Protocol of the Session on April 1, 2004

Ich weiß, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, dass Ihnen das EEG nicht immer besonders gut gefällt, aber selbst Sie werden zugeben müssen, dass man über die Endlichkeit von Energieträgern wie Öl und Kohle nicht streiten kann, sondern sie zur Kenntnis nehmen muss, und dass wir rechtzeitig anfangen müssen, über Alternativen nachzudenken; denn ohne Energie läuft weder in unserer entwickelten Gesellschaft etwas, noch werden wir in den Dritt- und Schwellenländern mit dafür sorgen können, dass sich dort das Niveau der Gesellschaften verbessert.

Für uns und unsere Wirtschaft gibt es in diesem Prozess zwei Varianten. Die erste: Wir beobachten die anderen, wie sie sich des Themas annehmen und es in Wirtschaftskraft für ihr Land umwandeln. Oder die zweite: Wir gehören zu den innovativen und kreativen Köpfen, die die Entwicklung mitbestimmen. Mir ist die zweite Variante wesentlich lieber. So scheinen es auch die Unternehmen im mitteldeutschen Raum zu sehen und im Übrigen auch der Herr Ministerpräsident, der dort gesagt hat, er erhoffe sich gerade von der Umweltwirtschaft einen großen Entwicklungsschub in den nächsten Jahren, insbesondere vor dem Hintergrund der Osterweiterung.

Beginnen wir noch einmal mit dem Thema Photovoltaik. Kenner der Branche schätzen ein, dass es einen rasanten Zuwachs an installierter Leistung geben wird. Für das Jahr 2025 wird mit einem Jahresumsatz von 100 Milliarden € weltweit gerechnet, und dies ist erst der Anfang. Dies entspricht im Übrigen dem jetzigen Umsatz der Halbleiterindustrie. Daran kann man vielleicht die Bedeutung ermessen, die dieser Branche künftig zukommen wird.

Die Bundesregierung hat zudem in diesem Jahr eine Innovationsoffensive gestartet und daran anknüpfend einigten sich Ende Januar 2004 das Bundesumweltministerium und die Photovoltaikindustrie auf eine verbesserte Zusammenarbeit und eine verstärkte Gemeinschaftsforschung im Bereich der Nutzung der Sonnenenergie, einer Technik, die mit einem hohen Innovations- und Ausbaupotenzial verbunden ist.

Das Wachstum dieser Branche stellt die wirtschaftliche und politische Innovationsfähigkeit in unserem Land eindrucksvoll unter Beweis. Deutschland zählt bereits heute zu den globalen Marktführern bei der Produktionsleitung und dem technischen Know-how. Hinter dem Platz 1, den Japan einnimmt, steht Deutschland auf Platz 2 und die Vereinigten Staaten von Amerika erst auf Platz 3. Warum soll also für die regenerativen Energien nicht das Gleiche gelten, was für die Biotechnologie gilt? - Einen Innovationsvorsprung, der real da ist, den darf man nicht verspielen.

Die Photovoltaikbranche rechnet auch weiterhin mit einer rasanten Entwicklung. Allein in diesem Jahr soll Prognosen zufolge der Markt um etwa 50 % wachsen. Bis zum Jahr 2006 ist bundesweit mit weiteren 15 000

hochqualifizierten Arbeitsplätzen zu rechnen. Die Photovoltaik wird sich weltweit zu einer Hightech-Schlüsseltechnologie entwickeln.

Zum Geschäft mit der Windkraft kann man sagen, dass es zwar nicht mehr so boomt wie in den letzten eineinhalb Jahren, dass es aber trotzdem noch gute Zuwachsraten gibt. Inzwischen sind 40 000 Arbeitsplätze damit verbunden und 15 000 Windräder stehen sozusagen unter Vertrag und liefern Energie - ungefähr so viel wie zwei Atomkraftwerke.

Die Technik muss natürlich weiterentwickelt werden. Das sagen sowohl die Versicherer als auch diejenigen, die offshore aufstellen wollen. 14 m hohe Wellen oder 180 km pro Stunde schnelle Sturmböen können nicht so einfach verkraftet werden. Hier liegen aber Chancen für eine Technologieentwicklung. Deutschland hat die Chance, die weltweite Spitzenposition in der produzierenden Industrie und in der dazugehörigen Technologieentwicklung einzunehmen. Dieser Trend darf an Sachsen-Anhalt nicht vorbeigehen und darf hier nicht ignoriert werden.

Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, zu Ihrem Antrag. Ich habe versucht, daraus sozusagen einen Antrag zurechtzuschieben. Ich frage mich aber, warum Sie die Anhörung, die dazu gehört, nicht durchführen wollen. Das verstehe ich in der Tat nicht, weil ich es vernünftig finden würde, wenn man Branchenvertreter aus diesen Bereichen, Unternehmen und Institute, die in diesem Bereich forschen, einladen würde und sich selbst ein Bild darüber machen könnte, um dann real zu entscheiden, welche Chancen für Sachsen-Anhalt darin stecken.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Es wäre mir ganz lieb, wenn Sie erläutern könnten, warum die Anhörung aus Ihrem Antrag entfernt worden ist.

Natürlich kann man sich für eine ökonomisch und ökologisch sinnvolle Weiterentwicklung aussprechen. Das würden wir natürlich gern aufnehmen. Das ist überhaupt kein Problem. Mit dem zweiten Satz habe ich von der Formulierung her so ein bisschen ein Problem. Wie man die Nutzung ökologisch fördern will, das weiß ich nicht. Ich halte das sprachlich für ein bisschen schwierig. Vielleicht haben wir aber die Chance während der Debatte, das zusammenzuschieben und daraus einen Antrag zu machen.

Ich lege Wert darauf, dass in den Ausschüssen über diese Branche Bericht erstattet wird, dass eine Anhörung dazu erfolgt und dass man Rückschlüsse darauf ziehen kann, welche Chancen für die wirtschaftliche Entwicklung im Land Sachsen-Anhalt in dieser Branche stecken. Wie das Ganze dann formuliert wird, ist für mich erst einmal zweitrangig.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Budde. - Für die Landesregierung hat nun der Minister für Wirtschaft und Arbeit Herr Dr. Rehberger um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Minister.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Er bringt den „Spiegel“ mit! Nicht unerwartet!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht zunächst eine ganz persönliche Bemerkung an Sie, Frau Kollegin Budde. Sie haben noch am heutigen Mittag hier ganz heftig kritisiert, dass ich anlässlich der Zukunftskonferenz des Regionenmarketings in Halle am vergangenen Donnerstag nicht immer zugegen war. Als mein Name in dem Programm stand und ich mitdiskutieren sollte, war ich selbstverständlich pünktlich da. Ich fände es wunderbar, Frau Budde, wenn Sie Ihrerseits pünktlich wären - so ist das Leben -, wenn Sie hier im Plenum des Landtages zu sprechen haben.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Oh! bei der SPD - Zuruf von Herrn Grünert, PDS)

Das nur dazu, weil Sie geglaubt haben, solche vordergründige Kritik üben zu müssen. Sie sehen, so schnell holt einen die Entwicklung ein.

(Unruhe bei der SPD und bei der PDS)

Im Übrigen möchte ich Ihnen aber gratulieren zur Aktualität des Themas, das Sie hier auf die Tagesordnung gebracht haben, und zwar aus drei Gründen:

Erstens. Meine Damen und Herren! Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Herr Kollege Wolfgang Clement, hat vor wenigen Tagen massiv und in aller Öffentlichkeit gefordert, dass man die Regelungen der Ökosteuer, des EEG und des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes unbedingt auf den Prüfstand stellen müsse. Er hat darauf verwiesen, dass aufgrund der Regelungen zum Emissionshandel die Frage der Effizienz anderer Regelungen einer neuen Überprüfung bedürfe.

