Protocol of the Session on January 22, 2004

(Zustimmung von Frau Wybrands, CDU)

Künftig wird das Land wie schon seit geraumer Zeit seine Hauptaufgabe darin sehen, Akzente zu setzen, um bestimmte Entwicklungen, und zwar qualitativer Art, im Bibliothekswesen insgesamt zu fördern, aber, wie gesagt, nicht den täglichen Betrieb.

Natürlich gibt es im kommunalen Bereich auch Einschnitte im Kulturbereich. Ich glaube, die schmerzen Sie genauso wie uns alle.

Die Aufgabe des Landes besteht auch nicht darin, den Kommunen Vorwürfe zu machen, dass sie nun ausgerechnet bei den so wunderbar als „freiwillig“ bezeichneten Leistungen zu Kürzungen gezwungen sind.

Insofern begrüße ich es übrigens, wenn man jetzt nach Lösungen und Auswegen sucht, die ohne mehr Geld das Angebot stabilisieren und qualifizieren, und beabsichtigt, eine Bibliothekskonferenz einzurichten, die vom Kultusministerium selbst im Gespräch mit dem Bibliotheksver

band entwickelt worden ist. Dass die SPD diese Idee aufgreift, kann ich nur begrüßen.

Es scheint, dass wir uns, wenn man die ganze Polemik einmal weglässt, was uns allen gut täte, in der Sache viel näher sind, als mancher vermuten mag. Ob eine solche Bibliothekskonferenz, vor allem als Dauereinrichtung, nun vom Land oder vom Bibliotheksverband ausgerichtet werden soll, könnten wir noch einmal zum Beratungsgegenstand im Ausschuss machen.

Meine Damen und Herren! Wenn wir von einer Entwicklung des Bibliothekswesens sprechen, tun wir gut daran, einen Blick auf die Gesamtsituation und -diskussion in Deutschland zu werfen. Ich bin eher vorsichtig mit solchen Schlagwörtern wie Wissens- und Informationsgesellschaft - übrigens schon deshalb, weil meiner Meinung nach Wissen und der Umgang mit Informationen schon immer bedeutsam waren. Gleichwohl muss man feststellen, dass sich die Zugangsmöglichkeiten zu Informationen in den letzten Jahren gravierend geändert haben. Es liegt auf der Hand, dass diese Entwicklungen Auswirkungen auf die Arbeit der Bibliotheken haben.

Damit meine ich ausdrücklich nicht, dass sich die Bibliotheken immer ausschließlich auf das jeweils neueste Medium konzentrieren müssen. Eine wichtige Aufgabe wird meiner Meinung nach sein, vor allem Kindern und Jugendlichen, und zwar unabhängig vom jeweils letzten medialen Schrei, das Lesen schmackhaft zu machen. Ich glaube, in diesem Punkt sind wir uns auch völlig einig.

Aber selbstverständlich müssen die öffentlichen Bibliotheken in ihrem Angebot darauf eingehen, wie Informationen außerhalb der gedruckten Form heute zugänglich sind. Das wird nie zum Abschied vom Buch führen. Diesbezüglich bin ich derselben Meinung wie Sie.

Der Entwicklungsstand und die Leistungsfähigkeit der Bibliotheken sind bundesweit sehr unterschiedlich. So gibt es zum einen ein derzeit noch recht eng geknüpftes Netz kommunaler, kirchlicher und wissenschaftlicher Bibliotheken. Auch das Personal ist fachlich gut ausgebildet. In allen Sparten des Bibliothekswesens gibt es innovative Einrichtungen, die als Dienstleister hoch geschätzt werden.

Zum anderen gibt es aber auch eine ganze Reihe widriger und hindernder Umstände. Das Zusammenwirken der Bibliotheken untereinander ist zum Beispiel nach wie vor unzulänglich und oft auch durch bürokratische Hemmnisse geprägt. Wenn wir also kein Geld mehr haben, sollten wir alle Energien auf die Modernisierung dieser Kooperationsverhältnisse, auf komplementäre Strukturen, auf Modernisierung, auf die Kommunikation und Abstimmung untereinander und dergleichen mehr legen. Auch dazu kann übrigens die Bibliothekskonferenz eine Menge guter Anregungen vermitteln.

