch haushaltspolitisch zweifellos hat, auf die Vorgängerregierung, sprich auf die Höppner-Regierung, abzuwälzen, und haben versucht, sich damit gegenüber den Leuten, die Sie befragt haben, für sich selbst, für die eigene Verantwortung einen Freibrief zu holen.
Ich sage Ihnen: Ich glaube, das ist Ihnen gründlich misslungen. Ich glaube, Sie sind - ob Sie das wollen oder nicht - in dieser Sendung als Kronzeuge für die Mittelverschwendung Ost verwendet worden. Es passte 100prozentig in diese Strategie hinein. Ich glaube nicht, dass man sich im Westen so wahnsinnig dafür interes
Ich fordere Sie im Interesse dieses Landes inständig auf: Verzichten Sie auf solche Auftritte. Bleiben Sie bei Ihrer Position, die Sie im Bundesrat dargestellt haben, und verteidigen Sie auch die legitimen Interessen des Ostens in dieser Bundesrepublik. - Danke.
(Herr Dr. Püchel, SPD: Jetzt aber das Gleiche sagen, das in der Zeitung stand! - Minister Herr Dr. Daehre: Das habt Ihr doch schon gelesen! - Herr Dr. Püchel, SPD: Er soll es noch einmal sagen! Herr Paqué hat es noch nicht gelesen!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gallert, gestatten Sie mir, bevor ich meine eigentlichen Ausführungen mache, drei Vorbemerkungen.
Erstens. Wenn Sie sich über einen Beitrag des Ministerpräsidenten ärgern, dann kann ich daran zunächst nichts Schlechtes finden.
Zweitens. Meine Damen und Herren! Ich habe erwartet, dass Sie, analog zu gestern, sehr triumphierend an das Rednerpult treten. Gestern passten Sie gar nicht durch die Tür, so stolz waren Sie auf sich.
Ich kann dazu nur sagen, dass man vielleicht darauf achten sollte, dass man durch die Tür, durch die man hineingeht, auch wieder hinausgehen muss. Deswegen sollten wir alle hier etwas mehr Bescheidenheit an den Tag legen.
Ich würde mir gerade von der PDS wünschen, dass sie hier ein bisschen leiser und weniger triumphierend auftritt. Ich meine, Sie können sich gern hier hinstellen und sagen: Das Staatsschiff ist in Not und wir beschimpfen die Brücke. Aber mein Anspruch an eine Opposition geht eigentlich dahin, dass sie dazu beiträgt, dass man aus dieser Situation wieder herauskommt, und dass sie sich nicht darüber freut und triumphiert.
(Zustimmung bei der CDU und von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz - Zuruf von Herrn Dr. Püchel, SPD - Frau Dr. Weiher, PDS: Frechheit! - Weitere Zurufe von der PDS - Unruhe)
Eine dritte Vorbemerkung, bevor ich zu meinem eigentlichen Text komme. Ich will an dieser Stelle auch einmal daran erinnern, worin die Ursachen dafür liegen. Ich
meine, es ist wohl allen bekannt, dass wir hier in einem Landstrich leben, der noch vor ungefähr 60, 70 Jahren ein hoch entwickelter Technologiestandort in Deutschland und in Europa, vielleicht sogar weltweit, war. Die Ursache dafür, dass dies nicht mehr so ist, liegt auch darin, dass Ihre Partei bzw. Ihre Vorgängerpartei hier 40 Jahre lang regiert hat.
Trotzdem stellen Sie sich hier hin, beklagen dies mit einer triumphierenden Geste und wollen daraus Nektar saugen. Ich wünschte mir, dass Sie das ein bisschen in Ihre Reden einbauten und es nicht einfach verdrängten.
Jetzt zu meinem eigentlichen Text. Auch wenn die europapolitischen Ereignisse der vergangenen Woche mit ihrer zukünftigen wie historischen Perspektive bereits ausführlich gewürdigt worden sind, will ich eine kurze Reminiszenz darauf verwenden, ehe ich mich den finanzpolitischen Notwendigkeiten dieser Tage widme.
Die Osterweiterung - sie ist für Deutschland und gerade für Sachsen-Anhalt als Brückenland von zentralerer Bedeutung als die Erweiterung nach Süden - bietet die Chance, historisch gewachsene Handels-, Wirtschafts- und Kulturbeziehungen wiederanzuknüpfen, die Krieg, Terror und Ideologie zerrissen haben.
Ob Warschau, Prag, Budapest, Stettin, Breslau oder Reval - alte europäische Regionen haben wieder Anschluss gefunden, wenn auch zunächst nur institutionell. Zugleich bietet die Erweiterung der Europäischen Union neue Herausforderungen - Frau Dr. Klein, insbesondere Sie haben mehrfach darauf rekurriert -, denen wir uns zu stellen haben.
Das saturierte deutsche Staatsgefüge muss sich wandeln, es muss sich reformieren. Wir sind uns dessen wohl bewusst. Die neuen, ambitionierten Mitgliedstaaten Ost- und Mitteleuropas werden - das zeigt allein die Debatte über die Steuersysteme, auf die wir vorhin eingegangen sind - eine neue Dynamik innerhalb der Europäischen Union entfachen, der wir uns stellen müssen und für die wir gewappnet sein müssen.
