Protocol of the Session on October 23, 2003

Herr Minister Jeziorsky, Sie haben den Standpunkt der Landesregierung zu den Marktveranstaltungen dargelegt. Ihnen ist sicherlich bekannt, dass im mitberatenen Wirtschaftsausschuss die Regelung zur Sonntagsöffnung von Videotheken zusätzlich im Gesetzentwurf festgeschrieben worden ist. Wie beurteilen Sie diese Änderung gegenüber dem Regierungsentwurf?

Erstens. Dies ist mir bekannt. Zweitens gab es vorher eine Diskussion darüber, ob eine solche Regelung bereits in den Gesetzentwurf aufgenommen werden soll. Dies ist seinerzeit verneint worden. Es ist aber auch sicher - das wissen Sie, Herr Rothe -, dass die Möglichkeit, die Videotheken an Sonntagen zu öffnen, in anderen Bundesländern schon geschaffen worden ist. Insoweit ist ein solcher Antrag, der während der Ausschussberatungen eingebracht worden ist, nicht verwunderlich.

Dass er eine Mehrheit gefunden hat, ist Angelegenheit der Ausschussberatung.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke sehr, Herr Minister. - Wir treten nun in die Debatte der Fraktionen ein. Die PDS hat auf einen Debattenbeitrag verzichtet. - Dabei bleibt es. Dann rufe ich als ersten Debattenredner den Abgeordneten Herrn Schulz für die CDU-Fraktion auf.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Nach den Urteilen des Verwaltungsgerichts Dessau und des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg aus den Jahren 1997 und 1998 bietet die bisherige Rechtslage in Sachsen-Anhalt keine Grundlage mehr, um Marktveranstaltung nach der Gewerbeordnung an Sonn- und Feiertagen durchzuführen. Geschützt durch höchstrichterliche Rechtsprechung können nach der alten Rechtslage Ausnahmegenehmigungen nur in besonders gelagerten und entsprechend begründeten Einzelfällen erteilt werden.

Aber der Weg dazu war umständlich und schreckte viele ab. Bei der Festsetzung solcher Märkte mussten zunächst die Stellungnahmen von Berufsgenossenschaften und Verbänden eingeholt werden. Wenn diese endlich vorlagen, musste der gut begründete Antrag Wochen vorher beim zuständigen Landkreis eingereicht werden. Der Landkreis leitete diesen, wenn es in diesem Zusammenhang auch noch um das Ladenschlussgesetz ging, an das Regierungspräsidium zur Genehmigung weiter. Wenn der Antrag endlich genehmigt war, musste er auch noch im Anzeigenblatt veröffentlicht werden usw.

Mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung wird nun ein weiterer Teil unseres öffentlichen Lebens vereinfacht. Daneben konkretisiert und präzisiert er die Kriterien für die Festsetzung der Märkte und nimmt sie aus der rechtlichen Grauzone, die nach den genannten Gerichtsurteilen entstanden ist.

Im Hinblick auf den Inhalt des Entwurfes will ich die Äußerungen des Ministers nicht wiederholen. Dazu nur so viel: Zukünftig soll es erlaubt sein, einmal im Monat an einem Sonntag oder am 1. Mai bzw. am 3. Oktober Spezialmärkte, denen ein die regionale Identität oder den Fremdenverkehr fördernder Wert zukommt, und zusätzlich die Weihnachtsmärkte in der Adventszeit durchzuführen.

Die CDU-Fraktion ist der Meinung, dass mit diesen Veranstaltungen der Schutz der Sonn- und Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gewährleistet ist, und zwar weil bei diesen Märkten die Freizeitgestaltung und die Unterhaltung der Marktbesucher im Vordergrund steht.

Für die überwiegend kommerziell geprägten übrigen Spezialmärkte trifft dies so nicht zu. Es ist aber richtig, dass wir uns diesbezüglich entsprechend dem Vorschlag der Landesregierung an den Regelungen des Ladenschlussgesetzes orientieren, die Ausnahmen von dem sonn- und feiertäglichen Arbeitsverbot vorsehen und die die Durchführung der übrigen Spezialmärkte bis zu vier Mal im Jahr an einem Sonntag ermöglichen.

