Protocol of the Session on November 20, 2003

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Kuppe. - Nun bitte Herr Dr. Volk für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten heute über den Entwurf für eine Neufassung des Hochschulgesetzes des Landes in erster Lesung. Trotzdem dürfte es nur wenige hier im Saal geben, die nach der Ausgabe des Entwurfs zum ersten Mal von den geplanten Veränderungen für die Hochschulen dieses Landes gehört haben. Es ist ungewöhnlich, dass ein Gesetz schon lange Zeit, bevor der erste Entwurf in die parlamentarische Beratung eingebracht wird, so intensiv diskutiert wird.

(Zuruf von Frau Mittendorf, SPD)

- Auch wenn dies nicht ganz unproblematisch ist, Frau Mittendorf, weil eine Beratungsgrundlage fehlt, ist die Diskussion dem vorliegenden Entwurf offensichtlich gut bekommen.

In dem Entwurf - von der Landesregierung eingebracht - finde ich zahlreiche Punkte, die dem politischen Willen der Regierungsfraktionen entsprechen und von uns frühzeitig artikuliert wurden. Gleichzeitig werden mit dem Entwurf die düsteren Prophezeiungen der Opposition ad absurdum geführt. Es wird keine Hochschule geschlossen, Herr Reck.

(Zuruf von Herrn Reck, SPD)

- Es wird kein einziger Hochschulstandort geschlossen, auch nicht Stendal.

(Herr Reck, SPD: Das steht im Protokoll!)

Für meine Fraktion gehört die Hochschulpolitik zu den zentralen Politikbereichen, die im Sinne der Zukunftsfähigkeit dieses Landes dringend modernisiert werden müssen. Die Grundlagen, auf denen zu Beginn der 90erJahre die Topografie unserer Hochschullandschaft gestaltet wurde, haben sich seitdem tief greifend verändert. Einige der Entscheidungen, die damals im Sinne eines schnellen und relativ reibungslosen Übergangs getroffen wurden, erwiesen sich wenig später als problematisch.

(Frau Mittendorf, SPD: Welche?)

Spätestens Ende der 90er-Jahre hätte die damalige Landesregierung die Grundlagen für die Anpassung der Hochschulpolitik an die veränderten Rahmenbedingungen legen müssen.

(Herr Tullner, CDU: Wollte sie auch, konnte nur nicht!)

Sie beauftragte eine Hochschulstrukturkommission, die Vorschläge für eine Strukturreform erarbeitete. Die damalige Landesregierung und vor allem die SPD-Fraktion hatten allerdings nicht die politische Gestaltungskraft, auf der Grundlage dieses Kommissionsberichts eine ergebnisoffene, zielorientierte Debatte zu führen und zu entscheiden. So griff man zu pauschalen Kürzungen, was wegen der Personalstruktur fast ausschließlich den akademischen Mittelbau und die Qualifikationsstellen betraf.

Für die FDP war deshalb von Anfang an klar, dass an einer Reform kein Weg vorbeigeht. So war uns bewusst, dass die aufgrund der Veränderung des Hochschulrahmengesetzes notwendige Novellierung des entsprechenden Landesgesetzes auf keinen Fall nur aus einer formalen Synchronisierung der Gesetzestexte bestehen würde. Es ist wichtig und richtig, im Zuge des BolognaProzesses die Modularisierung des Studiums voranzutreiben und die Abschlüsse an europäische Standards anzupassen. Ebenso begrüße ich die Juniorprofessur als weitere Qualifikationsmöglichkeit für den wissenschaftlichen Nachwuchs.

Dies darf jedoch nicht alles sein. Unser Ziel ist ein modernes Hochschulgesetz, das die Erfordernisse der Hochschulen berücksichtigt, den Wissenschaftsstandort Sachsen-Anhalt festigt und die Qualifikation des Akademikernachwuchses im Land ermöglicht. Wir stehen in intensivem Kontakt mit Mitgliedern und mit den Rektoren der Hochschulen sowie den entsprechenden Verbänden und Organisationen, um die Vorstellungen und Vorschläge für ein neues Hochschulgesetz zu sammeln. Dabei

bildet für meine Fraktion die Autonomie der Hochschulen das Fundament für alle weiteren Veränderungen.

