Protocol of the Session on July 4, 2003

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Antrag „Chancen der Biotechnologie für Sachsen-Anhalt nutzen“ greifen wir im Landtag eine Thematik auf, die enorm viele Potenziale für dieses Land bietet. Heute kann aus dem Landtag ein sehr wichtiges Signal nach draußen dringen, nach draußen in die Wirtschaft, in die Landwirtschaft, in die Wissenschaft, aber auch an die Bürger unseres Landes, dass der Landtag von Sachsen-Anhalt als Parlament - anders als an anderen Orten in Deutschland - willens ist, sachlich und konstruktiv mit dem Thema Biotechnologie umzugehen, also nicht emotional, was ja nicht verboten ist, sondern vor allem sachlich und konstruktiv.

Wir in Sachsen-Anhalt haben gerade mit der grünen Biotechnologie Chancen und Voraussetzungen, uns als Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort zu profilieren wie kein zweiter Standort in Deutschland. Wir haben mit dem Netzwerk Innoplanta etwas vorzuweisen, woran andere noch arbeiten, nämlich ein Netzwerk zwischen Grundlagenforschung, angewandter Forschung, der Saatzucht, der Landwirtschaft und der Wirtschaft sowie der Administration der Behörden, die in diesem Netzwerk Innoplanta bereits inbegriffen sind.

Dieses Netzwerk, die Arbeitsweise und die Projekte, die da entstanden sind, haben bereits im Innoregio-Wettbewerb einen Preis der Bundesforschungsministerin Frau Bulmahn bekommen. Dort wurde der Ansatz der vernetzten Zusammenarbeit in den verschiedenen Disziplinen zum Thema Biotechnologie ausgezeichnet.

Allein am Standort Gatersleben beim IPK - Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung - arbeiten 460 Mitarbeiter, Wissenschaftler aus 20 Nationen, in der kleinen Gemeinde Gatersleben. Dieses IPK beherbergt die fünftgrößte Genbank der Welt, züchtet jährlich ca. 8 000 Pflanzen. Bereits jetzt ist in einer Machbarkeitsstudie festgestellt worden, dass die Pläne zum Ausbau eines Bioparks dort hervorragende Chancen besitzen.

Das dort ansässige biotechnische Gründerzentrum ist zu 100 % ausgelastet; weiterer Bedarf ist da. Wir haben dort nicht nur den Bereich der Saatzucht regelmäßig in die verschiedenen Runden eingebunden; die Industrie, die Landwirtschaft, die Administration, alle arbeiten an dem Thema Biotechnologie mit.

Wir haben darüber hinaus das Biotechnikum in Halle, an den Universitäten wird gearbeitet, und man könnte - ob das die Bundesanstalt für Züchtungsforschung oder Klein Wanzleben ist - dieser Reihe von Beispielen noch viele hinzufügen, die die Stärke unseres Landes im Bereich der Biotechnologie eigentlich heute schon ausmachen.

Das Entscheidende ist, dass man die Diskussion über Biotechnologie nicht verkürzt. Biotechnologie heißt nicht, wie ich neulich in einer wirklich sehr unsachlichen Zeitschrift, in einem Flugblatt hierzu gelesen habe, dass man die sprichwörtliche Fleisch fressende Tomate auf dem Nachttisch befürchten muss, die einen nachts angreift, sondern Biotechnologie ermöglicht vieles, was früher nicht möglich war. Das betrifft die Bekämpfung des Hungers, es betrifft aber auch Arznei- und Heilmittel, damit Krankheiten geheilt werden können, die heute noch nicht heilbar sind.

Ein ganz anderes Thema, das immer zu kurz kommt, betrifft die nachwachsenden Rohstoffe. Schon jetzt wird daran gearbeitet, Produkte, die zum Beispiel aus Erdöl hergestellt werden, durch Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen zu substituieren. Wir haben in SachsenAnhalt hervorragende Ausgangsvoraussetzungen, auch in diesem Bereich einen weiteren Schritt nach vorn zu machen. Hierzu können wir die Potenziale unseres Landes nutzen.

Ich finde, es ist ein ausgezeichnetes Signal nach draußen, dass sich der Landtag heute darauf verständigen wird, sowohl den vorliegenden Antrag als auch den Änderungsantrag der PDS-Fraktion zur konstruktiven Beratung in die Fachausschüsse zu überweisen.

Ich will einen letzten Aspekt kurz aufgreifen, den mein Vorredner noch angesprochen hat. Das ist der Punkt „Transparenz“. Es ist notwendig, dass wir immer wieder in die Wissenschaft transportieren, dass Transparenz sehr wichtig ist. Dort, wo Wissen fehlt, wo offene Fragen nicht beantwortet werden, entsteht Misstrauen. Aus Misstrauen entsteht Furcht und Furcht ist immer ein Nährboden für die emotionale und wenig konstruktive Behandlung von vielleicht problematischen Tagesfragen.