Auch die sich verändernden finanziellen Rahmenbedingungen stellen die Bibliotheken vor solche neuen Herausforderungen. Informationszugänge, die es außerhalb der Bibliotheken gibt, bleiben in Bibliotheken oft immer noch verschlossen. Die Anregung zum Beispiel, die Angebote von Antiquariaten gerade für seltene und exklusive Titel mit zu nutzen, umzumünzen in die These, wir wollten die öffentlichen Bibliotheken sozusagen zu öffentlichen Antiquariaten machen, das finde ich einfach nicht mehr fair.

(Zustimmung bei der CDU)

Welche Wege will die Landesregierung Sachsen-Anhalts vor diesem Hintergrund nun gehen? Gewiss werden wir beobachten, wie sich das auf der Bundesebene initiierte Projekt „Bibliothek 2007“ entwickelt. Doch lassen sich auch jetzt schon für unser Land Themen nennen, die wir für eine vertiefende Diskussion im Rahmen der Bibliothekskonferenz empfehlen würden. Zwei solche Themen möchte ich erwähnen.

Erstens. Die Vielzahl der Fragen in der Großen Anfrage zur Rolle der öffentlichen Bibliotheken bei der Leseförderung von Kindern und Jugendlichen weist darauf hin, dass nicht nur wissenschaftliche, sondern auch öffentliche Bibliotheken Lernorte sind. Das gilt nicht nur für die Nachwuchsgeneration, sondern lässt sich, wenn man den wachsenden Anteil von Sachliteratur in den Bibliotheksbeständen richtig interpretiert, auch verallgemeinern. Bibliotheken sind unterstützende Einrichtungen für das lebenslange Lernen.

Aufgabe des Landes ist es, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger günstigere Rahmenbedingungen für die Kooperation und für die Vernetzung der Bibliotheken untereinander, aber auch mit schulischen und außerschulischen Bildungspartnern zu schaffen. Das ist übrigens mit relativ wenig Geld machbar. Es geschieht aber bei weitem nicht in dem Umfang, in dem es möglich wäre.

Allerdings ist auf diesem Gebiet durchaus auch einiges vorzuweisen. Recherchen in Länder und Bibliothekssparten übergreifenden Datenbanken sowie die Nutzung der elektronischen Fernleihe gehören auch in kleineren öffentlichen Bibliotheken, nicht zuletzt aufgrund der gezielten Landesförderung in den letzten Jahren, nahezu überall zum Standard. In diesem Zusammenhang werden auch verstärkt unterstützende Weiterbildungsangebote der Bibliotheken nachgefragt und zum Teil gemeinsam mit Partnern aus dem Bildungsbereich unterbreitet.

Übrigens wird in Kürze eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem Kultusministerium und dem Landesverband Sachsen-Anhalt im Deutschen Bibliotheksverband abgeschlossen, die die Schaffung nachhaltiger Kooperationsstrukturen im Sinne der Leseförderung der Schülerinnen und Schüler beinhaltet.

So viel zur Untätigkeit und zum Desinteresse der Landesregierung an der Entwicklung der Bibliotheken und an der Leseförderung von Kindern und Jugendlichen.

Übrigens liegt diese Initiative ganz im Sinne des Bundesprojekts „Bibliothek 2007“. Für den Aufbau von Kooperationen zwischen Bibliotheken und Bildungsträgern kann sich das Land möglicherweise als Vermittler und Koordinator künftig noch stärker einbringen.

Mein zweiter Punkt. Öffentliche Bibliotheken selbst sind natürlich keine profitablen Einrichtungen. Ihr Gewinn sozusagen ist anderer Art. Aber gerade deshalb müssen sie alles unternehmen, um im Interesse der Nutzer möglichst effizient, was eben auch wirtschaftlich heißt, und kundenorientiert zu arbeiten.

Der Auftrag des Landes besteht meiner Auffassung nach darin, durch Fördermaßnahmen und intensive Nutzung der Kompetenz der Landesfachstelle für öffentliche Bibliotheken in den Einrichtungen die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass ein Bibliotheksnetz im Land auch künftig bezahlbar bleibt. Das hängt aber davon ab, ob die Bibliotheken wirtschaftlich arbeiten bis hinein in ihre Beschaffungsstrategien und den Bestandsaustausch untereinander.

Das Land hat diesen Prozess der Neustrukturierung sehr aktiv begleitet, indem es zum Beispiel über die Fachstellenvergleichsringe den Betriebsvergleich der öffentlichen Bibliotheken unterstützt hat. In welche Richtung die Entwicklung geht, zeigen die Ergebnisse einer bundesweiten Expertenbefragung des Infas-Instituts für Bibliotheksentwicklung in Deutschland im Jahr 2002. Danach bestehen langfristig diejenigen Bibliotheken am besten, die ihr Angebot thematisch öffnen und sich offensiv in das kulturelle Umfeld ihrer Kommune integrieren.

