statt per Zielvereinbarung per Rechtsverordnung aufoktroyieren würde. Sie schrecken auch nicht davor zurück, von einem Ermächtigungsgesetz zu sprechen - jedenfalls in den Medien und gestern im Ausschuss -, was sich für jeden auch nur einigermaßen historisch kundigen Menschen verbietet.
Im Vergleich zum Ermächtigungsgesetz von 1933 - das ist nun einmal die dunkle Assoziation Ihrer Wortwahl - habe ich einen geradezu unschuldigen Gesetzentwurf vorgelegt. Durch das gegen die Stimmen der SPD und bei Abwesenheit zahlreicher verhafteter Mitglieder des Reichstages verabschiedete Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 wurde die gesamte Staatsgewalt den Nazis übertragen, die auf dieser Grundlage die demokratischen Parteien verboten und ihr totalitäres Regime errichteten. Nur völlig ohne Schamgefühl kann man einen solchen Bezugspunkt für unsere Hochschulreformdebatte wählen.
In der Bundesrepublik Deutschland sind übrigens Ermächtigungsgesetze aufgrund Artikel 80 des Grundgesetzes ausgeschlossen, und das mit gutem Grund.
Dagegen ist Ihr Vorwurf, wir hätten ein Gesetz im Sinn, das den Landtag aushebeln und entmündigen wolle, wenigstens nur paradox. Die Exekutive ist überhaupt nicht in der Lage, die Legislative bei einem Gesetzgebungsverfahren auszuschalten - wie soll das denn gehen? -, weil nur der Landtag ein Gesetz beschließen kann.
Im Übrigen liegt der beabsichtigten Rechtsverordnung die Hochschulstrukturplanung des Landes zugrunde, die bereits mehrfach das Parlament beschäftigt hat und selbstverständlich weiterhin beschäftigen wird. Dass die entsprechenden Planungsgrundsätze und Vorschläge regelmäßig im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft des Landtages beraten werden müssen, ist längst gültige Beschlusslage des Landtages. Das wissen Sie ganz genau, Frau Dr. Sitte, zumal Sie bei allen diesbezüglichen Beratungen des Ausschusses zugegen waren.
Aber zur Sache. In Artikel 1 unseres Gesetzentwurfs, genauer gesagt, in § 1 des Entwurfs eines Vierten Hochschulstrukturgesetzes, können Sie nachlesen - ich zitiere wörtlich -, dass die Hochschulen und das Ministerium vorrangig in Zielvereinbarungen zur Sicherung der Hochschulstrukturplanung und Neuordnung der Hochschulstruktur des Landes die Aufhebung, Änderung, Verlagerung und Neuordnung von Fachbereichen oder Studiengängen vereinbaren sollen.
Dass Sie so etwas überlesen, ist mir unbegreiflich. - Nur dort, wo standortübergreifende Interessen des Landes geltend zu machen sind - wohlgemerkt: standortübergreifende -, soll befristet
- einen kleinen Moment, bitte - das Instrument einer Rechtsverordnung über die künftigen Hochschulstrukturen Anwendung finden.
Das neue Gesetz folgt nicht nur einigen wesentlichen Änderungen des Hochschulrahmengesetzes, also Einführung der Juniorprofessuren und - mit Augenmaß übrigens - gestufter und modularisierter Studiengangs- bzw. Abschlussstrukturen gemäß den Übereinkünften
von Bologna und Berlin, es steht vor allem für den entschiedenen Willen der Landesregierung, den Hochschulen Rahmenbedingungen zu schaffen, die sie in die Lage versetzen, im schwieriger werdenden nationalen und internationalen Wettbewerb zu bestehen, ihre nun einmal limitierten Ressourcen optimal und flexibel zu nutzen und unter sich verändernden Bedarfs- und Nachfrageentwicklungen die notwendigen Handlungs- und Gestaltungsspielräume zu bekommen. Das ist der Sinn des Gesetzes.
Auch Budgetbegründungen - übrigens gegenüber dem Parlament wie gegenüber der Öffentlichkeit - werden künftig noch stärker als bisher über den Qualitätsanspruch und die Nachhaltigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Strukturen legitimiert. Gerade hierbei bestehen in den gegenwärtigen Angebotsstrukturen erhebliche Defizite, insbesondere durch Doppel- und Mehrfachangebote, unzureichende Profil- und Schwerpunktbildung und zum Teil dramatische Auslastungsprobleme.
Um Veränderungen auszulösen, muss die Hochschullandschaft insgesamt neu geordnet werden, denn die Standorte sollen nicht zusammenhangslos nebeneinander stehen, sondern ein profiliertes, abgestimmtes und ausgewogenes Angebotsspektrum im Land insgesamt bilden.
Der Vorschlag, im Rahmen einer Rechtsverordnung nach Anhörung der betroffenen Hochschulen die Hochschulstrukturen des Landes entsprechend neu zu justieren und zur Konzentration des Studienangebots die Einführung, Änderung, Aufhebung oder Verlagerung von Studiengängen neu zu regeln, ist ein in vernünftiger Weise gangbarer Weg und zeitlich ganz bewusst begrenzt bis zum Beginn der Laufzeit der neuen Zielvereinbarungen.
