Protocol of the Session on March 4, 2004

denn wir haben ja schon einen Rechtsanspruch für Kinder im Alter von Null Jahren bis zu dem Alter, in dem sie in die siebente Klasse versetzt werden. Da wird es für uns bestimmt ziemlich eng werden. Dies bedeutet, dass wir das Ziel der Bundesregierung hier vor Ort in Sach

sen-Anhalt - da müssen wir wirklich einmal in unser Land schauen - schon seit langem erreicht haben.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Frau Dr. Kuppe, SPD: Sie wollen es doch nun aber wieder abschaffen!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich nun auf das Volksbegehren selbst zurückkommen. Die CDUFraktion nimmt den Erfolg des Volksbegehrens rund um die Kinderbetreuung mit 275 000 gesammelten Unterschriften in Sachsen-Anhalt sehr ernst.

(Frau Mittendorf, SPD: Aha!)

Dies ist ein Auftrag an die Politik und ein Auftrag an den Landtag, sich erneut mit diesem Thema zu beschäftigen. Es ist der Regierung und uns in den vergangenen Monaten offenbar nicht gelungen, für ausreichend Verständnis für das Kinderförderungsgesetz zu werben. Dies und die nicht immer gelungene kinderfreundliche Umsetzung des Kinderförderungsgesetzes vor Ort haben zum Erfolg des Volksbegehrens beigetragen.

Unabhängig von dem Ergebnis der Überprüfung der Unterschriften zum Volksbegehren wird die CDU-Landtagsfraktion auf die Initiatoren des Volksbegehrens zugehen, um auszuloten, ob und inwieweit Gemeinsamkeiten zur Umsetzung eines familienpolitischen Gesamtkonzepts für unser Land gefunden werden können.

Wir als Koalitionsfraktionen wollen ohnehin - das haben wir von Anbeginn gesagt - unabhängig vom Volksbegehren nach einem Jahr, in dem das Gesetz in der Praxis umgesetzt wurde, evaluieren, wie es funktioniert. Beides fällt nun zusammen und deshalb muss auch eine Überprüfung des Kinderförderungsgesetzes erfolgen.

(Zuruf von Frau Dr. Weiher, PDS)

Wir werden die Erkenntnisse in ein familienpolitisches Programm einfließen lassen. Ziel dieses Programms muss es sein, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, die Vorschulerziehung flächendeckend auf einem einheitlichen Niveau durchzusetzen, die gesundheitliche Prävention zu verbessern und familienstützende Maßnahmen zielgerichteter als bisher in einem größeren Ausmaß umzusetzen. Dieser Maßnahmenkatalog wird Geld kosten. Das wird aber nicht die absichtlich eingesparten 43 Millionen € infrage stellen können.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir kommen in dieser Debatte nicht umhin, uns mit den Konsequenzen zu beschäftigen. Mit der Staffelung des Betreuungsanspruchs haben wir die Nachhaltigkeit der Finanzierung gesichert, Geld im Landesinteresse und im Interesse der Zukunft unserer Kinder gespart und Voraussetzungen für moderate Elternbeiträge geschaffen. Nun steht alles wieder zur Disposition.

Gerade die PDS hat sich in die Sammlung der Unterschriften und in die Kritik am KiFöG besonders intensiv eingebracht und sich in altbekannter Manier als vermeintlicher Anwalt aller angeblich benachteiligten Menschen in der Öffentlichkeit dargestellt.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Von eigenen Erlebnissen mit ihren strammen Parteigenossen bei der Sammlung der Unterschriften in meinem Wahlkreis möchte ich aufgrund der Ernsthaftigkeit

des Themas nicht berichten, obwohl bei mir die Frage der Aufklärung bei der Einwerbung von Unterzeichnern bei diesem Beispiel offen blieb.

Dabei müssen Sie sich nun fragen lassen, meine Damen und Herren von der PDS: Wie wollen Sie denn die Finanzierung sicherstellen? - Aber ich weiß, gleich kommt der Einwurf: Wir haben genügend Besserverdienende und Reiche im Land, von denen können wir es nehmen. Auch die Initiatoren des Bündnisses haben in dieser Frage wohl ein Problem, denn die PDS drohte ihnen sogar mit dem Verfassungsgericht. Aber das hat man wohl seitens der PDS wieder zurückgenommen, wie ich in Hausmitteilungen nachlesen konnte. Es stellt sich am Ende die Frage: Worum geht es der PDS wirklich, um Parteienpolitik oder um die Zukunft unserer Kinder?

