Protocol of the Session on October 23, 2003

Die nächste Frage wollte Herr Gebhardt stellen.

Herr Kollege Volk, meine Frage geht in eine ähnliche Richtung, auch was den Populismusvorwurf betrifft. Die Initiative „Schule vor Ort“ ist nicht die erste Initiative, die sich im außerparlamentarischen Raum gegründet hat und die versucht, bildungspolitisch etwas in eine bestimmte Richtung zu bewegen. Bisher war es ein guter Brauch, auch ein demokratischer Brauch, eine solche Initiative ernst zu nehmen und sich in der Sache mit ihr auseinander zu setzen. Wie wollen Sie sich mit einer solchen Initiative und deren Anliegen in der Sache auseinander setzen, wenn schon allein das Einbringen des Anliegens dieser Initiative in den Landtag als blanker Populismus abgestempelt wird?

(Beifall bei der PDS)

Es ist weniger das Anliegen, sondern es ist der Umgang mit diesem Anliegen. Sie wissen so gut wie ich, dass momentan die Kreistage - das sind politische Gremien - über eine schwere Entscheidung zu befinden haben. In dieser Phase, zwei, drei Monate, bevor diese Entscheidung getroffen sein muss, mit einem solchen Anliegen zu kommen, das kann ich nicht anders als „populistisch“ bezeichnen.

Die nächste Frage wollte Frau Dr. Hein stellen.

Herr Volk, ist Ihnen bekannt, dass der Tarifvertrag geschlossen wurde, um einen noch anwachsenden Lehrerüberhang ohne betriebsbedingte Kündigungen zu überstehen? Geben Sie mir Recht, dass im Verlauf dieses Tarifvertrages regelmäßig die bedarfsbedingte Arbeitszeit festgelegt wird und dass damit die Möglichkeit besteht, den durch den Gesetzentwurf oder die Gesetzentwürfe entstehenden Mehrbedarf abzudecken?

Sie wissen sicherlich, dass ich kein besonderer Freund dieses Tarifvertrages bin. Sie haben vollkommen Recht: Wir haben einen Überhang an Lehrern in der Zahl, aber trotzdem haben wir eine ganze Reihe von Schulen, an denen bestimmte Angebote schon heute nicht mehr erfolgen können, weil es eine Disproportion in der fachlichen Ausbildung der Lehrer gibt. Es gibt eine Disproportion sowohl in der fachlichen Ausbildung als auch im Einsatz der Lehrer im Land. Das lösen wir unter den Bedingungen des Tarifvertrages nicht. Wir schaffen damit ein Problem, das noch größer wird, wenn wir kleine Schulstandorte und kleine Klassen zulassen.

Vielen Dank, Herr Dr. Volk. - Abschließend in dieser Debatte erteile ich nun Frau Mittendorf noch einmal das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend auf eine Bemerkung meiner Vorredner eingehen. Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, wenn man im Glashaus sitzt, sollte man nicht mit Steinen werfen!

Ich erlaube mir, mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, aus dem Protokoll über die Landtagssitzung am 15. Dezember 2000 zu zitieren.

Es bedarf dieser Genehmigung nicht.

Es geht dabei um die Debatte zur Schulentwicklungsplanung. Ich zitiere Herrn Schomburg - er ist im Saal -:

„Zum Problem der Sekundarschule ist schon einiges gesagt worden. Ich will mich kurz fassen. Auch für uns macht das Hochziehen der Mindestschülerzahl im Sekundarschulbereich in Zeiten zurückgehender Schülerzahlen wenig Sinn. Dies bedeutet einen zusätzlichen Konzentrationsprozess. Das führt insbesondere in den Flächenlandkreisen zu einem zusätzlichen Argument für das Schulsterben, dem wir absolut nicht folgen können.

Wir bleiben dabei: Wir sollten im Bereich der Sekundarschulen eine geringere Schülerzahl als Voraussetzung für das Vorhalten einer Schule vorsehen. Im Gegensatz zur Landesregierung finden wir unser Heil nicht in der Zentralisierung, sondern in der Dezentralisierung, sowohl was die gemeindlichen Strukturen als auch was die Schulstrukturen angeht.“

Dem ist eigentlich nicht viel hinzuzufügen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Herr Dr. Eckert, PDS: Wer sind die Populisten?)

- Genau diese Frage stelle ich mir auch: Wer ist hier der Populist oder wer betreibt hier Populismus? Sie können mir eines glauben, meine Damen und Herren von CDU und FDP und auch Sie, Herr Olbertz:

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Oh!)

Wir haben sehr lange und sehr gründlich überlegt, wie wir erstens überhaupt mit Reformen, mit inneren Schulreformen in diesem Landtag umgehen, welche Mittel, Wege und Instrumentarien wir finden, um die Dinge in die Debatte zu bringen, die notwendig sind, die bei Ihnen zwar auftauchen, aber hier und da in irgendwelchen Verordnungen stehen und ohne System und Struktur sind.

