Meine Damen und Herren! Wir sagen deutlich, klar und laut: Nein, wir müssen es schaffen, damit aufzuhören, mehr zu verbrauchen, als wir aus eigener Kraft einschließlich des Länderfinanzausgleichs, der Bundesergänzungszuweisungen, der Europamittel usw. erwirtschaften. Deshalb bleibt unser mittelfristiges Ziel, die Neuverschuldung nach allen Regeln des Verantwortbaren deutlich zurückzufahren und nach Möglichkeit am 31. Dezember 2008 bei Null zu landen.
Ich weiß, dass bedeutet oft Einschnitte, auch in gesellschaftlichen und sozialen Bereichen, teilweise auch bei Investitionen. Das fällt niemandem leicht. Aber es bedeutet für uns klare politische Zukunfts- und Generationenverantwortung, meine Damen und Herren.
In diesem Zusammenhang spielt die gegenwärtig bundesweit geführte Debatte über den Sinn oder den Unsinn des Vorziehens der Steuerreform auch für unser Land eine entscheidende, maßgebliche Rolle. Wir haben jüngst, vor zwei Tagen, sehr unterschiedliche Meinungen von den Ministerpräsidenten Sachsens und Thüringens gehört.
Während Herr Milbradt sagt, das Vorziehen der Steuerreform komme überhaupt nicht infrage, vertritt Herr Althaus eine diametrale Auffassung dazu. Er sagt, wir sollten das tun; nichts tun sei schlimmer als sich dafür zu entscheiden, die Steuerreform vorzuziehen. Ich vermute, dass unser Ministerpräsident, wenn er nachher das Wort nimmt, dem Hohen Haus zu diesem Thema sicherlich auch seine Meinung vorträgt.
Was sind die Fakten für Sachsen-Anhalt, meine Damen und Herren? - Wir planen im Landeshaushalt 2004 Gesamteinnahmen in Höhe von ca. 10,4 Milliarden €. Das Vorziehen der Steuerreform würde nach Berechnungen des Finanzministeriums bei den üblichen Verteilungs- und Belastungsschlüsseln Mindereinnahmen in Höhe von rund 230 bis 250 Millionen € für unser Land nach sich ziehen.
Dies, eins zu eins in den Landeshaushalt übersetzt, verkrafteten wir nicht, ohne auf einen neuen zusätzlichen Schuldenberg zuzusteuern. Dieser wäre dann zwar nicht auf unserem Mist gewachsen, aber er würde uns wohl oder übel gehören. Das schränkt von außen her die Souveränität sowie die Budgethoheit unseres Landes ein, weil uns mit einer solchen Entscheidung die planbare Geschäftsgrundlage für eine seriöse Haushaltspolitik im Wesentlichen entzogen würde. Das halte ich zumindest für verfassungsrechtlich bedenklich.
Nun aber zur anderen Seite der Ambivalenz, meine Damen und Herren. Was könnte uns das Vorziehen der Steuerreform bringen? Es geht um die Frage nach den
Chancen, die wir zu sehen haben. - Klare steuerliche Entlastungen für die Bürger und vor allem für den Mittelstand, positive Auswirkungen auf die konjunkturelle Entwicklung und nachfolgend auf den Arbeitsmarkt - das ist wohl, so glaube ich, in der Wirtschaft und auch in der Wissenschaft unstrittig. Die FDP begrüßt seit Jahren einen solchen Reformkurs prinzipiell, weil er richtig und weil er wichtig ist. Diese Erkenntnis ist nun wohl auch bei der SPD gewachsen.
Ich erinnere mich an eine Nachfrage meines Kollegen Püchel zu einer meiner ersten Reden. Er fragte: Wie wollen Sie das denn bezahlen? - Ich nehme an, lieber Kollege Püchel, Sie werden mir nachher in Ihrer Rede eine Antwort darauf geben; denn ich gebe die Frage jetzt an Sie zurück: Wie wollen Sie das künftig bezahlen?
Meine Damen und Herren! Unser Landesinteresse will ich aus der Sicht der FDP einmal so formulieren: Das Vorziehen der Steuerreform ist grundsätzlich richtig. Dies darf aber nicht nur auf Pump und auch nicht wesentlich zulasten der Länder gehen.
Wir brauchen Kompensationsmodelle für die Länder, wobei es eine ganze Reihe von Vorstellungen gibt, zum Beispiel - ich nenne nur einige wenige - eine maßgebliche Entlastungen bei der Finanzierung der Sonderversorgungssysteme, ein deutliches Signal in Richtung der Gemeindefinanzen unter dem Stichwort „Sofortprogramm“, klare Regelungen bei der geplanten Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe und auch - man könnte sich das zumindest vorstellen - eine spürbare Reduzierung des Kofinanzierungsschlüssels bei Bundesprogrammen und Gemeinschaftsaufgaben.
Meine Damen und Herren! Das platte Verschieben von Finanzströmen zwischen Bund, Ländern und Kommunen wäre jedoch überhaupt nicht sinnvoll. Das würde einen zusätzlichen Keil in das ohnedies schon belastete Verhältnis zwischen den Ländern und den Kommunen treiben. Hierbei sollten wir ausnahmsweise nicht Goethe folgen, der einmal als Staatsmann gesagt hat:
„Willst lustig du leben, geh’ mit zwei Säcken: einen zum Geben, einen zum Einstecken. Da gleichst du Prinzen, plünderst und beglückst Provinzen.“
Doch auf alle diese Problemfelder wird sicherlich auch mein lieber Kollege Püchel noch klärend eingehen können. Meine Erwartungshaltung ist diesbezüglich jedenfalls sehr groß. Wir können am Ende nur hoffen, dass wir zu den Beglückten, und nicht zu den Geplünderten zählen.
