Protocol of the Session on September 18, 2003

(Frau Dr. Weiher, PDS: Also bitte! - Weitere Zuru- fe von der SPD und von der PDS)

Im parlamentarischen Verfahren kommt es stets zu Veränderungen. Ob das ganz genau so beschlossen wird, ob zum Beispiel ein Deckungsvermerk weggenommen wird oder nicht, das ist alles noch offen, das werden wir sehen.

(Zuruf von Frau Budde, SPD)

Frau Abgeordnete, es gibt noch eine Anfrage des Fraktionsvorsitzenden Herrn Dr. Püchel. Sind Sie bereit, sie zu beantworten? - Bitte sehr, Herr Dr. Püchel.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, den Schallpegel etwas zu dämpfen, damit wir die Anfrage von Herrn Dr. Püchel auch wirklich verstehen.

Wir haben in den letzten Tagen von einem Kollegen aus der CDU gehört, dass er sich dagegen ausspricht, die Jugendpauschale in das FAG zu übertragen. Nach dem, was Sie jetzt gesagt haben, scheint auch bei Ihnen Bewegung drin zu sein. Können wir also davon ausgehen,

dass die Fraktionen das noch rückgängig machen können?

Ich habe gesagt, dass das ein Entwurf der Landesregierung ist und dass wir ihn in den Fraktionen beraten werden. Mit welchem Ergebnis, kann ich jetzt noch nicht sagen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Vielen Dank, Frau Röder. - Meine Damen und Herren! Für die PDS-Fraktion erteile ich nun der Abgeordneten Frau von Angern das Wort. Bitte sehr, Frau von Angern.

Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Es ist fast ein Jahr her, dass ich an diesem Pult stand und meine Rede mit einem Liedtext von Grönemeyer einleitete: „Kinder an die Macht!“. Dem Protokoll konnte ich später entnehmen, dass Sie, Herr Gürth, mich damals fragten, ob ich das denn wirklich wolle. Heute möchte ich Ihnen antworten: Ja!

(Zustimmung bei der PDS)

Das könnte ich mir durchaus vorstellen, wenn da nicht ein Haken wäre. Dieser Haken wurde mir beim Lesen einer Zeile auf einem Plakat bewusst. Darauf stand nämlich, dass Kinder nie von allein auf die Idee kämen, einander wegen ihrer Hautfarbe zu hassen.

Das stimmt genau; denn wir beeinflussen unbewusst oder bewusst Kinder. Wir sind maßgeblich für den Werdegang von Kindern verantwortlich, und zwar als Eltern, aber eben auch als Politiker und Politikerinnen.

Die Große Anfrage der SPD und die Antwort der Landesregierung zeigen dies deutlich. Wenn ich an die in den letzten Wochen von Ministerpräsident Böhmer begonnene Zukunftsdebatte denke, so müssen wir darüber nachdenken, wie wir Kinder-, Jugend- und Familienpolitik beeinflussen und verändern wollen und welche Gründe Sachsen-Anhalt jungen Menschen geben muss, damit sie nicht mit dem Strom der Abwandernden das Land verlassen.

In der Regierungserklärung vom 20. Juni 2002 - so ist es auch in der Großen Anfrage zu lesen - wurden durch die Landesregierung Maßnahmen benannt, mit denen versucht werden sollte, dem gravierenden Bevölkerungsschwund entgegenzuwirken. Ich zitiere: Entwicklungschancen für junge Menschen aufzeigen, Maßnahmen zur Übernahmegarantie nach Ausbildungsabschluss, gleicher Lohn für gleiche Arbeit und Qualität der Hochschulausbildung sichern.

Und, meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, was ist bis jetzt passiert? - Die Antwort auf die Große Anfrage zeigt es. Sie ruhen sich auf den Dingen aus, die die Vorgängerregierung ins Leben gerufen hat.

(Beifall bei der PDS - Lachen bei der CDU)

Ja, noch haben wir eine gute Qualität in der Kinder- und Jugendarbeit. Diese wollen Sie nun mehr und mehr in kommunale Verantwortung geben. Daran ist grundsätzlich erst einmal nichts auszusetzen. Doch ohne die ent

sprechende finanzielle Ausstattung wird es wohl ein Wolkenkuckucksheim werden.

Zwar steht in der Antwort auf die Großen Anfrage noch, dass Sie die Förderprogramme Jugendpauschale und Feststellenprogramm in einer Richtlinie zusammenfassen wollen - das finden wir grundsätzlich auch gut -, der letzte Diskussionsstand, der bisher von der FDP und vom Minister noch nicht ausgeräumt worden ist, ist aber der, dass Sie die Jugendpauschale ohne jegliche Zweckbindung in den kommunalen Finanzausgleich geben wollen.

Ich hoffe, dass sich Ihre Sozialpolitikerinnen und Sozialpolitiker, vorneweg Herr Kurze, noch durchsetzen werden und dass zumindest eine Zweckbindung verankert wird;

(Zustimmung bei der PDS)

denn auch das Engagement der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe stößt an haushalterische Grenzen. Die Landesregierung ist also gefragt, intelligente Lösungen zu finden, um die Qualität in der Jugendarbeit zu sichern und eben auch zu stabilisieren.

Der Antwort ist außerdem zu entnehmen, dass die Landesregierung die unterschiedlichen gesellschaftlichen Partner bei der Durchführung von Maßnahmen gegen fremdenfeindliche und rechtsextremistische Tendenzen unterstützt. - Klingt gut. Doch wie sieht die Realität aus?

