Protocol of the Session on April 1, 2004

- Ich bin ein von Natur aus fröhlicher Mensch. Deswegen freue ich mich über jeden Zwischenruf, sei er sachlich oder nicht.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Mit der Einführung des durchgängigen leistungsorientierten und pauschalierten Vergütungssystems hat der Bundesgesetzgeber einen Systemwechsel eingeleitet. Die Regelungen in den einschlägigen Bundesgesetzen ändern nicht nur die Vergütung der einzelnen Leistungen im Krankenhaus an sich, sondern auch die Beziehungen zwischen den Akteuren, also zwischen den Kostenträgern, den Krankenhäusern und ihren Interessenvertretungen, sowie den Ländern mit ihrem Sicherstellungsauftrag.

Im Gegensatz zu anderen Staaten, die bereits über Erfahrungen mit einem pauschalen Entgeltsystem verfügen, soll das System in Deutschland für alle Krankenhausleistungen mit Ausnahme der psychiatrischen Versorgung gelten. Dies führt nach meiner Auffassung dazu, dass viele, gerade spezielle Leistungen, wie die Behandlung von Brandverletzungen, Schädelhirntraumata und Polytraumata, nicht in einem für das Krankenhaus betriebswirtschaftlich darstellbaren Maße vergütet werden. Ich hoffe, dass sich diese Situation unter der Maßgabe, dass das DRG-System ein Lernsystem sein soll, in den nächsten Jahren von selbst justiert.

Ein weiterer Gesichtspunkt ist an dieser Stelle als wichtig zu erwähnen. Von 1991 bis 2002 haben wir in Sachsen-Anhalt folgende Entwicklung zu verzeichnen: Die Zahl der Planbetten sank von 25 808 auf 17 339. Die Fallzahlen stiegen von 466 946 auf 585 000 Fälle. Die durchschnittliche Verweildauer sank von dank 14,4 auf 8,9 Tage. Der Auslastungsgrad der Krankenhäuser stieg von 71,6 % auf 81,8 %. Diese Zahlen machen deutlich, dass im Krankenhaussektor eine beachtliche Leistungsverdichtung stattgefunden hat.

Verbunden mit einer enormen Arbeitsbelastung musste dieses Problem von den Krankenhäusern - sprich, den dort tätigen Ärzten und dem Pflegepersonal - geschultert werden. An dieser Stelle nun noch das Problem des Ärz

temangels zu diskutieren würde sicherlich den Rahmen der Debatte sprengen.

Meine Damen und Herren! Nun stehen die Bedingungen fest, innerhalb derer wir unsere gesetzgeberischen Möglichkeiten innovativ nutzen. Zielstellung ist die Sicherung einer angemessenen qualitativen und quantitativen Versorgung mit Krankenhausleistungen.

Im Krankenhausplan sollen künftig auf der Basis von Rahmenvorgaben nach § 3 Abs. 2 des neuen KHG mindestens die Standorte, die Versorgungsstufen und die vorzuhaltenden Fachgebiete festgelegt werden. Ich halte es für sinnvoll, dass diese Rahmenvorgaben von der Krankenhausgesellschaft, den kommunalen Spitzenverbänden und den Kostenträgern innerhalb von zwei Jahren selber entwickelt werden sollen.

An dieser Stelle sind nach meiner Auffassung auch die Universitätsklinika in die Krankenhausplanung einzubinden, da sie letztlich unter den gegebenen Bedingungen mit den übrigen Krankenhäusern im Wettbewerb stehen.

Für Streitfälle bei der Festsetzung von Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen zwischen den Kostenträgern und dem einzelnen Krankenhaus ist im Gesetz sinnvollerweise eine Schiedsstelle vorgesehen.

