Protocol of the Session on May 6, 2004

An den Mehreinnahmen des Landes, die aus den Solidarpaktbeschlüssen erzielt worden sind, sind die Kommunen damals nicht beteiligt worden. Die Finanzmasse der Investpauschale wurde 1999 von 560 auf 460 Millionen DM gekürzt und im Jahr 2002 komplett gestrichen.

Das Desaster hat sich in der dritten Legislaturperiode unter Rot-Rot fortgesetzt. Die Zahl der Arbeitslosen stieg als Konsequenz der grundlegend falschen Landespolitik. Immer weniger Menschen waren in Sachsen-Anhalt sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die Wirtschaft lahmte vor sich hin. Sachsen-Anhalt konnte über zwei Jahre bundesweit mit dem geringsten Wirtschaftswachstum aufwarten. 1999 wies unser Land unter allen Bundesländern zum ersten Mal eine negative Gewerbebilanz aus. Eine steigende Anzahl von Insolvenzen und eine sinkende Investitionsquote vervollständigten das Bild. Dies ist natürlich auch nicht ohne Auswirkungen auf die Kommunen geblieben. Die Gewerbesteuereinnahmen waren rückläufig.

Die damalige Landesregierung vereinnahmte die Mittel aus dem bundesstaatlichen Finanzausgleich, die seit 1995 um fast 1,5 Milliarden DM angestiegen waren, allein für sich. Die Kommunen wurden auf niedrigstem Niveau abgespeist. Im letzten Haushalt vor dem Regierungswechsel wurde die allgemeine Finanzausstattung der Kommunen drastisch gekürzt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir könnten uns über verfallene Fördermittel, über Streichungen im Kulturbereich und über die Altlasten bei den Arbeitszeitkonten der Lehrer unterhalten, die wir in dieser Legislaturperiode ausgleichen mussten. Ich könnte Hunderte von Beispielen für die Fehlentwicklung nennen und die schlechte Situation weiter beschreiben. Aber das bringt uns der Lösung nicht näher.

Die Anregungen des Städte- und Gemeindebundes kann ich nur unterstützen. Wichtig ist eine hinreichende und verlässliche Finanzausstattung. Wichtig ist auch, dass die Gemeinden über verlässliche eigene Einnahmen aus kommunalen Steuern verfügen. Wichtig ist natürlich für alle, einen konsequenten und - ich betone - vernünftigen Sparkurs zu fahren.

Betonen möchte ich noch, dass eine Stärkung der Städte und Gemeinden gerade dem demokratischen Grundgefühl des Aufbaues von unten nach oben entspricht.

Ich möchte, weil Willi Polte mit einem schönen Satz aufgewartet hat, mit folgendem Satz schließen: Die Kommunen sind vielleicht nicht alles, aber ohne die Kommunen ist alles nichts.

Wir bitten Sie, unserem Änderungsantrag zuzustimmen. Den Antrag der PDS lehnen wir ab. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Madl. - Für die SPD-Fraktion erhält noch einmal der Abgeordnete Herr Dr. Polte das Wort. Bitte sehr, Herr Dr. Polte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, es ist uns allen klar: Die eigene Finanzhoheit der Kommunen ist entscheidend für das Maß an echter kommunaler Selbstverwaltung. Dies zu sichern ist ein hohes Gut, und zwar auch vor dem Hintergrund unserer jüngsten Geschichte. Ich darf daran erinnern: Die Kommunen waren jahrzehntelang örtliche Organe der zentralen Staatsmacht.

Wohin das geführt hat, wissen wir, die wir im Jahr 1990 Aufräumarbeiten auf der Basis der kommunalen Selbstverwaltung zu machen hatten; denn die Lebensfunktionen waren weitgehend am Ende.

