Er möchte nicht. - Dann setzen wir die Debatte fort mit dem Beitrag der SPD-Fraktion. Es spricht Herr Doege.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kosmehl, was Sie gerade vorgetragen haben, hat uns hier im Hause sicherlich nicht wirklich überrascht. Denn die Dinge, mit denen Sie schon im Wahlkampf versucht haben zu glänzen, haben Sie noch einmal wiederholt mit Ihrem Slogan: „so viel Staat wie nötig, so viel privat wie möglich“. Dazu möchte ich allerdings das Sprichwort hinterherschieben, dass sich nur Starke einen schwachen Staat leisten können. Das ist, glaube ich, auch eine alte Erkenntnis.
Herr Kosmehl, Sie haben insbesondere in Richtung PDS - wahrscheinlich hatten Sie aber auch uns mit im Blick - eingefordert, auf ideologisch begründete Denkverbote zu verzichten. Herr Kosmehl, das gilt natürlich auch für Sie.
Wenn wir über Privatisierung reden, müssen wir sicherlich über die verschiedensten Aufgaben diskutieren, etwa inwieweit der Staat diese Dinge in Zukunft wahrnehmen kann und muss. Allerdings kann das im Umkehrschluss nicht heißen, alles zu privatisieren. Wir müssen sehr genau hingucken, welche Aufgaben am Ende tatsächlich privatisierbar sind.
Ich erinnere dabei nur an die Diskussion über den Talsperrenbetrieb. Sie wissen, dass wir im Bereich der Talsperren auch hoheitliche Aufgaben wahrnehmen müssen. Es muss schon sichergestellt werden, dass die hoheitlichen Aufgaben durch eine Privatisierung nicht infrage gestellt werden.
Lassen Sie mich noch zu einigen Dingen kommen, die ich mir notiert habe. Zum einen hält die SPD-Fraktion
den vorliegenden Antrag, sich grundsätzlich mit dem Thema Privatisierung auseinander zu setzen, für diskutierenswürdig.
Wir sind schon der Auffassung, dass wir uns in den Ausschüssen, insbesondere im Finanzausschuss, dem Thema widmen müssen, nicht zuletzt deshalb, weil die Landesregierung im Zusammenhang mit ihren Privatisierungsvorhaben auch im Haushaltsplan Einnahmeerwartungen dargestellt hat, die es hinsichtlich ihrer Realisierung konkret zu überprüfen gilt. Auch zu der Ausrichtung der Privatisierung als Staatsziel oder als ideologisches Ziel müssen wir die Diskussion in den Fachausschüssen führen.
Das, was von CDU und FDP im Sinne von Privatisierung hier vorgetragen worden ist, was eigentlich Sinn und Zweck des Ganzen und die möglichen Auswirkungen sind, ist aus unserer Sicht vielfach überzogen und undifferenziert dargestellt worden.
Ich glaube, dass es notwendig ist, sehr klar über die Vor- und Nachteile von Privatisierung zu sprechen und auch klar die Grenzen zu nennen, wie weit Privatisierung letztlich nur gehen kann, und dies auch in der Öffentlichkeit entsprechend darzustellen. Ich glaube, es ist nicht möglich, dass wir letztlich nur die Gewinne privatisieren und alle Schulden und Probleme beim Staat verbleiben.
Verschiedene Privatisierungsvorhaben sind schon seit Jahren im Landtag diskutiert worden. Das eine oder andere Vorhaben hat sich dann bei der Umsetzung als nicht realisierbar erwiesen.
Mein Kollege Peter Oleikiewitz hat bereits in der letzten Sitzung Ausführungen zu dem Thema „Privatisierung der Trinkwasserversorgung“ gemacht. Ich möchte auf diese Ausführungen und darauf verweisen, welche Meinung beispielsweise in dem immer als Lichtgestalt dargestellten Bayern herrscht. In Bayern gibt es eine klar ablehnende Haltung zu dem Thema Privatisierung der Trinkwasserversorgung. Die Bayern haben sich bestimmt etwas dabei gedacht, dass sie nicht so nassforsch an die Privatisierung herangehen, wie es in unserem Land der Fall ist, sondern durchaus auch kritisch.