Es geht also insgesamt vor allem um die Effektivität der bibliotheksmäßigen Versorgung. Wenn das Netz der öffentlichen Bibliotheken auch weiterhin eng geknüpft bleiben soll, darf sich keine einzelne Einrichtung scheuen, solche Fragen zu stellen, wie sie zum Beispiel Professor Umlauf von der Humboldt-Universität in einem Fachartikel mit dem schönen Titel „Am eigenen Schopf aus dem Sumpf - die öffentlichen Bibliotheken in der Haushaltskrise“ genannt hat. Ich will das zitieren, weil es ausgesprochen intelligente Fragen sind.

„Sind wirklich alle organisatorischen Rationalisierungsmaßnahmen ausgeschöpft?“

Das ist jetzt alles wörtlich. Ich hätte es vielleicht teilweise etwas anders formuliert.

„Werden Fremdleistungen in extensivem Umfang genutzt, sodass möglichst viel Personalkapazität in die direkten Publikumsdienste investiert werden können?“

„Gibt es ein Prioritätenkonzept, das die angebotenen Dienstleistungen in eine Rangfolge bringt, sodass die Bibliothek bei oktroyierten Kürzungen kurzfristig reagieren kann?“

„Ist der Mut vorhanden, die verbleibenden Ressourcen unkonventionell so einzusetzen, dass für wichtige Zielgruppen trotzdem noch gute Leistungen herauskommen, während auf andere, vielleicht lieb gewordene Dienstleistungen, die den Gewohnheiten und den aktuellen Fähigkeiten des Personals entsprechen, verzichtet wird?“

„Welche systematischen Maßnahmen wurden ergriffen oder sind geplant, um Personalentwicklung in Richtung auf zukünftig eventuell ganz andere Aufgaben - damit sind auch zusätzliche gemeint - zu betreiben?“

Auch künftig ist das Land bereit, bei der Suche nach geeigneten Konzepten, die auf diese Fragen Antworten eröffnen, die Bibliotheken unterstützend und beratend zu begleiten. Entsprechende Beratungskapazität steht in der Landesfachstelle für öffentliche Bibliotheken bereit. Die Veränderungen vor Ort aber können nur durch lokale Initiativen und damit durch die einzelnen Kommunen als Träger und durch die Bibliotheken selbst bewerkstelligt werden.

Meine Damen und Herren! Öffentliche Bibliotheken müssen sich in die notwendigen inhaltlichen und strukturellen Veränderungsprozesse als Partner aktiv einbringen und sie tun das überwiegend bereits. Sie benötigen dazu ein Forum, in welchem neue Konzepte öffentlichkeitswirksam, aber auch fachkundig diskutiert werden können. Daher ist das Land gern bereit, die Durchführung einer Bibliothekskonferenz zu begleiten. Aus diesem Grund haben wir diesen Vorschlag selbst unterbreitet. Die Details hierfür sollten wir am besten im Ausschuss

für Kultur und Medien weiter besprechen, weshalb ich gern empfehlen möchte, dem Ausschuss die gesamte Angelegenheit noch einmal zur Beratung zu übergeben. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister, obwohl Sie wieder den kleinen Trick angewandt haben, mit Ihrem Redemanuskript die rote Lampe zu verdecken. Die zwei Minuten Redezeitüberziehung haben wir Ihnen dann aber doch noch gegönnt.

Ich habe jetzt die große Freude, lettische Gäste der Konrad-Adenauer-Stiftung im Bildungszentrum Schloss Wendgräben und den Leiter des Bildungszentrums Herrn Beckmann-Dierkes zu begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Wir beginnen nun mit der Debatte der Fraktionen. Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Dr. Volk das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Öffentliche Bibliotheken entstanden aus den zur Hebung der Volksbildung im 19. Jahrhundert von bürgerlich-liberalen, kirchlichen oder den Kreisen der Arbeiterbewegung initiierten Volksbüchereien oder den ehemaligen Ratsbibliotheken der Städte.

Thomas Mann schrieb in seinem 1947 erschienenen Roman „Dr. Faustus“ über die zwar fiktive, aber deshalb nicht unrealistische ehemalige Bistumsstadt Kaisersaschern an der Saale mit 27 000 Einwohnern. Diese besitze - so schrieb es Mann - neben dem kulturhistorischen Museum, das eine Kammer mit krassen Folterinstrumenten aufweise, auch eine sehr schätzenswerte Bibliothek mit rund 25 000 Bänden und 5 000 Handschriften.

