Protocol of the Session on December 12, 2003

Da es einen Änderungsantrag nicht mehr gibt, stimmen wir über den Gesetzentwurf ab. Widerspricht jemand, wenn ich über die Einzelbestimmungen, die Überschrift und das Gesetz in seiner Gesamtheit zusammengefasst abstimmen lasse? - Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so. Wer stimmt dem Gesetzentwurf insgesamt zu? - Das sind offensichtlich alle Fraktionen. Stimmt jemand dagegen? - Stimmenthaltungen? - Das ist beides nicht der Fall. Damit ist dieses Gesetz beschlossen worden und der Tagesordnungspunkt 8 ist erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Haushaltsführung der Kommunen

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 4/1202

Ich bitte Herrn Minister Jeziorsky, als Einbringer das Wort zu nehmen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum wiederholten Mal steht mit dem Gesetz zur Erleichterung der Haushaltsführung der Kommunen ein Entwurf auf der Tagesordnung, der sich mit den kommunalen Finanzen befasst. Das ist symptomatisch für die derzeitige Situation. Es gibt kaum noch kommunale Haushalte, die ausgeglichen gestaltet werden können.

(Zuruf von Herrn Dr. Püchel, SPD)

Damit ist die existenzielle Aufgabe der Kommunen, nämlich die dauerhafte Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben zum Wohle ihrer Bürger, zumindest mittel- oder langfristig gefährdet. Deshalb muss in allen Kommunen um jede Ausgabe- und jede Einnahmeposition auf das Heftigste gerungen werden. Keine freiwillige Leistung bleibt verschont. Selbst im Bereich der Pflichtaufgaben

ist die Aufgabenerledigung nur unter größten Anstrengungen zu gewährleisten. Haushaltskonsolidierungskonzepte, die ständig verschärft werden müssen, sind das tägliche Brot eines jeden Kämmerers.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist nicht etwa nur die Situationsbeschreibung der Kommunen in Sachsen-Anhalt, sondern diese Beschreibung gilt für fast jede Kommune in Deutschland. Die kommunalen Spitzenverbände auf der Bundesebene rechnen mit einem kommunalen Gesamtdefizit in bisher nie dagewesener Höhe. Allenthalben starten Bürgermeister Protestaktionen und versuchen in zum Teil spektakulärer Art auf ihre Nöte aufmerksam zu machen.

Die Landesregierung des Landes Sachsen-Anhalt verschließt sich diesen Hilferufen nicht, ihr Handlungsspielraum ist allerdings sehr begrenzt. Die Ursachen für die katastrophale Finanzsituation der Kommunen liegen beim Bund. Folglich liegen auch nur dort die Möglichkeiten, der Situation nachhaltig abzuhelfen. Die Maßnahmen des Landes können daher nur von begrenzter Wirkung sein.

Um das kommunale Leben nicht völlig zum Erliegen zu bringen, müssen nach der Ansicht der Landesregierung die Vorschriften über die kommunale Haushaltsführung flexibilisiert werden. Der Zeitraum für eine Haushaltskonsolidierung bis zum Erreichen des Haushaltsausgleichs wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf deutlich verlängert.

Außerdem werden die engen Handlungsspielräume für die Zeiten der vorläufigen Haushaltsführung erweitert. Auch in dieser Phase sollen wichtige kommunale Investitionen ermöglicht werden. Das erlaubt den Kommunen, ihren Verpflichtungen nachzukommen, belebt die örtliche Wirtschaft und stützt den Arbeitsmarkt. Um dem Ausnahmecharakter dieser Regelung Rechnung zu tragen, soll die Vorschrift bis zum 1. Januar 2007 befristet gelten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Helfen Sie den Kommunen und damit dem Land in dieser schwierigen Situation. Tun Sie dies durch eine zügige Beratung im Innenausschuss. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Jeziorsky. - Die Debatte wird eröffnet durch den Beitrag der SPD-Fraktion. Es spricht Herr Dr. Polte. Herr Dr. Polte, wenn Sie bitte das Wort nehmen möchten.

(Herr Dr. Polte, SPD, unterhält sich mit Herrn Kurze, CDU, und sucht den Redebeitrag in sei- nen Unterlagen - Herr Borgwardt, CDU: Bitte den richtigen Redebeitrag!)

- Das Gespräch mit Herrn Kurze war so spannend, dass es ablenken konnte.

Herr Präsident! Sie wissen, Herr Kurze gehört zu den jungen Wilden. Wenn dann ein etwas Erfahrener, zwar nicht unbedingt parlamentarisch, aber kommunalpolitisch Erfahrener, mit ihm ins Gespräch kommt, dann kann das vielleicht für beide befruchtend sein. Das war gerade eine solche Befruchtungsphase.

