Protocol of the Session on June 20, 2002

Sozialpolitisch können wir nicht mehr, als den vom Bund gesteckten Rahmen ausfüllen und mit einzelnen Projekten im Bereich der Familienpolitik Akzente setzen.

Unsere Bürgerinnen und Bürger wollen mehrheitlich nicht Objekt staatlicher Fürsorge sein. Sie wollen vielmehr aktiv mitgestalten und unser Land aufbauen. Dazu werden wir neue Vorschläge anbieten.

Unter den Bedingungen zunehmender Globalisierung können wir Sachsen-Anhalt nicht mehr als eigenen Wirtschaftsraum begreifen. Zusammen mit den Landesregierungen des Freistaates Sachsen und des Freistaates Thüringen wollen wir unsere drei Länder als mitteldeutschen Wirtschaftsraum gemeinsam entwickeln.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Auch das, meine Damen und Herren, mussten wir nicht erfinden. Dabei können wir uns auf unsere Traditionen berufen. Schon im Jahr 1921 gab es einen Wirtschaftsverband Mitteldeutschland mit Sitz in Halle. Der damalige Magdeburger Oberbürgermeister Herrmann Beims, SPD, beantragte im Jahr 1927 im Landtag der Provinz Sachsen die Schaffung eines mitteldeutschen Wirtschaftsraumes. Diese Idee wurde weiter verfolgt vom damaligen Landeshauptmann der preußischen Provinz Sachsen Erhard Hübener, der im Jahr 1946 der erste Ministerpräsident des neu gegründeten Landes Sachsen-Anhalt wurde.

Daran müssen wir anknüpfen, um unter den Bedingungen weltweiter Globalisierung der mitteldeutschen Wirtschaftsregion ein eigenständiges Profil zu entwickeln und den Begriff zum Markenzeichen für wirtschaftliche Prosperität werden zu lassen. Es soll sich in den weltweit agierenden Wirtschaftsgeflechten herumsprechen, dass man bei uns dabei sein muss, wenn man in Zukunft dabei sein will.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Dazu werden wir schon Ende August in Halle zusammen mit den Ministerpräsidenten von Thüringen und Sachsen einen ersten gemeinsamen Wirtschaftskongress für die Region veranstalten und für diese Entwicklung erste Zeichen setzen.

In diesem Verband werden wir weitere Investitionen für unser Land gewinnen und gemeinsam die Region aufbauen können. Darin liegt unsere einzige Chance.

(Zustimmung von Herrn Scharf, CDU)

Mit dem Solidarpakt II sind die innerdeutschen Finanzhilfen langfristig und endgültig geregelt. Eine Fortsetzung der Politik nach dem Motto „Uns ist kein Opfer groß genug, das andere für uns bringen“, wird es und kann es nicht geben.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP - Beifall von der Regierungsbank)

Deshalb kommt es nur noch auf uns selbst an. Der Start in die Marktwirtschaft war schwierig. Viele haben uns geholfen, und sie erwarten zu Recht, dass wir deutlich erkennbar bereit sind, uns nun auch selbst zu helfen. Wir werden entscheiden müssen zwischen mehr Investitionen oder der Fortsetzung von Subventionen in gute Absichten und eigentlich selbstverständliche Verhaltensweisen.

Wir werden ein neues Verhältnis zwischen staatlicher Regulierung und der mündigen Eigenverantwortung finden müssen. Wir müssen uns selbst in die Pflicht nehmen und anderen Mut machen, dieses auch zu tun.

Das wird große Anstrengungen verlangen, und zwar nicht nur von den Mitgliedern der Landesregierung, sondern auch von den Abgeordneten des Landtages. Ich biete dazu allen Fraktionen in diesem Hohen Haus die Zusammenarbeit zum Wohle unseres Landes an, denn es ist schließlich unser gemeinsames Land.

Dabei ist es sogar gut, wenn wir nicht immer einer Meinung sind. Die Demokratie lebt von dem Streit um den besten Weg miteinander.

Bei allen Schwierigkeiten, die wir nüchtern sehen müssen, sehen wir auch unsere Chancen. Niemand wird uns unsere Wünsche erfüllen, wenn wir nicht bereit sind, es selbst zu tun. Wer von anderen fordert, ohne von sich selbst etwas zu fordern, kann uns keine Hilfe sein. Wer aber bereit ist, von sich mehr zu fordern, als man anderen zumuten möchte, der ist uns willkommen; denn es bedarf schließlich der Anstrengung aller, wenn wir die Probleme in unserem Land lösen wollen.

Viele Frauen und Männer in unserem Land, viele Verbände, Vereinigungen und Organisationen haben mir in den letzten Wochen und Monaten erklärt, dass sie bereit seien, diesen schwierigen Weg mitzugehen. Von ihnen wollen und werden wir uns in die Pflicht nehmen lassen.

Wir sind ein Land mit Chancen und mit Menschen, die etwas leisten wollen. Gemeinsam mit ihnen wollen wir entschlossen diese Chance nutzen - zum Wohle unseres Landes. - Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Beifall von der Regierungsbank)

Besten Dank, Herr Ministerpräsident.

