Zunächst hat für die einbringende CDU-Fraktion der Abgeordnete Herr Gürth das Wort. Bitte sehr, Herr Gürth.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor wenigen Tagen ist das Frühjahrsgutachten der führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute veröffentlicht worden. Es beinhaltete zum wiederholten Mal eine Korrektur der Herbstprognose für das Wirtschaftswachstum in den Jahren 2004 und 2005 in Deutschland.
Das ursprünglich prognostizierte Wirtschaftswachstum von 1,7 % ist auf 1,5 % reduziert worden, für die neuen Bundesländer auf lediglich 1,3 %. Allein an diesen zwei Zahlen, die dem oberflächlichen Betrachter vielleicht nicht interessant erscheinen, wird deutlich, vor welchen riesigen Herausforderungen und Problemen wir stehen.
Das eine ist, dass die prognostizierte Wachstumszahl für die Wirtschaft im Osten Deutschlands wiederum geringer ist als im Westen der Republik. Das bedeutet, der Aufholprozess gerät nicht nur weiter ins Stocken, sondern die Schere zwischen Ost und West geht weiter auseinander.
Das bedeutet für uns, dass die folgenden Fragen immer dringlicher werden: Was tun wir und was tut vor allem die Bundesrepublik mit ihrer Bundesregierung an der Spitze dafür, dass der Aufholprozess der neuen Länder wieder an Fahrt gewinnt? Was tut die Bundesregierung dafür, dass die neuen Länder es schaffen, mit eigener Kraft ein stärkeres Wirtschaftswachstum zu erarbeiten, um den Aufholprozess wirklich zu erreichen?
Hierbei steht auch die Sozialdemokratie in der Verantwortung. Ich appelliere an dieser Stelle an die SPD in Sachsen-Anhalt, darauf hinzuwirken, dass die Bundesregierung ihrer Verantwortung gerecht wird.
Die zweite Aussage, die dahinter steht, ist, dass wir mit einem erneuten Nach-unten-Korrigieren des Wirtschaftswachstums für die Folgejahre wiederum vor einer riesigen Herausforderung in Bezug auf die Finanzpolitik unseres Landes stehen. Das geringe Wirtschaftswachstum bedeutet geringere Einnahmen als geplant und höhere Ausgaben als geplant. Vor dem Hintergrund unseres Haushaltes bedeutet dies, dass wir eigentlich nur zwei Möglichkeiten haben: kürzen, kürzen, kürzen oder höhere Schulden oder beides zusammen.
Morgen werden wir hier von der Landesregierung den Nachtragshaushalt vorgelegt bekommen. Wir werden auch über den Nachtragshaushalt vor diesem Hintergrund zu debattieren haben.
Das bedeutet für uns auch, dass wir unter einem erhöhten Konsolidierungsdruck stehen. Dazu sage ich ganz klar, auch in Richtung der Oppositionsfraktionen in diesem Hause: Vor diesem Hintergrund muss sich jede Fraktion, ob in der Regierung oder in der Opposition, daran messen lassen, wie solide ihre Politik und ihre Vorschläge in Bezug auf konsumtive Ausgaben sind.
Wenn wir, ganz konkret an einem Beispiel, in nächster Zeit zu debattieren haben, wie wir es mit der Kinderförderung und dem Kinderförderungsgesetz in SachsenAnhalt halten, dann sage ich ganz klar: Diejenigen Fraktionen, die verlangen, dass wir zu alten Rechtstatbeständen zurückkommen - und das vor dem Hintergrund, dass wir die beste, höchste und teuerste Förderung in ganz Deutschland haben -, die Mehrausgaben in Höhe von 42 Millionen € für das Land bedeuten, ohne zu sagen, woher die Mittel dafür kommen sollen, sind unseriös und nicht regierungsfähig.
Dies sage ich auch vor dem Hintergrund, dass wir eine Schulden- und Personallastquote mit steigenden Pensionslasten, mit steigenden Lasten für Sonderrenten aus den staatsnahen Rentenversorgungssystemen übernommen haben, die zur Folge hat, dass wir allein wegen der Kredite und der sonstigen Schulden, die das Land Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren aufgenommen hat, in jeder Stunde mehr als 100 000 € allein für die Zinsen zahlen. Diese Zahl werden wir uns bei jedem Haushalt und bei jedem Leistungsgesetz immer wieder in Erinnerung rufen müssen.