Ich persönlich bin der Meinung, dass er damit Recht hat. Das nimmt wohlgemerkt das Ergebnis nicht vorweg. Dass wir in der Bundesrepublik Deutschland aber die Schlüssigkeit der einzelnen Regelungen, die wir getroffen haben, und deren Zusammenpassen prüfen müssen, daran besteht überhaupt kein Zweifel.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zweitens. Auch deswegen ist diese Debatte sehr aktuell: Diese Woche, meine Damen und Herren, hat der „Spiegel“, wie Sie sicher alle gesehen haben, das Thema sehr kritisch aufgegriffen und deutlich gemacht, warum Herr Clement die Notwendigkeit sieht, über die verschiedenen Instrumente, die es inzwischen in diesem Sektor gibt, etwa zur CO2-Reduzierung, erneut und vertiefend zu diskutieren. Der „Spiegel“ schreibt:

„Der Windmühlenwahn. Vom Traum umweltfreundlicher Energie zu hoch subventionierter Landschaftszerstörung.“

(Zustimmung von Herrn Kehl, FDP)

Meine Damen und Herren! Ich möchte mir gar nicht diese sehr plakative Darstellung des Problems zu Eigen machen, aber es ist immerhin doch bemerkenswert und nachdenkenswert, wenn wir feststellen müssen, dass ganz renommierte Institute, die sich dabei ein Urteil erlauben können - nämlich das Energiewirtschaftliche Institut der Universität Köln, das Institut für Energetik und Umwelt und das Rheinisch-westfälische Institut für Wirtschaftsforschung -, übereinstimmend zu dem Ergebnis kommen, dass der Aufwand, den wir etwa im Rah

men des EEG betreiben, in keinem vertretbaren Verhältnis mehr zum ökologischen Nutzen dieser Regelungen steht.

Das ist in der Tat ein Thema, über das wir uns, wie es Minister Clement fordert, neu und gründlich zu unterhalten haben.

Dritter Punkt. Morgen steht im Bundestag die Verabschiedung der EEG-Novelle auf der Tagesordnung. Ich bin der Meinung, dass man angesichts der Erkenntnisse, die der Bundeswirtschaftsminister vertritt, durchaus zu Recht die Forderung erhebt, meine Damen und Herren, dass eine Novelle befristet sein sollte, damit wir in wenigen Jahren erneut prüfen können, ob das, was darin geregelt worden ist, auch wirklich Sinn macht.

Alles in allem besteht ein großer Diskussionsbedarf, wobei ich feststellen möchte, dass das Energiekonzept der Landesregierung auch angesichts der neuesten Entwicklungen keiner Revision bedarf.

Meine Damen und Herren! Die zentrale Botschaft dieses Konzeptes lautet: Wir brauchen eine Energiepolitik, die ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist. Das bedeutet, dass wir in der Tat die Themen, die Herr Clement angesprochen hat, unbedingt erneut prüfen müssen.

In unserem Energiekonzept ist selbstverständlich der stärker werdende Beitrag der regenerativen Energien angesprochen und durchaus positiv eingeordnet worden. Das gilt insbesondere für den Bereich der Biomasse oder für die Photovoltaikanlagen. Es ist nachdrücklich darauf hingewiesen worden, dass wir natürlich bei neuen Technologien vorneweg marschieren wollen. SachsenAnhalt hat einige Beispiele, die zeigen, dass wir vorneweg marschieren in diesen Bereichen. Ferner ist zu bedenken, dass wir in diesem Bereich, was das verarbeitende Gewerbe anbetrifft, inzwischen tausende Arbeitsplätze in unserem Land haben. Wir müssen das Thema also sehr gründlich und umfassend angehen.

Eines ist aber ganz klar - das möchte ich zum Schluss sagen, meine Damen und Herren -: Es kann nicht sein, dass wir bei der Schlüsselaufgabe Energiepolitik die eine Seite zu sehr betonen, nämlich die ökologische Seite, mit der Folge, dass dadurch eine Deindustrialisierung in Deutschland herbeigeführt würde. Deswegen meine ich, ist es sehr wichtig, dass wir uns in den beiden zuständigen Ausschüssen dieses Hohen Hauses mit dieser Thematik gründlich auseinander setzen.