Meine Damen und Herren! Ich möchte gern zusammenfassen. Gelegentlich hört man aus Oppositionskreisen, der jetzt vorliegende Landeshaushalt sei kein Konsolidierungshaushalt. - Das ist falsch. War Sachsen-Anhalt mindestens in den Jahren von 1997 bis 2001 jedes Jahr absoluter Spitzenreiter bei der Neuverschuldung pro Einwohner, so liegen wir im Jahr 2003 und auch im Jahr 2004 deutlich besser als Brandenburg und MecklenburgVorpommern. Meine Damen und Herren! Das ist eine klare finanzpolitische Richtungsänderung.
Gelegentlich oder auch viel zu oft hört man von der Opposition, es werde nicht wirklich gespart; das sei kein
Sparhaushalt. - Auch das ist falsch. Wir werden im Jahr 2004 - der Finanzminister hat es schon gesagt - rund 330 Millionen € weniger ausgeben als im Vorjahr. Das ist ebenfalls eine klare finanzpolitische Richtungsänderung.
Gelegentlich hört man von der Opposition, in der Hauptgruppe 4, also beim Personal, gebe es nicht genügend Bewegung; es wäre alles so wie früher.
(Herr Bullerjahn, SPD: Das ist falsch! Das geht gegen die Landesbetriebe an! - Zuruf von Herrn Gallert, PDS)
Die Abbaurate im Jahr 2003 kann sich sehen lassen und dürfte auch in oppositionellen Kreisen zumindest für Überraschung gesorgt haben. Der Personalabbau im Jahr 2003 wird am Jahresende wohl etwa 2 500 Stellen betragen. Im Jahr 2004 wird dieses Konzept mit großer Konsequenz vorgesetzt.
Die Reduzierung des Stellenbestandes um mindestens 1 900 Stellen über das ganze Jahr hinweg ist mit rund 60 Millionen € in den jeweiligen Haushaltsansätzen etatisiert. Zum Jahresende 2004 gehen wir von einem Stellenbestand im Landesdienst von rund 56 500 Stellen aus. Selbst der Präsident des Landesrechnungshofes hat die Realitätsnähe dieser Planungen geradezu abgesegnet.
(Herr Bullerjahn, SPD: Das stimmt nun nicht! Da bringen Sie etwas durcheinander! - Zurufe von Frau Dr. Weiher, PDS, und von Herrn Gallert, PDS)
- Mir gegenüber hat er das so erläutet. Er hat gesagt, das sei eine wirklich solide Darstellung im Landeshaushalt.
Meine Damen und Herren! Fast unentwegt hört man von der Opposition, das Land würde die Kommunen überproportional benachteiligen. - Auch das ist falsch. Wir teilen uns den Mangel in einer Verantwortungsgemeinschaft, die das Land seit Jahren auch ganz gewollt überproportional belastet.
Wir wissen, dass die Lage in vielen Kommunen trotzdem außerordentlich ernst ist. Ich verweise auf die Aktuelle Debatte während der letzten Sitzung des Landtages und ich verweise auch darauf, dass meine Kollegin Hüskens sich nachher zu diesem Thema sicherlich noch umfassend äußern wird.
Viel weniger allerdings als zu Beginn der Legislaturperiode hört man von der Opposition, die Landesregierung mache zu wenig. Dazu teile ich die Wahrnehmung von Finanzminister Paqué, die er vorhin vorgetragen hat: Es gibt eine ansehnliche, große Liste von Reformprojekten. Viele davon sind auch noch Baustellen, aber das ist ein ganz normales zeitliches Problem. Ich will nur einiges herausgreifen:
− die Koalition hat kürzlich den Startschuss für eine gut vorbereitete Kreisgebietsreform 2008 gegeben;
(Herr Reck, SPD: Glauben Sie das selbst? - Herr Dr. Püchel, SPD: Das ist einmalig, was hier ab- läuft!)
− wir planen die Errichtung einer Landesimmobiliengesellschaft und eines Landesbaubetriebes, und, meine Damen und Herren,
− ab dem 1. Januar 2004 wird die Investitionsbank Sachsen-Anhalt gegründet und für den Mittelstand in Sachsen-Anhalt zur Verfügung stehen.
Ich glaube, wir können dem designierten Geschäftsführer - das konnten Sie in der Presse lesen -, Herrn Maas, den wir alle gut kennen und der sicherlich von Ihnen allen auch akzeptiert wird, viel Erfolg für seine anspruchsvolle Aufgabe wünschen. Aber das Letzte - -
Meine Damen und Herren! Es ist also in unserem Land vieles auf dem Weg, und es sollte mich wirklich wundern, wenn die Geschichte diese Wahlperiode nicht als reformfreudige Periode einordnen würden. Damit habe ich eine ganz andere Auffassung als Frau Dr. Sitte.
Abschließend, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich im Namen der FDP-Fraktion ebenfalls einen sehr herzlichen, großen Dank an Frau Dr. Weiher richten. Sie haben mit Übersicht und Zielführung die Verhandlungen, die teilweisen Mammutsitzungen des Finanzausschusses geleitet. Also sehr herzlichen Dank dafür.
Das ermutigt mich auch, noch einmal die schon anfangs erwähnte Pressemitteilung der PDS zu zitieren: