Protocol of the Session on May 6, 2004

(Herr Gürth, CDU: Nein!)

Die Regelungen, deren es bedarf, die notwendig gewesen sind, um diese Dinge zu verhindern, über die wir uns in diesem Ausschuss unterhalten, diese Regelungen hat es spätestens seit dem Jahr 1998 mit dem Antikorruptionserlass der Landesregierung gegeben. Wir brauchen keine neuen Regeln dafür. Herr Harms hätte Herrn Heitmüller aus dem Referat nicht verbieten müssen, freihändige Vergaben zu realisieren. Das hätte er schon seit dem Jahr 1998, seit dem Antikorruptionserlass, nicht gedurft. Er hätte Herrn Harms vorher fragen müssen, bevor er diese Dinge gemacht hat.

(Zustimmung von Herrn Dr. Eckert, PDS)

Am 10. November des letzten Jahres hat die jetzige Landesregierung in der Staatssekretärsrunde einen Beschluss gefasst, dass Beraterverträge ab einem Volumen von 5 000 € vorgelegt werden müssen. Das hat offensichtlich nicht verhindert, dass am 18. November der Vertrag im Finanzministerium geschlossen worden ist, wovon laut Vernehmen die Hausspitze nicht einmal etwas gewusst hat, und zwar mit einem Volumen knapp unter 200 000 €. - Nein, die Regelungen gab es. Aber sie sind ignoriert worden. Warum sind sie ignoriert worden? Weil es immer gut ging, weil es nie Konsequenzen

gegeben hat, weil die, die es ignoriert haben, nie dafür zur Rechenschaft gezogen worden sind.

(Beifall bei der PDS)

Dann will ich am Ende noch etwas zu dem politischen Klima sagen, welches dazu geführt hat, dass wir mit solchen Verstößen zu tun haben. Ja, ich bin auch der Meinung: Das, was wir hier in Sachsen-Anhalt vorliegen haben, ist kein Einzelfall. Ich glaube sehr wohl, dass diese Dinge auch in anderen Ländern stattfinden.

Wir haben zurzeit die Hausdurchsuchung im Wirtschaftsministerium in der schönen Landeshauptstadt Dresden, wir haben ähnliche Meldungen, die sich durchaus - ich sage hier einmal: Filz-Affäre - in Thüringen abspielen können und die noch viel stärker in den Bereich von Korruption hineingehen, als wir es hier zurzeit überblicken, weil wir es hier zurzeit noch nicht haben.

(Herr Tullner, CDU: Und in Mecklenburg-Vorpom- mern? In Mecklenburg-Vorpommern auch!)

- Dazu werden Sie sicherlich noch kommen, Herr Tullner. Schade, dass Sie nicht gesprochen haben. Hat man Sie nicht gelassen, oder was?

(Zurufe von der CDU)

- Gut.

Wir haben natürlich auf der einen Seite die Situation, dass die Öffentlichkeit vor dem Hintergrund der knappen öffentlichen Kassen und der Einsparbemühungen eine höhere Aufmerksamkeit für solche Dinge entwickelt. Wir haben aber auch an verschiedenen Stellen die Situation, dass gesagt wird: Wir haben ein dichtes Regelwerk. Das behindert uns, und wenn wir ein gutes Ziel haben, das wir verfolgen, das wir so schnell wie möglich erreichen wollen, dann kann man über bestimmte Regelung auch mal drüber hinweggehen, und wenn das jemand macht mit einer guten Absicht, dann sollte man schützend seine Hand darüber halten.

Das, was ich eben kolportiert habe, ist nicht etwa Stammtischdiskussion, sondern das war der Inhalt der Rede des Ministerpräsidenten Böhmer bei der Einführung des neuen Chefs des Landesverwaltungsamtes, wo er diese Dinge genau so auf den Punkt gebracht hat.

Nur, wissen Sie, seit einigen Hundert Jahren wird über den Begriff der „guten Absichten“ diskutiert. Das ist immer eine Interpretation. Wenn der Mitarbeiter sagt: Ich habe diese Regeln in einer guten Absicht verletzt, dann heißt das erstens noch lange nicht, dass es so ist, heißt es zweitens nicht, dass er selber daran glaubt, und dann heißt es drittens noch lange nicht, dass ein anderer das auch so empfindet. Insofern ist die Akzeptanz einer Regelverletzung, weil sie ja möglicherweise im Kontext einer guten Absicht stattfindet, inakzeptabel. Aber wenn der Ministerpräsident, der oberste Verwaltungschef dieses Landes, öffentlich mehrfach, unter anderem auch in diesem Augenblick, diese Dinge so charakterisiert, muss man sich nicht wundern, wenn Untergebene der Landesverwaltung daran glauben.