Zweitens muss ich sagen: Wir haben uns auch sehr gut überlegt, wann wir das Gesetz einbringen. Was von einigen in unserem Gesetzentwurf als „Beiwerk“ betrachtet wird, ist, finde ich, schon eine Unverschämtheit in der Ausdrucksweise.

(Herr Dr. Püchel, SPD: So sind Sie nun mal!)

Das ist der Populismus und die Arroganz, andere, die die Dinge vorlegen, die in Ihren eigenen Reihen und im eigenen Haus permanent diskutiert und von Ihnen als die Punkte bezeichnet werden, über die man reden muss, als Populisten zu beschimpfen. Sie sagen, wir würden Dinge machen, die längst überholt wären. Wo leben wir denn?

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Nun ist es manchmal so, dass sich das Leben anders entwickelt, als man es sich vorstellt.

(Minister Herr Dr. Daehre: Richtig!)

Als wir den Gesetzentwurf zur inneren Schulreform erarbeitet haben, war die Frage der Diskussion um die Schulentwicklungsplanung noch nicht so aktuell. Sie war zwar immer irgendwo aktuell, aber just in dem Moment, als wir dabei waren, diesen Gesetzentwurf zur Einbringung vorzubereiten, kam die Initiative „Schule vor Ort“. Ich glaube, dass es zur ordentlichen Arbeit einer Oppositionspartei gehört und gehören muss, die Dinge aufzugreifen, die die Bürgerinnen und Bürger im Land bewegen.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Was erwarten die regierungstragenden Fraktionen eigentlich von einer Opposition? Sollen wir hier zustimmen und alles toll finden und dann Ihren Heiligenschein putzen? - Entschuldigung.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Huldigung! - Frau Feuß- ner, CDU: Was erwartet Herr Schröder im Bun- destag von der Opposition? Da müssen Sie sich an die eigene Nase fassen! - Weitere Zurufe von der CDU)

Meine nächste Bemerkung ist Folgende: Wir haben genau diese Dinge aus dem Schulgesetzentwurf der Initiative „Schule vor Ort“ aufgenommen, von denen wir meinen, dass sie unsere Probleme, mit denen wir es jeden

Tag in den Kreisen zu tun haben, lindern können. Sie werden sie nicht alle lösen.

Sie, Frau Feußner, sind gestern - - Ich bin gefragt worden: Sagen Sie einmal, Frau Mittendorf, wo ist denn Frau Feußner?

(Frau Feußner, CDU: Wo?)

Ich sagte: Weiß ich nicht.

(Frau Feußner, CDU: Ich hatte keine Einladung!)

Ich war in einer Veranstaltung im Landkreis Bernburg mit 250 Leuten.

(Minister Herr Dr. Daehre: Oh!)

Am Dienstag war ich bei einer Veranstaltung in Stendal mit 80 Leuten. Da sagen Sie, Frau Feußner, das bewege die Welt nicht. Die Auseinandersetzung um die Schulentwicklungsplanung findet dort jeden Tag statt.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Und Sie sagen, das sei jetzt kontraproduktiv. Nein, jetzt wird es konkret, und zwar vor allem wegen der hausgemachten Probleme, die ich vorhin angesprochen habe.

(Herr Schomburg, CDU: Ihre hausgemachten Probleme!)

Natürlich stammen die ursprünglichen Zahlen von uns. Das ist richtig. Die wurden auch bei uns heiß diskutiert. Natürlich kann man über die pädagogischen Argumente reden, ob man 240 oder 180 Schüler braucht. Es geht mit beidem. Aber was man nicht machen muss, ist, durch frühe Bildungswegetrennung die Situation zu verschärfen;

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

was man nicht machen muss, ist, durch einen Erlass die Eingangszahlen für die Schulklassen so hoch zu setzen, dass keiner das erreichen kann. Dann brauche ich mich nicht zu wundern, wenn der Aufstand vor Ort passiert; den kann man nur unterstützen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Frau Mittendorf, möchten Sie eine Frage von Frau Feußner beantworten?

Nein, möchte ich nicht.

Dann will ich einmal mit einigen Legenden aufräumen. Wirklich.

(Oh! bei der CDU)

Es ist so: Uns vorzuwerfen, dass wir Dinge fordern würden, bloß weil wir jetzt nicht in der Regierungsverantwortung seien, das ist schon dreist, das muss ich sagen.

Jeder weiß, dass die Unterrichtsversorgung in dem Tarifvertrag berechnet ist, dass das für bestimmte Jahre auch variabel gemacht werden kann und dass über die Jahre und über die Schülerzahlen und letztendlich - in Klammern - über die Klassen vom Prinzip her alles durchgerechnet und vorhanden ist. Wenn ich eine Schule zumache, sind weder die Schüler weg noch die Lehrer. Das heißt, ich muss die Schule nicht unbedingt zumachen, sondern ich muss darüber diskutieren, wie ich