Die alles entscheidende Frage ist doch: Wie kommen Ihre in Erlassen und Verordnungen zementierten Maßnahmen in der Schulwirklichkeit an? Tragen sie dazu bei, an den Schulen eine Aufbruchstimmung zu erzeugen?
Genau das wollen wir mit unserem Gesetzentwurf ändern und Anstöße für die inhaltliche Diskussion geben. Ich will aus Zeitgründen nur einige Aspekte herausgreifen.
Es geht uns um die größere Eigenverantwortung der Schulen. Wir haben nie behauptet, das Schulprogramm neu erfunden zu haben, aber im Gegensatz zu Ihnen, Herr Olbertz, wollen wir die Erarbeitung eines Schulprogramms durch eine Schule an konkrete Anreize koppeln.
So soll eine Schule, die über ein genehmigtes Schulprogramm verfügt, nach unserer Vorstellung größere Gestaltungsfreiheiten als bisher erhalten, also weg vom Gängelband der Kultusadministration. Dies können sowohl Entscheidungsbefugnisse über die Verwendung von Honorarmitteln zum Abbau von Defiziten in der Un
Zur Umsetzung solcher Regelungen schlagen wir Bildungsvereinbarungen zwischen dem Land, den Schulträgern und den Schulen vor. Auf diesem Weg können konkrete Festlegungen Eingang in den Prozess schulischer Eigenständigkeit finden.
Wir wollen, dass alle Beteiligten stärker als bisher für ihre Schule verantwortlich sind, sich dafür verantwortlich fühlen, sich mit den Zielen der pädagogischen Arbeit identifizieren und daraus ihre Arbeit ableiten. Dort gibt es Handlungsbedarf. Das ist bei Ihrer, Herr Minister - gelinde gesagt -, Verordnungs- und Runderlassarie beim besten Willen nicht zu erwarten.
An dieser Stelle will ich auch auf unseren Vorschlag zur paritätischen Zusammensetzung der Gesamtkonferenz zu sprechen kommen. Herr Olbertz, ich glaube, Sie machen sich lächerlich, wenn Sie in Ihrer Pressemitteilung behaupten, dass eine Gesamtkonferenz in der von uns vorgeschlagenen Zusammensetzung keine wichtigen Entscheidungen treffen kann und einen Reformstau verursacht. Sagen Sie, Herr Kultusminister, wo leben Sie eigentlich?
In Brandenburg wird die Drittelparität seit Jahren praktiziert, und soweit ich weiß, herrscht an den Schulen nicht jenes Horrorszenario, welches Sie an die Wand gemalt haben.
Meine Damen und Herren! Wir sind der Überzeugung, dass die Erhöhung der Eigenständigkeit einer Schule verknüpft werden muss mit größeren Mitspracherechten für Eltern und Schüler.
Wenn eine Schule künftig in stärkerem Maße über inhaltliche, sachliche und personelle Belange entscheiden kann, müssen alle am schulischen Prozess Beteiligten möglichst gleichberechtigt am Entscheidungsprozess mitwirken können.
Darüber hinaus beinhaltet unsere Novelle Regelungen zur kontinuierlichen Überprüfung der schulischen Arbeit, zum Anspruch auf individuelle Förderung, zur stärkeren Kooperation mit außerschulischen Einrichtungen und zur systematischen Fortbildung der Pädagogen. In diesem Zusammenhang schlagen wir die Einführung eines Fortbildungspasses vor.
Aber, meine Damen und Herren, es geht uns mit dem Gesetzentwurf auch um die Grundvoraussetzung für die Umsetzung inhaltlicher Reformen, und zwar um den Bestand eines Schulnetzes, das auch in der Fläche die notwendigen Bildungsangebote bereit hält und damit auch die Bildungschancen der Kinder und Jugendlichen auf dem Lande sichert.
Herr Olbertz, Sie mögen das Aufgreifen dieser Problematik abqualifizieren, wie Sie wollen. Fakt ist eines: Es handelt sich um ein akutes Problem, das viele Menschen im Land stark berührt und das durch Ihre Novellie
rung des Schulgesetzes und Ihre Verordnung zur Anfangsklassenbildung unnötig auf das Äußerste verschärft wurde.
Es zeugt, meine Damen und Herren, eben nicht von großer Souveränität, wenn Sie durch Verunglimpfungen versuchen, die Diskussion dieses Problems abzuwürgen.
Sie haben durch die Parallelität des In-Kraft-Tretens der Öffnung der Gymnasien ab Klasse 5, der Veränderung des Zeitraumes bis zur Erstellung einer neuen Schulentwicklungsplanung durch die Schulträger und des InKraft-Tretens der Verordnung zur Anfangsklassenbildung eine Lawine losgetreten, die kaum mehr steuerbar ist und die kaum einer richtig gestalten kann. Es handelt sich um rein hausgemachte Probleme.
Uns erreichen viele Anrufe von Kommunalpolitikern, die sich nach Vorschlägen erkundigen, Abhilfe erwarten und sich eine Einigung im Parlament wünschen. Im Übrigen, meine Damen und Herren, handelt es sich dabei nicht nur um Leute aus unserer Partei.
Wir haben diese Entwicklung aufgegriffen und Vertreter der Initiative „Schule vor Ort“ zu einer Anhörung über unseren Gesetzentwurf eingeladen, um uns mit ihnen auszutauschen.
