Protocol of the Session on June 20, 2002

Jetzt müssten wir normalerweise über den Änderungsantrag der SPD-Fraktion abstimmen, weil er weitreichender ist. Ich habe allerdings vorhin mitgeteilt bekommen, dass die SPD-Fraktion ihren Änderungsantrag zurückziehen würde unter der Bedingung, dass die Fraktionen der CDU und der FDP den Punkt 3 aus dem Antrag der SPD-Fraktion in ihren Antrag übernehmen.

(Herr Scharf, CDU: Das machen wir!)

Übernehmen Sie das?

(Herr Scharf, CDU: Ja!)

Damit ist der Änderungsantrag der SPD-Fraktion zurückgezogen worden und wir stimmen über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP ab, der um den Punkt 3 des Änderungsantrages der SPD-Fraktion erweitert worden ist. Wer diesem erweiterten Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Das ist die Mehrheit. Damit ist der ursprüngliche Antrag der PDSFraktion geändert worden.

Über diesen Antrag stimmen wir jetzt ab. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Das ist die Mehrheit. Wer stimmt dagegen? - Wenige Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? - Einige Stimmenthaltungen. Dann ist dieser Antrag in der geänderten Fassung so angenommen worden und der Tagesordnungspunkt beendet.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 17 auf:

Beratung

Gender-Mainstreaming als Methode in Politik und Verwaltung

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/30

Für die Einbringer spricht Frau Bull. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Meine Damen und Herren! Die rot-rote Frauenpolitik sei gescheitert - so war im FDP-Wahlprogramm für die Landtagswahlen ganz mutig zu lesen. Die CDU hat sich nicht so weit hinausgelehnt, wohl weil sie in jahrelanger parlamentarischer Arbeit erfahren musste, dass dies nun nicht unbedingt zu ihren Stärken gehört.

(Heiterkeit bei der PDS - Herr Gürth, CDU: Wa- rum nicht?)

Gespannt darf Mann und Frau nun auf die Alternativen beider Fraktionen sein. Wirft man einen Blick auf die Akteure, so präsentiert uns die CDU einen Frauenanteil von satten 18 %

(Herr Gürth, CDU: Aber die Qualität!)

und die FDP - Moment - einen von ca. 23 %.

(Zurufe von der CDU)

Obendrein agiert ein Gruppenbild mit Dame. Dies war ganz offensichtlich dem frisch gewählten Ministerpräsidenten des Landes peinlich, was ich ihm gern glaube.

Zugegebenermaßen, meine Damen und Herren, schlicht die Anwesenheit von Frauen macht noch keine moderne Geschlechterpolitik, aber Vornote sechs, meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, bringt keine Zulassung zu höherer Bildung.

(Zustimmung von Frau Ferchland, PDS)

Reine Männerrunden sind erfahrungsgemäß nicht unbedingt prädestiniert dafür, freiwillig Sand ins patriarchale Getriebe zu streuen.

Aber Schluss mit grober Polemik. Europa lächelt über Deutschland und das Thema ist uns einfach zu ernst, als dass wir Ihnen nicht auch Entwicklungsfähigkeit zugestehen wollten.

Meine Damen und Herren! Das Grundübel ist zäh. Frauen als das so genannte schöne Geschlecht sind zuständig für soziale Kompetenzen, für Familienarbeit und Beziehungsarbeit, können sozusagen qua weiblicher Gene besser mit Kindern umgehen und sind zugleich ebenso qualifiziert, die Waschtrommel anzuwerfen.

(Herr Gürth, CDU: Wer sagt denn das?)

Männern als den hart gesottenen Zeitgenossen wird zugemutet, auf ihre Kinder zu verzichten, auf die Teilhabe an deren Entwicklung, keine Schwäche zu zeigen, keine Tränen zu weinen. Dies wird freilich, meine Damen und Herren, nicht mehr ungestraft gesagt,

(Herr Gürth, CDU: Weil es falsch ist!)

dennoch aber gedacht, vorausgesetzt, geduldet und vielleicht hier und da auch gewünscht.

(Herr Scharf, CDU: Woher nehmen Sie Ihre Vor- stellungen?)

Im Koalitionsvertrag ist als Überschrift zu lesen: „Frauen und Familie“. Das ist konsequent. Freilich, denn nach Lesart konservativer Politik gehen familiäre und sonstige Strukturen flöten, weil sich die Frauen auf dem Arbeitsmarkt tummeln. Richtig, kann ich da nur sagen, aber wie ich finde, auch zu Recht.