(Zustimmung bei der SPD)

Dann ist viel Geld hineingeflossen und viel Kraft für die kommunale Selbstverwaltung, viel Entscheidungsfreudigkeit auf der kommunalen Ebene zutage getreten. Das hat unsere Kommunen überall im Land vorangebracht, sodass man sich freuen kann, wenn man durch Sachsen-Anhalt fährt. Wer das nicht tut, den verstehe ich nicht.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung von der Regierungsbank)

Meine Damen und Herren! Das lasse ich mir von niemandem schlecht reden, auch nicht aus Richtung Westen, die meinen, wir hätten hier die Milliarden versenkt. - Nein, wir haben sie in eine gute gemeinsame Zukunft investiert. Wenn dann einmal 100 Millionen danebengegangen sind - im Verhältnis zu 1 250 Milliarden sind das Peanuts. Darauf sollten wir, insgesamt gesehen, stolz sein und das auch offensiv nach außen tragen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung von der Regierungsbank)

Meine Damen und Herren! Die Denkschrift - um die geht es mir - weist uns nun mit Nachdruck darauf hin, dass zwischenzeitlich eine Aushöhlung und eine Sinnentleerung der kommunalen Selbstverwaltung stattfindet. Dieser Prozess muss gestoppt werden. Dazu werden wir aufgefordert, meine Damen und Herren, wir alle, die wir

hier für dieses Land Verantwortung tragen. Wir sollten uns davon richtig aufgerüttelt fühlen und nicht nur einen Beschluss nach dem Motto fassen: Wir haben ein Papier, das ist eine Diskussionsgrundlage. - Nein, das ist vielmehr eine Beerdigung erster Klasse; die können wir uns nicht leisten.

(Herr Dr. Püchel, SPD, hebt beschwichtigend die Hände)

- Jawohl, Herr Vorsitzender, ein bisschen ruhiger. Ich weiß.

(Heiterkeit bei der SPD)

Aber ohne Emotionen geht es nicht, wenn es um die Kommunen geht. Es geht um die Sicherung unseres Landes und das kann nur von den Kommunen her gesund werden.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Nach dem Amtlichen Handbuch des Landtages für die vierte Wahlperiode üben mindestens 54 Mitglieder dieses Hauses ein kommunales Mandat aus. Das habe ich durchgezählt. Vielleicht sind es noch ein paar mehr. Man sollte meinen, die Kommunen wären eine Macht in der Landespolitik. Leider kann das in Wirklichkeit niemand behaupten. Solange der Bundesverband der Videothekenbetreiber offenbar mehr Einfluss als unsere kommunalen Spitzenverbände hat, ist irgendetwas nicht im Lot.

(Zustimmung bei der SPD)

Es wäre gewiss der Sache unseres Bundeslandes dienlich - dazu fordere ich auf und dazu ermuntere ich -, wenn es gelänge, alle kommunalen Verantwortungsträger dieses Hauses in einer interfraktionellen Allianz der kommunalen Verantwortungsträger für unsere Kommunen in Sachsen-Anhalt zusammenzufassen. Das wäre zwar etwas Neues, aber wäre es in Anbetracht der Situation, in der wir uns befinden, nicht zumindest überlegenswert?

Übrigens ist das in den kommunalen Spitzenverbänden so, meine Damen und Herren. Ich weiß, wovon ich spreche. Ich bin seit 1990 dabei gewesen. Wir haben alle bis zum heutigen Tag immer an einem Strang gezogen. Ansonsten hätten wir gar keine Chance gehabt, Herr Madl, das ist das Problem. Nur auf dieser Basis kommen wir überhaupt dazu, angehört zu werden und vielleicht auch einmal etwas zu erreichen.

Ich denke, es wäre auch Wert, an dieser Stelle einen solchen Versuch auf Landesebene zu starten. Also verstehen Sie den Antrag bitte als Aufforderung, sich ernsthaft und grundsätzlich den Sorgen unserer Kommunen zu widmen.

Die dramatische Finanzsituation gebietet es - ich habe es eben schon angedeutet -, von dem überzogenen Rollenverständnis zwischen Opposition und Regierung Abstand zu nehmen und nach konstruktiven Lösungsansätzen zu suchen.

