Protocol of the Session on May 15, 2003

Fehlende Transparenz und undurchschaubare Entscheidungskriterien reduzieren die Akzeptanz einer Institution bis gegen null. Dieser Grundsatz bewahrheitet sich auch hierbei. Mehr als verständnisloses Kopfschütteln erntet man kaum, wenn man versucht, das Zusammenspiel der verschiedenen Kriterien wie Abiturdurchschnitt und Wartezeit, gepaart mit Ortswünschen und Bonuspunkten oder Landesquoten, aufzuzeigen.

Auch die Hochschulen beklagen zu Recht, insbesondere in den zahlenmäßig starken ZVS-Studiengängen keinen Einfluss auf die Auswahl der Studenten zu haben.

So war eine Reform der Studienplatzvergabe schon lange überfällig. Da die ZVS allerdings die Studienplätze bundesweit vergibt und gleichzeitig die Bildungshoheit der Länder berührt, bedurfte es zu ihrer Reformierung erst einer Vereinbarung zwischen den einzelnen Ländern.

Im März einigte sich die Kultusministerkonferenz dann auf zwei Modelle, zwischen denen die Länder auswählen können. Für Sachsen-Anhalt ist angedacht, das Modell 2 umzusetzen. Das bedeutet, dass 25 % der Studienplätze durch die Hochschulen nach dem Grad der Eignung der Bewerber für den gewählten Studiengang und 25 % durch die ZVS an die Abiturbesten entsprechend den Ortswünschen vergeben werden. Für die verbleibenden Studienplätze gibt es weiterhin die bisherige Vergabe durch die ZVS.

In unserem Bundesland werden bisher die universitären Studiengänge Pharmazie, Betriebswirtschaftslehre, Biologie, Physiologie, Medizin und Zahnmedizin zentral vergeben. Auch für diese tritt ab dem Wintersemester 2004/ 2005 die Neuregelung in Kraft.

Damit haben erstmals in den ZVS-Studiengängen die Universitäten einen Zugriff auf die Vergabe zumindest eines Teils ihrer Studienplätze. Sie können ein Viertel ihrer Studienplätze nach Kriterien vergeben, die jede Hochschule individuell festlegen kann. Dies ist ein weiterer Schritt zur Stärkung der Autonomie der Hochschulen im Zusammenhang mit der Profilierung.

Es ist durchaus denkbar, dass die Bewerber in einem speziellen Auswahltest oder Eignungsgespräch ausgewählt werden. Die reine Zuteilung von Studenten zu einer Hochschule wird durchbrochen. Gleichzeitig erhält der Wunsch hinsichtlich des Studienortes besonderes Gewicht, da er zusammen mit der Abiturnote für die Vergabe von 25 % der Plätze herangezogen wird. Eine Hochschule, die intensiv und offensiv um Studenten wirbt, wird hiermit ein hohes Durchschnittsniveau der Studienanfänger erreichen können.

Dass die restlichen Studienplätze weiterhin durch die ZVS vergeben werden, ist dem Umstand geschuldet, dass die Kultusministerkonferenz auch weiterhin eine zumindest anteilmäßige zentrale Vergabe befürwortet. In diesem Sinne stellt der Antrag einen der typischen Kompromisse dar, die in der Politik zu treffen sind. Um die Stellung der Hochschulen und das Wahlrecht der Studierenden zu stärken, müssen wir akzeptieren, dass man einen Studienplatz auch in Zukunft „er-warten“ kann.

Wir setzen mit dem Antrag die Vorgabe der KMK um, ein Modell für die zukünftige Studienplatzvergabe zu wählen. Indem wir uns heute schon entscheiden, gewähren wir dem Kultusministerium und den Universitäten genügend Zeit, sich mit den Modalitäten der Vergabe auseinander zu setzen und eigene Kriterien zu erarbeiten. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass die zukünftigen Studierenden rechtzeitig informiert werden können. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu diesem Antrag. - Besten Dank.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Volk. - Ich habe zunächst die Freude, eine Gruppe von Architekten und Bauschaffenden aus Stendal auf der Tribüne begrüßen zu können.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun bitte ich Herrn Minister Olbertz, das Wort zu nehmen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Landesregierung begrüße ich den Antrag der Fraktionen der FDP und der CDU zur Stärkung des Auswahlrechts der Hochschulen bereits vom Grundsatz her.