Meine Damen und Herren! Wie Sie meinen Ausführungen entnommen haben mögen, bietet die Einführung des pauschalierten Vergütungssystems Licht und Schatten. Der Gesetzentwurf der Landesregierung ermöglicht im Bereich der Versorgung mit Krankenhausleistungen den von uns gewünschten Wettbewerb, leistet aber auch den notwendigen regulierenden Beitrag zu einer regional ausgewogenen Sicherstellung der medizinischen Versorgung durch unsere Krankenhäuser.

Die im Wettbewerb stehenden Krankenhäuser werden erstmals im Jahr 2005 für das Jahr 2004 einen strukturierten Qualitätsbericht veröffentlichen. Der strukturierte Qualitätsbericht wird die Transparenz medizinischer Leistungen für die Patienten erhöhen. Auf der anderen Seite leisten der Gesetzentwurf und die sich daraus künftig ableitende Krankenhausplanung einen Beitrag zur Sicherstellung, der für qualitative Leistungen notwendig ist. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Scholze. - Als nächsten hören wir den Beitrag der CDU-Fraktion. Ich erteile Herrn Bönisch das Wort.

Herr Präsident, ich habe den klugen Ausführungen meiner Vorredner nichts hinzuzufügen und gebe meinen Beitrag zu Protokoll.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Ich stimme zu.

(Zu Protokoll:)

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf legt die Landesregierung für Sachsen-Anhalt als eines der ersten Bun

desländer ein Gesetz vor, das dem am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Fallpauschalengesetz in adäquater Weise Rechnung trägt. Das Fallpauschalengesetz sieht die schrittweise Einführung eines pauschalierenden Preissystems als neue Methode der durchgängig leistungsorientierten Finanzierung der Krankenhäuser vor.

Darauf müssen die Träger der stationären Gesundheitsversorgung planerisch flexibel reagieren können; denn die konkreten wirtschaftlichen Folgen dieses Gesetzes sind längst nicht für jedes Krankenhaus verlässlich kalkulierbar, bis heute nicht.

Deshalb musste das Krankenhausgesetz des Landes verändert werden; denn wenn nicht mehr die Bettenkapazitäten eines Krankenhauses hauptsächliches Planungskriterium sein können, müssen innovative Steuerungsinstrumente zum Einsatz kommen, welche es ermöglichen, sich an der tatsächlichen Bevölkerungsentwicklung und daraus resultierenden Leistungsbedarfen zu orientieren.

Diesem Anspruch wird der vorliegende Gesetzentwurf gerecht, wobei sich übrigens das Land nicht etwa unter dem Motto „Deregulierung“ aus der Verantwortung stiehlt, wie es gerade im Gesundheitswesen durch die Übertragung der Verantwortung auf die Selbstverwaltungsorgane auf der Bundesebene nicht unüblich ist, denn durch die Vorgabe der Rahmenbedingungen werden quantitative und qualitative Maßstäbe für die Gesundheitsversorgung gesetzt.

Der Entwurf stellt nicht nur die Versorgung der Bevölkerung mit stationären Gesundheitsleistungen sicher, sondern gleichzeitig auch die wirtschaftliche Sicherheit der Leistungserbringer - soweit dies im bundespolitischen Rahmen überhaupt möglich ist! Insofern wird das Land auch unter diesem Aspekt seiner Verantwortung gerecht.

Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass alle beteiligten Partner den Gesetzentwurf in seinen wesentlichen Zügen mittragen, wenngleich natürlich einzelne Fragen durchaus noch diskutiert werden können. So habe ich persönlich beispielsweise durchaus Verständnis für den Wunsch der Landeskrankenhausgesellschaft, die Bettenkapazitäten wenigstens nachrichtlich in den Krankenhausplan aufzunehmen.

Im Wesentlichen aber ist der Entwurf rund, und so wie ihn die Beteiligten mittragen, denke ich, wird er auch in diesem Hohen Hause eine breite Zustimmung finden. Auf weitere Einzelheiten des Inhaltes will ich hier nicht weiter eingehen; dazu gibt es die Ausschüsse.