Meine Damen und Herren! Frauen haben sozusagen Blut geleckt - an Entwicklung, an Karriere, an Selbstbestimmung.

(Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

Auch Sie, meine Damen und Herren von der CDU und auch von der FDP, werden diesen Prozess nicht mehr aufhalten können.

(Zuruf von der FDP: Das wollen wir auch nicht! - Zurufe von der CDU)

Das Problem ist dabei nur: Die Last der Familienarbeit für Frauen ist dabei annähernd die gleiche geblieben. Eine ernst zu nehmende Verschiebung der traditionellen Arbeitsteilung vollzieht sich interessanterweise lediglich im Bereich der Erwerbsarbeit, nicht aber bei Haus- und Familienarbeit. Zu DDR-Zeiten hatte dieses Problem einen konkreten Namen und hieß „Doppelbelastung“.

Und auch Ihre Ansprüche, Herr Ministerpräsident - jetzt ist er leider nicht da -, in Ihrer Regierungserklärung gehen über diesen Grad leider nicht hinaus. Ihre Familienpolitik, die das Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Familie immer noch aufseiten der Frauen verortet, bewegt sich genau in diesem traditionellen Rahmen.

(Zustimmung bei der PDS - Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Aus männerpolitischer Sicht sage ich Ihnen: Solange Frauen diese Doppelbelastung aufgezwungen wird, Familienarbeit sozusagen auf den weiblichen Aufgabenzettel gehört, so lange werden Sie uns die sattsam bekannte demografische Schieflage präsentieren oder - um im Bilde des Ministerpräsidenten zu bleiben - Sie werden uns unbarmherzig auch weiterhin ein reproduktives Defizit bescheren. Da helfen weder Transferleistungen noch Aufwertungsstrategien für Haus- und Familienarbeit. Ihre Familienpolitik ist nicht nur am Leben völlig vorbei, sondern zementiert das Problem.

(Zustimmung bei der PDS - Frau Weiß, CDU: Ja!)

Meine Damen und Herren! In der Schule haben die Mädchen ihre männlichen Klassenkameraden, zumindest was die Lernergebnisse in Zensuren ausgedrückt betrifft, deutlich abgehängt.

(Herr Gürth, CDU: Na, sehen Sie!)

Als Faustregel darf man leider getrost davon ausgehen: Je anspruchsvoller der Schultyp, desto höher der Anteil der Mädchen.

(Herr Kolze, CDU: Das ist doch schön!)

- Richtig! Am unteren Ende der Skala bei Jugendlichen ohne Schulabschluss - Sonderschüler, Hauptschüler - stellen die Jungen die große Mehrheit, auf den Gymnasien und Fachschulen dagegen die Mädchen.

(Herr Gürth, CDU: Was haben Sie dagegen? Was ziehen Sie denn für Schlussfolgerungen?)

Der Berliner Erziehungswissenschaftler Ulf PreussLausitz bringt es auf den Punkt: Schulversagen ist ein Jungenproblem; wer sich als Geschlechterforscher darum nicht kümmert, dem muss man sagen, dass er oder sie sich vor einer der wichtigsten schulischen Thematiken drückt.

Frauen sind also Opfer solcher traditionellen Arbeits- und Rollenteilung, und Männer sind Opfer, manchmal auch privilegierte Opfer, solcher traditionellen Klischees und Verhaltensweisen.

Das Problem ist nur, Herr Gürth, der Leidensdruck auf der männlichen Seite hält sich offensichtlich in erstaunlichen Grenzen.

(Herr Gürth, CDU: Nein!)

Vor diesem Hintergrund geht es schon lange nicht mehr um traditionelle Förderpolitik für Frauen, meine Damen und Herren. Es geht um moderne Geschlechterpolitik, um Frauenpolitik und um Männerpolitik. Jede politische Frage ist zur Hälfte eine Frauenfrage und zur anderen Hälfte eine Männerfrage. Und damit kommen wir zum Kern.

(Zustimmung von Frau Fischer, Leuna, SPD, und von Frau Mittendorf, SPD)

Aus weiblicher Sicht gesprochen: Das Gebären eines Kindes ist biologisch bedingt, das Anwerfen der Waschtrommel schon nicht mehr. Oder etwas seriöser ausgedrückt: Es gibt ein biologisches Geschlecht und es gibt ein soziales Geschlecht. Die Differenz zwischen beiden ist des Pudelweibchens Kern. Aber da lässt die deutsche Sprache uns leider im Stich. Für beides gibt es leider nur ein einziges Wort, das eben jene Differenz verschweigt.