Protocol of the Session on June 21, 2002

Sie können Tariflöhne nach dem geltenden Bundesrecht nur dann bestimmten Allgemeinverbindlichkeitsregelungen zugrunde legen, wenn eine ausreichende Zahl von Unternehmen in den entsprechenden Verbänden organisiert ist.

(Frau Fischer, Merseburg, CDU: Ja! - Frau Dr. Sitte, PDS: Genau das ist das Problem!)

Das ist im Moment nicht der Fall. Ich meine, dass man die Probleme deswegen - - Warum sind denn die meisten nicht in diesen Verbänden? Warum sind viele ausgetreten? - Einfach weil die Krise der Bauwirtschaft in unserem Gebiet, insbesondere in Ostdeutschland, so dramatisch ist, dass die Unternehmen die Wahl haben zwischen der Schließung der Firma oder dem Versuch, mit den Löhnen im Einvernehmen mit ihren Mitarbeitern so zu arbeiten, dass man einigermaßen über die Runden kommt.

Gerade die mittelständischen Firmen, um die es hierbei in Wahrheit geht, sind Firmen, in denen Familienangehörige mitarbeiten. Ich finde es ganz verständlich, dass man in diesen nicht unbedingt Tariflöhne verlangt, sondern sich sagt: Entweder wir kommen über die Runden, zahlen aber etwas niedrigere Löhne, oder die Firma geht Pleite.

Ich habe Respekt vor denen, die für weniger Geld wenigstens den Arbeitsplatz erhalten. Wenn wir diesen Mut nicht haben - -

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Meine Damen und Herren! Das ist ein grundsätzliches Problem unserer Gesellschaft. Wir sind inzwischen gezwungen, in vielen Bereichen Ausländer zu beschäftigen, weil wir Deutschen lieber Arbeitslosigkeit in hohem Umfang in Kauf nehmen, als selbst die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass man arbeitet. Diese Politik finde ich falsch.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Ich sage Ihnen: Die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmer, die hierbei zur Debatte stehen, haben nicht eine 40- oder eine 45-Stunde-Woche, sie arbeiten wesentlich länger und können froh sein, wenn sie zum Jahresende einigermaßen über die Runden gekommen sind. Auch an diese muss man denken; denn sie tragen einen wichtigen Teil unserer Volkswirtschaft mit.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Herr Dr. Rehberger, die Fragen reißen nicht ab. Wären Sie bereit, auch eine Frage des Abgeordneten Herrn Grünert zu beantworten? - Bitte sehr, Herr Grünert.

Herr Minister, Sie haben vorhin ausgeführt, dass es im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben in Magdeburg zu einem Vergleich gekommen ist. Ich habe in diesem Zusammenhang gehört, dass der Zweitbieter seine Kla

ge zurückgezogen hat. Was entspricht nun eigentlich der Wahrheit?

(Unruhe)

Das ist ein Teil des Vergleiches. Aber Sie müssen bedenken, dass solche Vergleiche mehrere Teile haben. Dazu gehört die Zurücknahme des Rechtsmittels; denn sonst würde der Prozess weiter anhängig sein. Dazu gehört aber auch, dass die andere Seite bestimmte ausgleichende Maßnahmen trifft. Gehen Sie einmal davon aus, dass alle Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass das in diesem Fall geschehen ist.

Ich bin nicht befugt, hier dazu irgendetwas zu sagen. Ich sage nur: Ein Vergleich besteht immer darin, dass beide Seiten aufeinander zugehen. Sie können sich ja bei der Landeshauptstadt kundig machen, wie man das Problem insgesamt gelöst hat.