Seit Jahren wird insbesondere vonseiten der Hochschulen - dazu gehört auch die Hochschulrektorenkonferenz - darüber geklagt, dass das zentrale Verfahren der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen, der ZVS, den Wettbewerb der Hochschulen untereinander behindere, wenn nicht sogar verhindere. Deshalb wird die Forderung erhoben, durch individuelle und leistungsorientierte Auswahlverfahren Neigungen und Fähigkeiten der angehenden Studierenden mit den jeweiligen Anforderungen der Hochschule bzw. der Studiengänge in Übereinstimmung zu bringen.

Durch den Wettbewerb um die besten Köpfe versprechen sich die Hochschulen konkurrenzfähiger zu werden und für die Anforderungen des internationalen Bildungsmarktes besser gerüstet zu sein.

Die Politik hat inzwischen die Forderung der Hochschulen aufgenommen. Die 297. Kultusministerkonferenz hat am 1. März 2002 die Amtschef-Arbeitsgruppe „Auswahlrecht der Hochschulen“ gebeten, Vorschläge zu unterbreiten, durch die - ich zitiere auszugsweise -

„zunächst im Rahmen einer Experimentierklausel... durch Änderung des Hochschulrahmengesetzes eine Verbesserung des Verfahrens, insbesondere ein vorrangiges Auswahlrecht der Hochschulen und eine höhere Hochschulauswahlquote in einzelnen Studiengängen bzw. einzelnen Ländern und Hochschulen erprobt werden kann.“

Die Amtschef-Arbeitsgruppe hat daraufhin Vorschläge erarbeitet und dabei folgende Zielsetzungen verfolgt: Einerseits sollte es den bestqualifizierten Bewerbern ermöglicht werden, die gewünschte Hochschule selbst auszuwählen. Andererseits soll aber auch das Auswahlrecht der Hochschulen gestärkt werden. Dabei wurden die beiden Modelle vorgestellt, die Herr Volk genannt hat und die sich im Wesentlichen wie folgt unterscheiden:

Mit dem Modell 1 erhalten die Länder die Möglichkeit, vorab bis zu 50 % der Gesamtzahl der Studienplätze durch die Hochschulen vergeben zu lassen. Das ist eine erhebliche Zahl: Bis zu 50 % können durch die Hochschulen vergeben werden. Die Auswahl erfolgt nach Maßgabe des Landesrechts und natürlich nach den Kriterien, die die Hochschulen dafür entwerfen.

Die übrigen 50 % werden weiterhin durch die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen vergeben, und zwar nach folgendem Modus: 25 % der Studienplätze werden an die Abiturbesten entsprechend ihren Ortswünschen vergeben - sie dürfen maximal drei Ortswünsche angeben -, die verbleibenden 25 % nach den Kriterien Durchschnittsquote, Hochschulzugangsberechtigung, kurz HZB, und Wartezeit, also so, wie die ZVS bisher gearbeitet hat. Anmerkung: Dieses Modell wird unter anderem von Baden-Württemberg favorisiert.

Das zweite Modell sieht Folgendes vor: 25 % der Gesamtzahl der Studienplätze werden wiederum durch die ZVS vergeben, und zwar an die Abiturbesten. Ein Anteil von 25 % wird vergeben, indem die Hochschulen nach dem Grad der Eignung der Bewerber selbst darüber entscheiden. Die verbleibenden 50 % werden nach dem herkömmlichen Vergabeverfahren der ZVS vergeben. Dieses Modell präferiert zum Beispiel Nordrhein-Westfalen.

Ich habe der Landesregierung empfohlen, Modell 2 zu wählen, wie es auch dem Antrag der Regierungsfraktionen entspricht.

Die beiden Modelle unterscheiden sich im Wesentlichen darin, dass bei dem Modell 1 das Wahlrecht der Hochschulen besonders gestärkt wird. Beide Modelle dienen schließlich vor allem diesem Zweck. Das heißt, die Auswahlverfahren der Hochschulen werden zeitlich dem regulären ZVS-Verfahren vorangestellt. Bis zur Hälfte aller Studienplätze wird auf diese Weise durch die Hochschulen vergeben.