Deshalb beantrage ich namens der CDU-Fraktion die Überweisung des Gesetzentwurfs in den Ausschuss für Gesundheit und Soziales - federführend - sowie mitberatend in den Ausschuss für Finanzen.

Dann darf ich als Nächste gleich Frau Bull aufrufen, für die PDS-Fraktion zu sprechen.

Meine Damen und Herren! Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, heute einmal nicht herumzusticheln.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Kos- mehl, FDP)

Aber wenn Sie sich hier so aufplustern, dann muss ich an dieser Stelle noch einmal sagen: Natürlich, eine Punktlandung, keine Frage. Aber zur Wahrheit gehört auch: Zur Jagd haben Sie nun gerade nicht geblasen. - Ich will Ihnen gern zugestehen, dass Sie irgendwann Ihren Widerstand gegen die Jagd aufgegeben haben, und das ist nun mal nicht ganz schlecht.

Meine Damen und Herren! Der kleinste gemeinsame Nenner derer, die sich um die Krankenhäuser kümmern, ist Folgendes:

Erstens. Es muss eine hochwertige Qualität geboten werden.

Zweitens. Diese Qualität muss auch einigermaßen effizient und wirtschaftlich vorgehalten werden - nicht unbedingt im marktwirtschaftlichen Sinne, wohl aber im Sinne des Sozialgesetzbuches V.

Die vielen Spannungsfelder, denen sich die Krankenhäuser stellen müssen - ich will nicht alles wiederholen, was meine Vorredner und Vorrednerinnen gesagt haben -, sind aufgezeigt, darunter das zwischen Effizienz und Patienten-/Patientinnenfreundlichkeit und das Spannungsverhältnis zwischen Effizienz und Qualität.

Sicherlich, Effizienz und Wirtschaftlichkeit sind nötig für einen vernünftigen Umgang mit den Ressourcen im Allgemeinen und mit den Versichertengeldern im Besonderen. Die Krankenkassen haben zu Recht sehr oft darauf hingewiesen. Mit der Einführung der DRGs stehen die Krankenhäuser mittlerweile im Wettbewerb schlechthin. Die demografische Entwicklung verändert die Struktur von Patientinnen und Patienten. Der medizinisch-technische Fortschritt eröffnet neue Diagnosen. Die Palette der Behandlungsmöglichkeiten wird breiter. Das zeigt sich unter anderem auch in den steigenden Fallzahlen.

Wettbewerb, meine Damen und Herren, bringt ganz unumstritten Qualität und Innovation, aber er eröffnet auch den Druck auf notwendige Gesundheitsleistungen in allen Bereichen des Gesundheitswesens. Zur Wahrheit gehört auch: Wettbewerb fragt zumindest nicht in erster Linie nach den Befindlichkeiten kranker Menschen. Zweifellos: Ohne Effizienz ist alles nicht bezahlbar. Aber ohne Solidarität, meine Damen und Herren, ist es schlichtweg nicht aushaltbar.

Das vorliegende Gesetz löst die Bettenplanung durch Leistungsplanung ab. - Ich erinnere an dieser Stelle nur an unsere Debatte vor einem Jahr. So viel zum Thema Jagd. Aber ich habe ja versprochen, dass ich heute nicht sticheln will.

Das ist eine notwendige Folge des Umstiegs auf die Leistungsfinanzierung durch die DRG. Es ist gesagt worden. Ich finde auch bemerkenswert: Es scheint einen ersten Schritt in Richtung regionalisierte Krankenhausplanung zu geben. Das heißt also, Akteure vor Ort planen und koordinieren die Angebote und Leistungen und das Land behält das letztinstanzliche Entscheidungsrecht.

