Protocol of the Session on May 15, 2003

In der Altmark zeichnen sich die Schwerpunkte Ernährungsgewerbe, nachwachsende Rohstoffe, Grundstoffindustrie sowie Landwirtschaft ab. Aber auch im Bereich der Metall- und Elektroindustrie und in der Automobilzulieferindustrie gibt es sehr gute Ansätze.

In der Region Magdeburg liegen die Kompetenzen in den Bereichen Wissenschaft und Forschung, Medizintechnik, Logistik und Maschinenbau.

Anhalt/Bitterfeld/Wittenberg verfügt über regionale Kompetenzen in der chemischen Industrie. Als Stichworte seien die funktionellen Schichten, aber auch die Pharma- und die Glaschemie genannt.

Der Harz hat seine Schwerpunkte in der Automobilzulieferindustrie, im Tourismus sowie in der Metall- und Elektroindustrie.

In der Region Halle schließlich dominiert klar die chemische Industrie. Aber auch die Medienwirtschaft, die Wissenschaft mit dem Hochschulstandort sowie die Bio- und Gentechnologie und die Logistik bilden regionale Schwerpunkte.

Ich denke, ganz aktuell - das gehört ebenfalls zur Regional- und Strukturpolitik - kommt die Situation Ammendorf hinzu. Ich hoffe, dass sich dort jetzt auch die Landesregierung konstruktiv einschalten wird, namentlich auch der Wirtschaftsminister.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Gürth, CDU: Das ist doch Unsinn! - Herr Scharf, CDU: Spuren- verwischer! - Herr Gürth, CDU: Genau!)

Um es zusammenzufassen: Die Ziele der Regional- und Strukturpolitik bestanden bisher darin, auf der Grundlage der vorhandenen regionalen Besonderheiten unter Einbeziehung der regionalen Akteure eine gleichmäßige Entwicklung der Lebens- und Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. Deshalb wurde bisher auch eine regional differenzierte Förderpolitik abgelehnt. Diese Auffassung war bisher parteiübergreifend Konsens. Ich bin gespannt, ob das nach der heutigen Debatte immer noch uneingeschränkt gilt.

Meine Damen und Herren! Aufmerksame Beobachter der wirtschaftspolitischen Diskussion im Land können seit geraumer Zeit feststellen, dass im Zusammenhang mit der Initiative Mitteldeutschland die Diskussion um die Bildung einer Kernregion Halle/Leipzig/Dessau verstärkt geführt wird. So stand dieses Thema zum Beispiel im Mittelpunkt des parlamentarischen Abends des VDI im Monat März. Getragen werden diese Überlegungen aber offenkundig auch durch die Landesregierung. So ist in offiziellen Materialien, beispielsweise zur Hannover-Messe, von einem „mitteldeutschen Kernraum Halle/Leipzig/ Dessau“ die Rede. Genannt werden in diesem Zusammenhang auch Gera und Jena.

Die wissenschaftliche Begleitmusik für diese Diskussion wird vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle, dem IWH, geliefert. Da wird es dann ganz konkret, und ich denke, dass das auch für alle interessant ist, die sozusagen die Interessen ihrer Region vertreten.

So wird in einem Sonderheft des IWH, das bereits im Jahr 2001 erschienen ist, als wirtschaftspolitische Maßnahme empfohlen, die Investitionsförderung regional zu differenzieren. Mittlerweile werden diese Empfehlungen in zahlreichen Aufsätzen und Artikeln des IWH, zum Teil in abgewandelter Form, gebetsmühlenartig wiederholt. Betroffen davon wären insbesondere die GA-Mittel. Wörtlich heißt es dazu in dem Sonderheft - ich darf zitieren -:

„In einigen Politikbereichen, wie der Förderung von unternehmerischen Investitionen, wurde bislang eher dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit gefolgt. In Anbetracht der geschilderten erheblichen Schwächen des Landes bei wichtigen Wachstumsfaktoren stellt sich die Frage, ob auf diese Weise der wünschenswerte Wachstumsschub für Sachsen-Anhalt erreicht werden kann. Bei einer räumlichen Konzentration des Mitteleinsatzes können vermutlich größere Wachstumseffekte für das Land insgesamt erreicht werden, von denen langfristig auch die schwächeren Regionen profitieren werden.“