(Zuruf von Herrn Grünert, PDS)

Vielleicht kommen dabei aber Dinge zutage, die mit dem Vergabegesetz und anderen Gesetzen nicht ohne weiteres vereinbar sind.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Das ist eben das Problem. Dafür tragen Sie die Verantwortung. Sie haben unsere kommunalen Gebietskörperschaften in eine Situation gebracht, die hanebüchen ist. Deswegen muss das Gesetz fallen, so wie es die Koalitionsfraktionen beantragt haben. - Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU - Beifall von der Regierungsbank - Unruhe bei der PDS)

Besten Dank, Herr Minister. - Als letztem Redner erteile ich nunmehr für CDU-Fraktion dem Abgeordnete Herrn Gürth das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich konnte schon in der Einbringungsrede einige Details des Gesetzesvorhabens der Koalitionsfraktionen vorstellen. Deswegen möchte ich jetzt insbesondere auf meine Vorredner eingehen.

Frau Abgeordneten Budde nannte aus eigenem Erleben ein Beispiel, wie sie zumindest in zwei Fällen durch Gespräche mit dem Landeskonservator eine vernünftige Lösung zur Sanierung eines Denkmals gefunden hat.

Frau Kollegin Budde, auch ich kann Ihnen solche Beispiele nennen. Ich möchte an dieser Stelle von diesem Pult aus ausdrücklich Herrn Voß für sein sachkundiges und auch pragmatisches Engagement danken.

(Zustimmung bei der CDU und von der Regie- rungsbank)

Ich halte unseren Landeskonservator für jemanden, der sich um Sachsen-Anhalt verdient gemacht hat. Auch ich kenne solche Beispiele. Ich kann dies nur unterstützen.

Aber das macht das Problem deutlich. Es kann nicht sein, dass wir eine gesetzliche Regelung dulden, bei der man, um Probleme zu lösen, beinahe für jedes Denkmal

einen Abgeordneten, einen Politiker braucht, der mit dem Chef einer Behörde redet.

(Herr Kühn, SPD: So ein Quatsch!)

Ein Recht, das Denkmalschutz regelt, muss so gestaltet sein, dass in der Praxis solche Probleme nicht zuhauf auftauchen, wie wir es in der Vergangenheit erlebt haben. Insbesondere der Umstand, wie Entscheidungen an den unteren Behörden, die damit vorrangig konfrontiert sind, vorbei getroffen wurden und wie lange es gedauert hat, bis sie getroffen worden sind, hat dafür gesorgt, dass die Akzeptanz für Denkmalpflege abgenommen hat.

Zunehmenden Verfall der Innenstädte, Leerstand, fehlende Akzeptanz für Denkmalpflege bei leeren Kassen halte ich für sehr gefährlich. Das zeigt keine Perspektiven auf und wird höchstens Abwanderung fördern, anstatt ein einziges Problem in diesem Bereich zu lösen.

Deswegen sage ich ganz deutlich: Wir meinen es ernst. Diese Regelung, die wir vorschlagen, ist nicht der Zündschlüssel für einen Abrissbagger, sondern sie wird gerade im Hinblick auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit die Sanierung von mehr Kulturdenkmalen ermöglichen, als es in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.

(Zustimmung bei der CDU, von Minister Herrn Dr. Rehberger und von Minister Herrn Dr. Daeh- re)

Ich möchte auf einen weiteren Punkt eingehen, weil wir schwerpunktmäßig lediglich über zwei Artikel unserer Gesetzes gesprochen haben.

Herr Kollege Thiel, Sie sprachen an, dass unser Gesetzesvorhaben wohl eine Verneigung vor den Arbeitgebern gewesen sei, die vermutlich - zumindest nach Ihren Vermutungen - unseren Wahlkampf unterstützt hätten. Das ist nicht so.

(Frau Dr. Sitte, PDS, lacht)

Aber ich kann Ihnen sagen: Diese Landesregierung nimmt all diejenigen ernst, die Ausbildungsplätze und Arbeitsplätze schaffen und die Steuern in diesem Land zahlen. Deswegen soll dieses Gesetz auch ein deutliches Signal in diese Richtung sein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustim- mung von Minister Herrn Dr. Rehberger)

Wir haben in Sachsen-Anhalt 270 000 Arbeitslose. In der Regierungszeit von Herrn Höppner hat sich die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse um 90 000 verringert. Das sind Arbeitsplätze, die weggefallen sind. Wenn wir angesichts der Situation von 25 000 registrierten Arbeitslosen in der Bauwirtschaft in einer enormen Krise in dieser Branche einfach zusehen und nicht handeln, dann werden wir unserer Verantwortung nicht gerecht.