Deswegen muss unser Anliegen auch sein, den Wissenschaftlern Mut zu machen, mit allgemein verständlichen Worten zu erklären, was in den Laboren und in den wissenschaftlichen Einrichtungen geforscht wird. Dann haben wir gute Chancen, in wenigen Jahren d e r Standort für Biotechnologie in Deutschland zu werden. Ich freue mich sehr, dass der Landtag zu diesem Thema eine so sachliche Debatte geführt hat. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und von Minister Herrn Dr. Daehre)

Vielen Dank, Herr Gürth. - Für die SPD-Fraktion spricht Herr Dr. Püchel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesem Hause über die Rolle der Bedeutung von Biotechnologie zu sprechen hieße, Eulen nach Athen zu tragen - bei dem kompetenten Auditorium, das wir hier haben. Eben haben wir auch von Herrn Gürth einen sehr kompetenten Beitrag zu hören bekommen.

Wichtig wird auch sein - ich freue mich auf die Diskussion in den Ausschüssen -, über die Chancen und die Risiken zu sprechen. Manche betonen die Chancen, manche betonen die Risiken. Wir müssen beides klären und über beides reden, um für Akzeptanz zu sorgen, um Ängste zu nehmen, aber auch, um darüber aufzuklären, wo Gefahren bestehen.

Herr Gürth sagte eben zweimal, dass es ist wichtig und gut ist, dass von diesem Landtag ein Signal ausgeht. Dazu sage ich nur: Meine Damen und Herren, lieber Herr Schrader, lieber Herr Gürth, das Signal hätten wir klarer haben können. Sie haben vorher einen kleinen Eiertanz veranstaltet. Sie haben mich einmal im Flur angesprochen; Sie haben über die Zeitung mitgeteilt, dass wir etwas gemeinsam, über Parteigrenzen hinweg, machen wollen. Sie haben uns den Entwurf eines Antrages vorgelegt, der von allen Fraktionsvorsitzenden unterschrieben werden sollte. Aber noch ehe wir richtig über den Antrag diskutieren konnten, haben Sie, FDP und CDU, ihn selbst eingebracht. Es gibt sogar noch einen Briefwechsel dazu.

Sie hätten es ein bisschen klarer haben können. Aber das soll uns nicht davon abhalten, darüber zu diskutieren. Wir werden das gemeinsam tun. Wie gesagt, unsere Fraktion wird sich daran intensiv beteiligen.

Sie haben von 100 Jahren Saatzucht in der Börde und im Harz gesprochen. Herr Köck sprach von 50 Jahren Watson und Crick. Ich habe vor 25 Jahren in Gatersleben über Gentechnologie promoviert und habe in Klein Wanzleben gearbeitet. Ich kenne mich also auf der ganzen Strecke aus.

(Zustimmung von Herrn Kosmehl, FDP)

Ich bringe mich dabei gern selbst ein.

(Zustimmung bei der SPD und von Minister Herrn Dr. Daehre)

Das sind die Potenziale, die wir in Sachsen-Anhalt haben. Wir haben eine große Tradition in diesem Bereich.

Zwei Dinge muss man unterscheiden: Biotechnologie und Gentechnologie. Die Gentechnologie ist etwas Neues; die Biotechnologie ist Jahrtausende alt. Zum Beispiel die alkoholische Gärung - schon die alten Ägypter haben Alkohol getrunken - oder Brotbacken - das alles ist Biotechnologie. Davor darf man einfach keine Angst haben. Hätte man damals Angst davor gehabt, würde man heute kein Brot essen.

(Minister Herr Dr. Daehre: Alkohol ist gefährlich! - Herr Gallert, PDS: Mit Alkohol ist das so ein Ding! - Heiterkeit)

- Den vernichten wir ja, um andere davor zu schützen.

(Heiterkeit)

- Ich höre jetzt auf, bevor es zu lustig wird. - In diesem Sinne wünsche ich uns eine gute Beratung. Wie gesagt, wir beteiligen uns daran. Ich hoffe, dass zum Schluss ein Ergebnis herauskommt, das alle mittragen können. - Danke.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Püchel. - Nun ist noch einmal Herr Dr. Schrader an der Reihe, wenn er denn möchte. - Er möchte nicht.

Meine Damen und Herren! Es ist beantragt worden, den Änderungsantrag zusammen mit dem Antrag an viele Ausschüsse zu überweisen: zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit und zur Mitberatung an die Ausschüsse für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, für Umwelt, für Gesundheit und So

ziales, für Bildung und Wissenschaft sowie für Europaangelegenheiten.

Ich lasse darüber zusammen abstimmen. Wer diesem Überweisungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind offensichtlich alle. Stimmt jemand dagegen? - Niemand. Stimmenthaltungen? - Auch nicht. Damit ist die Überweisung einstimmig so beschlossen. Der Tagesordnungspunkt 17 ist beendet.

Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zur Behandlung des Tagesordnungspunktes 18:

Erste Beratung

Zum Gesetzentwurf zur Änderung der Regelungen über Altschulden in der Landwirtschaft

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/860

Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/889

Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/902

Einbringer des Antrages der PDS-Fraktion ist der Abgeordnete Herr Krause. Bitte sehr, Herr Krause.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Es wäre falsch zu sagen, dass uns das leidige Thema der Altschulden in der Landwirtschaft wieder eingeholt hätte. - Nein, es war immer da und hat die betroffenen Agrarunternehmen zwar mehr oder weniger, aber doch stets in Atem gehalten.

Die Altschuldenregelung ist für die mit Altschulden belasteten Agrarunternehmen und für die Beschäftigten dieser Betriebe praktisch die Strafe dafür, dass sie nicht einfach den Weg des Konkurses oder der Liquidation gegangen sind, sondern dass sie mit der Umstrukturierung der damaligen LPG zu neuen Agrargenossenschaften oder anderen Gemeinschaftsunternehmen eine weitestgehend intakte, zukunftsfähige Agrarstruktur und damit auch Arbeitsplätze im ländlichen Raum gesichert haben.

Was viele vielleicht bis heute nicht begreifen, ist schlicht und einfach die Tatsache, dass es gerade den Initiatoren der Umstrukturierung, also den Landwirten selbst, zu verdanken war und ist, dass es in den Dörfern nicht zu den sozialen Verwerfungen gekommen ist, zu denen es hätte kommen können.

(Zustimmung von Herrn Czeke, PDS)

Die Mehrzahl der Landwirte hat mit Engagement und Zivilcourage verantwortungsbewusst gehandelt. Darunter waren nicht wenige Wiedereinrichter. Es war richtig, gerade deren Neuanfang nicht mit Altschulden zu belasten.

Ein Problem habe ich aber damit, dass die umstrukturierten LPG-Nachfolgeunternehmen, die Landwirte, die den gemeinschaftlichen Weg wählten, bei immer geringer werdender Flächenausstattung den gesamten Brocken der nicht wertberichtigten Altschulden schlucken mussten. Das war - um es milde auszudrücken - nicht nur schlechthin ein Akt der Ungerechtigkeit und der Dis

kriminierung, sondern aus wirtschaftspolitischer Sicht auch eine total kontraproduktive Antwort auf das Engagement der Akteure in dieser Zeit. - So viel sei auch einmal zu der moralischen Seite dieser Angelegenheit gesagt.

Natürlich wissen wir alle, dass es in letzter Instanz knallhart ums Geld ging. Dazu vielleicht ein kleiner historischer Exkurs:

Ab 1990 begann die Umstrukturierung von LPG in bürgerliche Rechtsformen. Ein nicht geringer Teil dieser LPG war mit staatlichen Krediten belastet. Der Kreditgeber in der DDR war die Bank für Land- und Nahrungsgüterwirtschaft. Mit der Währungsunion wurden diese so genannten Altkredite im Verhältnis 2 : 1 umgestellt. Seitdem vermehrten sie sich zu bundesdeutschen Zinssätzen so stark, dass heute 50 % der betroffenen Unternehmen eine höhere Schuldenlast tragen, als sie selbst vor der zwischenzeitlich erfolgten Teilentschuldung bestand.

Nebenbei bemerkt: Das Eigenkapital der ehemaligen DDR-Banken wurde als einziges gesellschaftliches Vermögen bei der Währungsunion im Verhältnis 1 : 1 umgestellt, während das Umstellungsverhältnis der Betriebs-, Bevölkerungs- und Bankvermögen im Durchschnitt 1,81 : 1 betrug. Dies war ein gewaltiges Geschenk an die westdeutschen Banken.

Zusätzlich erwarben die Banken aber noch die Ansprüche auf die Altschuldenforderungen, darunter auch die, um die es uns heute geht. So hat die DG-Bank die DDRLandwirtschaftsbank für ganze 106 Millionen DM von der Treuhand gekauft, obwohl noch Bareinlagen in Höhe von sage und schreibe 250 Millionen Mark vorhanden waren, zudem Liegenschaften im ganzen DDR-Gebiet. Außerdem hat sie ohne eigenes Risiko milliardenschwere Schuldforderungen aus LPG-Krediten, insgesamt 7,6 Milliarden DM, erworben. Für deren Rückzahlung haften die gesamtdeutschen Steuerzahler.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Altschulden beim ökonomisch-politischen Systemwechsel aus wirtschaftlicher Sicht, zum Beispiel wegen der neuen Preisrelation und des EU-Quotensystems, viel zu hoch bewertet wurden. In der Fachliteratur wird von einem tatsächlichen Wertverlust zwischen 1 : 4 und 1 : 10 ausgegangen.