Meine Damen und Herren! Es war der Kollege Scharf, der die Politik der Landesregierung im Landtag unlängst wie folgt kommentierte: In schlechten Zeiten kann man keine gute Politik machen. - Vielleicht war es ein Lapsus. Ich weiß es nicht.
Aber es lässt sich so gut zitieren. Diese Einschätzung mag für Sie, die Fraktionen von FDP und CDU, gelten. Für uns Sozialdemokraten hingegen gilt: In schlechten Zeiten ist es besonders wichtig und nötig, gute Politik zu machen.
Meine Damen und Herren! Meine Vorstellung sind Städte und Gemeinden in Sachsen-Anhalt, in denen die Menschen nicht nur wegen der familiären oder der Heimatverbundenheit bleiben. Meine Vision für Sachsen-Anhalt ist, dass jeder einzelne Sachsen-Anhalter die Möglichkeit hat, in seiner Heimat glücklich zu werden, seine eigenen Potenziale zu entwickeln und am Wohlstand gerecht teilzuhaben.
Unsere Politik muss so ausgerichtet sein, dass es den Menschen ermöglicht wird, hier zu bleiben bzw. hierher zurückzukommen.
Meine Damen und Herren! Es sind nicht allein die Arbeitsplätze, die geschaffen werden müssen. Auch die anderen Standortfaktoren spielen eine Rolle, Kindertagesstätten, die Schulen und die Hochschulen. Gerade im Bereich der Hochschulen sehe ich eine echte Zukunftschance für unser Land. Durch attraktive Studienangebote können wir junge Leute im Land SachsenAnhalt halten bzw. ins Land holen. Doch gerade diese Chancen werden verspielt.
Wir müssen in Sachsen-Anhalt Bedingungen schaffen, durch deren Existenz bestehende Unternehmen prosperieren und sich entwickeln und neue Unternehmen entstehen und wachsen können, Unternehmen, in denen viele Menschen Beschäftigung finden. Wir müssen uns angesichts der zurückgehenden finanziellen Mittel im Bereich der Wirtschaftsförderung an den Gedanken gewöhnen, nicht mehr wahllos jede Ansiedlung zu fördern, sondern wir müssen auf Wertschöpfungsketten setzen, die den jeweiligen Regionen entsprechen.
Wenn heute vorausgesagt wird, dass im Jahr 2020 nur noch rund zwei Millionen Menschen in Sachsen-Anhalt leben werden, dann kann dies nur der Ausgangspunkt für eine Zukunftsdebatte sein. Die SPD in Sachsen-An
halt handelt deshalb gemäß der Einsicht von Willy Brandt, der einmal sagte, dass die Fortschreibung der Vergangenheit noch keine Zukunft ist, und erarbeitet Zukunftskonzepte, die diesem demografischen Wandel entgegenwirken.
Wir setzen darauf, dass Wohlstandsgewinne für alle möglich sind, wenn die Voraussetzungen dafür geschaffen sind. Die Hoffnung auf eine Steigerung des Wohlstands für alle ist auch nicht unbegründet.
Gemäß einer im Juli 2003 von der Deutschen Bank angefertigten Studie hat Deutschland die Chance, den Wohlstand pro Kopf in den kommenden fünf Dekaden um das Dreifache zu erhöhen, wenn die Gesellschaft die richtigen Entscheidungen trifft. In diesem Zusammenhang wurde hingewiesen auf die Geburtenrate, die Migration ausländischer Arbeitskräfte, die Bildungspolitik und tiefgreifende Arbeitsmarktreformen. Doch all das geschieht nicht von allein, sondern es bedarf einer zielgerichteten Politik nicht nur für Deutschland, sondern speziell auch für Sachsen-Anhalt.
An dieser Stelle, meine Damen und Herren, schließt sich der Kreis. Moderne Politikansätze der SPD wie in der Zuwanderungspolitik, der Familien- und der Bildungspolitik und auch in der Agenda 2010 sind Kennzeichen sozialdemokratischer Politik und weisen den richtigen Weg gerade auch für unser Land; denn in unserer Situation müssen wir mehr Interesse an Veränderungen haben als der Rest der Republik.
Meine Damen und Herren! Wer ein armes Land regieren will, muss reich an Gedanken sein. Die gegenwärtige Landesregierung lässt diesen Reichtum vermissen. Sie ist daher wenig geeignet, um unser Land voranzubringen.