Bei dem Modell 2 hingegen, das ebenfalls das Auswahlrecht der Hochschulen stärkt, werden eher die Abitur

besten in den Vordergrund gestellt. Das heißt, die Quoten Abiturbeste und Auswahlrecht der Hochschulen sind gleich groß, nämlich je 25 %. Ein Anteil von 50 % wird weiterhin durch die ZVS vergeben.

So unterscheiden sich die beiden Modelle. Beide treten an die Stelle des bisherigen allgemeinen Auswahlverfahrens und werden jetzt den Ländern sozusagen zur Wahl gestellt.

Ich habe der Landesregierung, wie gesagt, empfohlen, das Modell 2 zu wählen, und zwar aus folgendem Grund: So richtig es ist, das Selbstauswahlrecht der Hochschulen in größtmöglichem Umfang zu unterstützen, so wichtig ist es auch, die Situation in den neuen Ländern zu berücksichtigen, die noch eine Zeit lang eine gewisse Lenkung der Studentenströme innerhalb Deutschlands verlangt.

(Zustimmung von Frau Feußner, CDU, und von Herrn Schomburg, CDU)

Das ist wirklich wichtig; denn es ist sehr oft eine Westländer-Argumentation, die allein im Raum steht. So sehr ich mir das Auswahlrecht für die Hochschulen wünsche, so sehr muss ich auch daran interessiert sein, eine Zeit lang, solange die Studentenströme noch stark sind, eine gewisse Lenkung hineinzubekommen. Dann muss man versuchen, durch die Attraktivität der Hochschulen vor Ort die Studenten, die einmal da sind, zu halten.

In der Koalitionsvereinbarung steht, dass wir die ZVS eines Tages grundsätzlich infrage stellen werden. Aber auch hier ist ein erster vernünftiger Zwischenschritt in diese Richtung gemacht worden. Das Hochschulauswahlrecht ist deutlich gestärkt worden. Aber wir haben noch nicht den Weg freigemacht für die völlige Selbststeuerung dieses Prozesses, die vergleichbare Voraussetzungen verlangt, um fair und vernünftig ablaufen zu können.

Das weitere Prozedere ist folgendes: Die 301. KMK hat am 6. März 2003 Eckpunkte für die Neuordnung der Hochschulzulassung beschlossen. Für die Umsetzung ist eine Änderung des HRG nötig. Die Gesetzesinitiative wird gemeinsam durch die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen, also jeweils durch drei A- und drei B-Länder wahrgenommen. Es ist übrigens auch je ein neues Bundesland dabei.

Gleichzeitig ist die ZVS gebeten worden, zum einen die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass das neue Verfahren zum Wintersemester 2004/2005 eingeführt werden kann, und zum anderen einen Entwurf für eine Neufassung des Staatsvertrages über die Vergabe von Studienplätzen vorzubereiten. Das muss jetzt geschehen.

Die Novelle zum HRG wird voraussichtlich noch in diesem Monat in den Bundesrat eingebracht. Mit einer Verabschiedung im Bundestag kann im November 2003 gerechnet werden. Die ZVS hat bereits die Arbeiten zur Ausfertigung des Entwurfs eines neuen Staatsvertrages aufgenommen, sodass die Bundesländer rechtzeitig darüber beraten können. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Minister Olbertz. - Nun erteile ich Frau Dr. Sitte das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Modelle sind erklärt worden. Ich bin mir jetzt ganz sicher, dass es alle verstanden haben und auch zugehört haben. Deshalb möchte ich zunächst mit etwas anderem beginnen.

(Herr Schomburg, CDU: Wir haben zugehört! - Herr Dr. Püchel, SPD: Wir auch!)

Wenn wir den Antrag gestellt hätten, hätten Sie ihn mit der Begründung abgelehnt, das wird schon gemacht, das findet statt, das können wir lassen, dem brauchen wir nicht zuzustimmen. - Aber das will ich nicht in den Mittelpunkt stellen.

Ich möchte erstens nur sagen, vom Grundsatz her teilen wir Ihre Zustimmung zu dem Modell 2. Es ist in der Tat so, dass die Hochschulen mehr in eigener Hoheit entscheiden sollen. Dieses Modell 2 bietet ihnen diese Chance.

