Protocol of the Session on July 4, 2003

Insofern wäre eine unabhängige Kommission ähnlich wie in Sachsen aus unserer Sicht an dieser Stelle sinnvoller gewesen. Dies ist nun nicht mehr zu ändern. Es bleibt zu hoffen, dass aufgrund der Anhörung zum Deichbruch Seegrehna und seinen Umständen im August seitens des Ausschusses nunmehr klare Positionen ausgemacht werden können, die auch in den Endbericht einfließen.

Zudem teilen wir nicht die Position, dass künftig eine stärkere Zentralisierung des Katastrophenschutzes im Landesverwaltungsamt stattfinden soll; vielmehr erwarten wir, dass dies im Innenministerium unmittelbar passiert; die gesetzliche Grundlage ist vorhanden. Dort muss die politische Verantwortung liegen. Das hat sich insbesondere am Fall Seegrehna gezeigt. Zudem ist im Zusammenhang mit dem Endbericht eine deutlichere Positionierung zu einer Länder übergreifenden Kooperation in solchen Katastrophenfällen gefragt.

Dazu gehört auch, denke ich, dass wir uns im Ausschuss darüber verständigen müssen, wie künftig mit Wasserwehren umzugehen ist. Ich glaube, dass die Kommunen zur Errichtung von Wasserwehren eine klarere Handlungsanweisung bekommen müssen - ein gro

ßes Problem, das uns in allen Katastrophengebieten deutlich geworden ist.

Der zweite Punkt betrifft die finanzielle Entschädigung der betroffenen Haushalte, Kommunen und Betriebe.

Eines sei gesagt: Die letzten Monate haben bewiesen, dass mit unserem Entwurf eines HochwasserschadenAusgleichsgesetzes Sachsen-Anhalt eine eindeutig unbürokratischere, klarere Lösung hätte herbeigeführt werden können.

(Zustimmung bei der PDS)

So unkompliziert zunächst eine Soforthilfe für die von der Flut Betroffenen eingerichtet wurde, so kompliziert gestaltete bzw. gestaltet sich die Auszahlung der Gelder sowohl der Soforthilfe als auch dann entsprechend der Richtlinie zur Beseitigung der Schäden an Wohngebäuden. Das, was da in den letzten Monaten stattgefunden hat, war ein Maß an Bürokratie, welches insbesondere ältere Menschen in die Resignation getrieben hat. Die Verwaltung der verschiedenen Ebenen hat hierbei oftmals so gehandelt, als ob das Hochwasser, welches eben in seiner Folge unbürokratische Hilfe notwendig machte, nie stattgefunden hätte.

Durch die zögerliche Auszahlung mussten viele Betroffene bei der Schadensbeseitigung in Vorleistung gehen. Das war für viele nicht einfach, da sie schon Kredite aufgenommen hatten und nun nach der Flut erneut einen Kredit brauchten. Dazu kam die komplizierte Antragstellung. Insbesondere ältere Bürgerinnen und Bürger - das hatte ich erwähnt - haben resigniert. Andere wieder, insbesondere in ländlichen Gebieten, sind nach der Evakuierung nicht wieder in ihre Häuser zurückgekehrt, weil eine Schadensbeseitigung ihre Kräfte überstieg.

Es lässt sich inzwischen absehen, dass es eine kleine Gruppe von Menschen gibt, die aus den unterschiedlichsten Gründen heraus keine finanzielle Unterstützung aus einem der verschiedenen Programme erhalten. Ich möchte nach einem Gespräch unserer Fraktionsarbeitsgemeinschaft „Hochwasser“ mit Hilfsorganisationen anregen, dass wir für bestimmte Sonderfälle eine Härtefallregelung schaffen, quasi einen Korridor.

Für uns überhaupt nicht nachvollziehbar ist der Mittelabfluss aus dem EU-Katastrophenfonds. Sachsen-Anhalt sollte 25 Millionen € für die Abdeckung der Aufwendungen der Kommunen im Rahmen der Schadensabwehr erhalten und 30 Millionen € zur Aufstockung der anderen Programme bzw. zur Hilfe dort, wo keine Programme greifen. Wie im Bericht nachzulesen ist, ist der geforderte Nachweis für die Verwendung der Gelder so kompliziert, dass auf eine völlige Inanspruchnahme verzichtet wird. Das aber war sicherlich nicht der ursprüngliche Zweck des Fonds. Diese Frage müssen wir aber an den Bund bzw. an die EU stellen.