(Heiterkeit und Beifall bei allen Fraktionen)

Nun wollen Sie sicherlich auch wissen, wer wen befruchtet hat. Vielleicht sehen Sie es nach dem 13. Juni, wenn die Ergebnisse der Wahlen zu den kommunalen Gebietskörperschaften im Jerichower Land vorliegen.

(Zuruf von der CDU)

Jetzt muss ich erst einmal meine Brille holen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn den Kommunen das kommunalpolitische Handeln durch gesetzliche Regelungen erleichtert werden soll, dann ist das auf jeden Fall einer ernsthaften Prüfung wert. Wenn ein höheres Maß an kommunaler Selbstverwaltung angestrebt wird, ist das grundsätzlich zu begrüßen - ich jedenfalls begrüße das vom Grundsatz her.

Wenn dabei eine Regelung von vornherein zeitlich begrenzt wird, handelt es sich aber mit Sicherheit nicht um einen Königsweg für die Lösung eines anstehenden und von allen erkannten dringenden Problems. Das Problem heißt: die Finanznöte der Kommunen. Wenn kein Geld in der Kasse ist, dann kann leider auch ein höheres Maß an kommunaler Verantwortung das Grundproblem nicht lösen.

Wie groß ist das Risiko für die Kommunen, wenn der Handlungsspielraum - so der Gesetzestext - durch eine zeitlich vorgezogene Kreditermächtigung für Investitionen oder auch für Investitionsfördermaßnahmen von einem Viertel auf die Hälfte des durchschnittlichen Betrages der Kreditermächtigung der beiden Vorjahre vergrößert wird? Dies soll nach dem Gesetzentwurf schon vor der Genehmigung der Haushalte durch die Kommunalaufsicht erlaubt sein.

Die Risiken sind im Einzelnen schwer abzuschätzen. Der Gesetzentwurf spricht von den für den Beginn von unabweisbaren Investitionsmaßnahmen neu festgelegten erhöhten Kreditermächtigungen. Als Kriterium für die Überwindung des Verbotes der Kreditaufnahme soll gelten, dass ansonsten ein nicht auflösbarer Konflikt zwischen verschiedenen gleichrangigen Rechtspflichten der Gemeinden entstehen würde. - Wer soll dies denn entscheiden und bewerten?

Meine Damen und Herren! Die Kommunen dürfen nicht leichtfertig auf den Weg weiterer Verschuldung verwiesen werden; denn diesen Weg zu gehen ist natürlich verlockend. Aber Schulden sind ein süßes Gift. Deswegen ist zumindest ein Achtungszeichen zu setzen.

In der Gesetzesbegründung wird auf Gemeinderäte aus der jüngeren Vergangenheit verwiesen, die sich an die von ihnen gefassten Konsolidierungsbeschlüsse nicht gebunden fühlten. Darin liegt eben auch das Problem. Dann sage man nicht, die kommunale Selbstverwaltung lasse das zu, sie müssten es ja nicht machen.

Ich kenne die Eigendynamik, die solche Dinge manchmal vor Ort gewinnen: Im Hinblick auf das, was aus der Vernunft heraus nicht nötig und nicht möglich wäre, was man nicht machen sollte, gibt es dann einen Druck aus der Öffentlichkeit. Wer noch dazu ehrenamtlich Verantwortung trägt, ist dann vielleicht geneigt, sich auf solch einen Weg locken zu lassen.

Vielleicht wäre der Weg besser, einmal darüber nachzudenken, die Genehmigungszeiten der Kommunalaufsicht zu verkürzen. Noch besser wäre natürlich die Gemeindefinanzreform. Wollen wir sehen, ob am 19. De

zember etwas kommt. Ein Stück Stunde der Wahrheit steht dann auch für unsere Landesregierung ins Haus.

Herr Madl, wenn ich mich noch einmal auf heute Morgen und auf Ihre Frage beziehen darf: Sie sehen, der Gesetzentwurf stellt für mich eine Spannungsbreite dar zwischen dem, was wünschenswert ist und auch ein Stück Hilfe für die Kommunen bedeuten kann, und der Frage, ob die Risiken in einer solchen Größenordnung sind, dass man es den Kommunen mit gutem Gewissen ermöglichen kann, den Weg ein Stück zu gehen.