Andere Länder gehen übrigens wesentlich weiter, ohne dass es derartig abwegige Reaktionen der Opposition gibt. Ich nehme das Beispiel Nordrhein-Westfalen, wo in § 108 des Hochschulgesetzes ganz selbstverständlich steht, dass das Ministerium ermächtigt wird, zur Sicherung von Forschung, Lehre und Studium oder Krankenversorgung im Rahmen einer Konzentration oder Neuordnung des Studienangebotes diese Maßnahmen nach Anhörung der Hochschulen auch durch Rechtsverordnungen zu treffen. - Dasselbe bei Ihren Kollegen - -
- Das ist genau dieser Zusammenhang. - Dasselbe in Rheinland-Pfalz, wo Ihr Kollege im Hochschulgesetz hat festschreiben lassen - in einem Hochschulgesetz, von dem er sagt, es sei eines der modernsten in Deutschland, was übrigens stimmt -, dass sowohl die Aufhebung von Studiengängen als auch von Fachbereichen allein durch Anordnung des Ministeriums geschehen kann. So weit wollte ich überhaupt nicht gehen.
(Frau Budde, SPD: Sprechen Sie doch über Din- ge, die wir hier regeln, nicht über Rheinland- Pfalz!)
Im Übrigen dürfen wir eines nicht vergessen: Genau dieser Streitpunkt ist wohl auch die Sollbruchstelle Ihrer eigenen Hochschulpolitik gewesen, die sehr wohl vernünftige Reformvorschläge zu konzipieren imstande war, aber außerstande, sie auch umzusetzen.
Dazu hätte es verantwortlichen und entschlossenen Regierungshandelns bedurft, dazu hätte man den Mut zu Entscheidungen aufbringen müssen und genau daran hat es gefehlt, sicherlich auch aufgrund der parlamentarischen Konstellation des Duldungsmodells.
Alle diesbezüglichen Pläne sind nämlich in die Schubladen gewandert, wo ich sie aber glücklicherweise gefunden habe.
Das hat zu empfindlichen Verzögerungen bei den notwendigen Strukturkorrekturen im Hochschulsystem geführt, die uns allen heute schwer zu schaffen machen.
Dass Sie uns nun die Entschlossenheit vorwerfen, die Krise nicht weiter auszusitzen und sie damit auch nicht zuzuspitzen, sondern endlich etwas zu tun und die überwiegend zu Ihrer Regierungszeit entworfenen Ansätze aufzugreifen und umzusetzen, zeigt die ganze Zwiespältigkeit Ihrer Kritik.
Was mein Demokratieverständnis betrifft, sehr geehrte Frau Dr. Kuppe, wäre es besser gewesen, Sie hätten an dieser Stelle geschwiegen. Sie haben uns in der letzten Parlamentssitzung durch bewusst verstümmelte Zitate aus dem Hochschulstrukturkonzept in die Irre zu führen versucht und erst auf meinen Protest hin die Weglassungen wieder ergänzt. Besonders demokratisch war das auch nicht.
Von einem Anschlag auf die Hochschulautonomie kann nun wirklich keine Rede sein. Der Entwurf zum Hochschulgesetz enthält zahlreiche neue Regelungen zur Stärkung der Hochschulautonomie und räumt den Hochschulen weitaus größere Entscheidungsspielräume ein, als sie sie je zuvor hatten. In dieser Beziehung kann ich sogar in der Tat behaupten, dass wir auch eines der modernsten Hochschulgesetze in Deutschland haben werden.
Die neuen Selbstgestaltungsspielräume der Hochschulen reichen von schlankeren Entscheidungs- und Verwaltungsstrukturen, der Stärkung der Rektorate, Dekane und Gremien über die Möglichkeit zur wirtschaftlichen Eigenbetätigung bis zum Wegfall der Genehmigungspflicht von Promotions- und Habilitationsordnungen; denn das ist in der Tat eine akademische Angelegenheit.
Aber die Abschaffung der Genehmigungspflicht für Studiengänge, ein Novum in ganz Deutschland, hatte bei uns zur Folge, dass neue Studiengänge ohne Vorsorge für eine langfristig vernünftige Ausstattung eröffnet wurden, ganz zu schweigen von einer Abstimmung mit den übrigen Angebotsstrukturen im Land. Künftig werden Studiengänge im Regelfall durch Zielvereinbarungen ausgehandelt oder geschlossen, aber wo dieser Weg nicht gangbar ist, auch wieder an die Genehmigung durch das Kultusministerium gebunden.
Solange wir staatliche Hochschulen haben, die mit öffentlich aufgebrachten Mitteln finanziert werden, ist es der Staat und nicht die einzelne Hochschule, die Rechtsverpflichtungen eingeht und dafür im Konfliktfall auch einstehen muss.
Das ist die Konstellation, in der wir sind. Wenn entsprechende Ansprüche zum Beispiel auf ein ausreichendes Lehrangebot oder auf eine angemessene Ausstattung eingeklagt werden, dann nicht von der einzelnen Hochschule, sondern vom Land. Solange diese Verantwortlichkeit so geregelt ist, kann sich der Staat bei Grundsatzentscheidungen über hochschulische Angebotsstrukturen im Lande schlecht heraushalten. Natürlich kann er es auch nicht allein machen, aber diese Forderung ist nirgendwo erhoben worden.
Frau Dr. Sitte, noch ein Wort zu den Studiengebühren für Langzeitstudierende, die die Regelstudienzeit um mehr als vier Semester überschreiten. Dabei geht es um etwas ganz anderes, nämlich darum, den Studierenden zu vermitteln, dass es notwendig ist, auf öffentliche Ressourcen zu achten, die Ausgaben, für die immerhin alle aufkommen, durch Effizienz und sorgsamen Umgang zu legitimieren.
Kurzum: Es geht darum, gerade dort, wo alle zur Kasse gebeten werden, wirtschaftlich und sozial gerecht zugleich zu denken. Immerhin geht es auch um die nun einmal knappen Ressourcen beispielsweise für die Studienanfängerinnen und -anfänger, die ihnen schließlich nicht von mehr oder weniger überalterten Semestern in womöglich größerer Zahl vorenthalten werden sollen.