Protocol of the Session on December 11, 2003

Manchmal bin ich aber verwundert, dass auch mit den Eltern die Qualitätsdiskussion nicht in der offensiven Weise geführt wird, in der es die Schulen eigentlich verlangen. Das sage ich aber weniger als Vertreter der Landesregierung, denn als Vater, der diese Fragen durchaus aufwerfen würde: Ist das eigentlich eine gute Schule? Was geschieht dort? Wie ist die Angebotsbreite? Wie ist das Schulklima? Was für ein Schulprogramm hat die Schule? All das setzt Stabilität und Konstanz in der äußeren, institutionellen Struktur voraus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade diesen Kriterien tragen die geltenden Mindestgrößen und auch die Ausnahmeregelungen im Grundschulbereich Rechnung. Die notwendigen Entscheidungen der Planungsträger müssen jetzt getroffen werden. Sie sind in der ganz überwiegenden Zahl bereits getroffen worden.

Das, was im Januar 2004 durch Kreistagsbeschlüsse noch nachgereicht wird, sollte man, denke ich, tolerie

ren, da es sich hierbei um eine geringfügige Fristüberschreitung handelt. Eine Verschiebung oder grundsätzliche Verzögerung würde allerdings niemandem nutzen.

Auch die Eltern und Schüler haben ein Recht darauf zu erfahren, an welchen Schulstandorten und in welchen Schulen künftig welche Bildungsangebote verlässlich unterbreitet werden. Dieses Merkmal der Verlässlichkeit, sicher sein zu können, dass mein Kind, wenn ich es an eine Schule schicke, auch dort bleiben und den gewünschten Abschluss dort erringen kann, halte ich für eine ganz wichtige Konstante guter Schulentwicklungsplanung.

Aus diesem Gründen empfehle ich Ihnen in Übereinstimmung mit der Beschlussempfehlung des Ausschusses, den Gesetzentwurf der PDS abzulehnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Kultusminister. - Als erste Debattenrednerin rufe ich die Abgeordnete Frau Mittendorf für die SPDFraktion auf. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist ein Trauerspiel. Wir erleben hier den letzten Akt im parlamentarischen Auftritt.

(Beifall bei der SPD)

Der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft hat mit den Stimmen der Koalitionsparteien sowohl den vorliegenden Gesetzentwurf der PDS als auch jene Regelungen aus unserem Gesetzentwurf abgelehnt, die sich mit der Schulentwicklungsplanung befassen. Meine Damen und Herren! Die Beschlussempfehlung lautet ganz einfach: Der Gesetzentwurf ist abzulehnen. Das, meine Damen und Herren, ist traurige politische Realität.

(Herr Gürth, CDU: Weil Ihr Gesetzentwurf nur Populismus ist und keine Lösung bringt!)

Es ist auch traurige politische Realität, dass damit die Hoffnungen vieler Eltern, Schüler und auch Lehrerinnen und Lehrer begraben werden.

(Zustimmung bei der PDS)

Einfach in der Aussage, gewaltig in der Auswirkung.

Nach den Ausführungen des Vorsitzenden der CDUFraktion Herrn Scharf in der letzten Landtagssitzung verbleiben von derzeit 356 Sekundarschulen lediglich 170. Das sind weniger als 50 %. Hierin liegt auch das hauptsächliche Konfliktpotenzial, über das wir zu reden haben.

Meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, Sie behaupten immer, Sie hätten einen Wählerauftrag zu erfüllen.

(Zuruf von der CDU: Ja!)

Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es der Wille der Wähler ist, dass gerade auf dem flachen Land jede zweite Sekundarschule geschlossen wird.

(Zustimmung von Frau Schmidt, SPD, und von Herrn Dr. Püchel, SPD - Zuruf von Minister Herrn Dr. Daehre)

Ich erinnere an dieser Stelle an die Vielzahl von Resolutionen aus den Landkreisen; mittlerweile sind es sieben, da auch der Landkreis Wernigerode hinzukam. Ich rede auch über die Anhörungsergebnisse. Die überwiegende Zahl der angehörten Vertreter und Institutionen unterstützt die vorliegenden Änderungsvorschläge der beiden Gesetzentwürfe zur Mindestschulgröße.

Das, meine Damen und Herren, ist die Realität. Vor dieser verschließen Sie die Augen, meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP.

Die Landesregierung, so haben wir eben von unserem Kultusminister vernommen, begrüßt also die Ablehnung möglicher Kompromissvorschläge aus diesen Gesetzentwürfen. Es sind keine neuen Argumente, die wir hören; es sind Scheinargumente, und sie sind wenig einfallsreich. Die wesentlichen Punkte werden vergessen.

Erstens. Die Landkreise und die kreisfreien Städte haben eine gültige mittelfristige Schulentwicklungsplanung bis 2005/2006.