An dieser Stelle muss auch ganz klar gesagt werden, meine Damen und Herren, unsere Fraktion hat die Forderung der Elterninitiative bei weitem nicht 1 : 1 übernommen. Wir haben versucht, einen Kompromiss zu finden, der sich an den Notwendigkeiten der Praxis orientiert. Dabei halten wir an der Mindestzügigkeit der einzelnen Schulformen fest.
Erstens Übergangsregelungen. Diese Idee deckt sich mit unseren Forderungen aus dem Frühjahr, ist nicht im Entwurf der Elterninitiative enthalten und setzt die Verordnung der Anfangsklassenbildung außer Kraft. Wir wollen die konkreten Schülerzahlen an den Schulformen der Sekundarstufe I überbrücken und jene Schulstandorte sichern, die nach einem Übergangszeitraum wieder ansteigende Schülerzahlen aufweisen würden. Dazu schlagen wir vor, dass eine Anfangsklasse dann gebildet werden kann, wenn sich die Gesamtzahl aller an einer Schule angemeldeten Schüler über der Mindestschülerzahl für die jeweilige Schulform befindet.
Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Eine Sekundarschule mit 300 Schülerinnen und Schülern bekommt in der Klassenstufe 5 nur 35 Schülerinnen und Schüler zusammen. Nach der gegenwärtigen Verordnungslage dürften keine Anfangsklassen gebildet werden. Die Schule würde von unten austrocknen und die Schüler müssten weite Wege an eine andere Schule in Kauf nehmen. Genau das wollen wir nicht. Mit unserer Regelung könnten die Anfangsklassen auch mit dieser Schülerzahl gebildet werden, da die breiten Jahrgangsstärken der darüber liegenden Jahrgänge dieses Defizit abfangen.
Zweitens. Unsere Ausnahmeregelungen richten sich vorrangig an Schulen in dünn besiedelten Gebieten. So sollen Sekundarschulen mit einer Mindestschülerzahl von 180 statt 240 und Gymnasien und Gesamtschulen mit einer Mindestschülerzahl von 360 statt 450 weiter be
stehen können, wenn es - das ist entscheidend, meine Damen und Herren - keine weitere Schule dieser Form am Standort gibt. Für die Grundschulen haben wir die in der Verordnung enthaltene Ausnahme von mindestens 40 Schülern zur Regel erklärt.
Drittens haben wir die Voraussetzungen zur Bildung von Schulverbünden vereinfacht und praktikabel gemacht.
Sehr geehrte Damen und Herren von CDU und FDP, ich fordere Sie wirklich auf, Ihre Blockadehaltung aufzugeben. Lassen Sie uns gemeinsam Lösungen für die offensichtlichen Probleme finden.
Herr Kultusminister, tragen Sie bitte Ihren Teil zur Kompromissfindung bei - zu dem Kompromiss, den Sie immer einfordern - und setzen Sie Ihre Verordnung zur Anfangsklassenbildung sowie den Termin zur Vorlage der Schulentwicklungsplanung aus. Dies, meine Damen und Herren, ist die Voraussetzung dafür, dass sich die Planungsträger mit unseren neuen Rahmendaten beschäftigen können.
Im Übrigen, Herr Olbertz: Niemand aus unserer Fraktion unterschätzt die kritische Öffentlichkeit. Aber auch Sie sollten dies nicht tun; denn es geht nicht darum, politisches Kapital aus einer Sache zu schlagen, sondern darum, die Ängste der Menschen ernst zu nehmen und Abhilfe zu schaffen.
Wir bitten um Unterstützung für unseren Gesetzentwurf und um Überweisung in den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft. Einer Überweisung des Gesetzentwurfs der PDS-Fraktion würden wir ebenfalls zustimmen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren! Die Gesetzentwürfe sind nun eingebracht. Wir kommen zur Debatte darüber. Zunächst erteile ich für die Landesregierung Herrn Minister Olbertz das Wort. Bitte schön, Herr Minister.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Gegenwärtig überarbeiten die Landkreise und kreisfreien Städte die mittelfristige Schulentwicklungsplanung. Diese ist der Schulbehörde bis zum 31. Dezember 2003 zur Genehmigung vorzulegen - ein Jahr später als ursprünglich vorgesehen; denn wir haben schon aus genau den von Ihnen genannten Gründen die Vorlage der Fortschreibung der Schulentwicklungsplanung um ein volles Jahr ausgesetzt.
Die Auswirkungen des Geburtenrückganges auf die Schülerzahlen sind inzwischen allenthalben sichtbar. Wir haben jetzt die Pflicht, aber auch die Chance, ein verlässliches Schulnetz mit dauerhaft bestandsfähigen Schulstandorten im Land zu errichten.
Eine weitere Verzögerung dieser Entscheidung - denn das kann man Jahr für Jahr machen - würde zu einer weiter anhaltenden Unsicherheit bei Eltern und Schülern führen, die - bei allem verständlichen Einsatz für den Bestand ihrer jeweiligen Schule - zu Recht Auskunft darüber fordern, welche Schule ihr Kind künftig besuchen wird und wie sicher es ist, dass dieses Kind, das
dort eingeschult wird bzw. in die fünfte Klasse geht, an dieser Schule auch seinen Schulabschluss machen kann.