(Beifall bei der PDS - Herr Schröder, CDU: So ei- ne Frechheit!)

- Herr Schröder, ist das die Frechheit des Ministerpräsidenten?

(Zuruf von Herrn Schröder, CDU)

- Na ja, bitte, Herr Schröder.

(Zuruf von Herrn Schröder, CDU - Herr Gürth, CDU: Er hat Recht!)

- Ja, Herr Schröder. Es ist gut.

So. Wir haben natürlich solche Dinge in anderen Bereichen ebenfalls. Wir haben eine Situation, die sich im Kontext mit dem Untersuchungsausschuss zum Justizminister entwickelt hat, bei dem ähnliche Dinge relativ locker behandelt werden. Wir haben dadurch natürlich eine Signalwirkung in diesem Land. Sie müssen nicht denken, dass diese Signalwirkung nicht auch bei den Landesbediensteten ankommt.

Ich habe hier ganz deutlich gesagt: Dieser Untersuchungsausschuss soll auch gegen dieses politische Klima, das solche Vorfälle begünstigt, ein Stoppzeichen setzen. Er soll an der Stelle deutlich machen: Wir als Parlamentarier sind nicht einverstanden damit, dass solche Regelverletzungen als Kavaliersdelikte hingenommen werden.

Ich will ganz am Ende noch etwas zu der Frage der Nestbeschmutzung sagen. Die Frage ist: Soll man denn bei der derzeit angeheizten Ost-West-Diskussion überhaupt solche Dinge aufdecken? Das lenkt ja bloß wieder die Blickrichtung auf das Land Sachsen-Anhalt und die Steuerverschwendung. - Nein, ich denke: ausdrücklich nicht. Schwierig wäre es und kompliziert wäre es, wenn wir darüber hinweggingen. Schwierig wäre es, wenn wir nicht deutlich der Öffentlichkeit - auch im Westen - signalisierten, dass wir alles daran setzen, diese Dinge aufzuklären und diese Dinge offen zu legen.

Wenn es denn eine Ost-West-Diskussion in diesem Zusammenhang gibt, kann man auf eines hinweisen: Alle Beratungsfirmen, die von den Dingen, die hier aufgelistet sind, profitieren, befinden sich im Westen dieses Landes. Es ist - wenn man überhaupt darüber sprechen will - zumindest manchmal ein recht eigenartiger OstWest-Rücktransfer von Fördermitteln.

(Zustimmung bei der PDS)

Die PDS-Fraktion hat ihre Erwartungshaltung an diesen Untersuchungsausschuss klar offen gelegt. Ich denke, dieser Untersuchungsausschuss wird auch dabei helfen, die gesellschaftlichen Symptome, die den Missständen zugrunde liegen, offen zu legen und zu beseitigen. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Gallert. - Nun erteile ich für die SPDFraktion Herrn Bullerjahn das Wort. Bitte schön, Herr Bullerjahn.

(Herr Gürth, CDU: Da bin ich jetzt einmal ge- spannt!)

Herr Gürth, dass Sie bei diesem Thema gespannt sind, überrascht mich natürlich, weil Sie bei dem Thema Untersuchungsausschüsse manchmal auch das Maß überschritten bzw. den Bogen überspannt haben, zumindest nach meiner Meinung, der ich in diesem Parlament wahrscheinlich am meisten mit solchen Ausschüssen zu

tun hatte. Es geht schließlich zum Teil auch um persönliche Dinge, das muss man immer berücksichtigen.

Herr Präsident, ich habe jetzt die Anrede verschluckt.

Ich wollte schon nachfragen, zu wem Sie eigentlich reden.

(Heiterkeit und Beifall bei allen Fraktionen)

Unter anderem auch zu Ihnen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich nahtlos an das eben Gesagte anschließen. Man muss selbstverständlich aufpassen; denn wenn man das ein bisschen überzieht, dann deutet man in der Öffentlichkeit eine Pauschalhaftung der gesamten Verwaltung an bzw. erweckt den Eindruck, dass dort, wo die Verwaltung mit anderen Aufträge aushandelt, permanent das Thema Korruption oder Eigeninteresse im Raum schwebt.

