Nun haben Sie vorhin den hohen Prozentsatz an überbetrieblicher Ausbildung genannt. Da die Steuerkraft des Landes stetig sinkt: Können Sie mir erklären, wo Sie die Gelder hernehmen, um diesen großen Ausgabeposten für die überbetriebliche Ausbildung zu finanzieren?
Diese überbetriebliche Ausbildung haben wir schon. Die wird aus dem Landeshaushalt und auch mit Mitteln der Bundesagentur für Arbeit finanziert. Ich habe das gesagt, was auch schon der Minister gesagt hat, dass nämlich nach einer Absenkung des Lehrlingsentgelts
möglicherweise mehr Betriebe ausbilden könnten und auch mehr ausbilden würden. Dadurch könnte der Anteil der überbetrieblichen Ausbildung ein Stück weit sinken. Auf den Versuch kommt es an.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Röder. - Für die SPDFraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Metke das Wort. Bitte sehr, Herr Metke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Spätestens seit der Veröffentlichung meines Fraktionskollegen Jens Bullerjahn ist die Diskussion über die demografische Entwicklung und ihre Auswirkungen endgültig in Sachsen-Anhalt angekommen und Teil einer dringend notwendigen Zukunftsdebatte geworden.
Es ist deshalb erfreulich, dass auch die Landesregierung tätig geworden ist und zu einer Bevölkerungskonferenz, die bereits angesprochen wurde, nach Stendal eingeladen hat. Diese fand am 22. und 23. April 2004 statt. Deutlich wurde während dieser Konferenz, dass der Bevölkerungsrückgang in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die Bundesrepublik Deutschland insgesamt betrifft, die Situation in Sachsen-Anhalt sich aber zusätzlich durch weitere Binnenabwanderung erheblich verschärfen wird.
Bezogen auf das Basisjahr 2002 droht unserem Land bis zum Jahr 2020 ein Verlust von einer halben Million Einwohnern. Von dieser negativen Entwicklung ist kein Landkreis und keine kreisfreie Stadt ausgenommen. Im Gegenteil: In einigen Bereichen werden geradezu erdrutschartige Rückgänge bei der Bevölkerungsentwicklung befürchtet. Herr Minister Rehberger, woher Sie Ihren Optimismus in dem Sinne nehmen, dass Sie vielleicht noch mit Zuwanderung anstatt mit Abwanderung rechnen, kann ich angesichts der Ergebnisse dieser Konferenz nicht ganz nachvollziehen.
Vielleicht hätten Sie bis zum Schluss bleiben sollen. Dann hätten Sie das, was die Wissenschaftler dort vorgetragen haben, auch mitbekommen.
Neben vielen Lösungsansätzen, über die in der Konferenz diskutiert wurde, gab es unter anderem die Forderung, dass es gelingen müsse, Menschen nach Sachsen-Anhalt zu holen bzw. im Land zu halten, die aus ihrem Leben ein Projekt machen wollen und ihre Lebensentwicklung als Projekt begreifen. Das ist sicherlich ein interessanter Gedanke, vielleicht auch eher sozusagen auf der Ebene der akademischen Diskussion.
Dennoch, wenn einem Projekt die wichtigsten Voraussetzungen fehlen, ist es zum Scheitern verurteilt. Genau an dieser Stelle beginnen die hausgemachten Probleme in Sachsen-Anhalt; denn ob Familien oder junge Menschen in Sachsen-Anhalt bleiben oder sogar zuwandern, hängt weitgehend von den Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten ab. Gerade bei den Ausbildungsmöglichkeiten sieht es nach zwei Amtsjahren einer CDU-FDPgeführten Landesregierung finster aus.
Ich will mich genau auf die Frage der Ausbildung konzentrieren. Wir stellen fest: Im aktuellen Ausbildungsjahr
gibt es den niedrigsten Stand an betrieblichen Ausbildungsplätzen seit dem Jahr 1992. Gegenüber dem höchsten Angebot im Jahr 1997 ist dies ein Rückgang von sage und schreibe 35 %.
Herr Abgeordneter, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Wybrands zu beantworten?
Das machen wir dann am Schluss. - Bei den so genannten Altnachfragern - das ist auch ein wichtiger Indikator - verzeichnen wir einen Negativrekord von 41 % bezogen auf die Gesamtzahl der Bewerber. Das heißt, das ist die Bugwelle von nicht vermittelten Jugendlichen aus den Vorjahren, die wir vor uns herschieben.