Ohne auf die subtilen ironischen Spiegelungen des Romans eingehen zu wollen, bleibt festzuhalten, dass in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts eine Bibliothek zum Grundinventar einer typischen Kleinstadt gehörte. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Wie man den Zahlen der vorliegenden Antwort der Landesregierung entnehmen kann, kommt heute in Sachsen-Anhalt auf gut 21 000 Einwohner eine hauptamtlich geleitete Bibliothek. Unter Berücksichtigung der Gemeindebibliotheken teilen sich weniger als 7 000 Einwohner eine öffentliche Bibliothek. Das sind Zahlen, die sich leicht recherchieren lassen; denn das Bibliothekswesen in Deutschland ist dank einer umfassenden bundesweiten Statistik außerordentlich transparent.

Ein Vergleich zeigt auch, dass sich Sachsen-Anhalt im internationalen und im nationalen Maßstab durchaus sehen lassen kann. Das sind Relationen, meine Damen und Herren, die von keiner anderen Bildungs- und Kultureinrichtung auch nur annäherungsweise erreicht werden. Es zeigt den Stellenwert, den öffentliche Bibliotheken in unserer Kulturlandschaft in einem engmaschigen Netz einnehmen, das bis in die einzelnen Gemeinden hineinreicht.

Ich möchte hier nachdrücklich unterstreichen, dass die Bibliotheken diesen Status mit vollem Recht einnehmen. Gerade in der Fläche bestehen Bibliotheken aus einer

inneren Notwendigkeit heraus. Das Lesen ist eine elementare Kulturtechnik, die für ein erfülltes und erfolgreiches Leben des Einzelnen unerlässlich ist.

Obwohl das Lesen in den Schulen gelehrt wird, muss es im öffentlichen Bewusstsein gepflegt und belebt werden. Die Bibliotheken können jedoch nicht nur Institutionen zur Förderung des Lesens sein, sie präsentieren für jedermann zugänglich die Vielfalt der Meinungen in breiter repräsentativer Auswahl und fungieren damit als Spiegel des wissenschaftlichen und kulturellen Diskurses.

Gerade in einer Zeit der schnellen Veränderung des Zugangs zu Informationen sind Bibliotheken ein öffentlicher Raum, der vorgehalten werden muss. Heute kann jeder zu Hause sein Bedürfnis nach Informationen und Wissen stillen, ohne ein Buch im herkömmlichen Sinne benutzt zu haben - sei es durch Rundfunk und Fernsehen, mit einer CD oder einem Video oder über das fast allmächtige Internet.

Deshalb muss die Bibliothek heute mehr sein als ihre ursprüngliche Wortbedeutung und ihre deutsche Entsprechung „Bücherei“, mehr als eine Sammlung von Büchern. Die Bibliothek ist ein Kulturgut, das sich auch Neuem öffnen muss. Sie erfüllt eine soziopolitische Aufgabe, indem sie jedem den Zugang zu den entsprechenden Informationsquellen ermöglicht.

In dem weiteren Ausbau dieser Portalfunktion liegen nach meiner Ansicht auch die größten Potenziale für die Entwicklung der Bibliotheken. Schon heute sind sie nicht mehr nur auf Bücher beschränkt, sondern sind mit ihren Angeboten an Ton-, Video- und Datenträgern zu Mediatheken herangewachsen. Dabei gilt es jedoch, den Bildungsauftrag nicht aus den Augen zu verlieren. Eine öffentliche Einrichtung darf sich nicht zum Konkurrenten von kommerziellen Videotheken entwickeln. Vor diesem Hintergrund dürfen wir beispielsweise die erwartete Ausleihfrequenz nicht zum alleinigen Kriterium für die Entscheidung bezüglich der weiteren Anschaffung einer Medieneinheit ausrichten.

Unsere Aufgabe als Politiker ist es, das Notwendige, das Wünschenswerte und das Machbare miteinander in Einklang zu bringen. Die Förderung der Bibliotheken wird dabei immer eine staatliche Aufgabe bleiben und von einem seriösen Kulturpolitiker sicherlich nicht ernsthaft infrage gestellt werden. Trotzdem muss man dabei die finanziellen Möglichkeiten der einzelnen Träger im Auge haben, auf gesellschaftliche Entwicklungen reagieren und die Chancen technischer Entwicklungen nutzen.