Zweitens ist es so, wenn Abiturbeste in Zukunft selbst stärker beeinflussen können, welche Hochschule sie besuchen, dann ist das auch durch dieses Modell gewährleistet. Ich sage mir, auch das ist in Ordnung. Warum eigentlich nicht?

Dabei spielt allerdings trotz der Absicht der FDP, mittelfristig die ZVS abzuschaffen, auch bei diesen beiden Modellen die ZVS eine zentrale Rolle, weil sie die Dienstleistung übernimmt, sowohl gegenüber den Ländern als auch und in erster Linie gegenüber den Hochschulen. Auch das ist in Ordnung. Ich denke, dass das eine zentrale Dienstleistung ist, die unter den gegenwärtigen Bedingungen sachgerecht erbracht werden kann.

Dieses Modell 2 ignoriert nicht, dass es ursprünglich prioritär andere Aufgaben der ZVS gegeben hat, die nach wie vor bestehen, nämlich dass wir zu viele Bewerber für zu wenige Studienplätze in einzelnen Fächer haben. Demzufolge haben wir auch zu kleine Hochschulen für zu viele Studierende. Ich erwähne nur das Stichwort „Massenuniversität“. Das ist nun wieder ausdrücklich nicht das Problem des Ostens. Das ist auch in dem Beitrag des Ministers gesagt worden.

Das heißt, darüber hinaus hat die ZVS eine zweite Aufgabe, die zu ihrer Gründung geführt hat, ebenfalls durch dieses Modell sichern können. Es handelt sich um die Vergabe von Studienplätzen auch unter Berücksichtigung sozialer Aspekte, das heißt unter Berücksichtigung von mehr Verteilungsgerechtigkeit und gerechteren Bildungszugängen.

Dieses Modell 2 - das ist ebenfalls schon erwähnt worden - sichert den ostdeutschen Hochschulen größere Chancen; denn Fakt ist, dass viele Studierende aus den Altländern durch die ZVS-Vergabe an ostdeutschen Hochschulen gelandet sind. Sie kamen oftmals mit der Absicht hierher, ganz schnell den Abflug zu machen, den Studienplatz zu tauschen.

Sie sind dann aber geblieben, weil sie festgestellt haben, es ist nicht Sibirien. Im Gegenteil, sie haben es hier mit hoch qualifizierten Lehrkräften zu tun, es gibt gut ausgestattete Hochschulen und ein schönes Studienumfeld, ein schönes kulturelles Umfeld sowie einen lebenswerten Studienort. Deshalb sind sie letztlich geblieben. Das bedeutet, die Vorurteile haben sich durch den Hochschul- und Lebensalltag überlebt.

Aktuell wäre unter diesen Bedingungen die Abschaffung der ZVS durchaus eine fatale Entscheidung. Deshalb

kann man von Übergangslösungen sprechen, die das Modell 2 bietet.

Allerdings stellt es auch in zweierlei Hinsicht Herausforderungen. Die erste ist nach meiner Ansicht die, dass sich die Hochschulen bzw. die Professoren motivieren und engagiert dieser Aufgabe annehmen müssen. Dabei ist nicht alles Gold, was glänzt. Es macht sehr viel Arbeit, solche Eignungsgespräche zu führen. Ich habe jahrelang Prüfungen abgenommen. Wenn man den ganzen Tag von früh um 7 Uhr bis abends um 18 Uhr Prüfungen abnimmt, weiß man nicht mehr, ob man Männlein oder Weiblein ist; man ist völlig breit.

Man muss also entsprechende Voraussetzungen schaffen, um sachgerecht entscheiden zu können. Das Modell 2 setzt zudem sehr enge Fristen. Das bedeutet, die Hochschulen müssen diese Leistungen in einer sehr kurzen Zeit erbringen.

Die zweite große Herausforderung dieses Modells besteht darin, dass die Hochschulen eine neue Aufgabe zu leisten haben. Ich meine schon, dass das in den Hochschulbudgets seinen Niederschlag finden muss. Diesbezüglich möchte ich an das leidige Thema der Kürzung um 30 Millionen € erinnern.