Ich weiß, das traditionelle Zusammenarbeiten in den Landesparlamenten - im Bund ist es nicht anders - ist meistens dadurch gekennzeichnet, dass jeder seine Rolle spielt. Das will ich nicht so richtig akzeptieren, das muss ich sagen. Damit werden wir der Aufgabe und der Herausforderung nicht gerecht.

Ich denke, der konstruktive Gedanke, der solidarische Gedanke, das Verliebt-Sein in die Lösung - das muss

uns stärker tragen, als ich es gegenwärtig spüre. Das funktioniert heute Abend beim Empfang, wenn wir dann zusammensitzen, aber hier spielt jeder seine Rolle. Muss das denn eigentlich sein? Könnten wir hier nicht einmal im Interesse der Sache einen neuen Weg versuchen, Herr Kosmehl?

(Herr Kosmehl, FDP: Können wir!)

Meine Damen und Herren! Ich denke, man muss auch ein Stück weit lernfähig sein.

(Herr Kosmehl, FDP: Ja!)

- Jeder. Mir brauchen Sie das nicht zu sagen; ich bin meiner Zeit voraus.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD und bei der FDP)

Die von Jens Bullerjahn erarbeitete Analyse unter dem Stichwort „Sachsen-Anhalt 2020“ - ich weiß nicht, ob ich dann noch lebe; das ist eher unwahrscheinlich - ist für mich ein Fanal. Das muss doch eine Wirkung haben, etwas auslösen. Wenn Sie noch keine Broschüre haben - ein paar sind noch da. Es werden auch noch Exemplare nachgedruckt.

Sie müssen das einfach lesen - nicht um an die Anklagemauer oder an die Klagemauer zu gehen, sondern um zu bestimmen: Was müssen und was können wir tun, damit es nicht dazu kommt? Wir müssen gegensteuern. Dazu sind wir alle aufgefordert, meine Damen und Herren!

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Luko- witz, FDP)

Ich rege an, dass der Innenausschuss darüber berät, wie in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden Verfahrensvorschläge entwickelt und in die politischen Entscheidungsprozesse eingesteuert werden können.

Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen nach dem Motto - ich sagte es schon -: „gut, dass wir darüber gesprochen haben“, ist mir an dieser Stelle zu wenig. Wir können ihm zustimmen, aber es gehen keine Wirkungen von ihm aus.

Das hatten wir schon einmal in der dritten Wahlperiode. Damals hatte die CDU-Fraktion einen Antrag eingebracht und damit war es genauso - es ging um die Kommunalpolitik in der dritten Wahlperiode -: Es wurde ein Beschluss gefasst und dann wurde der Beschluss zu den Akten gelegt. Das ist mir jetzt, nach sechs Jahren, unter der sich zuspitzenden Situation einfach zu wenig. Deswegen plädiere ich dafür und möchte dafür werben, dass Sie dem Antrag zustimmen, damit wir uns im Innenausschuss zunächst über das weitere Verfahren verständigen können.

Herr Abgeordneter, es ist eine Freude, Ihnen zuzuhören.

Dann gestatten Sie mir doch noch ein paar Minuten!

(Heiterkeit bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Ich habe Ihnen bereits eineinhalb Minuten zusätzliche Redezeit zugestanden. Ich würde Sie bitten, jetzt zum Ende zu kommen.

(Oh! bei der CDU und bei der FDP)

Ja, gut. Sie sind traurig, dass ich aufhören muss, ich auch. - Meine Damen und Herren! Unser Antrag ist konstruktiv und nach vorn gerichtet. Deswegen bitte ich auch die Fraktionsvorsitzenden: Wenn Sie bereits ein Abstimmungsverhalten vereinbart haben - gehen Sie noch einmal in sich, Herr Lukowitz und Herr Scharf, und überlegen Sie, ob Sie unserem Antrag zustimmen können, damit wir uns im Innenausschuss erst einmal grundsätzlich darüber verständigen können. Dann berichten wir dem Plenum darüber, ob es Möglichkeiten gibt oder ob es keine Möglichkeiten gibt. - In diesem Sinne vielen Dank für Ihr Verständnis.

(Beifall bei der SPD)