Wer mit Impetus dafür argumentiert, dass wir sozusagen eine Einheitlichkeit als Maßstab für Europa andenken sollten, der lässt Europa vom Ansatz her scheitern. - Frau Dr. Klein, es ist schade, dass Sie jetzt den Saal verlassen wollen.
Ich denke, es kann nicht Sinn und Zweck der Debatte sein, dass wir wieder vom Zentralstaat und von einer Einheitlichkeit von Lissabon bis vielleicht nach Moskau träumen. Das ist doch wohl völlig absurd.
Unser Land ist in der Lage, auf diese Herausforderungen einzugehen, auch wenn eine chaotisch agierende Bundesregierung ihren Kredit längst verspielt hat, auch wenn in Deutschland eine Stimmung aufkommt, deren Impetus sich schon einmal in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts in Spenglers „Untergang des Abendlandes“ fokussierte. Spengler, übrigens gebürtiger Blankenburger und in Halle studierend, entwarf damals das schicksalsgewaltige Szenario einer kraftlosen und dem Untergang geweihten abendländischen Kultur im Lichte des Werdens und Vergehens.
Nein, meine Damen und Herren, die „german disease“, wie man sie auch bezeichnen könnte, kann nicht das Ende aller Politik sein und ist es auch nicht. Wir in Deutschland können mehr. Wir sind fähig und in der Lage, die Verwerfungen des Vergangenen zu beseitigen und die brüchigen Fundamente unseres Staatswesens neu zu justieren.
Doch dies wird mit dieser Bundesregierung nicht passieren. Daher bereitet sich die Union darauf vor, die Gestaltungsverantwortung in Deutschland zu übernehmen. Wir haben uns konzeptionell neu aufgestellt, die Programmatik auf die skizzierten Herausforderungen fokussiert.
Es herrscht rot-grünes Chaos. Die Gewerkschaften feiern das Ende der Sparpolitik, Neuwirtschaftsminister Fischer sieht das ganz genauso und Superminister Clement treibt jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf - im Moment sind es die Sparerfreibeträge. Auf die Mehrwertsteuer-Debatte oder auf diese lächerliche Bordellsteuer-Geschichte will ich gar nicht eingehen. Nein, meine Damen und Herren, so kann man vernünftige Politik für und in Deutschland nicht gestalten.
Es ist ganz offensichtlich, dass die Bundesregierung die Schleusen zur Verschuldung öffnen will. Aber der Irrglaube, die Lage sei mit keynesianischen Rezepten in den Griff zu bekommen, war schon in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts weit verbreitet. Weder wurde dadurch die Sockelarbeitslosigkeit abgebaut - das war ja die Intention des Ganzen - noch wurden die Schulden dieser Zeit jemals abgetragen. Ganz im Gegenteil: Wir sitzen noch immer auf diesem Sockel von Schulden und müssen jetzt neue Schulden machen, weil die Lage eben so ist, wie sie oft beschrieben wurde. Der Betrachter wendet sich von dieser Bundespolitik mit Grausen ab.
Die Phantomdebatte um die Ausbildungsplatzabgabe macht das Chaos perfekt. Hiermit soll nun die sozialdemokratische Seele gestreichelt werden getreu dem Motto: Erst die eigene Klientel, dann das Land. Die Folgen für unsere Wirtschaft oder gar für die Kommunen sind völlig egal. Allein auf die Stadt Halle kommen Mehrkosten in Höhe von mehr als 650 000 € zu. Die Sparkassen in Sachsen-Anhalt müssen mit Mehrkosten in Höhe von 2 Millionen € rechnen. Selbst die Hochschulen des Landes müssen bluten. So hat die Martin-LutherUniversität statt nach der Logik von Herrn Müntefering 140 nur 40 Auszubildende und müsste demzufolge eine entsprechende Abgabe zahlen.
Während viele westdeutsche Kommunen mit ihren gewachsenen Beamtenstrukturen vielleicht noch einigermaßen klarkommen, sind es gerade die ostdeutschen Kommunen, die mit ihren vielen Angestellten von dieser Sache betroffen sind. - Ein schönes Beispiel für die Chefsache Ost von Kanzler Schröder.
Aber dieser ist wohl nur noch beschränkt handlungsfähig, wenn man Herrn Müntefering so agieren sieht.
(Zustimmung von Herrn Scharf, CDU, von Herrn Schröder, CDU, und von Frau Weiß, CDU - Herr Bullerjahn, SPD: Sie haben das alles gelesen, stimmt’s, Herr Tullner?)
Die Menschen in Deutschland wenden sich von dieser Politik ab. Die Agenda 2010 war von dem Tag an zum
Den Wählern soziale Wohltaten zu versprechen, ihnen vorzugaukeln, es müsse sich nichts ändern, und dann eine dieser zahlreichen ruckartigen Kehrwendungen zu vollziehen - das musste scheitern.
Meine Damen und Herren! Ohne den Grundkonsens, den übrigens auch Gesine Schwan, Ihre Präsidentschaftskandidatin, immer wieder fordert, ohne die Akzeptanz für die Grundlagen eines Politikentwurfes wird kein Erfolg zu zeitigen sein. SPD und Grüne in Berlin haben jeglichen Grundkonsens zerstört.