Frau von Angern, eines muss man der Vollständigkeit halber erwähnen: Die meisten jungen Frauen sind in der Zeit, als Sie hier noch Mitverantwortung getragen haben, aus Sachsen-Anhalt abgewandert. Es sind deutlich weniger geworden, als es in Ihrer Zeit der Fall war.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Lachen bei der SPD und bei der PDS - Zurufe von der PDS)

Ich bin davon überzeugt, dass sich die Sprecher des Bündnisses, wie ich sie kenne, nicht weiter von der PDS instrumentalisieren lassen, auch wenn ein Foto in der „Volksstimme“ anlässlich der Übergabe der Unterschriften im Innenministerium fast den Eindruck erwecken könnte, dass das der Fall ist.

Werte Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion - auch Sie sind nicht vergessen -, verabschieden Sie sich nicht vorschnell von dem von uns gemeinsam im Januar 2003 gefundenen Kompromiss! Trotz aller Unwuchten im Zusammenhang mit der Umsetzung des Gesetzes hat sich an den Gründen für den Kompromiss nichts geändert. Soweit Ihrerseits Interesse besteht, werden wir Sie gern in die Gespräche einbeziehen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hoffe, dass die Sprecher des Bündnisses unser Gesprächsangebot annehmen werden. Naturgemäß werden die Gespräche mit der Regierung zuerst erfolgen und im Anschluss daran die Gespräche mit den einzelnen Fraktionen. Wir als CDU-Fraktion werden selbstverständlich mit den Ergebnissen des Volksbegehrens so umgehen, wie es verfassungsrechtlich bzw. landesgesetzlich geregelt ist. Darauf können Sie sich verlassen.

Das war es für heute zu diesem Thema. - Danke.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kurze. - Für die FDP-Fraktion erteile ich nun der Abgeordneten Frau Dr. Hüskens das Wort. Bitte sehr, Frau Dr. Hüskens.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit der Abgabe der Unterlagen der Bürgerinitiative diskutieren wir in der Öffentlichkeit - und heute auch im Parlament - mehrere Aspekte. Da wird gefordert, die Landesregierung müsse sich dem Ergebnis des Volksbegehrens beugen und auf die Forderungen pauschal eingehen. Die PDS warnt die Landesregierung sogar, durch einen

Kompromiss einen Volksentscheid zu umgehen, und zweifelt die Legitimation der sechs Vertrauensleute an. Den Behörden wird seitens der Bürgerinitiative von vornherein unterstellt, sie wollten die Auszählung verzögern - und das zu einem Zeitpunkt, zu dem die Initiative mit der Abgabe der Unterlagen selber noch nicht vollständig fertig war.

Meine Damen und Herren! Ich kann verstehen, dass die Mitglieder der Initiative in der Freude über das erzielte Ergebnis, vor dem ich großen Respekt habe, übersehen haben, dass das nicht automatisch bedeutet, dass das Anliegen der Initiative sofort eins zu eins umgesetzt wird. Wenn die Behörden nach dem Gesetz verfahren, heißt das nicht, dass sie das Volksbegehren behindern. Zunächst ist das Ergebnis festzustellen, und das werden die zuständigen Behörden im Land ohne schuldhaftes Verzögern, aber mit der gebotenen Sorgfalt tun.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der Termin der Kommunalwahlen am 13. Juni, nach dem ich in den vergangenen Tagen mehrfach gefragt worden bin, ist aufgrund der gesetzlichen Fristen ausgeschlossen. Deshalb: Völlig unabhängig von den mehr oder weniger qualifizierten Schätzungen, die ich der Presse entnehmen konnte, wie lange man für eine solche Auszählung braucht, gezählt wird zügig ohne schuldhaftes Verzögern mit der erforderlichen Sorgfalt. Da das Ergebnis in die eine oder die andere Richtung knapp werden könnte, ist es mehr als geboten, rechtliche Zweifel erst gar nicht aufkommen zu lassen.

Liegt das Ergebnis vor und wird die erforderliche Stimmenzahl erreicht, wird sich das Parlament mit dem Gesetz zur Kinderförderung befassen. Dafür hätten wir dann vier Monate Zeit. Frühestens drei Monate nach der zweiten Lesung, spätestens aber sechs Monate danach, könnte es einen Volksentscheid geben, wenn dieser nötig werden würde. - Das einfach, um Ihnen auch einmal die Gesamtzeitschiene vor Augen zu führen; denn es geht nicht nur um die Auszählung, danach folgen weitere Fristen.

Natürlich wird die Landesregierung und werden im Fall einer parlamentarischen Befassung auch die Koalitionsfraktionen das Gespräch mit der Bürgerinitiative suchen und prüfen, ob es zu einer Einigung kommen kann. Wir als Koalitionsfraktionen werden natürlich auch das Gespräch mit der SPD und, wenn Gesprächsbereitschaft besteht, auch mit der PDS suchen. Ich halte es für demokratisch geboten, solche Gespräche zu führen. Gezwungen ist die Landesregierung zu Kompromissen mit der Initiative jedoch nicht.