Deswegen will ich noch auf einen weiteren Punkt eingehen, den Sie, Herr Dr. Thiel, auch nannten; denn das ist ein Punkt, den ich besonders ernst nehme. Sie erwähnten - sicherlich gut gemeint -, man müsse sich das noch einmal ein bisschen genauer ansehen, das Gesetz gelte noch nicht einmal ein ganzes Jahr, vielleicht wirke es tatsächlich nicht so, aber man müsse erst einmal sehen, wie es wirklich wirke, wir bräuchten mehr Zeit.

Jetzt nenne ich Ihnen drei Beispiele, die ich mir herausgesucht habe. Erstes Beispiel: Ortsumfahrung Querfurt. Baubeginn sollte im Frühjahr 2002 sein, jetzt wird er erst Ende Oktober 2002 sein. Wertumfang: 2,6 Millionen €. Viele Interessenten, Bauunternehmer aus der Gegend. Ursache für die Verzögerung: Keiner der Bieter ist den Anforderungen des Vergabegesetzes gerecht geworden.

(Minister Herr Dr. Daehre: So ist es!)

Es fehlten formale Nachweise. Die Investitionen und die Aufträge, die die Firmen dringend gebraucht hätten, wurden ein halbes Jahr lang blockiert. Hinzu kommt: Ende Oktober ist zwei Monate vor der Wintersaison. Bei strengen Wintern verlängert und verteuert sich die Umsetzung. Das ist ein großes Problem.

Zweites Beispiel: Landesstraße 223 zwischen Riestedt und Beyernaumburg, Wertumfang 580 000 €. Die Verzögerung betrug mindestens ein halbes Jahr. Es musste zweimal ausgeschrieben werden. Die Ursache: Kein Bieter ist den Anforderungen des Vergabegesetzes gerecht geworden. - Ich halte das für unverantwortlich.

Drittes Beispiel: Aufhebung einer Ausschreibung des Abwasserzweckverbandes Süßer See zur Baumaßnahme Schmutzwasserentwässerung in Farnstädt. Wertumfang 520 000 €. Aufhebung im April 2002. Begründung: Kein Bieter ist den Anforderungen des Vergabegesetzes gerecht geworden.

Ich frage Sie vor dem Hintergrund dieser wenigen Beispiele - ich könnte Dutzende hinzufügen -: Halten Sie es wirklich für verantwortbar, dass wir noch ein bisschen länger zuschauen? - Ich sage: Nein, es ist nicht verantwortbar.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP, von Minister Herrn Dr. Rehberger und von Minister Herrn Dr. Daehre)

Das Grundproblem, das über dieses Beispiel noch hinausgeht - die Schulpolitik wäre genau so ein Beispiel -, das Grundproblem der Politik von SPD und PDS in den letzten acht Jahren, das zu hoher Arbeitslosigkeit geführt hat, war, dass Sie dieses Land ständig mit Experimenten überzogen haben und ganz Sachsen-Anhalt zulasten der Beschäftigung in diesem Land zu einem Versuchslabor erklärt haben. Damit muss Schluss sein.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich denke, die Argumente haben wir ausgetauscht. Ich sage auch an dieser Stelle noch einmal zu, was ohnehin vereinbart worden ist: Wir werden uns, obwohl die Zeit knapp ist - auch die schnelle Bearbeitung dieser Geschichten soll ein Signal sein -, dennoch die Zeit für eine Anhörung nehmen. Alle Betroffenen sollen in einer Anhörung noch einmal ihre Positionen darlegen können. Wir werden darüber auch beraten.