Ein Wort noch zu einem ganz speziellen und, wie sich zeigt, auch recht schwierigen Problem. Das ist die medizinische Versorgung in den Uni-Kliniken. Ich denke, es ist ein wünschenswertes Unterfangen zum einen für Wissenschaft und Ausbildung - zweifellos - und es ist ebenso ein wünschenswertes Unterfangen für die medizinische Versorgung, gerade für komplizierte und schwierige Fälle in der Gesundheitsversorgung. Es ist aber

auch gesundheitsökonomisch, meine Damen und Herren, eine recht umstrittene Angelegenheit.

Klar und selbstverständlich ist: Die Ausbildung von Medizinerinnen und Medizinern ist nicht reduzierbar auf Hochleistungsmedizin, sie ist auch in der Grund- und Regelversorgung nötig. Dazu gibt es das System der Kooperation zwischen den akademischen Lehrkrankenhäusern und den Uni-Kliniken.

Die reine Lehre wäre: Die Hochleistungsmedizin gehört in die Uni-Kliniken, die Grund- und Regelversorgung in die akademischen Lehrkrankenhäuser, wohlgemerkt, was die Ausbildung anbelangt. Nun ist es mit der reinen Lehre im wirklichen Leben immer so eine Sache. Meist sind das zwei verschiedene Baustellen. Die Uni-Kliniken wickeln mittlerweile einen beträchtlichen Umfang der Grund- und Regelversorgung in ihren Häusern ab. Die AOK beziffert das auf rund 30 %. Es wird eine ganze Reihe verschiedener Gründe ins Feld geführt.

Beispielsweise sei es nur bedingt steuerbar, wohin Patientinnen und Patienten nach Notfalleinsätzen gefahren würden. Patientinnen und Patienten stimmten nicht zuletzt mit den Füßen darüber ab, in welches Krankenhaus sie sich begäben. Auch sei ein Argument, dass die Ausbildung für Studentinnen und Studenten attraktiver sei, wenn sie an einem Ort organisiert werden könne und, und, und. Ich denke, die Ursachen sind sehr vielfältig.

Ein Problem will ich aber an dieser Stelle auch nennen: Selbstverständlich hat die Realisierung von Hochleistungsmedizin auch Vorhaltekosten nötig, die berücksichtigt werden müssen und die auch finanziert werden müssen. Aber es gab eine ganze Reihe von Krankenhäusern, die sich die Mühe gemacht haben, vom Optionsmodell Gebrauch zu machen. Es war immerhin auch eine Chance, eigene Erfahrungen in ein lernendes System einzubringen.

Die Uni-Kliniken gehörten bundesweit und auch in Sachsen-Anhalt gerade nicht dazu. Die Folge dessen ist, dass deren Rahmenbedingungen in diesem lernenden System kaum abgebildet sind. Damit ist auch ein strategischer Vorteil vergeben worden.

Ich denke aber auch, solange die medizinische Versorgung in den Uni-Kliniken größtenteils von der GKV und nicht steuerfinanziert wird, muss die Frage nach Effizienz und Wirtschaftlichkeit auch dort gestellt werden und muss es erlaubt sein, danach zu fragen, ob nicht wenigstens ein Großteil der Grund- und Regelversorgung in den akademischen Lehrkrankenhäusern vernünftiger realisiert wäre. Es muss auch erlaubt sein zu fragen, welche Möglichkeiten das Land und auch die Kostenträger wahrnehmen können, um steuernd Einfluss zu nehmen.

Erfreulicherweise sind die Uni-Kliniken mit dem vorliegenden Gesetzentwurf in das Verfahren der Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen einbezogen. Ich denke, der Ausschuss für Gesundheit und Soziales ist gut beraten, wenn er nicht nur die Uni-Kliniken selber hört, sondern auch die Probleme der Finanzierung der medizinischen Versorgung in den Uni-Kliniken als Gegenstand mit berät. Ich schließe mich Frau Dr. Kuppe an. Sinnvoll wäre es in jedem Fall, den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft dort einzubeziehen. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Bull. - Damit ist die Debatte abgeschlossen.