Was bleibt also übrig von dem klapprigen Argumentationsgerüst der SPD? Meine juristischen Kollegen haben es für mich so zusammengefasst: Eine Verhärtung eines
Meine Damen und Herren! Das sind „tönerne Füße“, das sind „Tauben auf dem Dach“, aber das ist mitnichten eine sachliche Grundlage für Rücktrittsforderungen gegenüber einem Minister einer Landesregierung in Deutschland.
Die PDS versucht - wohlgemerkt, viel rücksichtsvoller -, mit einer Parallelstrategie dem dünnen Eis der SPDArgumentation auszuweichen. Sie sieht vorwiegend einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung.
Abgesehen davon, dass der Adressat, also der Oberbürgermeister von Naumburg, das Schreiben gar nicht erhalten hatte und somit gar nicht beeinflusst werden konnte,
bezweifle ich aus voller Überzeugung, dass ein Bürgermeister in Sachsen-Anhalt sein Amtsgebaren nach einem Bittbrief eines Landtagsabgeordneten richten würde.
Mit nichts anderem haben wir es zu tun, wie es auch hilfsweise die PDS offensichtlich anerkennt. Diskriminieren wir bitte nicht auch noch die Amtsführung der Bürgermeister in unserem Lande, meine Damen und Herren.
Zusammenfassend darf ich für die FDP-Fraktion feststellen: Was bleibt, ist ein Brief von Herrn Becker an den Oberbürgermeister von Naumburg, der auf falschem Briefpapier geschrieben wurde. Der Inhalt des Briefes regt die Erwägung einer gütlichen Einigung zwischen zwei streitenden Parteien an. Die Verwendung des amtlichen Briefpapiers ist ein Verstoß gegen die Neutralitätspflicht des Ministers, weil dies geeignet ist, den Eindruck zu erwecken, der Minister würde als Amtsperson Partei ergreifen. Letzteres ist aber objektiv nicht geschehen und war subjektiv - das hat Herr Becker klar und deutlich erklärt - nicht gewollt.
Von einer direkten oder auch nur indirekten Beeinflussung der unabhängigen Gerichtsbarkeit im Lande kann also keine Rede sein - nur das ist für die FDP der Gradmesser. Ein Fehler - ja; eine schwere Amtspflichtverletzung - nein. Der Rücktrittsforderung schließen wir uns deshalb nicht an, meine Damen und Herren.
Vielen Dank, Herr Lukowitz. - Für die PDS-Fraktion erteile ich nochmals der Abgeordneten Frau Dr. Sitte das Wort. Bitte sehr, Frau Dr. Sitte.
Frau Dr. Sitte, Sie wissen, dass, nachdem der Ministerpräsident gesprochen hat, die Aussprache ohnehin noch einmal eröffnet ist. - Gut. Dann erteile für die Landesregierung dem Ministerpräsidenten Herrn Professor Dr. Böhmer das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die beiden Anträge und auch die sich daran anschließende Debatte beschäftigten sich mit einer Entscheidung, die die Verfassung unseres Landes ausschließlich dem Ministerpräsidenten zugeordnet hat. Das ist unstrittig, und ich denke, das wissen Sie alle.
Sie können ganz sicher sein, dass ich der Debatte sehr aufmerksam gefolgt bin und zugehört habe. Sie können genauso sicher sein, dass ich mich jetzt sehr kurz fassen werde, um nicht den Eindruck zu erwecken, das sei eine Angelegenheit, die wir hier im Parlament endgültig entschieden.
Ich habe die Probleme und die Fakten gehört. Ich bin mit allen einer Meinung, dass Fehler gemacht worden sind, was den Briefkopf betrifft. Aber ich habe zu entscheiden, ob dies so schwerwiegend ist, dass die Entscheidungen, die Sie fordern, gerechtfertigt sind. Denn ich muss auch zur Kenntnis nehmen, dass das Ereignis, von dem Sie sprechen, sich in der ersten Märzhälfte abgespielt hat und niemanden interessiert hat - über ein halbes Jahr lang nicht. In der Zwischenzeit hat es aber eine ganze Reihe anderer Ereignisse gegeben, und plötzlich taucht das auf. Dazu stellen sich mir Fragen. Die werde ich heute hier nicht beantworten; aber dass es Fragen gibt, die man in diesem Zusammenhang sich selber stellen muss, das, denke ich, dürfte Sie nicht wundern.
Das, was Sie hier vorgetragen haben, Kollege Püchel, das war eine unappetitliche Argumentationskette, die ich so nicht erwartet hätte.
Ich bin ja dankbar, dass Sie darauf hingewiesen haben, dass das Protokoll nicht öffentlich ist. Ich hätte sonst möglicherweise aus Versehen daraus zitiert. Das werde ich jetzt natürlich nicht machen.
Ich käme nicht auf den Gedanken, auch nur zu unterstellen, dass ein Richter in Sachsen-Anhalt bestechlich oder beeinflussbar sein könnte.
Man muss schon einen Schlingerkurs fahren, um einen Brief an einen Bürgermeister, der vor Gericht von einem Anwalt zitiert worden ist, den der Richter mit großer Souveränität hat abprallen lassen, jetzt als versuchte
Beeinflussung des Gerichts darzustellen. Aber das sollten Sie bitte auch anhand dieser Protokolle selbst klären.