Fast 3 000 Jugendliche beginnen erst gar keine Lehre, sondern gehen ohne eine Ausbildung in überwiegend prekäre Arbeitsverhältnisse. Noch nie seit dem Jahr 1992 wählten so viele Jugendliche diesen Weg.
Ein ständig größer werdender Anteil junger Menschen verlässt das Land Sachsen-Anhalt bereits nach der Schule und beginnt die Ausbildung in den alten Bundesländern, überwiegend in Niedersachsen, gefolgt von Bayern und Nordrhein-Westfalen. In diesem Ausbildungsjahr waren es ca. 3 000 junge Menschen, die wahrscheinlich nie wieder nach Sachsen-Anhalt zurückkehren werden.
Statt die Ausbildungsmisere beim Namen zu nennen und politisch offensiv anzugehen, wird die Situation gesund gebetet. Eine Kostprobe davon konnten wir gerade mit der Rede des Ministers erleben.
In einer Pressemitteilung vom Dienstag dieser Woche zum Berufsbildungsbericht 2003 lobt die Landesregierung sich selbst und spricht von der besten Versorgung mit Ausbildungsplätzen unter den neuen Bundesländern. Auch das haben wir gerade noch einmal gehört.
- Ja, ja, man muss nur genau hinsehen, um zu erkennen, was passiert. Unterschlagen wird nämlich, dass es sich weitgehend um Plätze in außerbetrieblichen und schulischen Maßnahmen handelt und nicht um betriebliche Ausbildungsplätze. Genau um die geht es.
Ich will durchaus noch einmal moderat auf Sie eingehen, weil Sie immerhin in dieser Pressemitteilung zugestehen, dass nur 25 % aller Betriebe ausbilden. Das heißt, drei von vier Betrieben in Sachsen-Anhalt haben nicht einen einzigen Ausbildungsplatz. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.
Was die Landesregierung dagegen tun will, steht auch in der Pressemitteilung. Es wird angekündigt, dass Wirtschaftsminister Rehberger das Präsidium des Forums für Wirtschaft und Arbeit einberufen will, um durch geeignete Initiativen zu einer Erhöhung des Ausbildungsplatzangebotes beizutragen. Da wird man unwillkürlich
Für Herrn Rehberger müsste ich es eigentlich auf französisch sagen. Aber da muss ich noch einmal nachschlagen.
- Genau so war das. Unter Reinhard Höppner war Ausbildung Chefsache. Ich glaube, Ministerpräsident Böhmer kann es sich nicht länger leisten, seinen Wirtschaftsminister weiterhin erfolglos in diesem Bereich herumdümpeln zu lassen.
Was tut die Landesregierung noch? Sie macht aus Betroffenen Verantwortliche. Statt in der Wirtschaft darauf zu drängen, dass die Verpflichtungen aus dem dualen Ausbildungssystem eingehalten werden, soll die Ausbildungsvergütung in den neuen Ländern durch eine Bundesratsinitiative zum Berufsbildungsgesetz auf 150 € abgesenkt werden; auch das ist hier schon angesprochen worden.
- Selbstverständlich! Lesen Sie es doch noch einmal nach! Interessant wird es übrigens bei der Debatte über Mindestlöhne, wenn sich die FDP für einen Mindestlohn bei der Auszubildendenvergütung einsetzt. Wollen wir einmal gucken, wie morgen das andere Thema diskutiert wird.
Ich kann nur deutlich feststellen: Wer so denkt und handelt, tut nichts gegen Abwanderung, sondern treibt junge Leute geradezu aus dem Land.
Die Absenkung der Ausbildungsvergütung ist ein fatales Signal für die Qualität der Ausbildung. Für ein zukunftsfähiges Sachsen-Anhalt brauchen wir gut ausgebildete Fachkräfte. In allen qualifizierten Ausbildungsberufen wird auf die Ausbildung von selbständig arbeitenden, planenden und eigenverantwortlich handelnden Fachkräften gesetzt. Mit Billigausbildung ist das nicht zu machen.
Außerdem ist aus Untersuchungen der Berufsbildungsinstitute längst bekannt, dass Auszubildende spätestens ab dem zweiten Ausbildungsjahr einen Großteil ihrer Ausbildungsvergütung selbst erwirtschaften. Letztlich sind Ausbildungskosten natürlich auch Investitionen der Unternehmer in ihre Zukunft. Warum diese unternehmerische Zukunftsinvestition von den Auszubildenden bezahlt werden soll, kann ich nicht nachvollziehen.