Protocol of the Session on September 18, 2003

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Viel zu sagen hat mir Minister Rehberger nicht mehr übrig gelassen. Ich will trotzdem kurz einiges dazu sagen.

Um es gleich vorwegzunehmen: Die FDP-Fraktion wird diesen Antrag ablehnen.

(Frau Budde, SPD: Ganz überraschend!)

In diesem Antrag wird die Situation am Ausbildungsmarkt als schlechter dargestellt als in den vorangegangenen Jahren. Das ist aber tatsächlich nicht der Fall. Der Minister hat die Zahlen schon genannt. Wir haben in diesem Jahr per Stichtag 31. August ca. 2 % betriebliche Ausbildungsplätze weniger als im Vorjahr. Damit liegen wir deutlich besser als alle anderen Bundesländer. In Sachsen gibt es einen Rückgang von 9,5 %, in Mecklenburg-Vorpommern von 8 %. Also, auch unter den ostdeutschen Bundesländern sind wir wirklich dasjenige Land, das noch die stabilste Zahl an betrieblichen Ausbildungsplätzen hat.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Von wem?

Von Herrn Abgeordneten Metke.

Ja.

Bitte.

Frau Röder, Sie haben das ja heute Morgen schon einmal gesagt. Wenn man die Situation dieses Jahres isoliert betrachtet, könnte man auch zu diesem Ergebnis kommen. Nur: Ist Ihnen bekannt, dass wir im vergangenen Jahr im Grunde genommen bereits ein Rekordminusjahr hatten, das wir in diesem Jahr nochmals unterschreiten?

(Minister Herr Dr. Rehberger: Bundesweit!)

Der Minister sagt, dass dies bundesweit so ist. Ich sehe noch nicht, dass wir im Saldo dieses Jahres die Zahl unterschreiten werden. Wir hatten per Stichtag 31. August 2 % weniger betrieblich Ausbildungsplätze. Im September tut sich noch einiges. Ich war am Dienstag bei einer Veranstaltung der IHK in Magdeburg. Dort standen noch ca. 400 betriebliche Ausbildungsplätze zur Verfügung, die den Jugendlichen angeboten wurden. Die IHK hat auch gesagt, dass diese 400 Ausbildungsplätze nicht nur nicht besetzte Stellen seien, sondern auch tatsächlich neu geschaffene Ausbildungsplätze.

Die Wirtschaft hat das Problem des kommenden Fachkräftemangels erkannt. Das gilt sowohl für die normalen Ausbildungsberufe als auch für die Hochschulabgänger. Wenn zum Beispiel der Zementhersteller in Karsdorf jetzt an einer Stiftung mitwirkt, wobei Studenten in technischen Fächern Stipendien bekommen, über Praktika ins Unternehmen geholt werden, an das Unternehmen herangeführt werden, weil die Unternehmen in der Zukunft in diesen technischen Berufen große Schwierigkeiten haben werden, bei den Fachkräften den entsprechenden Nachwuchs zu bekommen, dann zeigt sich in dieser Initiative doch, dass die Wirtschaft das Problem erkannt hat und selbst aktiv dagegen vorgeht. Das ist völlig richtig, solche Aktionen müssen unterstützt werden. Auf diese Weise wird konkret an das Problem herangegangen.

Sie fordern in Ihrem Antrag - das haben Sie auch gesagt - eine freiwillige verbindliche Vereinbarung mit der Wirtschaft, in der festgelegt ist, dass sie weitere Ausbildungsplätze schafft. Das läuft, wie Sie selber gesagt haben, im Endeffekt auf eine Ausbildungsplatzabgabe hinaus. Wen aber trifft das? Die größeren Unternehmen im Land bilden durchweg aus. Diejenigen, die nicht ausbilden, sind in erster Linie kleine und Kleinstbetriebe, die es sich schlicht und einfach nicht leisten können, einen Lehrling auszubilden. Das ist ihnen einfach zu teuer.

Das wird auch dadurch verursacht - das gilt nicht für alle Bereiche -, dass in einigen Bereichen per Tarifvertrag sehr, sehr hohe Lehrlingslöhne festgelegt sind. Das ist für viele Betriebe schlicht zu teuer. Deshalb bilden sie nicht aus. Diese Betriebe würden mit einer Ausbildungsplatzabgabe noch zusätzlich bestraft und damit würde möglicherweise auch die Existenz dieser Betriebe infrage gestellt werden. Damit kann man Arbeitsplätze gefährden und das wollen wir nicht. Die Ausbildungsplatzabgabe wird also von uns abgelehnt.