Die Landesregierung ist bereit, ihren Beitrag zur Diskussion zu leisten und insbesondere im Rahmen ihrer Politik dafür zu sorgen, dass wir in der Energiepolitik keine Schieflage bekommen und am Schluss wichtige und mit Milliarden an Subventionen aufgebaute Industrien in unserem Land in den nächsten Jahren wieder aus dem Land vertrieben werden. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Rehberger. - Meine Damen und Herren! Wir begrüßen auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler der Schachschule Ströbeck. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Selbstredend werden wir diesen Tagesordnungspunkt heute vor 20 Uhr noch behandeln. Da wir bereits eine

Zeitverzögerung haben, werden wir - darauf möchte ich schon jetzt aufmerksam machen -, sofern sich keine Beschleunigungseffekte ergeben, den Tagesordnungspunkt 18 - Volksbegehren - auf den morgigen Tag nach der Mittagspause verlegen. Sind Sie damit einverstanden? - Es gibt keinen Widerspruch. Sollte sich also keine Beschleunigung ergeben, werden wir diesen Tagesordnungspunkt morgen behandeln, damit wir den Tagesordnungspunkt 20 - Schachtradition im Harz - noch heute abhandeln können. - Herzlichen Dank.

Wir treten nun in eine Fünfminutendebatte ein. Für die CDU-Fraktion erhält der Abgeordnete Herr Steinecke das Wort. Bitte sehr, Herr Steinecke.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Regenerative Energien als Wirtschaftsfaktor für Sachsen-Anhalt stärken“ heißt dieser Antrag. Für mich ist das selbstverständlich, es ist aber auch zwingend notwendig. Sachsen-Anhalt ist ein Land mit großen Potenzialen für alternative Energien. Erneuerbare Energien haben in unserem Land bereits Einzug gehalten. Den Bürgerinnen und Bürgern ist das schon sichtbar geworden. Sie sind für unser Land, für den Maschinenbau und auch für die Wirtschaft von großer Bedeutung.

Diesen Sachverhalt hat die Landesregierung erkannt und darauf aufbauend langfristig ausgerichtete, tragfähige Konzepte angedacht. Minister Herr Rehberger hat bereits das Energiekonzept angesprochen. Erfolgreiche Energie- und Umweltpolitik lässt sich jedoch im Alleingang nicht betreiben, sondern sie muss in bundes- und europaweite Rahmenbedingungen eingebetet sein. Nur so können wir vernünftige Energiepolitik betreiben. Ein guter Energiemix muss letztlich das Ziel unserer Arbeit sein.

Sehr verehrte Katrin Budde, Sie betonten die besondere Rolle der Windenergie. Da sind wir sofort d’accord. Ich nehme für mich in Anspruch, ein wenig dazu beigetragen zu haben, dass das Unternehmen Enercon in Magdeburg mit über 3 000 Beschäftigten ansässig ist. Eine wunderbare Angelegenheit. In diesem Punkt haben wir viele Gemeinsamkeiten.

In Sachen Windenergie hat das Land Sachsen-Anhalt sowohl in der Anzahl, in der Leistungsfähigkeit als auch in der Größe der Windanlagen eine Spitzenplatz in Deutschland. Seit dem Jahr 1990 sind über 1 400 Windenergieanlagen errichtet worden. Diese Zahl stieg jährlich an. Aber wir mussten auch feststellen, dass über die 94 Eignungsgebiete hinaus über 450 Anlagen in Nichteignungsgebieten aufgestellt worden sind. Liebe Leute, genau das ist die Crux, worüber wir heute diskutieren und warum die Bürgerinnen und Bürger zu Recht teilweise unruhig und ärgerlich sind, dass wir so gehandelt haben.

Nach einer aktuellen Umfrage der Landkreise könnten zu den bestehenden Anlagen noch einmal über 1 300 Anlagen hinzukommen. Auch wenn - darin sind wir uns sicherlich an dieser Stelle einig - nicht alle Anträge umgesetzt werden können, werden die Windkraftanlagen das Bild unseres Land künftig wohl noch stärker als bisher prägen. Damit wird aber auch deutlich, dass das Potenzial für die Errichtung von Windkraftanlagen in einem Binnenland wie Sachsen-Anhalt begrenzt ist. Auch die berechtigten Sorgen der Bürgerinnen und Bürger müs

sen ernst genommen werden, wenn die Akzeptanz von Windkraft langfristig gesichert werden soll.

(Beifall bei der CDU)

Hierin liegt das eigentliche Problem, liebe Vorgängerregierung. Sie wollten natürlich einen Erfolg. Das kann ich durchaus verstehen. Aber was Sie versäumt haben, ist die Durchführung einer komplexen Technikfolgenabschätzung. Deshalb haben wir heute genau dieses Problem.