Frau Sitte sagte vorhin, der Haushalt wäre ein Haushalt der Illusionen. Ich sage: In der Form, wie er heute vorliegt, ist er ein Haushalt der ungedeckten Schecks.
Ich möchte abschließend allen danken, die sich an dessen Erarbeitung und an den Diskussionen über den Haushalt beteiligt haben. Es sind bereits mehrere Namen genannt worden. Ich nenne den Namen der Ausschussvorsitzenden stellvertretend für alle anderen. Ich habe selbst erlebt, was für ein Chaos manchmal herrschte. Es war schon eine Leistung, diesen Ausschuss noch zu führen. Vor allen Dingen war es eine Leistung von vielen, überhaupt noch mitzukommen. Ich danke allen dafür, dass das zum Abschluss gebracht wurde.
Es ist kein guter Haushalt. Dabei bleibe ich. Aber es hätte ein noch größeres Chaos geben können, wenn nicht die Abgeordneten die Übersicht bewahrt hätten. - Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Dr. Püchel. - Meine Damen und Herren! Nun hat für die Landesregierung der Ministerpräsident Herr Professor Böhmer um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Ministerpräsident.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte ursprünglich geplant, zunächst die Rede
beiträge aller Fraktionen abzuwarten. Aber mit Einverständnis des Kollegen Tullner muss ich jetzt schon darum bitten, meinen Beitrag leisten zu können, weil ich eigentlich nur für die Haushaltdebatte freigestellt worden bin und ab 14 Uhr wieder in Berlin sein muss. Das wird ohnehin etwas schwierig. Aber meistens bekommen wir das hin.
Dass ich mir natürlich eine so grundsätzliche Haushaltsdebatte nicht entgehen lassen wollte, dafür werden Sie Verständnis haben. Ich habe mir sogar einen Satz von Herrn Dr. Püchel aufgeschrieben: Wer ein armes Land regieren will, muss reich an Gedanken sein. Da hat er Recht. Ich bin sogar der Meinung, wir können auf einiges verweisen, bei dem Sie glücklich wären, wenn Sie auch schon darauf gekommen wären.
Ich will und kann jetzt nicht auf all die Probleme eingehen, die angesprochen worden sind. Ich denke, selbst die zivilisationsphilosophischen Gedanken, die Frau Dr. Sitte vorgetragen hat, sind es wert, auch einmal richtig diskutiert zu werden; denn da stecken auch Absichten dahinter, die ich wenigstens ernst nehme und hinsichtlich derer wir unter uns eine Meinungsbildung betreiben sollten.
Aber wenn Herr Dr. Püchel während einer Haushaltsdebatte fast kaum etwas zum Haushalt sagt, sondern nur zu den Begleitumständen spricht, Parteiprogramme interpretiert und sich auf philanthropisches Fabulieren beschränkt, dann muss ich sagen, er hat uns wenigstens mitgeteilt, dass er auch keine echten Alternativen vorzutragen hat.
Ich behaupte auch nicht, dass ich über diesen Haushaltsentwurf glücklich wäre. Das sage ich ganz deutlich. Ich glaube, kein Mitglied meines Kabinetts wird darüber glücklich sein. Die Ausgabenminister hätten alle gern mehr ausgegeben. Das weiß ich. Und der Finanzminister und ich hätten gern weniger neue Schulden aufgenommen und hätten gern versucht, mit einer niedrigeren Kreditfinanzierungsquote als 9,1 % auszukommen. Das alles sind Kompromisse, die wir eingehen mussten.
Und dass wir gerade einmal 20 Millionen € unterhalb der Verfassungsgrenze angekommen sind - mein Gott, deshalb lobe ich mich nicht, obwohl ich weiß, dass einige andere Länder darüber angekommen sind.
Das hätte ich mir noch besser gewünscht. Aber ich bitte Sie - das muss sich irgendwann auch einmal bis zu Ihnen herumsprechen, Herr Dr. Püchel -, die Landesregierung ist nicht daran Schuld, dass schon fünfmal hintereinander aufgrund der wirtschaftlichen Situation in der Bundesrepublik die Zahlen bei der Steuerschätzung niedriger waren als die vorhergesagten.
