Sie möchten hier aber die Öffentlichkeitswirksamkeit nutzen. Das ist Ihr Recht, aber was mich hier besonders wundert, ist der Zeitpunkt, zu dem Sie diesen Antrag einbringen.
Der Leistungsbewertungserlass ist seit dem Spätherbst 2002 im Entwurf bekannt - war im Internet eingestellt - und von den Gremien diskutiert worden. Aufgrund dieser Diskussionen und Hinweise sind auch entsprechende Änderungsvorschläge nochmals eingearbeitet worden. Seit dem 1. Juli ist dieser Erlass rechtskräftig und an den Schulen im Rahmen der Vorbereitungszeit zum neuen Schuljahr den Lehrkräften erläutert worden. Daneben erscheint im Schulverwaltungsblatt LSA Nr. 11/2003 vom 23. Juli 2003 im Abschnitt VI unter „Nichtamtliche Texte“ eine Erläuterung zur Anwendung des Leistungsbewertungserlasses.
Hinzu kamen Fragen aus Kollegien, die dem Ministerium gestellt wurden, die schriftlich beantwortet wurden.
Neben diesen vorbereitenden Maßnahmen führte der Herr Staatssekretär Willems landesweit Veranstaltungen mit Schulleitern und Elternvertretern durch, wo mithin die weitere Möglichkeit bestand, Unklarheiten zu analysieren.
Im Zusammenhang mit den Halbjahresnoten kamen, vor allem bei der Berechnung des Notendurchschnitts, erneut Fragen auf. Dies ist natürlich nichts Ungewöhnliches, sondern manches Problem wird erst mit der direkten Anwendung bewusst.
Trotzdem wundere ich mich, dass die SPD, die ja alle diese Maßnahmen mit Sicherheit verfolgt hat, erst zu diesem Zeitpunkt eine Diskussion bzw. einen Bericht zum Leistungsbewertungserlass einfordert. Da stellt sich nun die Frage: Entweder haben Sie selbst anfänglich keine Notwendigkeit einer Befassung mit dem Erlass gesehen, weil man selbst den Intentionen folgen konnte; denn wie bereits beschrieben, laufen die Diskussionen zu diesem Erlass bereits ein halbes Jahr. Oder wollen Sie diese Diskussionen mit Ihrem Antrag aufrechterhalten, sozusagen am köcheln halten?
Gegen einen Bericht nach Beendigung des Schuljahres, nach Anwendung des Erlasses in einem gesamten Schuljahr, ist aus unserer Sicht nichts einzuwenden. Im Gegenteil: Denn auch Verordnungen bzw. Erlasse sollten in ihrer Praktikabilität und Anwendbarkeit überprüft werden und gegebenenfalls dann auch evaluiert werden. Kritische Einwände sollten hinterfragt und überprüft werden. Allein die Kritik fördert aber diesen Prozess nicht, konstruktive Vorschläge sind da eher gefragt. Die lassen Sie aber auch vermissen. Die allgemeine Forderung nach Überarbeitung des Erlasses in den genannten Punkten reicht nicht aus.
Ähnlich ist es bei Diskussionen vor Ort, wo jeweils unterschiedliche Regelungen kritisiert, von anderen wiederum begrüßt werden, aber selten entsprechende Vorschläge für Änderungen gemacht werden.
Diesbezüglich werden wir im Ausschuss nach dem Bericht der Landesregierung Gelegenheit finden, uns intensiv inhaltlich mit diesem Erlass zu beschäftigen, und gegebenenfalls auf konstruktive Vorschläge hoffen.
- Herr Dr. Volk, Frau Hein wäre eigentlich eher an der Reihe. Frau Hein, würden Sie Herrn Dr. Volk, der vielleicht auch seinen Redebeitrag zu Protokoll gibt, den Vortritt lassen?
Es gehört zu den genuinen Aufgaben des Parlaments, die Exekutive zu kontrollieren und bei festgestellten Fehlentwicklungen korrigierend einzugreifen. Die Erarbeitung und Herausgabe von Verordnungen oder Erlassen bildet eine Säule in der Arbeit der Regierung, sodass dieser Bereich immer der besonderen Aufmerksamkeit des Parlaments bedarf.