Bei dem prognostizierten geringeren Wirtschaftswachstum fehlt der öffentlichen Hand in Deutschland ein Betrag von ca. 80 Milliarden €. Dies trifft nicht nur den Bund, dies trifft nicht nur die Länder, dies trifft auch die Kommunen. Damit sind wir beim zweiten Problem, das hier mit angesprochen werden muss.
Durch dieses geringere Wirtschaftswachstum und die Mindereinnahmen, die zu erwarten sind, stehen wir vor der spannenden Frage, wie wir mit der unseriösen Politik der Bundesregierung umgehen, die den Kommunen eine Entlastung in Höhe von 2,5 Milliarden € allein durch die Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe versprochen hat. Stattdessen erwarten die kommunalen Spitzenverbände nunmehr eine Mehrbelastung in Höhe von 5 Milliarden €.
Vor diesem Hintergrund ist ein weiteres Problem auszumachen. Dieses Paket fand im Bundesrat nur deshalb eine Mehrheit, weil außer der Zusammenlegung und der versprochenen Entlastung auch mehr Engagement des Bundes bezüglich der Vermittlung und der Schaffung neuer Jobs angekündigt war.
Wir stehen jetzt, ein halbes Jahr vor der Umsetzung des Hartz-IV-Paketes, vor zwei großen Herausforderungen. Das, was der Bund in der Vorbereitung tut, ist dilettantisch in Bezug auf die Organisation. Die Arbeitsagenturen schlagen jetzt schon die Hände über dem Kopf zusammen. Außerdem wissen wir bis heute nicht, worin der Beitrag des Bundes in Sachen neuer Jobs, Vermittlung und Qualifizierung besteht. Wenn dies nicht kommt, verlässt der Bund die Geschäftsgrundlage des Kompro
Die nächsten Fragen, mit denen wir es vor dem Hintergrund der ständig schlechter werdenden Prognosen bezüglich des Wirtschaftswachstums zu tun haben, lauten:
Wieso geht der weltweit zu verzeichnende leichte konjunkturelle Aufschwung an Deutschland vorbei? Wieso hat ein Wirtschaftswachstum von lediglich 1,5 % in anderen Ländern Europas, etwa in Holland oder in Skandinavien, bereits spürbare Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, während wir ein Wirtschaftswachstum von mindestens 2 % bis 2,5 % brauchen, um am Arbeitsmarkt überhaupt eine spürbare Entlastung zu bekommen? Wie will es der Bund schaffen, den Prozess des Ausgleichs zwischen Ost und West - ein Verfassungsgebot, ein Gebot des Grundgesetzes - voranzutreiben, damit wir wieder Anschluss bekommen?
Das Kernproblem, das an diesen Zahlen auch deutlich wird, ist, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse bei einem solchen Wirtschaftswachstum ständig abnimmt. Wenn die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse abnimmt, wachsen die Lasten der Sozialsysteme. Wir stehen aber ohnehin vor dem Kollaps der alten Sozialsysteme. Wie sollen diese Fragen gelöst werden?
Wir als Land Sachsen-Anhalt haben eine eigene Verantwortung. Die Prognose des Frühjahrsgutachtens kann für uns nur bedeuten, dass wir diese Verantwortung sehr ernst nehmen und dass wir alle in diesem Land die geringen Spielräume, die wir haben, nutzen, um dieser Verantwortung gerecht zu werden.
Das kann nicht heißen, dass wir uns grenzenlos neu verschulden und gleichzeitig bei irgendwelchen konsumtiven Programmen draufsatteln. Dies kann nur heißen, dass wir als Landtag zusammenrücken und in den Bereichen, in denen wir selbst Spielräume haben, verantwortungsbewusst gemeinsam entscheiden. Dies kann nur bedeuten, dass wir vom Bund endlich das einfordern, was uns zusteht. Ich spreche nicht von mehr Geld; ich spreche von Handlungsspielräumen, die wir dringend brauchen.