Zum letzten Komplex, zur Hochwasserschutzkonzeption. Die auf der jahrelangen kontinuierlichen Arbeit der ehemaligen staatlichen Ämter für Umweltschutz und des Landesbetriebes für Hochwasserschutz aufbauende Hochwasserschutzkonzeption stellt eine gute Arbeitsgrundlage dar. Allerdings gibt es Diskussionsbedarf in Bezug auf Kompromisslösungen für die Deichverteidigung in Naturschutzgebieten oder die grünen Rückhaltebecken an Selke und Wipper. Die Planungsverfahren müssen gestrafft, aber sie dürfen ausdrücklich nicht außer Kraft gesetzt werden.

Der Vorsorgegedanke nimmt zwar einen begrüßenswert breiten Raum ein, allerdings bleibt gerade hier angesichts der vielen Konjunktive die Skepsis angebracht, dass die Lehren des Hochwassers bald in Vergessenheit geraten könnten. Der nächste Bauwunsch im Hochwasserüberschwemmungsbereich wird nicht lange auf sich warten lassen, wie ein aktuelles Beispiel aus Halle zeigt.

Insofern erkennen Sie schon, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass es in den nächsten Wochen und Monaten noch reichlich Diskussionsbedarf im Ausschuss gibt. Ich hoffe, dass wir dies in der gebotenen Sachlichkeit vollziehen, um dann einen Endbericht vorzulegen, welcher die notwendigen Schlussfolgerungen und Kritiken enthält. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Gärtner. - Als letzter Debattenredner erhält für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Herr Brumme das Wort. Bitte, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Zwischenbericht des von Ihnen eingesetzten zeitweiligen Ausschusses Hochwasser liegt Ihnen vor und muss nun bewertet und zum Abschlussbericht fortgeschrieben werden.

Die erste Phase der Arbeit des Ausschusses ist somit abgeschlossen. Die Ausschussmitglieder und die Mitarbeiter des Landtages leisteten hierbei eine wahre Herkulesarbeit, indem sie vor Ort in den Ereignisgebieten Ausschusssitzungen durchführten, dort die Entscheidungsträger, wie Landräte, Bürgermeister, aber auch die Bundeswehr, das THW und andere Hilfsorganisationen und ebenso Betroffene anhörten. Für die dort geleistete sehr umfangreiche Arbeit möchte ich mich namens meiner Fraktion ganz herzlich bei allen Beteiligten, insbesondere bei den Mitarbeitern des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes, bedanken.

(Zustimmung bei der CDU)

Insbesondere aber möchte ich dem Vorsitzenden des Ausschusses, Herrn Madl, für die sehr souveräne Leitung der Sitzungen danken. Er musste oft mit sehr viel Diplomatie und Fingerspitzengefühl so manche schwierigere Situation meistern. Er hat damit - das haben mir viele versichert - dem Landtag in seiner Außenwirkung alle Ehre gemacht. Wünschen wir ihm von hier aus baldige Genesung und alles Gute.

(Zustimmung bei allen Fraktionen)

In meinem Beitrag möchte ich im Wesentlichen auf Ursachen und Wirkungen der Ereignisse und auf Schlussfolgerungen daraus eingehen. Alles andere ist ohnehin dem Zwischenbericht zu entnehmen. Ich möchte also nach vorn schauen und dann aus unserer Sicht eine Zielvorgabe für den Abschlussbericht vermitteln.

Die Flutkatastrophe vom August 2002 ist, wie schon mehrfach dargestellt wurde, in ihrer Größenordnung, in ihrer Intensität und im Ausmaß der hervorgerufenen Schäden so von niemandem vorhergesehen und erwartet worden. Sie übertraf alles bisher Erlebte. Die Situation spitzte sich an vielen Stellen - so konnten wir feststellen - binnen Stunden extrem zu und stellte die Ver

antwortlichen und die Beteiligten vor beispiellose Herausforderungen.