Ich weiß, dass wir in Sachsen-Anhalt eine Reihe schwieriger Entscheidungen und Reformen umsetzen müssen - jeder Minister in seinem Bereich. Ich weiß, dass das auch mit Gegenwind verbunden ist, natürlich auch mit dem organisierten Gegenwind der Opposition.
Dazu will ich an dieser Stelle nur zwei Sätze sagen: Jeder Minister, der die Entscheidungen und Beschlüsse der Landesregierung in seinem Bereich durchsetzt, darf sich der Unterstützung des Ministerpräsidenten und des gesamten Kabinetts sicher sein. Das ist eine Zusage und damit sind auch Grenzen umschrieben. Jede Entscheidung, die ich zu treffen habe, werde ich - auch dies sage ich hier zu - mit denen abstimmen und besprechen, die wie ich einen Auftrag zur politischen Gestaltung übernommen haben.
Ich denke, wir gemeinsam werden uns nicht von denjenigen treiben lassen, die heute noch darunter leiden, dass die Wähler ihnen diesen Auftrag nicht erteilt haben.
Danke schön, Herr Ministerpräsident. Es handelt sich nicht um eine Frage. - Herr Dr. Püchel, der Fairness halber muss ich zunächst Frau Dr. Sitte das Wort erteilen. - Bitte sehr, Frau Dr. Sitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, Ihre letzte Bemerkung, glaube ich, wird dem Ernst der Lage nicht gerecht.
Das wissen Sie auch. In dieser Debatte geht es - aus unserer Sicht jedenfalls - um andere Maßstäbe. Insofern glaube ich, dass es hier nicht um die Behandlung irgendwelcher prophylaktischen Rücktritte geht, auch nicht mit Blick auf Grauzonen oder ähnliches, Herr Scharf.
Wir haben diesen Antrag ausdrücklich mit Blick auf die Bewertung des ersten bekannt gewordenen Falls - und nur dieses Falls - gestellt. Was danach in diesem Land passiert ist - neben der Veröffentlichung, neben Anrufen, neben Gesprächen, neben dem Aufsuchen durch Bürger und Bürgerinnen aus dieser Region - ist eine völlig andere Geschichte. Sie hat mit unserer Entscheidung, diesen Antrag einzubringen, zunächst überhaupt nichts zu tun.
Wir haben bei der Bewertung des ersten Falles in den ersten Tagen danach immer wieder gesagt: Wir werden erst dann abschließend entscheiden, wenn wir die Maßstäbe bzw. die Hintergründe genau kennen. Sollten sich diese Hintergründe bzw. diese Fakten und die Vorwürfe, die jetzt erhoben worden sind, aber bestätigen, dann bleibt aus unserer Sicht am Ende nichts anderes als ein Rücktritt. Immer mit dieser Beziehung haben wir das gesagt.
Der zweite Fall, der gestern in der Zeitung veröffentlich worden ist, hat mit dieser Bewertung ebenfalls nichts zu tun. Natürlich muss dieser Fall auch bewertet werden; aber dass er in der Zeitung steht, können wir in dieser Debatte natürlich genauso wenig ignorieren, wie Sie wis
Selbstverständlich kann man zu unterschiedlichen Entscheidungen kommen. Der Ministerpräsident hat es ja gerade gesagt: Für ihn ist die Frage, ob er zur gleichen Entscheidung bzw. Schlussfolgerung kommt wie wir eben, noch offen.
Ich will es auch noch einmal für die PDS sagen: Für uns ist, Herr Lukowitz, nicht entscheidend, auf welchem Briefpapier das entstanden ist, ob es Abgeordnetenbriefpapier, Büttenbriefpapier oder eben das Briefpapier des Ministers gewesen ist - für uns war die Absicht der Maßstab für unsere Entscheidung.
Natürlich möge sich hier wahrlich niemand - einschließlich der PDS-Fraktion - zum Gralshüter des Rechtsstaates aufschwingen. Das weiß ich auch; dafür ist das Leben viel zu hektisch, dafür sind manche Entscheidungen viel zu schnell zu fällen und dafür ist manchmal viel zu genau hinzugucken, welche Bedingungen, welche gesetzlichen Rahmenbedingungen jeweils zu beachten sind. Aber was wir hier schon machen müssen, wofür wir hier schon Verantwortung haben, ist, dafür zu sorgen, dass niemand vorsätzlich und ignorant handeln kann. Das werden wir nicht dulden. Das haben wir zu machen und als Maßstab der Bewertung zu nehmen.
Das sollte auch der Maßstab der Landesregierung sein. Alles andere, was Herr Püchel im Einzelnen aufgeführt hat, gehört meiner Meinung nach in der Tat in einen Untersuchungsausschuss. Das kann man dort alles noch einmal durcharbeiten. Aber ich glaube, das grundsätzliche Fazit und die Bewertung sind unbestritten. Die Schlussfolgerungen sind jedoch wiederum umstritten - Sie haben andere gezogen als wir.