Darüber sollten wir uns unterhalten. Deswegen beantrage ich namens der SPD-Fraktion die Überweisung des Gesetzentwurfes in den Innenausschuss zur federführenden Beratung und zur Mitberatung in den Finanzausschuss.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Dr. Polte. - Nun spricht für die CDUFraktion Herr Madl.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Dr. Polte, es ist klar, dass wir durch dieses Gesetz nicht das Grundproblem insgesamt beheben können und dass dieses Gesetz möglicherweise auch nur eine Spannungsbreite darstellt, wie Sie es bezeichneten. Diese Spannungsbreite lässt es aber vielleicht zu, dass die Kommunen darin für sich selbst den Weg finden können.

Mir ist bewusst, dass die Kommunen, die weit über dem Landesdurchschnitt verschuldet sind, davon sicherlich kaum Gebrauch machen können. Es gibt aber eben auch andere, die - wenn wir bei dem Beispiel Investitionshilfen bleiben, die sowohl im Verwaltungshaushalt als auch im Vermögenshaushalt eingesetzt werden können - auf Druck der Kommunalaufsichtsbehörden die Investitionshilfen zur Deckung der Fehlbeträge im Verwaltungshaushalt heranziehen mussten und eben nicht investiv nutzen konnten und in Bedrängnis kommen, weil sie überhaupt keine Investitionen mehr tätigen können.

Wir sind wohl einer Meinung, dass die finanzielle Situation der Kommunen äußerst kritisch ist und dass aus jetziger Sicht mit einer kurzfristigen Entspannung durch eine verbesserte eigene Einnahmenbeschaffung nicht zu rechnen ist.

Haushaltskonsolidierung wird bis an die Schmerzgrenze betrieben. Das ist so. Die Probleme kennen wir. Im Rahmen dieser Bemühungen droht die Investitionslücke noch größer zu werden und die Investitionstätigkeit zum Erliegen zu kommen.

Die Gründe - das will ich an dieser Stelle auch sagen - sind sehr vielschichtig und nicht nur in der Finanz- und Haushaltspolitik der Jahre 1994 bis 2002 zu sehen.

Ich kann mich noch daran erinnern, als ich im Jahr 1994 in den Landtag kam. Herr Dr. Püchel, das Gemeindefinanzierungsgesetz galt damals noch. Das FAG sollte zum 1. Januar 1995 auf den Weg gebracht werden. Damals gab es die Regelung mit den über 3 Milliarden DM Bestandsschutz für die Kommunen. Das ist eine ganz tolle Geschichte gewesen. Dass Sie es in der Regierung selbst nicht durchhalten konnten und die Regelung zum

1. Januar 1996 bereits wieder eliminiert wurde, ist unstrittig.

Die Finanzsituation in den Kommunen ist aber nicht nur ein Problem, das man über das Thema Landeszuweisungen regeln kann. Das ist viel komplexer. Gestern hat unser junger Kollege Kosmehl hier den Begriff „monokausal“ verwendet, „monokausal“ - ein Grund. Es gibt viele Gründe, warum die Kommunen so schlecht dastehen. Das ist mit der wirtschaftlichen Situation, mit der Arbeitsmarktpolitik, mit dem Bereich der Kultur- und Bildungsstrukturen, mit vielen Dingen, die hineinspielen, verbunden. Deshalb kann man nicht sagen, das Problem im kommunalen Bereich, die Verbesserung der Finanzsituation wird nur durch die Landeszuweisungen geregelt.

Mit diesem Gesetz wollen wir versuchen, die Haushaltsführung der Kommunen zu erleichtern. Uns ist bewusst, dass dieses Gesetz nicht zur Leichtfertigkeit verleiten soll, wie Sie, Herr Polte, es bezeichnet haben, und keine leichtfertige Verschuldung erreicht werden soll.

Minister Püchel hat damals gesagt, die Gemeinderäte wüssten schon, wie sie mit der Problematik umzugehen hätten. Das war, glaube ich, im Jahr 1996, als die Bestandsschutzklausel aus dem FAG herausgenommen worden ist. Ich denke, dass die Stadt- und Gemeinderäte schon ganz gut wissen, inwieweit sie Konsolidierung, Verschuldung und ordentliche Haushaltsführung auf einen Nenner bringen können.

Wir wollen den Kommunen ein Werkzeug an die Hand geben, in diesem Spannungsraum etwas bewegen zu können. Das hängt natürlich maßgeblich von den Entscheidungsträgern vor Ort ab. Dass die Sache erst einmal eng befristet ist, ist kein Dogma. Wir werden sehen, wie sich dieses Instrument bewährt. Dem Plenum steht es dann offen, eine Verlängerung dieses Instrumentes vorzunehmen, wenn es sich bewährt.

Ich freue mich auf eine Beratung im Ausschuss und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustim- mung von der Regierungsbank)