Die Verwendung dieser Ausbildungsplatzabgabe wird im Endeffekt auch nicht positiv sein; denn es steht zu vermuten, dass damit überbetriebliche Ausbildung gefördert wird. Überbetriebliche Ausbildung ist aber immer nur die zweitbeste Lösung. Die Jugendlichen arbeiten nicht im Unternehmen. Möglicherweise wird auch in Fächern am Bedarf vorbei ausgebildet. Deshalb halten wir das für

den falschen Weg. Wir halten es für den richtigen Weg, einzelne Unternehmen zu fördern, Jugendliche mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen zu fördern, um so konkret eine betriebliche Ausbildung für die Jugendlichen zu ermöglichen.

In diesem Jahr sieht es gut aus. Wir hoffen, dass wir das in den folgenden Jahren weiter so vorantreiben können. Sachsen-Anhalt ist in diesem Punkt auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke, Frau Abgeordnete Röder. - Für die PDS-Fraktion erteile ich der Abgeordneten Frau Ferchland das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben auf dem europäischen Beschäftigungsgipfel am 21. November 1997 beschlossen, dass nach fünf Jahren kein Jugendlicher länger als ein halbes Jahr ohne Ausbildung oder Beschäftigung sein soll. Das heißt, im Jahr 2003 soll jeder Jugendliche höchstens ein halbes Jahr arbeitslos sein. Danach sollte ihm ein Ausbildungsplatz, eine Beschäftigung oder eine Umschulungsmaßnahme angeboten werden.

Die registrierte Jugendarbeitslosigkeit steigt. Die Ausbildungsplatzlücke ist nicht nur in Ostdeutschland nach wie vor sehr hoch. Deutschland wird dieses Ziel nicht erreichen. Die strukturelle Situation in der beruflichen Ausbildung ist seit Jahren prekär und spitzt sich gerade im Jahre 2003 noch mehr zu. Die Zahlen und auch die unterschiedlichen Interpretationen dazu haben wir heute schon gehört.

Aber, meine Damen und Herren, die Ausbildungsplatzbilanzen zum Schuljahresbeginn, ob betrieblich oder außerbetrieblich, geben doch nur einen Teil der Wahrheit wieder. Wenn es denn eine solche Funktion je gehabt hat, kommt dem dualen System der beruflichen Bildung in Ostdeutschland keine qualitative und quantitative bildungspolitische Funktion mehr zu; denn die Mehrheit der Jugendlichen mündet mittlerweile nach dem Schulabgang in nichtbetriebliche Ausbildung, in Berufsvorbereitung und in Beschäftigungsangebote unterschiedlicher Qualität ein.

Größter Ersatzanbieter im Bereich der beruflichen Erstausbildung sind vornehmlich berufliche Schulen, gefolgt von den Anbietern der Jugendberufshilfe, hauptsächlich im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit.

In dem sich überall herausbildenden Maßnahmendschungel und Tausenden Warteschleifen finden sich Jugendliche und ihre Eltern ohne fremde Hilfe nur noch bedingt zurecht. Die Zahl der Ausbildungsabbrecher steigt im Land auf 12 %. Auch hierzu gibt es Beschlüsse des Europäischen Rates. In Lissabon wurde festgelegt, dass die Zahl der Jugendlichen ohne Abschluss bis zum Jahre 2011 auf die Hälfte zu senken ist. Auch diesbezüglich steht Deutschland vor einer schwierigen Aufgabe, denn bundesweit sind es 14 %.

Die Altnachfrage im Land liegt bei 40 %, und nach Aussage des Landesarbeitsamtes bei der Veranstaltung „Focus Jugend“ des KJR in der letzten Woche müssen 50 % davon wieder fit gemacht werden, weil sie zu lange draußen waren.

Die Arbeitslosigkeit der Jugendlichen unter 25 Jahren steigt. Sie liegt bei 23,7 % im Land. Das sind ungefähr 32 000 Jugendliche, die alle ausgebildet sind.

Ich denke, wir stehen hier vor einem weit größeren Problem, als es der Antrag der SPD skizziert.