Ich möchte an dieser Stelle nicht verhehlen, dass mich bisweilen der Eindruck beschleicht, insbesondere im Schulbereich werden mit Vorliebe Regelungen herausgegeben. Vielleicht sollte man auch hier über den Grundsatz nachdenken: Weniger ist mehr. Allerdings greifen Pauschalurteile wie immer zu kurz, sodass eine gesunde Skepsis gegen die Verordnungsflut nicht zur Ablehnung jeder Regelung führen darf. Man muss die einzelnen Erlasse hinsichtlich ihrer Notwendigkeit und Praktikabilität prüfen.
Vor diesem Hintergrund bin ich der Meinung, dass insbesondere für die Einschätzung und Bewertung von Schülerleistungen landesweit einheitliche Vorgaben gemacht werden müssen. Wie Ihnen jeder Schulpraktiker bestätigen wird, gehört die Benotung zu den meistdiskutierten und umstrittensten Bereichen der Schule. Dispute um vermeintlich ungerechte Bewertungen, unterschiedliche Anforderungsniveaus zwischen einzelnen Schulen oder auch die Berechtigung von Noten als solches beherrschen seit vier Jahrzehnten die bildungspolitische Diskussion.
Das starke Interesse der Schüler und Eltern an der Bewertung ist nachzuvollziehen, da Noten einen nicht unerheblichen Einfluss auf die spätere Berufswahl, sei es die Vergabe einer Lehrstelle oder eines Studienplatzes, ausüben können.
Die Bewertung der Schülerleistungen ist jedoch wesentlich mehr als ein Abgangszeugnis. Sie dient der ständigen Information des Schülers über seinen Leistungsstand im Verhältnis zum Erwartungshorizont des jeweiligen Faches und gleichzeitig zu seiner Motivation. Dabei ist es ein Grundsatz der Lernpsychologie, dass eine Einschätzung der Leistung nur dann motivierend wirkt, wenn sie informativ ist. Gerade deshalb begrüße ich bei
spielsweise die Vorgabe, insbesondere bei Klassenarbeiten verbale Beurteilungen zur Bewertung anzugeben.
In der Diskussion mit Lehrern, Eltern und Schülern habe ich sowohl positive als auch negative Stimmen über die vorliegenden Erlasse gehört. Beide Erlasse, auf die sich der Antrag bezieht, sind seit Juli letzten Jahres in Kraft und werden seit dem Beginn des laufenden Schuljahres an den Schulen angewendet. Dies bedeutet, dass sie gerade erst für ein Halbjahreszeugnis und noch nicht einmal für ein Schuljahreszeugnis angewendet wurden.
Ich wundere mich deshalb schon, weshalb die SPD sofortige Änderungen verlangt, ohne eine ergebnisoffene Diskussion über die Erfahrungen mit der Anwendung des Erlasses abzuwarten.
Gleichzeitig ist der Antrag in seiner Argumentation nicht schlüssig. Im ersten Satz wird der pädagogische Wert als notwendige Prämisse der Leistungsbewertung eingefordert, wenig später jedoch der organisatorische und zeitliche Aufwand der Lehrer beklagt. Es ist wohl unumstritten, dass eine faire und fundierte Beurteilung der individuellen Schülerleistungen zu den Kernaufgaben jedes Lehrers gehören und entsprechende Zeit benötigen. Wer dies infrage stellt, verabschiedet sich von pädagogischen Grundsätzen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sollten uns am Ende des Schuljahres im Ausschuss über die Erfahrungen mit der Anwendung des Erlasses auseinander setzen; denn ich plädiere für den Grundsatz, dass die Diagnose der Therapie vorausgehen sollte. In diesem Sinne bitte ich Sie, unserem Alternativantrag zuzustimmen, der das Thema im Blickfeld behält, ohne Pauschalurteile zu fällen.
Ich bedanke mich. - Es tut mir eigentlich leid, dass Sie Ihre Redebeiträge zu Protokoll gegeben haben. So kann ich nicht einmal darauf reagieren. Aber gut. Ich denke, wir haben im Ausschuss noch genügend Zeit, darüber zu streiten.
Ich gebe meinen Redebeitrag nicht zu Protokoll, weil ich denke, dass wir auch in diesem Hause wissen sollten, worüber wir hier eigentlich reden.
Wenn Masse nämlich schon Klasse wäre, hätte die Landesregierung mit dem neuen Leistungsbewertungserlass tatsächlich einen großen Wurf gelandet. Der zuerst ins Auge fallende Unterschied ist nämlich der: Während der alte Erlass für alle allgemein bildenden Schulen mit fünfeinhalb Seiten im Schulverwaltungsblatt auskommt, braucht der neue allein für die Sekundarstufe I immerhin zehn Seiten.