(Zustimmung von Frau Schmidt, SPD)

Zweitens. Durch die von den Fraktionen der CDU und der FDP vorgenommene Schulgesetzänderung wurde der Zugang zu den einzelnen Schulformen verändert. Erst dadurch wurde eine neue Schulentwicklungsplanung notwendig.

Drittens. Durch Ihre Verordnung zur Eingangsklassenbildung wurden die Voraussetzungen zur Bildung der Eingangsklassen unnötig verschärft.

Viertens. Durch die Parallelität der eben beschriebenen Maßnahmen haben die Träger der Schulentwicklungsplanung keine Möglichkeit, die zukünftige Entwicklung der Schülerströme seriös einzubeziehen.

Für all dies sind Sie, Herr Olbertz und meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, selbst verantwortlich und kein anderer.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Herr Minister Olbertz, einen kleinen Zusatz möchte ich mir noch erlauben. Woher nehmen Sie eigentlich die Gewissheit, dass eine SPD-Landesregierung wie Sie stur an den bisherigen Richtzahlen festgehalten hätte, wie immer behauptet wird? Wir wären sehr wohl in der Lage gewesen, auf die kommenden Jahre des Schülertals mit Übergangsregelungen und Ausnahmeregelungen zu reagieren. So viel Flexibilität und Entscheidungsfreude hätten Sie uns ruhig zutrauen können.

(Zuruf von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Meine Damen und Herren! Dass Ihnen Ihre politische Situation durchaus bewusst ist und dass Sie den Handlungsbedarf erkennen, haben Sie bewiesen. Wie sonst erklären Sie, dass das Kultusministerium einen Rundbrief an die Landkreise schickt und de facto die Eingangsklassenverordnung außer Kraft setzt?

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Weil wir auch flexibel sind!)

Außerdem bedienen Sie sich dabei einer Regelung aus dem Gesetzentwurf der SPD. Wir haben im Prinzip nichts dagegen; denn wir wissen, dass eben diese Regelung in einigen Kreisen zur Entschärfung der Situation beiträgt.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Das ist ja gut!)

Aber dann haben Sie, Herr Olbertz und meine Damen und Herren von den regierungstragenden Fraktionen, doch bitte so viel Größe und benennen Sie die Urheberrechte. Das würde sich einfach gehören.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Gürth, CDU: Wie eitel!)

Abschließend zu diesem Punkt: Ein Rundbrief eines Staatssekretärs ist kein justiziables Instrument. Es ist nicht zu verstehen und zu akzeptieren, dass es nicht möglich war, einen parteiübergreifenden Kompromiss in Fragen der Schulentwicklungsplanung zu erzielen. Wir wären dazu bereit. Wir brauchten einen Kompromiss, der Regelungen beinhaltete, die die Probleme der Flächenkreise aufzufangen helfen.

(Zuruf von Minister Herrn Dr. Daehre)

Wir brauchten einen Kompromiss, der Regelungen enthielte, die helfen, ein Schulnetz zu erhalten, das diesen Namen auch verdient hätte.

Ich habe das letztens schon gesagt und ich will es kurz noch einmal nennen: Die Qualität der schulischen Bildung und Erziehung hängt eben nicht nur von Art und Umfang der schulischen Angebote ab. Auch bei 180 Schülern ist das, was Sie, Herr Olbertz, fordern, durchaus möglich. Das ist schulfachlich nachgewiesen. Das sind keine kleinen Schulen. Es geht letztlich auch um die Bedingungen, unter denen der Unterricht stattfindet und unter denen die außerunterrichtliche Arbeit organisiert wird.

(Zustimmung von Frau Fischer, Leuna, SPD, von Frau Schmidt, SPD, und von Herrn Dr. Püchel, SPD)

Den Vorwurf, den Sie den Eltern machen - sie würden die Qualitätskriterien eventuell aus den Augen verlieren -, muss ich hier im Namen der Eltern zurückweisen. Sie beweisen das sehr gut. Schauen Sie einmal in das Argumentationspapier der Initiative „Schule vor Ort“.

Meine Damen und Herren! Außerdem besteht die große Gefahr, dass Schullaufbahnentscheidungen von der Erreichbarkeit der Schule abhängig gemacht werden.

Wir werden der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft nicht zustimmen und werden somit den vorliegenden Gesetzentwurf unterstützen. Wir tun dies, weil der Gesetzentwurf in die richtige Richtung geht und weil wir immer einen parteiübergreifenden Konsens angestrebt haben.

Herr Schellenberger hat auf den verbleibenden Teil des Gesetzentwurfs der SPD verwiesen, der die dringend erforderliche innere Schulreform aufgreift. Dieser ist noch im Ausschuss. Meine Damen und Herren! Wir hoffen sehr, dass dieser Teil des Gesetzentwurfs nicht das gleiche Schicksal erleidet wie der heute vorliegende Gesetzentwurf. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Es gibt eine Nachfrage. Wären Sie bereit, diese zu beantworten?

Der Abgeordnete Herr Borgwardt hat eine Frage.