Eine der ersten und für die neu gewählte Landesregierung scheinbar die wichtigste Aussage war im letzten Jahr, die Landesgelder für den Verein „Miteinander“ würden gestrichen. Infolge des öffentlichen Drucks kam es dann doch nicht zu dieser drastischen Kürzung. Am letzten Sonntag bekam der Verein einen bundesweit ausgeschriebenen Preis der Martin-Niemöller-Stiftung, weil er die Gefahr der Normalisierung von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit erkennt, nicht bereit ist, diese hinzunehmen, und mit Handlungsstrategien dieser entgegenwirkt.

Frau von Angern, sind Sie bereit, eine Frage zu beantworten?

Im Anschluss an meine Rede.

Im Anschluss, Frau Wybrands.

Die Anerkennung des Wirkens dieses Vereins durch die Landesregierung und durch die sie tragenden Fraktionen wurde durch ihr Verhalten deutlich: Sie glänzten an diesem Tag mit Abwesenheit. Auch findet eine Erwähnung des Vereins in der Antwort auf die Große Anfrage nicht statt. Das fällt auf. Ich frage mich, ob ein solcher Umgang vor dem Hintergrund der aktuellen Situation, die in München deutlich wurde, überhaupt angebracht ist.

(Beifall bei der PDS)

Schließlich bemerkt die Landesregierung in ihrer Antwort zu dem seit März geltenden Kinderförderungsgesetz, dieses sichere - laut Antwort - eine umfassende Kinderbetreuung ab. Im Hinblick auf die Diskussion der letzten

Wochen in Bezug auf das Volksbegehren möchte ich nun doch darauf eingehen.

Wenn dieses Gesetz tatsächlich so gut ist, tatsächlich eine qualitativ hochwertige Bildung von Kindern absichert und nebenbei auch noch Männer emanzipiert, dann brauchen Sie doch gar keine Angst vor einem möglichen Erfolg des Volksbegehrens zu haben. Dementsprechend haben Sie es doch gar nicht nötig, die Menschen einzuschüchtern oder ihnen gar ihre Mündigkeit abzusprechen.

(Zustimmung bei der PDS und bei der SPD)

Ich denke, jede Frau und jeder Mann, die die Unterschrift für das Volksbegehren geben, wissen, was sie unterschreiben und auch warum sie es tun.

(Zuruf von der CDU)

- Ja, das meine ich. Sie sprechen den Menschen die Mündigkeit ab, und damit habe ich ein Riesenproblem.

Damit schließt sich auch der Bogen zur Zukunftsdebatte. Was wollen wir für die jungen Menschen in SachsenAnhalt tun? Wollen wir sie entmündigen, ihnen ein zu hohes Anspruchsdenken unterstellen und ihnen sämtliche Mittel kürzen oder wollen wir uns ernsthaft mit dem Problem der Abwanderung auseinander setzen und in diesem Zusammenhang auch eine Einnahmedebatte führen und nicht nur darüber nachdenken, wie bei den Schwächsten mehr und mehr gespart werden kann?

Insgesamt habe ich nach dem Lesen der Antwort der Landesregierung das Gefühl, dass Sie kein Konzept haben, wie Sie Kinder-, Jugend- und Familienpolitik in den nächsten Jahren gestalten wollen. Zudem findet keine ausreichende Verzahnung und ressortübergreifende Zusammenarbeit statt. Darin schließe ich mich Frau Grimm-Benne an. Das können wir uns, denke ich, in Zeiten des großen Sparens nicht leisten.

Also erläutern Sie uns Ihr gegebenenfalls doch vorhandenes Konzept und beantworten Sie die Frage: Was macht Sachsen-Anhalt für künftige Generationen lebenswert? - Danke.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD)

Frau Abgeordnete Wybrands, Sie können jetzt Ihre Frage stellen.

Frau von Angern, Sie erwähnten den Verein „Miteinander“ und suggerierten damit, dass nur dieser Verein etwas gegen Fremdenfeindlichkeit und für Demokratie und Toleranz tut. Ich weiß nicht, ob Ihnen bewusst ist, dass etwa im Einzelplan 05 des Haushalts wesentlich mehr Mittel vorgesehen sind für Demokratie und Toleranz, als der Verein „Miteinander“ jemals gehabt hat, und dass viele Vereine in unserem Land tagtäglich an der Basis diese Arbeit leisten, unterstützt durch die Landesregierung mit einem hohen finanziellen Aufwand. Ich bitte Sie, doch endlich zur Kenntnis zu nehmen, dass nicht nur der Verein „Miteinander“ das konnte, sondern viele andere Vereine in unserem Land auch.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Frau Wybrands, ist das Ihre Frage?

Ich denke, ich kann es als Frage verstehen.

Ich habe nicht behauptet, dass nur der Verein „Miteinander“ in diesem Land etwas gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit tut, das auf keinen Fall. Ich habe nur festgestellt, dass die Landesregierung in ihrer Antwort den Verein „Miteinander“ nicht einmal erwähnt hat und dass der Verein „Miteinander“ eine bundesweit anerkannte Arbeit leistet. Mit dem zuerst Genannten habe ich ein Problem.

Im Übrigen: Ja, ich habe festgestellt, dass für Toleranz und Demokratie 300 000 € in den Einzelplan 05 eingestellt worden sind.

Sind Sie bereit, eine weitere Frage der Abgeordneten Frau Wybrands zu beantworten?