Anders ausgedrückt: Was hier vorgeschlagen wird, ist Förderdarwinismus mit erheblichen Konsequenzen für die strukturschwächeren Regionen. Denn Ende 2004 fällt die Investitionszulage weg, das heißt, Investitionen werden weitgehend nur noch über die GA gefördert. Wird die Förderung auf strukturschwache Regionen konzentriert, gehen die anderen Regionen leer aus.

Auch in den bereits erwähnten Materialien zur Hannover-Messe wird davon gesprochen, dass Ausstrahlungseffekte erzeugt werden sollen, von denen die Gebiete außerhalb des mitteldeutschen Kernraums profitieren können. Ich denke, dass dazu noch eine ganze Reihe von Diskussionen geführt werden müssten, damit diese Ausstrahlungseffekte tatsächlich auch zum Beispiel das Ernährungsgewerbe in der Altmark erreichen können.

Meine Damen und Herren! Natürlich kann es sinnvoll sein, eine Länder übergreifende Kernregion zu bilden. Ich habe dies eingangs bereits deutlich gesagt. Allerdings kann dies nach unserer Auffassung nur unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit für alle Regionen des Landes erfolgen. Dies gilt umso mehr, als die bisherigen Entwicklungen der Regionen gerade in Bezug auf die Bildung einer Kernregion sehr unterschiedlich zu bewerten sind.

So analysiert der „Regionalmonitor“, den das ISW im Auftrag der SPD-Landtagsfraktion in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Landesamt herausgibt, nicht nur die Stärken und Schwächen der jeweiligen Landkreise, sondern fasst diese Daten auch zu einem Ranking der Regionen zusammen. In der aktuellen Ausgabe des „Regionalmonitors“ mit dem Stand vom März 2003 finden sich folgende Platzierungen im Regionalranking: Platz 1 - Region Magdeburg, Platz 2 - die Harzregion, Platz 3 - Region Halle, Platz 4 - Region Anhalt/Bitterfeld/Wittenberg und Platz 5 - Altmark.

Ausgewertet werden mittlerweile seit mehreren Jahren acht Komponenten und 29 Kennziffern. Dabei handelt es sich um für jeden zugängliche, veröffentlichte Daten des Statistischen Landes- bzw. Bundesamtes, der Deutschen Ausgleichsbank sowie der Bundesbank, um nur einige Quellen zu nennen.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Abschluss noch einmal deutlich sagen: Die SPD-Fraktion hält die Bildung einer Länder übergreifenden Kernregion

oder eines Kernraums durchaus für sinnvoll, weil dadurch die strukturpolitischen Möglichkeiten erheblich erweitert werden. Gleichwohl muss nach unserer Auffassung sichergestellt werden, dass die Entwicklungen in den anderen Regionen des Landes, beispielsweise durch eine differenzierte Förderpolitik, nicht beeinträchtigt werden.

Fatal wären auch Parallelentwicklungen, in denen sich Branchen und Wirtschaftszweige gegenseitig das Wasser abgraben. So bildet beispielsweise in der Harzregion die Automobilzulieferindustrie einen besonderen Schwerpunkt in der wirtschaftlichen Entwicklung. Nach den jetzigen Informationen soll in der Kernregion Dessau/Halle/ Leipzig die Automobilzulieferindustrie ebenfalls zu einem Schwerpunkt ausgebaut werden. Auch hierzu sage ich: Solche Entwicklungen können dann sinnvoll sein, wenn sie von einer engagierten Regional- und Strukturpolitik begleitet werden.