Dass das Ministerium mehr Papier produziert hat, müsste die Eltern, die Schülerinnen und die Lehrerinnen noch wenig aufregen. Aber es ist eben doch anders, als der Minister es sagt. Mit dem neuen Erlass wird nicht nur die Zahl der Klassenarbeiten deutlich erhöht, sondern auch die Dauer dieser.
Ich habe es für die Sekundarschule einmal nachgerechnet. Dort sind es zwischen drei und sechs Klassenarbeiten pro Jahr, die in jedem Schuljahr mehr geschrieben werden.
Die Dauer der Klassenarbeiten war nach altem Erlass in der Sekundarschule nur in Deutsch länger als eine Unterrichtsstunde und in Mathe im 9. und 10. Schuljahrgang. Nach neuem Erlass ist dies auch in Englisch, in Physik und in der zweiten Fremdsprache, am Gymnasium in allen anderen Naturwissenschaften, Geschichte und Geographie und dritter Fremdsprache so.
- Jetzt komme ich dazu, wie schlimm das ist. So summiert sich im Laufe eines Schülerlebens von der 5. bis zur 10. Klasse die Zahl der Klassenarbeiten in der Sekundarschule auf 169 gegenüber früher 140.
- Ja. Dafür sind - sage und schreibe - 198 Unterrichtsstunden aufzuwenden. Am Gymnasium sind es im gleichen Zeitraum bis zu 172 Klassenarbeiten, die bis zu 220 Unterrichtsstunden blockieren.
Allein in der 9. Klasse des Gymnasiums müssen von einem Gymnasiasten oder einer Gymnasiastin 36 Klassenarbeiten mit einem Unterrichtsstundenvolumen von 47 Stunden geschrieben werden.
Geht man davon aus, dass ein Schuljahr etwa 40 Unterrichtswochen hat und in einer Woche nur bis zu drei Klassenarbeiten zu schreiben sind, nimmt man zudem hinzu, dass die Zeiten vor den Ferien nicht zu stark beansprucht werden - das steht alles im Erlass - und nach dem Schuljahresbeginn auch eine gewisse Zeit ins Land gehen muss, bevor man den Stoff abprüfen kann, dann müssen nahezu in jeder dritten Woche mehrere Klassenarbeiten geschrieben werden.
- Ja, das ist schlimm. Diese Klassenarbeiten sind eine Woche vorher anzukündigen. Ich meine, Ihre Schulzeit dürfte noch nicht so lange her sein, dass Sie sich an diesen Stress nicht mehr erinnern können. Er war damals allerdings noch nicht so groß.
Hinzu kommt, dass durch diese hohe Stundenzahl für die mindestens einstündigen Klassenarbeiten diese Zeit eben nicht zum Lernen und zur Vermittlung von Unterrichtsstoff zur Verfügung steht. Allein im 10. Schuljahrgang müssen für Klassenarbeiten am Gymnasium zwischen 58 und 62 Unterrichtsstunden aufgewendet werden. Ich rede hier nur von Klassenarbeiten, nicht von anderen Leistungskontrollen.
Aber damit nicht genug. In den Fächern, in denen zwei Klassenarbeiten pro Halbjahr geschrieben worden sind, gehen diese mit 40 % bzw. am Gymnasium mit 50 % in die Zeugnisnote ein. Frau Mittendorf hat das ausreichend dargelegt.
Allerdings will ich im Unterschied zu Frau Mittendorf auch sagen, der vorige Erlass war an dieser Stelle nicht unbedingt besser. Dort war zwar die Gesamtgewichtung von Klassenarbeiten geringer, aber wenn nur eine Klas
senarbeit geschrieben worden ist, ist sie mit einer höheren Gewichtung in die Bewertung eingegangen. Das halte ich nicht unbedingt für günstiger.
Nun zu der viel gepriesenen größeren Flexibilität für die Bewertungen im Einzelfall. Ich will das zitieren. Im Erlass steht das an einer einzigen Stelle, nämlich bei den Schuljahresnoten:
„Bei Abweichungen der Halbjahresnoten wird die Jahresnote gemäß dem Mittel der beiden Noten gebildet oder, wenn dies nicht möglich ist, nach pädagogischem Ermessen. Dieses Ermessen wird bestimmt durch die Leistungsentwicklung.“