Ich denke, wir sollten uns als Parlament bei dem gesamten Thema der Privatisierung letztlich den Einfluss, die Gestaltung und auch die Mitsprache sichern. Lassen Sie uns also in den Ausschüssen, auch im Finanzausschuss, über die Privatisierungsabsichten, die die Koalitionsfraktionen in der nächsten Zeit umzusetzen gedenken, diskutieren. Diese Diskussion ist notwendig. Am Ende werden Sie aufgrund Ihrer Mehrheit sicherlich das umsetzen, was Sie wollen. Aber die Diskussion darüber, was sinnvoll und was nicht sinnvoll ist, sollten wir auf jeden Fall führen. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Doege. - Nunmehr erteile ich Herrn Tullner für die CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu meinen kurzen Ausführungen komme, noch ein Wort zu Ihnen, Herr Reck. Sie haben vorhin an mich appelliert, dass ich das sozusagen alles nicht glauben sollte.
Ich denke, Glauben ist eine Kategorie, über die wir um 8.15 Uhr bei der Andacht am heutigen Freitag hätten sprechen können. Hier geht es darum, Überzeugungen und politische Konzepte darzustellen und über diese zu diskutieren.
Deswegen ist es mit dem Glauben immer so eine Sache. Aber das sollten wir am Ende besprechen, Herr Reck.
Meine Damen und Herren! Als ziemlich letzter Debattenredner hat man es immer schwer, noch ein paar eigene Akzente in die Debatte einzubringen. Deshalb habe ich mich nicht auf eine Rede an sich konzentriert, sondern möchte kurz drei Punkte beleuchten, die aus der Sicht der CDU-Fraktion ganz sinnhaft sind.
Erstens. Der Antrag der Fraktion der PDS betrifft grundsätzlich ein legitimes Anliegen. Ich denke, wir sollten auch vor dem Hintergrund der Debatte zur Lübecker Erklärung diese Themen grundsätzlich im Parlament und in den Ausschüssen beraten. Deshalb ist der Antrag von uns im Grundsatz positiv zu entscheiden. Aber - jetzt komme ich zum Konkreten - wir müssen stets abwägen, was sinnvoll und was nicht sinnvoll ist.
Nach unserer Auffassung ist es zum jetzigen Zeitpunkt nicht sinnvoll, über die Privatisierung öffentlich zu debattieren - das würden wir sozusagen in den Ausschüssen und auch im Plenum tun -, weil wir wissen, dass die Frage der Vermögensprivatisierung, die ich in den Vordergrund meiner Argumentation stellen möchte, ein Fall ist, bei dem es um sehr diffizile und informelle Fragen geht, die man sicherlich nicht auf dem Marktplatz austragen sollte, den das Parlament nun einmal darstellt. Deshalb ist es zum jetzigen Zeitpunkt ein falsches Ansinnen. Aber wenn wir in dem einen oder anderen Fall konkret zur Privatisierung schreiten, ist es sicherlich sinnvoll, in den betreffenden Ausschüssen zu beraten.
Zweitens. Meine Damen und Herren! Es wurde von Frau Dr. Paschke vorhin schon angesprochen: Wir haben 97,7 Millionen € als Privatisierungserlöse eingestellt. Die einzelnen Bestandteile wurden bereits genannt. Die Verhandlungen dazu laufen. Ich sagte es bereits: Weil Verhandlungen stets auch unter dem Aspekt der Vertraulichkeit stattfinden, ist es nicht sinnvoll, dieses Thema hier näher zu debattieren.
Ich möchte nur eine Anmerkung zum Wasser machen. Es ist vor dem Hintergrund der Hochwasserkatastrophe unser vorderstes Bestreben, gerade in diesem Bereich die Sicherheitsbelange unserer Bürgerinnen und Bürger vor Privatisierungsüberlegungen zu stellen. Das ist ganz klar.