Meine Damen und Herren! Aus unserer Sicht gibt es eine ganze Reihe von Diskussionspunkten zur Entwicklung der weiteren wirtschaftlichen Strukturen in unserem Land. Dazu sollte die Arbeit im zuständigen Fachausschuss genutzt werden. Ich bitte deshalb, unserem Antrag zuzustimmen und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Dr. Thiel, PDS)

Danke, Herr Abgeordneter Metke, für die Einbringung. - Wir treten jetzt in die Debatte ein. Als erster Debattenredner hat für die Landesregierung der Minister für Wirtschaft und Arbeit Herr Dr. Rehberger um das Wort gebeten.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum sachlichen Teil der Ausführungen von Herrn Metke möchte einige wenige Bemerkungen machen. Ich fange mit dem Stichwort „Ammendorf“ an. Herr Metke, wenn die Bedeutung dieses Standortes wirklich so wäre, wie Sie es gelegentlich verbal bekunden, dann hätte zumindest Herr Püchel heute die Fragen stellen müssen, die er hierzu angekündigt hatte.

(Zustimmung bei der FDP - Beifall bei der CDU)

Es ist jedoch signifikant, dass Sie in Ammendorf große Reden halten und hier durch Absence beeindrucken.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Zu- ruf von Herrn Reck, SPD)

Das ist keine gute Art, dieses Problem zu bearbeiten. Wir haben uns erlaubt, die Antwort den Medien zu übergeben, damit klar ist, wie die Situation sich darstellt.

Jetzt zu dem Thema - -

(Unruhe bei und Zurufe von der SPD)

- Ich hoffe, Sie haben sich inzwischen wieder beruhigt und können zuhören, was ich zum Stichwort „Regionen“ gern sagen würde.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Der Begriff der Region ist ein sehr diffuser. Sie werden selber feststellen, dass auch innerhalb unseres Landes die Frage, was eine Region

ist, wie groß oder wie klein sie ist, durchaus je nach Umständen sehr unterschiedlich beurteilt wird. Es gibt Leute, die sprechen von der Region Magdeburg, ohne unbedingt einen größeren Raum um Magdeburg zu meinen. Es gibt, wenn man das aus europäischer Sicht betrachtet, sicherlich eine Region Sachsen-Anhalt. Kurz und gut: Ich glaube, dass man sich sehr genau über den Begriff „Region“ unterhalten muss, weil er eben auch sehr vielfarbig verwendet wird.

Das ist insbesondere auch im Zusammenhang mit der Initiative Mitteldeutschland deutlich geworden. Die Initiative Mitteldeutschland umfasst drei Bundesländer: Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Es liegt nahe, dass, wenn man über diese drei Bundesländer spricht, jener Raum hervorgehoben wird, in dem die Länder wirtschaftlich und auch von der Geschichte her besonders stark miteinander verquickt sind. Dies ist der Raum Dessau/Halle/Leipzig/Jena, je nachdem, wie weit man das ziehen will. Auch dabei kann man natürlich unterschiedliche Grenzen ziehen. Aber ich finde es ganz wichtig, dass Sie diesen Begriff, der dann auch noch als Kernregion für Mitteldeutschland durchaus eine Rolle spielt, deutlich unterscheiden von dem Begriff der fünf Regionen, in die die Vorgängerregierung das Land mit durchaus sachlichen Argumenten einmal eingeteilt hat.

Meine Damen und Herren! Wir hier im Landtag sind zunächst einmal für diese fünf Regionen verantwortlich; das steht außer Frage. Mit dieser Einteilung in fünf Regionen folgen wir auch dem Beispiel, das sich ursprünglich im Bereich der Tourismusentwicklung ergeben hat. Das waren die fünf Regionen, die anschließend durch regionale Planungsgemeinschaften rechtlich zusammengeführt worden sind.

Ich halte es in der Tat auch für eine sinnvolle Sache, dass wir die Landesplanung durch eine regionale Planung unterfüttern und untermauern. Damit stellt sich aber die Frage: Wie weit will man diese regionalen Einheiten, die eine planerische Aufgabe haben, auch mit Verwaltungs- und sonstigen Funktionen ausstatten? Daran scheiden sich die Geister.