Sie haben getan, was ich fast vermutet hatte. Sie haben kritisiert: da zu wenig Ansatz, da hättet ihr mehr Geld ausgeben müssen, das hättet ihr machen müssen usw. Das war fast zu vermuten. Was haben Sie als Lösung
Denn das Zustimmen zum Vorziehen der Steuerreform bedeutet im Jahr 2004 230 Millionen € Einnahmen weniger, als im Haushalt vorläufig geplant sind. Wenn Sie mir hätten sagen können, wie man damit umgeht, hätten Sie es doch gemacht.
Ich bin der Meinung, dass das Vorziehen der Steuerreform gut gemeint ist und dass man ernsthaft darüber nachdenken muss. Aber wir müssen auch mit den Folgen in unserem Haushalt umgehen können. Das ist unsere Verantwortung diesem Land gegenüber. Wenn auf dem Domplatz irgendwo Menschen nach dem Geld anderer Leute schreien, dann sind Sie die Ersten, die dabei sind und versuchen, Stimmung zu machen.
Deswegen hätte ich von Ihnen erwartet - wir kommen noch zu dem Thema -, dass Sie, wenn Sie von uns ernsthaft fordern, dass wir einen solchen Weg gehen sollen, dann klar sagen, wie Sie damit umgegangen wären.
Aber ich will noch einmal zu dem angesprochenen Gedanken kommen, weil mir das auch wichtig ist. Wir haben Probleme mit dem Personalabbau. Sie kennen das. Wir haben Probleme mit der Entwicklung der Kosten in der Hauptgruppe 4. Das muss ich Ihnen alles nicht erzählen. Ich bin - deswegen sage ich das auch von dieser Stelle aus - den Tarifvertragsparteien, insbesondere den großen Gewerkschaften, dankbar dafür, dass sie bereit waren, mit uns in Verhandlungen einzutreten und eine Lösung zu finden für einen solidarischen Personalabbau, der auch das Steuern der Ausgaben in der Hauptgruppe 4 deutlich erleichtert.
Sie wissen, dass wir darüber nachgedacht haben, aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder auszutreten. Der Hintergrund ist die Tatsache, dass die Verhandlungsführerschaft in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder beim Bund liegt. Der Bund verdient an jeder Tariferhöhung mehr, als er selber für seinen Angestelltenbereich ausgeben muss. Das heißt, wenn dort relativ hohe Abschlüsse getätigt werden, dann belastet das die Länderhaushalte. Für den Bund ist das immer eine höhere Einnahme, ein Gewinn oder Plus im Lohnsteuerbereich, als er selber im Tarifbereich ausgeben muss.
Deswegen haben wir gesagt: Wir sind nicht mehr bereit, solche Tarifverhandlungen mit uns machen zu lassen. - Die Länder wollen diese selbständig führen, eventuell mit den Gemeinden zusammen - darüber wird noch diskutiert -, aber nicht mehr unter der Verhandlungsführerschaft des Bundes.
Jetzt sind Lösungen für den Beamtenbereich getroffen worden, indem durch ein Bundesgesetz eine bestimmte Regionalisierung ermöglicht worden ist. Auch Sie haben ein entsprechendes Gesetz mit einer bestimmten Absenkung im Lohnnebenkostenbereich beschlossen.
Aufgrund der Tatsache, dass es uns für den Angestelltenbereich gelungen ist, mit diesem Tarifverhandlungsergebnis - 5 %, analog zu der Absenkung im Beamtenbereich - bei gleichzeitiger Senkung der Arbeitszeit die Kosten zu senken, sind wir zu einem solidarischen Personalabbau gekommen. Dabei sind das Durchschnitts
werte; Sie wissen, dass die einzelnen Gehaltsgruppen unterschiedlich belastet sind. Das ist ein Gedanke, für den ich allen Beteiligten, die dazu beigetragen haben, dankbar bin und wozu ich auch sagen kann: Wenn wir in Sachsen-Anhalt eher auf diesen Gedanken gekommen wären, hätte das dem Land mit Sicherheit nicht geschadet.
Wir sind - das müssten Sie wissen - zurzeit nur in der Lage, zwischen 43 und 45 % der Ausgaben unseres Landeshaushalts selbst zu erwirtschaften. Das ist auch im Haushalt 2004 sehr ähnlich und betrifft alle neuen Bundesländer.