Als Letztes möchte ich auf die Videotheken eingehen. Der Innenausschuss empfiehlt dem Landtag, deren Öffnung an Sonntagen ab 13 Uhr zu erlauben, jedoch nicht an Sonntagen, auf die ein staatlich anerkannter Feiertag fällt, so wie zu Ostersonntag, zu Pfingstsonntag, zum Volkstrauertag oder zum Totensonntag.

Mit dieser Regelung erleichtern wir es den Bürgern, die mit dem Anschauen von Filmen ihre sonntägliche Arbeitsruhe genießen wollen, dies auch so wahrzunehmen. Glauben Sie mir, meine Damen und Herren, es handelt sich hierbei um einen Großteil unserer Bevölkerung. Deswegen ist es notwendig, ihnen das gesetzlich auch zu ermöglichen. Viele andere Bundesländer machen uns das vor.

Auf der anderen Seite berücksichtigen wir aber auch die Interessen der evangelischen und der katholischen Kirche und ihrer Mitglieder, indem wir den Sonntagvormittag und die Feiertage außen vor lassen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung, die die Änderungsvorschläge des Innenausschusses berücksichtigt. Das Begehren einiger Genossen der SPD-Fraktion lehnen wir ab. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke, Herr Abgeordneter Schulze. Würden Sie eine Frage des Abgeordneten Herrn Reck beantworten?

Bitte sehr, Herr Abgeordneter Reck.

Herr Schulz, ich hatte eben den Eindruck, dass Sie den Änderungsantrag, den einige Abgeordneten gestellt haben, deren Anliegen es ist, den Schutz des Sonntags nicht nur bis zum Mittag zu gewährleisten, und für die es ein hohes Gut ist, dass der gesamte Sonntag geschützt wird, etwas in eine Ecke gestellt haben, die dem Anspruch, den diese Abgeordneten an ihren Änderungsantrag gestellt haben, nicht gerecht wird. Habe ich dies richtig verstanden? Oder habe ich dies nicht richtig verstanden? Denn Sie haben gesagt: Den Änderungsantrag einiger Genossen müssen wir leider ablehnen.

Sie haben mich richtig verstanden, sehr geehrter Herr Reck. Wir sind der Meinung, dass wir denjenigen, die die von Ihnen geschilderte Meinung vertreten, bereits damit entgegengekommen sind, dass der Sonntagvormittag weiterhin die Zeit der Arbeitsruhe und der seelischen Erholung bleibt. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Abgeordneter Rothe, jetzt haben Sie das Wort.

(Frau Budde, SPD: Sie können auch Genosse sagen, wenn das jetzt der neue Stil ist! Nicht so!)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Sonntag gibt es schon viel länger als die Genossen.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD - Zu- stimmung von Herrn Lukowitz, FDP, und von Herrn Hauser, FDP)

Deshalb lade ich die Kollegen aus den Fraktionen von CDU und FDP herzlich ein, diesen Änderungsantrag mehrerer Abgeordneter zu unterstützen.

Vorgestern Abend fand im Roncalli-Haus eine Vortragsveranstaltung zur Notwendigkeit des Schutzes des Sonntags aus der Sicht der Politik statt. Referent war der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Hermann Kues. Er beschrieb den Sieben-Tage-Rhythmus als ein Geschenk des Christentums an die Gesellschaft, egal, wie sie jetzt zusammengesetzt ist. Dr. Kues sagte:

„Der arbeitsfreie Sonntag ist ein wesentlicher Teil des Wertefundaments, auf dem unsere Gesellschaft ruht. Die Menschen brauchen den Sonntag. Der Sonntag ist ein hohes menschliches Kulturgut. Der Sonntag ist ein viel zu hohes Gut, um ihn kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen zu opfern.“

- Soweit Herr Dr. Kues.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich stimme dem zu. Ich stimme auch dem Kollegen Scharf zu, der am 14. Oktober des letzten Jahres in der Presse mit folgenden Worten zitiert worden ist:

„Der Sonntag ist uns heilig.“

Ein weiteres Zitat von Ihnen, Herr Scharf, lautet:

„Wenn der Vater seinen Sonntag künftig erst am Montag, die Mutter am Mittwoch und die Kinder am Sonntag haben, gerät die Familie als Keimzelle der Gesellschaft in eine Zerreißprobe.“

In der „Volksstimme“ vom 5. Februar 2003 hat der Kollege Kehl verkündet, dass die FDP den Videotheken auch sonntags und an Feiertagen Öffnungsmöglichkeiten einräumen will.

Herr Minister Jeziorsky hat sich am 25. März 2003 davon noch unbeeindruckt gezeigt. Herr Minister, Sie sagten:

„Einen Tag in der Woche muss es geben, an dem die werktägliche Geschäftigkeit ruht, an dem Besinnung, Erholung, Entspannung und Familienleben im Vordergrund stehen.“

Sie, Herr Jeziorsky, haben dann bei der Einbringung des Regierungsentwurfes und eben noch einmal in der Debatte gesagt, dass Ihnen der Schutz des Sonntags am Herzen liege und dass die von Ihnen vorgeschlagene Regelung eine ausgewogene sei. Das bezieht sich aber wohlweislich auf den Regierungsentwurf und nicht auf das, was hinzugekommen ist, nämlich die Öffnungszeiten für Videotheken.

Ich sage ein wenig polemisch: Ich habe den Eindruck, nachdem die FDP in der SOG-Debatte bei der Videobeobachtung öffentlicher Plätze eingeknickt ist, wird sie

nun mit der Öffnung der Videotheken am Sonntag belohnt.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der SPD: Ja- wohl!)

In dem Regierungsentwurf ging es - das ist vorhin von Herrn Schulz noch einmal angesprochen worden - um bis zu 20 Marktveranstaltungen, davon zwölf mit kulturellem Charakter, an Sonn- und Feiertagen.

Wir haben im Innenausschuss einen Änderungsantrag vorgelegt, der das nur modifizieren sollte, aber im Grundanliegen durchaus mitgeht. Wir wollten die kulturellen Marktveranstaltungen ebenfalls an zwölf Sonntagen im Jahr zulassen, wir wollten aber, dass Marktveranstaltungen mit kommerziellem Charakter auf dieses dann von den Kommunen zu verwaltende Kontingent angerechnet werden. Wir wollten also die Gesamtzahl von 20 Veranstaltungen auf zwölf Veranstaltungen mit einer Präferenz für kulturelle Veranstaltungen reduzieren. Leider hat dieser Vorschlag keine Mehrheit gefunden.

Politisch und unter dem Aspekt des Sonntagsschutzes wesentlich wichtiger ist aber das, was hinzugekommen ist, nämlich die Öffnungszeiten der Videotheken. Hiermit werbe ich um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. Wir haben bewusst die Form als Antrag mehrerer Abgeordneter gewählt, bei der sich Kollegen aus den anderen Fraktionen zwanglos anschließen können. Man kann auch unter vernünftigen Leuten zu diesem Thema verschiedener Meinung sein.

Ich werbe dafür, dass wir gemeinsam ein Konzept unterstützen, für das Frau Dr. Kuppe schon als Ministerin gestritten hat, nämlich eine Liberalisierung in der Woche und keine Abstriche beim Schutz des Sonntages.

(Beifall bei der SPD)

Bei der Liberalisierung der Öffnungszeiten in der Woche sind wir Sozialdemokraten im Übrigen konsequenter vorgegangen als die im Landtag regierungstragenden Parteien. Man kann sich die Videokassette für den Sonntag am Samstag bis 20 Uhr beschaffen. Ich denke, das reicht bei der heutigen Qualität der Wettervorhersagen aus.

(Heiterkeit bei der SPD)

Die Videothekenbetreiber haben - Herr Minister, Sie haben es erwähnt - schon vor der Einbringung des Regierungsentwurfes eine intensive, um nicht zu sagen aggressive Lobbyarbeit betrieben. Aber offenbar ist man im Innenministerium ein wenig zeitgeistresistenter als in den Koalitionsfraktionen, meine Damen und Herren.

Lassen Sie mich noch zwei unernste Fragen an die Koalitionspartner richten. Zuerst an die CDU-Fraktion. Herr Scharf, Sie haben sich eine Spaßpartei angelacht. Das sei Ihnen auch vergönnt. Aber wollen Sie es so weit kommen lassen, dass wir Sozis den heiligen Sonntag vor Ihnen schützen müssen?