Nach einer solch verheerenden Katastrophe konnte es für den Ausschuss nicht in erster Linie darum gehen, in eine kleinliche Suche nach Fehlern einzelner Verantwortlicher zu verfallen. Wenn in so kurzer Zeit und unter derart schwierigen Umständen oft mit unzureichenden Mitteln der Kommunikation - hier muss wirklich etwas getan werden - eine Fülle von Entscheidungen getroffen werden muss, sind auch Fehler unvermeidbar. Natürlich müssen strafrechtlich relevante Handlungen untersucht und gegebenenfalls geahndet werden, Stichwort Seegrehna. Das müssen wir dann im Ausschuss feststellen.

Die Ursache dieser Katastrophe historischen Ausmaßes waren, wie wir wissen, sintflutartige Regenfälle. Diese Niederschläge wurden durch eine so genannte Vb-Wetterlage bewirkt, die sich über dem Atlantik bildet. Sie zieht über das warme Mittelmeer, saugt sich dort mit extrem viel Wasser voll und steuert um die Alpen herum auf uns zu. Es ist nur von wenigen Winkelgraden abhängig, ob sich das Wetter über der Elbe - wie 1890, 1897, 1926, 1954, 1981 und 2002 - über uns ergießt oder sich - wie 1997 - über der Oder entlädt. Im Jahre 2000 geschah dies an der Theiß in Rumänien und über dem Po-Gebiet in Italien, im Jahre 2001 in Bayern. Auch die Weichsel wurde im Jahr 2001 extrem überflutet.

In den Jahren seit 1997 fand also in Europa durchschnittlich einmal jährlich eine solche Wettersituation statt, die zu verheerenden Hochwassern führte. Diese Wetterzyklen scheinen, so die Meteorologen, aufgrund der globalen Klimaveränderungen immer kürzer und heftiger zu werden.

Ich schildere dies, um unsere Wahrnehmung hierfür zu sensibilisieren und die Aufmerksamkeit auf die Zukunft zu richten. Wir dürfen uns also nicht in einer trügerischen Sicherheit wiegen, wenn gesagt wird, es war ein Jahrhunderthochwasser und wird wahrscheinlich erst in 100 Jahren wieder auftreten. Existenzen und Arbeitsplätze sind durch solche Ereignisse unmittelbar bedroht, ebenso unschätzbare Kulturwerte, wie insbesondere das Dessau-Wörlitzer Gartenreich.

Daraus können sich nur folgende konkrete Forderungen ergeben: Der Hochwasserschutz muss absolute Priorität haben. Die Sicherheit der Menschen und deren Hab und Gut muss Vorrang haben. Dabei müssen wir alle Kräfte mobilisieren, um den Hochwasserschutz so effektiv wie möglich zu gestalten. Wohl überlegtes und zügiges Handeln muss hierbei greifen.

Lang- und mittelfristig sind aber der Ausbau und die Erhöhung der Deiche allein nicht die einzige Antwort für einen wirksamen Hochwasserschutz. Es muss ein ganzheitlicher Hochwasserschutz auch unter Beachtung ökologischer Ansätze und Gesetzmäßigkeiten erfolgen. Die Prävention muss hierbei verstärkt ins Blickfeld rücken.

Wenn man sich vor Augen führt, dass allein in SachsenAnhalt das natürliche Überschwemmungsgebiet der Elbe vor ca. 1 000 Jahren rund 237 000 ha betrug und infolge des menschlichen Handelns jetzt nur noch ca. 40 000 ha zur Verfügung stehen, können wir uns vorstellen, wie problematisch der Hochwasserschutz sich insgesamt jetzt darstellt.

Das wesentliche Ziel unter Beachtung des Nachhaltigkeitsprinzips sollten der maximale Wasserrückhalt in den Entstehungsgebieten und im gesamten Flussbereich und

die Verlangsamung ablaufender Hochwasserwellen bei einer gleichzeitigen Nutzung von lokalen und überregionalen Möglichkeiten der Scheitelkappung sein.