Meine Damen und Herren! Unter Tagesordnungspunkt 1 b kommen wir nunmehr zu der

Aussprache zur Regierungserklärung

Hierzu schlägt Ihnen der Ältestenrat eine Debatte von 90 Minuten Dauer in folgender Reihenfolge und mit folgenden Redezeiten vor: SPD-Fraktion 20 Minuten, CDUFraktion 38 Minuten, PDS-Fraktion 20 Minuten und FDPFraktion 13 Minuten. Der Landesregierung stehen noch 38 Minuten Redezeit zur Verfügung.

Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt als Erstem Herrn Dr. Püchel von der SPD-Fraktion das Wort. Herr Dr. Püchel, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Böhmer, wir haben eben Ihre Regierungserklärung gehört, wie man sie von Ihnen auch nicht anders erwartet hätte und mit der Sie Ihrem Stil treu geblieben sind. Ich begrüße insbesondere das, was Sie zur Form der politischen Auseinandersetzung in diesem Hause gesagt haben. Als Demokrat und Bürger wünsche ich Ihnen eine glückliche Hand bei der Bewältigung der Probleme in unserem Lande, an der wir gemeinsam arbeiten müssen.

(Zustimmung von Herrn Gürth, CDU)

- Vorsicht!

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Als jemand, der Ihren Wahlkampf verfolgt, Ihre Koalitionsvereinbarung studiert, Ihre Regierungsbildung beobachtet, die Interviews der neuen Minister gelesen, Ihre ersten Aktivitäten erlebt und Ihrer Regierungserklärung aufmerksam zugehört hat, habe ich große Zweifel, ob Sie mit Ihrem Kabinett und Ihren Konzepten unser Land entscheidend voranbringen werden.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS)

Wenn man sich das Gerangel um die Regierungsbildung in Erinnerung ruft, muss man einfach zu dem Ergebnis kommen, dass Sie mit diesem Wahlausgang überhaupt nicht gerechnet hatten.

(Beifall bei der SPD - Herr Scharf, CDU: Nur kein Neid, Herr Kollege! - Zuruf von Herrn Schomburg, CDU - Weitere Zurufe von der CDU)

Sie haben im Wahlkampf hoch gereizt und auf den Skat gehofft. Ein guter Skatspieler macht das nicht; denn er weiß, dass die Chance gering ist, im Skat noch Buben zu finden. Und dass Herzdamen nicht immer hilfreich sind, haben Sie schon zu spüren bekommen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Ihr angeblicher Kreuzbube Ludewig entpuppte sich zum Schluss als eine Schell-Lusche, mit der man keinen Stich machen konnte.

(Heiterkeit bei der SPD und bei der PDS)

Meine Damen und Herren, auch für Sie gilt natürlich die 100-Tage-Frist,

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

jedoch haben Sie, so wie Sie jetzt Ihre Vorhaben durchpeitschen wollen, schon selbst auf sie verzichtet.

(Herr Scharf, CDU: Zügig, zügig!)

Vor der Bundestagswahl wollen Sie schnell ein paar symbolische Pflöcke einschlagen, um nicht tatsächlich zur Sache zu kommen. Aber statt der Pflöcke haben Sie

ein paar dünne, biegsame Weidenstöcke in den weichen Sand gesteckt.

(Zuruf von Frau Feußner, CDU)

Das Motto Ihrer Regierungserklärung „Sachsen-Anhalt im Aufbruch - ein traditionsreiches Land mit Zukunft“ kann wohl jeder von uns unterschreiben; denn es war schon immer aktuell. Davon zeugen die vielen historischen Gebäude, die industriellen Traditionen, die vielen großen Persönlichkeiten, die unser Land hervorgebracht hat, und davon zeugt das in den letzten zwölf Jahren Erreichte in unserem Lande.

Unser Land befindet sich tatsächlich im Aufbruch. Wir - damit meine ich alle Bürgerinnen und Bürger SachsenAnhalts - haben vieles erreicht, worauf wir stolz sein können.

(Zustimmung bei der SPD)

Wer mit offenen Augen durch das Land geht, sieht es an allen Ecken und Enden. Die positive Entwicklung unseres Landes beginnt jedoch nicht erst mit Ihrem Amtsantritt, meine Dame und meine Herren auf der Regierungsbank.

(Zustimmung von Herrn Dr. Höppner, SPD)

Herr Böhmer, Sie treffen auf eine SPD-Fraktion, die eine klare und faire Oppositionspolitik betreiben wird. Wir treten für eine glaubwürdige Politik ein, die nur das verspricht, was sie auch halten kann.

Sie sind eben auf Herrn Höppners Regierungserklärung aus dem Jahr 1994 eingegangen und sagten, dass wir heute wesentlich besser dastehen würden, wenn wir nur die Hälfte davon erreicht hätten. - Auf diese Debatte lasse ich mich erst gar nicht ein. Die Rote-Laternen-Diskussion hat dem Land und den Menschen in den letzten Monaten genug geschadet.