(Frau Mittendorf, SPD: Das sind aber viele Ände- rungsanträge!)

Wer sich die Geschichte der Universitäten einen Moment lang vor Augen führt, sieht sofort, dass er es hier auf keinen Fall mit einer Verwaltungsbehörde zu tun hat. Die Hochschulen sind eben keine Einrichtungen, die wie ein Bauamt zu führen sind. Sie sind vielmehr Institutionen besonderer Art.

Wir haben als eine der ersten Entscheidungen im Zusammenhang mit der Budgetierung auch den Universitäten die volle finanzielle Autonomie zugestanden. Es freut mich, dass der vorliegende Entwurf diese Autonomie noch festigen wird. Es ist nur folgerichtig, dass die Hochschulen neben ihrem Körperschaftsvermögen auch Erträge aus wirtschaftlicher Betätigung erzielen dürfen.

Wir als Abgeordnete sind jedoch keineswegs aus der Verantwortung entlassen. Eine notwendige Folgerung aus der von uns gewünschten Hochschulautonomie sind die Zielvereinbarungen als ein Steuerungsinstrument. Die Hochschulen werden auch weiterhin ihre Finanzierung aus staatlichen Mitteln erhalten. Damit sind wir als Landtagsabgeordnete, die das Haushaltsrecht ausüben, in der Pflicht, über eine zielgerichtete und zweckorientierte Verwendung der Mittel zu wachen.

Wir alle, verehrte Kolleginnen und Kollegen, stehen in der Verantwortung, mit dem Einsatz der Finanzen die größtmögliche Wirkung zum Wohle unseres Landes zu erzielen. Also müssen wir die Diskussion darüber führen, wie die zukünftige Hochschullandschaft in SachsenAnhalt gestaltet werden soll, welche Angebote, welche Studiengänge und welche Leistungen die Universitäten und Fachhochschulen vorhalten sollen. Nicht zuletzt geht es auch darum, wie viel Geld wir zu zahlen bereit und in der Lage sind.

Diese Vorstellungen erhalten dann mit den Zielvereinbarungen eine konkrete Form. Ein Ziel ist ein angestrebter Punkt oder Zustand, der in absehbarer Zeit erreicht werden soll. Damit unterscheidet es sich von einer bloßen Absicht ebenso wie von einer Vision. Dementsprechend darf in einer Zielvereinbarung nicht nur der angestrebte Zustand skizziert werden. Wichtig sind vielmehr auch die Kriterien, an denen sich objektiv überprüfen lässt, ob das festgelegte Ziel erreicht wurde.

Die Hochschule und das Land gehen also ein Vertragsverhältnis ein, in dem konkrete Aussagen über die zu erbringenden Leistungen gemacht werden. Das ist aus meiner Sicht der richtige Weg zur Umsetzung eines hochschulpolitischen Programms, da die Hochschulen am besten wissen, wie sie ein bestimmtes Ziel umsetzen können.

Ich bin davon überzeugt, dass die Verordnungsermächtigung, die der Landesregierung in dem Strukturgesetz - im Konjunktiv - eingeräumt wird, nicht zum Tragen kommt.

(Zuruf von Frau Mittendorf, SPD)

Sie diszipliniert jedoch die Vertragspartner und ermöglicht eine effektive Umsetzung der Strukturreform. Jede Umstrukturierung trifft auf Beharrungskräfte, die überwunden werden müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir können in den nächsten Wochen im Ausschuss und in der parla

mentarischen Beratung die Weichen für ein modernes, zukunftsweisendes Hochschulgesetz stellen. Wenn wir damit Erfolg haben, werden die Universitäten und die Fachhochschulen für die Herausforderungen der nächsten Dekade gewappnet sein. Es ist, wie ich eingangs erläuterte, spät, aber nicht zu spät.

Wenn sich allerdings diejenigen durchsetzen können, die eine Reform zum wiederholten Male im Sande verlaufen lassen, bekommen wir in wenigen Jahren eine Situation, die der aktuellen Lage aufgrund der Schulentwicklungsplanung ähnelt. Wir müssen die Entscheidungen treffen, solange wir noch einen Gestaltungsspielraum haben. Politik definiert sich aus dem Agieren, nicht aus dem Reagieren.