Das vom MLU für die Regierung erarbeitete Hochwasserschutzkonzept 2010 zeigt die notwendigen Maßnahmen auf. Es sollte aber stetig fortgeschrieben werden. Die dort vorgesehenen Maßnahmen sind konsequent anzugehen und zwingend in der zeitlichen Abfolge abzuarbeiten.

Der LHW muss personell in die Lage versetzt werden, die Grundanforderungen an die Deichfachberatung auch im Extremfall erfüllen zu können.

Seit dem Hochwasser wurde schon viel geschaffen. Die Deiche werden in einem Zeitraum von zehn Jahren gemäß den DIN-Empfehlungen umfangreich erneuert und ausgebaut. Für die Sanierung der ca. 1 300 km Flussdeiche in Sachsen-Anhalt sind nach dem Hochwasserschutzkonzept insgesamt über 300 Millionen € erforderlich. Betrachten wir aber die geschätzten Gesamtschäden von rund 2 Milliarden €, die allein dieses Hochwasser bei uns in Sachsen-Anhalt angerichtet hat, dann sind die Kosten für die Hochwasserschutzmaßnahmen - das lässt sich leicht ausrechnen - insgesamt nur ein Bruchteil dessen.

Besonders betroffen waren die Stadt Dessau sowie die Landkreise Wittenberg, Bitterfeld, Anhalt-Zerbst und Jerichower Land. Der Landkreis Wittenberg stand mit zahlreichen Deichbrüchen absolut im Brennpunkt.

Es muss alles unternommen werden, um den Hochwasserschutz nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft und Technik zu gestalten. Dies muss, wenn nötig, durch entsprechende Gesetze untermauert werden. Deshalb sollte die Regierung Gesetzesvorlagen erarbeiten, die dann, wenn es erforderlich ist, gemeinsam mit dem Abschlussbericht verabschiedet werden könnten.

Des Weiteren fordern wir dazu auf - das sehe ich als eine essenzielle Forderung an -, dass auf der BundLänder-Ebene ein langfristiger Hochwasserschutzplan analog dem Bundesverkehrswegeplan erarbeitet und für einen Zeitraum von zehn Jahren gesetzlich geregelt wird. In diesen Plan müssen unter anderem die Zielstellungen der Hochwasserschutzkonzeptionen der Länder einfließen.

Abschließend möchte ich noch einmal ausdrücklich davor warnen, den Hochwasserschutz nicht ausreichend ernst zu nehmen, ihn in der täglichen Wahrnehmung so langsam wieder nach hinten zu verdrängen oder bestimmte notwendige Projekte dem berühmten Rotstift zum Opfer fallen zu lassen. Die Natur wird erbarmungslos jede Nachlässigkeit bestrafen, wie wir es im Jahr 2002 leidvoll erfahren mussten; denn die nächste Flut, meine Damen und Herren, kommt ganz bestimmt.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke, Herr Abgeordneter Brumme. - Damit ist die Debatte beendet. Wir treten in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 4/848 ein.

Erstens stelle ich fest: Der zeitweilige Ausschuss hat gemäß dem Beschluss des Landtages in Drs. 4/7/248 B den geforderten Zwischenbericht hiermit vorgelegt. Die Abgeordneten haben diesen Bericht zur Kenntnis genommen.

Zweitens wird über folgenden Vorschlag abgestimmt: In Drs. 4/848 wird unter Punkt 2 vorgeschlagen, die Arbeit des zeitweiligen Ausschuss bis zum 31. Dezember 2003 fortzuführen und damit den ehemals gefassten Beschluss des Landtages entsprechend zu ändern. Darüber werden wir abstimmen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist eine Verlängerung des Arbeitszeitraums des Ausschusses bis zum 31. Dezember 2003 einstimmig beschlossen worden. Wir beenden die Diskussion über Tagesordnungspunkt 9.

Bevor wir über den nächsten Tagesordnungspunkt beraten, begrüße ich recht herzlich das Kollegium der Lernbehindertenschule Hettstedt bei uns. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Ich rufe als letzten Tagesordnungspunkt vor der Mittagspause Tagesordnungspunkt 7 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der gemeindlichen Verwaltungstätigkeit

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 4/858

Einbringer ist der Minister des Innern Herr Jeziorsky. Herr Minister, Sie haben das Wort.