Deshalb meine ich, dass man bei all diesen Dingen sehr vorsichtig sein sollte. In der Sache, wenn man einen Ansatzpunkt hat, sollte man klar diskutieren; aber man sollte nicht so pauschal und mit einer gewissen Emotionalität an das Thema herangehen und es damit schwerer machen, als es ohnehin schon ist. Es zeigt mir, wie dieser Ausschuss wahrscheinlich arbeiten wird.

Heute liegt ein gemeinsamer Antrag aller Fraktionen zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses vor. Das ist, soweit ich mich erinnere, eine Premiere im Landtag. In der Vergangenheit hat der Landtag immer so genannte Minderheitenausschüsse eingesetzt.

Der Umstand, dass es in diesem Fall einen Mehrheitsausschuss geben wird, zeigt, dass alle Fraktionen ein Interesse an der Aufklärung der Vorgänge haben. Das gibt Anlass zu der Hoffnung, dass der Ausschuss zügig und ohne allzu viele politische Spielchen und Umwege - ich glaube, ganz ohne wird es wohl nicht gehen - seine Arbeit verrichten und zu Ergebnissen kommen wird.

Für die Fraktion der SPD werden Bernward Rothe, Thomas Felke und ich dem Ausschuss angehören. Obmann wird Thomas Felke sein, dessen Rede ich hier zum größten Teil wiedergebe. Er kann heute nicht anwesend sein.

Ganz allgemein wird es bei den Untersuchungen - das sage ich aus unserer Sicht, damit das hier nicht untergeht - um die Errichtung des Limsa und um die Verträge für Beratungsleistungen gehen. Natürlich können wir nicht alle bisherigen Beraterverträge behandeln, die seit 1990 - nicht erst seit 1994, Herr Sänger, Sie haben das vorhin schon etwas selektiert - abgeschlossen wurden. Ich glaube, diesen Anspruch sollte man nicht erheben. Das wäre auch unsinnig.

Deshalb haben wir den Untersuchungsgegenstand einvernehmlich eingegrenzt mit der Folge, dass der Ausschuss, wie im Antrag formuliert ist, drei Komplexe untersuchen wird: die Gründung des Limsa inklusive der Beraterverträge, die Verträge, die das Kultusministerium mit der Firma Schnell & Partner geschlossen hat, und die Verträge im Zusammenhang mit der Einführung und

der Weiterentwicklung des Systems Hamissa. Alle, die sich mit Finanzpolitik befassen, wissen, dass Hamissa eine unendliche Tragödie zu sein scheint.

Wir erwarten, dass die Ergebnisse der Ausschussarbeit geeignet sind, die offenen Fragen zur Gründung des Limsa zu klären und die Frage zu beantworten, ob die öffentliche Auftragsvergabe im Land Sachsen-Anhalt gesetzlicher Neuregelungen oder auch Präzisierungen bedarf.

Herr Sänger, Sie haben sich vorhin - ich will ich es einmal so sagen - etwas unklar ausgedrückt, als Sie sagten, diese Liste sei unvollständig und Verträge mit einem Volumen von mehr als 200 000 € könnte man - -

Ich bitte Sie, das zuallererst mit Ihrer Fraktionsspitze zu klären; denn es gab eine Absprache zwischen den Fraktionen dahin gehend, diese drei Komplexe zu behandeln - ohne dass sich eine Fraktion dem Vorwurf aussetzen müsste, sie hätte ein Interesse daran, dass andere Dinge nicht zur Sprache kommen. Wenn Sie andere Vorschläge haben, bitte ich Sie, das intern zu klären. Dann käme nämlich auch die Frage auf, inwieweit ein solcher Antrag Bestand hätte. Vielleicht kann mein Nachredner von der FDP-Fraktion dies noch einmal klarstellen.

In erster Linie wird es darum gehen, Erkenntnisse für zukünftige Verfahrensregelungen zu gewinnen. Die Landesregierung hat sich nach meiner Kenntnis bereits in der letzten Kabinettssitzung mit dieser Frage beschäftigt.

(Unruhe bei der FDP)

Aber ich möchte den Blick noch einmal auf die Frage richten, wie es aus unserer Sicht zu diesem Antrag kam. Wir, die SPD-Fraktion, haben während der Beratungen zum Haushaltsplan 2004 - das ist nichts Neues - im Herbst des vergangenen Jahres im Finanzausschuss eine ausführliche Diskussion zur Gründung des Landesbetriebes Limsa geführt. - Vielleicht könnte auch die FDP-Fraktion zuhören.