In diesem Sinne stimmt die FDP-Fraktion der Überweisung des Entwurfs zu. - Besten Dank.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Volk. - Bevor ich nun Frau Dr. Sitte für den Beitrag der PDS-Fraktion das Wort erteile, habe ich die Freude, eine Seniorengruppe des Deutschen Bundeswehrverbandes aus Klietz (Havelberg) auf der Tribüne begrüßen zu dürfen.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun bitte, Frau Dr. Sitte.

Danke, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Die Zukunftsdebatte hat ihre ersten Antworten bekommen. Heute endet mit dem Hochschulstrukturgesetz die letzte Etappe eines Rundkurses, eines Kurses, dessen erste Strecke zu einer Verschlechterung der Kinderbetreuung führte.

Die zweite Etappe zog eine Veränderung des Schulgesetzes in einer Weise nach sich, dass die jungen Wettbewerberinnen frühzeitig in leistungsfähigere und in weniger Leistung versprechende Gruppen eingeteilt werden.

Die dritte Etappe entzog der Kinder- und Jugendarbeit wesentliche Mittel. Auch im sozialen Umfeld sind Verschlechterungen eingetreten, wie es auch die gestrige Armutskonferenz belegte.

Die vierte Etappe, die Berufsqualifizierung und der Zugang zu der Berufswelt, wird getragen durch Notprogramme, bei deren Einstellung ganze Gruppen erneut den Anschluss verlieren werden.

Das Hochschulstrukturgesetz nun bestimmt die letzte Etappe. Das gesamte Hochschulwesen erfährt Eingriffe und Veränderungen, die deutlich mehr Verluste als Gewinne bringen. Damit schließt sich also der Kreis.

Obwohl gerade in den ersten Lebensabschnitten von Kindern und Jugendlichen mehr getan werden müsste, um sie für die Zukunft in diesem Land mit den besten Voraussetzungen auszustatten, um diesem Land selbst durch junge kluge Leute zu mehr Entwicklungsimpulsen zu verhelfen, werden frühzeitig die Zugänge zu einer angemessenen und ausgewogenen Förderung und Forderung verengt oder gar abgeschnitten.

Wir werden nicht nur mit der Verschlechterung der Entwicklungsbedingungen für Studium, Lehre und Forschung konfrontiert. Die Beschneidung qualitativer

Wachstumsfaktoren und die Kürzung von Zukunftsinvestitionen ist ein durchgehendes Prinzip der Landespolitik.

Wissenschaft und Forschung sind Teil einer Pyramide, deren Fundament zunehmend brüchiger wird. Längst haben nicht mehr alle Kinder und Jugendlichen grundlegende und angemessene Bildungschancen. Das Fundament dieser Pyramide bröckelt - das belegt der Armutsbericht des Landes in erschreckender Weise -, weil mit wachsender Bildungsarmut die Voraussetzungen für eine ausreichende Innovationsdynamik verloren gehen. Diese aber sind notwendig, um den Anschluss an die anderen Bundesländer zu schaffen.

Wir urteilen also nicht in einem luftleeren Raum. Die Debatte über den gesellschaftlichen und den individuellen Stellenwert sowie über die volkswirtschaftliche Bedeutung qualitativ hochwertiger Bildung hat in Deutschland gerade erst begonnen. In anderen Ländern ist man in diesem Bereich deutlich weiter. Das vorliegende Gesetz führt also die falsche Prioritätensetzung der Landesregierung fort.

(Zustimmung bei der PDS)

Woran knüpfen die Hauptkritikpunkte aus unserer Sicht an?

Erstens. Die Landesregierung versteht sich im Wesentlichen als d a s Kompetenzzentrum für Hochschulentwicklungsplanung, und zwar mit einem nicht nachvollziehbaren Alleinvertretungsanspruch. Die Hochschulen werden einmal angehört, sie sollen mitreden. Sie werden aber keineswegs - das belegen die bisher gesammelten Erfahrungen - als gleichberechtigte Partner betrachtet.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Das stimmt doch gar nicht!)

- Fragen Sie doch einmal die Hochschulen, was sie von den ersten Zielvereinbarungen halten. Sie sind doch nicht einmal das Papier wert, auf dem die Unterschriften stehen.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD - Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Nein, nein! - Zu- ruf von Herrn Tullner, CDU)