Ich sage auch ganz klar: Wir werden uns nicht zu Lösungen treiben lassen, die die Qualität der Kinderbetreuung zugunsten der Einbeziehung aller Kinder in diese Betreuung verschlechtern.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich stimme Frau Esche völlig zu, die gesagt hat, dass eine Qualitätsverschlechterung nicht der Preis für die Einigung sein darf. Das gilt für den Bildungsanspruch allerdings ebenso wie für den Betreuungsschlüssel. Das bedeutet aber auch, dass wir an der Kopplung des Rechtsanspruchs an einen Bedarf vom Grundsatz her festhalten werden.

Für uns ist es nicht vertretbar, in anderen Haushaltsbereichen erheblich zu kürzen, um dort die Gelder zu sparen, die für die Zurücksetzung des Kinderbetreu

ungsgesetzes auf den vorherigen Stand erforderlich wären. Da müssen wir auch ehrlich zu uns selber sein. Hierbei geht es nicht nur um die 40 Millionen € im Landeshaushalt, da kommen weitere Millionenbeträge bei den Landkreisen und den Kommunen hinzu.

Das ist meiner Meinung nach nur noch nach einem Volksentscheid möglich. Denn auch wenn heute die eine oder andere Aufforderung kam, man könne doch die entsprechenden Mittel irgendwo finden, wissen wir alle im Parlament, dass das nur zulasten anderer gesellschaftlicher Gruppen möglich ist. Das vergrößert den Verhandlungsspielraum nicht gerade. Dennoch sollten wir prüfen, ob es in diesem Rahmen zu einer Einigung kommen kann. Ich halte das nicht für völlig ausgeschlossen.

Bei diesen Gesprächen sind für uns, Herr Gallert, die sechs Vertrauenspersonen der Bürgerinitiative die Verhandlungspartner und nicht die PDS und nicht die Gewerkschaften.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Denn die Vertrauenspersonen sind nach § 14 Abs. 4 des Volksabstimmungsgesetzes die einzigen Personen, die bei einer Einigung das Anliegen des Volksbegehrens für erledigt erklären können. Das kann erfolgen, wenn der Landtag ein Gesetz verabschiedet, das der Intention der Initiative entspricht. Welche internen Regelungen Sie mit der Initiative dafür finden, ändert nichts an der Bindungswirkung des Votums der Vertrauensleute gegenüber dem Parlament.

Meine Damen und Herren! Auch wenn das erforderliche Quorum für das Volksbegehren nicht zustande kommen sollte, werden wir uns selbstverständlich noch einmal intensiv mit den in den vergangenen Monaten wiederholt vorgetragenen Problemen auseinander setzen und prüfen, wie diese behoben werden können. Auch dazu sehe ich uns aufgrund des Ergebnisses des Volksbegehrens verpflichtet, egal, welche Zahl letztendlich herauskommt.

Ich muss auch noch einmal sagen: Das Gesetz ist vom Grundsatz her eines der besten in Europa und das beste in Deutschland.

(Lebhafter Beifall bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Aber auch bei diesem Gesetz hat es Umsetzungsprobleme gegeben. Das gilt zum einen für den kommunalen Finanzausgleich aufgrund der sehr unterschiedlichen finanziellen Ansätze und es gilt zum Teil auch für die Auslegung des Gesetzes. Ich nenne hier immer gern das Beispiel mit dem Mutterschutz oder das Beispiel der Krankheit eines Elternteiles, die in einigen unserer Kommunen tatsächlich zu sehr extremen Auslegungen geführt haben. Deshalb werden wir uns im Parlament und in den Koalitionsfraktionen damit beschäftigen müssen, wie wir diese Probleme in den Griff kriegen.

Meine Damen und Herren! Wir werden prüfen, wie wir die Qualität der Kinderbetreuung halten und weiter verbessern können. Wir werden in Gesprächen prüfen, inwieweit wir mit der Initiative einen Konsens herbeiführen können, der von den beteiligten Landtagsfraktionen getragen werden kann. Aber wir scheuen als FDP-Fraktion auch einen Volksentscheid als letzte Konsequenz nicht, wenn er denn nötig wird.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Frau Dr. Hüskens. - Meine Damen und Herren! Beschlüsse zur Sache werden gemäß § 46 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung nicht gefasst. Damit ist die Aktuelle Debatte beendet und der Tagesordnungspunkt 1 abgeschlossen.

Wir steigen ein in die Behandlung des Tagesordnungspunktes 2:

Aussprache zur Großen Anfrage

Sozialpolitische Auswirkungen landes- und bundesgesetzlicher Regelungen

Große Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 4/959