In diesem Zusammenhang frage ich in Richtung Sozialdemokratie, wieso der Bund das Land Sachsen-Anhalt - wir haben uns angeboten - nicht als eine der Sonderregionen ausgewählt hat, die eigenverantwortlich Bürokratie abbauen können.
Diese Regierung hat sich dazu bekannt, die geringen Spielräume zu nutzen. Wir haben eine mutige Politik
hinsichtlich der Ausrichtung des Landes auf einen innovativen Wirtschaftsstandort begonnen. Wir sind auf einem guten Weg, aber das reicht nicht aus, wenn wir nicht die Unterstützung des Bundes bekommen, um weiter voranzuschreiten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben es - anders als die Vorgängerregierung - trotz der hohen
Schuldenlast gewagt, die tatsächlich vorhandenen Einnahmen und die tatsächlich vorhandenen Ausgaben ordentlich zu verbuchen, statt mittels Haushaltskosmetik eine Traumwelt aufzumalen.
Auch wenn die Wahrheit erschreckend ist, wir packen die Probleme an und lösen sie, statt sie mit falschen Zahlen zu verschleiern, wie das die Regierung Höppner getan hat.
Wir haben die eigenen Spielräume genutzt und haben dort, wo wir Landeskompetenz haben, Bürokratie abgebaut, während Sie durch ständig neue Forderungen bürokratische Lasten erzeugt haben. Deswegen sind wir auf einem richtigen Weg.
Ich erwarte von Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPD-Fraktion, dass Sie sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass der Bundeskanzler dieser Republik, für den Sie einen starken Wahlkampf gemacht haben, uns die Spielräume gibt, die wir brauchen. Wir wollen nicht mehr Geld. Wir wollen Hilfe zur Selbsthilfe, indem wir mehr Freiheiten statt mehr Subventionen bekommen. Begleiten Sie uns auf diesem Weg und werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht, dann können wir es auch schaffen.
An dieser Frühjahrsprognose der Wirtschaftsweisen wird auch eines deutlich: Ich erwähnte, dass wir die eigenen Spielräume noch verantwortungsvoller nutzen müssen. Aber es wird ganz deutlich, wie gering diese Spielräume sind. Insofern sind wir in einem Geleitzug in Deutschland, von dem wir uns nicht abkoppeln können.
Wenn die Bundesregierung ihre Finanz- und Wirtschaftspolitik nicht korrigiert, werden wir allein es nicht schaffen. Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPD-Fraktion, werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht und sorgen Sie dafür, dass der Bundeskanzler seine Versprechen aus dem Wahlkampf 2002 einlöst und seine verfehlte Politik korrigiert. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Gürth. - Meine Damen und Herren! Begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Gäste der Landeszentrale für politische Bildung sowie eine zweite Gruppe von Schülerinnen und Schülern der Sekundarschule Dedeleben.
Wir setzen die Debatte fort mit dem Beitrag der SPDFraktion. Ich erteile der Abgeordneten Frau Budde das Wort. Bitte sehr, Frau Budde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gürth, das mit der Konsolidierung hätten Sie sich wirklich sparen können. Das hat so kurze Beine, dass es schon gar keine Lüge mehr ist.
Das lässt nur noch auf Alzheimer schließen. Bei einem Haushalt 2004 mit einem Verschuldungsvolumen von
950 Millionen € plus 300 Millionen € im Nachtragshaushalt möchte ich gern wissen, was das mit Konsolidierung zu tun hat. Sie können das gern mit den anderen Jahren vergleichen. Ich glaube, vor der Verabschiedung des Nachtragshaushalts 2002 haben wir ganz woanders gelegen.
- Nein, nein, nicht scheinbar! Solche Dinge wie Beleihung des Altlastenfonds und Ähnliches sind in Ihrer Regierungszeit gemacht worden und nicht in unserer.
Meine Damen und Herren! Beim Lesen des Textes des Einbringers der Aktuellen Debatte habe ich mich zunächst gezwungen, gutgläubig zu sein. Ich habe gesagt: Okay, ich unterstelle den Koalitionsfraktionen, dass sie ernsthaft über Wirtschafts- und Finanzpolitik reden wollen.