Angesichts der in Europa bestehenden Regelungen läge es zum Beispiel durchaus im Bereich des Denkbaren, dass man Sachsen-Anhalt in fünf Regionalkreise einteilt. Ich glaube, es gibt auch hier im Hause bei einer Fraktion solche Überlegungen. Das würde jedoch bedeuten, dass man auf die vorhandenen Landkreise verzichtet.

Man kann es auch ganz anders sehen. Ich bin der Meinung, dass bei der Größenordnung des Landes Sachsen-Anhalt eine kommunale Ebene, die regional organisiert wäre, zu groß ausfiele. Aber dies ist ein Thema, über das man sich in Ruhe unter dem Aspekt unterhalten kann, wie die Strukturen am effizientesten sind. Insofern begrüße ich es sehr, dass wir uns im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit über dieses Thema unterhalten werden, weil solche regionalen Einheiten natürlich auch für die wirtschaftliche Entwicklung eine gewisse Bedeutung haben.

Allerdings muss ich eines ganz klar sagen, meine Damen und Herren: Über die Frage, wie zum Beispiel bestimmte Industrieansiedlungen stattfinden, muss zunächst von den Investoren entschieden werden. Wir werden auch den Regionen keinen Gefallen tun, wenn wir sie auf bestimmte vorgegebene Bilder festlegen und sagen, nur dies solle dort geschehen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es im Laufe von Jahren oder gar

Jahrzehnten sehr unterschiedliche Entwicklungen in den Regionen geben kann, weil sich im Laufe der Zeit die wirtschaftlichen Verhältnisse immer wieder verschieben.

Deswegen plädiere ich dafür, dass wir diese Dinge im Ausschuss nüchtern und sachlich diskutieren und uns darüber im Klaren sind, dass für die Landesentwicklung neben den Regionen zum Beispiel die überregionalen Entwicklungsachsen eine deutlich größere Bedeutung haben als bestimmte regionale Begrenzungen.

Beispielsweise führen wir die Ansiedlungsverhandlungen - ob es uns gefällt oder nicht - im Wesentlichen entlang der drei Autobahnen A 2, A 14 und A 9. Wenn wir dabei dem einen oder anderen nahe legen, er solle sich etwas entfernter niederlassen, dann fällt in der Regel eine ablehnende Entscheidung. Bei der Landesentwicklung sind also auch ganz andere als nur die regionalen Aspekte zu bedenken.

Alles in allem glaube ich, wir können in eine gute Erörterung eintreten. Ich freue mich auf die Diskussionen, die wir im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit führen werden. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke, Herr Minister. Beantworten Sie noch eine Frage des Abgeordneten Herrn Metke?

Na klar.

Bitte sehr.

Herr Minister, ich habe auch einiges zu der Frage zukünftig möglicher Förderpolitik ausgeführt; daher will ich mich auf eine kurze Frage konzentrieren: Teilen Sie die Auffassung des IWH, dass es notwendig ist, Investitionsförderungen sozusagen ausschließlich auf Wachstumspole zu konzentrieren? Teilen Sie ebenso die Auffassung, dass dann die schwächeren Regionen lediglich von den Ausstrahlungseffekten leben müssten?

Herr Metke, wie Sie wissen, fördern wir im Lande Sachsen-Anhalt etwa im produzierenden Bereich Investitionen quer durch das Land. Wir freuen uns über Investitionen, ob sie nun in der Altmark oder in anderen Teilen des Landes stattfinden. Wichtig ist, dass wir Investoren finden, die bereit sind, dort zu investieren. Viele können dazu beitragen, dass wir nach wie vor ein gutes, ein unternehmerfreundliches Klima haben.

Vielleicht darf ich Sie, Herr Metke, freundlich auf Folgendes hinweisen: Wenn Ihre Gewerkschaft inzwischen mit aller Gewalt versucht, die 38-Stunden-Woche durch die 35-Stunden-Woche zu ersetzen, dann schaffen Sie damit einen ausgesprochenen Standortnachteil.