(Zustimmung von Frau Dr. Sitte, PDS)

- Danke schön. - Aus der Sicht der PDS jedenfalls kann die Zahl der Unversorgten nicht zum Maßstab für eine erfolgreiche Bildungspolitik gemacht werden. Die hohe Ausbildungsnachfrage und die vorhandenen Ausbildungsplatzdefizite zwingen die Politik zum Handeln.

Die von der Wirtschaft gemachten Zusagen, zum Beispiel im Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit, oder die jährlich gemachten Zusagen des Arbeitgeberpräsidenten werden nicht erfüllt. Somit kommt es zu politisch gewollten Fördermaßnahmen im Bereich der beruflichen Ausbildung mit der Folge, dass ein erheblicher Teil der Ausbildungsplätze derzeit über öffentliche Mittel voll oder teilweise finanziert wird. Auch wenn finanzielle Anreize, Hilfsmaßnahmen und öffentliche Zuwendungen einerseits kurzfristig zur Vermehrung des betrieblichen Ausbildungsangebotes beitragen, lassen sie andererseits doch den Eindruck einer zunehmenden Verstaatlichung der dualen Ausbildung zu.

Meine Damen und Herren! Der staatliche Beitrag zur Finanzierung der Berufsausbildung wurde im Jahr 2000 auf insgesamt 7,8 Milliarden € einschließlich Ausgaben für die betriebliche Ausbildungsförderung ohne Hochschulen beziffert. Dabei betrugen in den Jahren 1999 bis 2001 die Bundesausgaben zur Förderung der betrieblichen Ausbildung im Jahresdurchschnitt 779 Millionen €. Ungefähr drei Viertel davon wurden für den Ausgleich der Defizite bei der betrieblichen Ausbildung ausgewiesen.

Neben Bund und Ländern leistet die Bundesanstalt für Arbeit mit öffentlichen Mitteln auf der Grundlage des SGB III ebenfalls die Förderung beruflicher Ausbildung, vorwiegend für benachteiligte und behinderte Jugendliche. Auch dabei stiegen im Zeitraum von 1998 bis 2001 die Ausgaben von 2,6 Milliarden € auf 3,3 Milliarden €. Im Land werden mittlerweile 87 % aller betrieblichen Ausbildungsplätze gefördert. Dennoch gibt es Klagen in der Wirtschaft.

Trotz oder wegen der erheblichen Förderung hat sich das Ausbildungsverhalten nicht geändert. Nur 28 % der Unternehmen im Land bilden aus. Ich frage Sie: Wie lange wollen wir das noch hinnehmen und wie lange können wir uns das noch leisten?

Die Einrichtung eines Ausbildungsfonds begrüßen wir ausdrücklich. Wir glauben, dass damit einer Verstaatlichung der Ausbildung entgegenzuwirken ist und auch den Anforderungen an eine qualitativ hochwertige und moderne berufliche Erstausbildung Folge geleistet wird.

Nach der Auffassung der PDS ist es notwendig, endlich Strukturreformen im Ausbildungs- und Beschäftigungssystem, unter anderem durch eine grundlegende Berufsbildungsreform, die ja lange angekündigt, mittlerweile aber wieder verschoben worden ist, einzuleiten,

(Zustimmung bei der PDS)

die allen Jugendlichen, auch den schwächeren, eine qualifizierte Berufsausbildung bzw. eine Ausbildungsvorbereitung ermöglicht.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und der Ausbildungsnot gibt es auf Landesebene durchaus ein weites Handlungsspektrum. Ich denke, die Landesregierung weiß das, nur tut sie nichts dagegen. Wir werden dazu auf alle Fälle in den nächsten Wochen parlamentarisch aktiv werden. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Frau Abgeordnete Ferchland, würden Sie noch eine Frage des Abgeordneten Herrn Laaß beantworten?

Ja.

Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Kollegin Ferchland, ich habe eine Frage. Kennen Sie die Eigenkapitalquote in Deutschland?

Nein.

Dann sage ich sie Ihnen.

Ja.

Sie liegt bei ca. 20 %. In den ostdeutschen Ländern liegt sie weitaus niedriger, bei ungefähr der Hälfte dessen, bei etwa 7 %.

Sie sind Unternehmensberater, nicht wahr?

Das ist korrekt. - In Dänemark liegt die Eigenkapitalquote ungefähr bei 40 %. Dort reißen sich die Unternehmen um die Auszubildenden. Was meinen Sie, was ein Ausbildungsfonds, eine Zwangsabgabe für Auswirkungen auf diese Situation haben könnte?