Zu einem dritten Punkt. Frau Paschke, Sie haben Ihren Antrag unter anderem wie folgt begründet. Ich zitiere - ich weiß, Herr Präsident, dass es keiner Genehmigung bedarf; deshalb mache ich es so -:
„Die Koalitionsfraktionen haben in ihrem Koalitionsvertrag eine umfassende Privatisierung öffentlicher Aufgaben festgeschrieben. Damit wurden Privatisierungsvorhaben in einer Breite und Tiefe umrissen, wie es in der Bundesrepublik nahezu einmalig ist.“
Dazu muss ich dann doch sagen: Wenn das Ihre Überzeugung ist, haben Sie die Diskussion in den anderen
Ländern nicht nachvollzogen. Das, was wir hier machen, ist zwar sozusagen ein neuer Schritt für das Land, aber es ist keineswegs einmalig für die Bundesrepublik. Ich denke, andere Länder sind auf diesem Gebiet schon sehr viel weiter.
Sachsen-Anhalt ist in einem Aufholprozess und nicht sozusagen in einem Vorreiterprozess. Denn in der Koalitionsvereinbarung steht - ich zitiere; Sie hatten es vorhin schon getan, ich möchte es wiederholen -:
„Die Aufgabenkritik muss alle staatlichen Ebenen wie auch die landeseigenen Betriebe, Gesellschaften und Körperschaften einbeziehen. Die Koalition ist sich dabei einig, dass eine staatliche Aufgabe zu privatisieren ist, es sei denn, die öffentliche Verwaltung weist nach, dass sie effizienter und ökonomischer arbeitet. Privatisierungen dürfen aber nur dort stattfinden, wo Wettbewerb im Markt möglich ist.“
Was ist daran einmalig oder besonders? Ich denke, das ist eine Binsenweisheit. Darin sind wir uns als Koalitionsfraktionen einig.
Ein Letztes, Frau Dr. Paschke, zu dem Thema der Aufgabenprivatisierung. Ich möchte das mit einem Zitat beleuchten, das deutlich macht, wie die Problemlage in Deutschland zu diesem Punkt ist:
„Wir streichen hier 20 % aller Vorschriften, die uns strangulieren. Dabei geht es um die Frage der Auswahl. Weil die Irrationalität unserer Normenflut nicht aus der einzelnen Vorschrift kommt, sondern aus der Summierung, glaube ich nicht, dass man rational einzelne Vorschriften streichen kann. Man muss Blöcke streichen und erklären, wir schauen einmal, ob es ohne diese ganzen Vorschriften geht, auch unter Inkaufnahme des Risikos, dass man die eine oder andere Vorschrift, die sich doch als wichtig erweist, wieder in Kraft setzen muss, was relativ rasch möglich ist.“
Das hat kein Radikalinski, sondern das hat Altbundespräsident Roman Herzog gesagt. Ich denke, es verdeutlicht noch einmal die Problemlage, vor der wir hier stehen.
In diesem Sinne sollten wir alle gemeinsam dem Ziel der Privatisierung verpflichtet sein; denn ansonsten wird § 1 der Verfassung von Mecklenburg-Schwerin Gültigkeit haben: Es bleibt alles beim Alten. - Das kann nicht in unserem Sinne sein. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Tullner. - Nun besteht die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Zunächst Herr Reck, dann Herr Gallert. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Tullner, wir sollten vermeiden, heute über Glauben zu reden. Ich glaube, es ist für jeden Christen unverzichtbar, dass er glaubt und dass der Glaube die Grundlage unseres Handelns ist. Wenn wir nicht mehr in der Lage wären zu glauben, dann hätten wir mit den Ansprüchen, die wir haben, auf dieser Welt eigentlich nichts mehr zu suchen. Punkt 1.
Punkt 2. Die - ich nenne es einmal so - junge Garde der FDP und der CDU hat nun erklärt, ihre Fraktionen lehnen diesen Antrag ab. Ich frage mich: Was haben Sie in diesem Zusammenhang eigentlich zu verbergen?
und legen kein Konzept vor. Herr Tullner, meinen Sie nicht, es wäre für Ihre Vorhaben sogar hilfreich, wenn Sie mehr Offenheit gewähren würden? Meinen Sie nicht auch, dass eine Beratung über Ihre Vorhaben im Parlament auch jetzt im Vorfeld Ihnen bei deren Umsetzung helfen würde? Dafür sind wir da. Auch wir sind bereit, dabei mitzuwirken. Weihen Sie uns ein und erzählen Sie uns in den Ausschüssen das, was Sie vorhaben. Darum bitte ich Sie.