Frau Dr. Hüskens, wenn es diesen Antrag heute nicht gegeben hätte, dann hätten wir darüber auch nicht im Ausschuss geredet.
(Beifall bei der SPD - Unruhe bei der CDU und bei der FDP - Herr Tullner, CDU: Das ist reine Spekulation!)
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Cross-Border-Leasing-Transaktionen stehen derzeit stark in der öffentlichen Diskussion. Das verwundert auch nicht besonders, sind es doch
Transaktionen, die in ihrer Komplexität deutlich über das hinausgehen, was Kommunen sonst als Tagesgeschäft betreiben.
Viele Sonderfinanzierungsformen wie Leasing, Mietkauf, Sale-and-lease-back-Geschäfte oder die im Cross-Border-Leasing zusammengefassten grenzüberschreitenden Finanzierungen wie Lease-in/Lease-out- oder Leaseto-Service-Contract-Strukturen und auch verschiedene Finanzderivate wurden von der privaten Wirtschaft entwickelt. Ziel war es, jeweils für ein bestimmtes Vorhaben die bestmögliche Finanzierungsform zu finden.
Auch die Kommunen sind verpflichtet, für ihre Vorhaben die für ihre Bürger günstigste Finanzierungsform zu wählen. Sie sind hierbei berechtigt und vielleicht sogar verpflichtet, nach Abwägung aller Risiken auf die genannten Sonderfinanzierungsformen zurückzugreifen. Die Anzahl der durch Sonderfinanzierung finanzierten Maßnahmen der Kommunen in Deutschland dürfte kaum abzuschätzen sein. Allein beim Cross-Border-Leasing gibt es in Deutschland etwa 150 bis 180 erfolgreich durchgeführte Transaktionen.
Die Gegner von CBL beschäftigen sich meist nicht mit den anderen Sonderfinanzierungsformen, obwohl diese ebenfalls in der Regel auf die Erlangung eines steuerlichen Vorteils abzielen. Beim CBL wird nach Meinung der Gegner eine Reihe von Risiken eingegangen, die nicht beherrschbar seien. Es wird zum Beispiel die große Anzahl von Verträgen kritisiert und dass diese in englischer Sprache abgefasst seien. Hierzu ist zu bemerken, dass eine CBL-Transaktion aus ca. 60 bis 70 Einzeldokumenten besteht. 20 bis 25 davon sind auch Verträge, wobei etwa vier dieser Verträge das eigentliche Gerüst des Vertragswerkes bilden. Die übrigen Dokumente stellen kleinere ergänzende Vereinbarungen dar, die zudem rein technischen Charakter haben.
Beispielsweise hat sich in der Lutherstadt Wittenberg auf Antrag der dortigen PDS-Fraktion der Rechtsanwalt Herr Dr. Schacht die Verträge im Nachhinein angesehen und sich ohne vorherige Kenntnis der Verträge alle wesentlichen Vertragsbedingungen innerhalb von zwei mal zwei Stunden Lesezeit selbst erlesen.
Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat sich schon mehrfach mit Cross-Border-Leasing-Verträgen beschäftigt. In der Beantwortung der Kleinen Anfrage des Abgeordneten Böhmer in Drs. 3/483 vom 23. Oktober 1998 und in der Beantwortung der Kleinen Anfrage des Abgeordneten Gärtner in Drs. 3/5393 vom 11. März 2002 ist jeweils unter anderem festgestellt worden, dass CrossBorder-Leasing-Verträge nicht der kommunalaufsichtlichen Genehmigung bedürfen. In der Praxis werden aber trotzdem regelmäßig Genehmigungen der Kommunalaufsichtsbehörden für solche Geschäfte beantragt und auch erteilt. Die Genehmigung ist auch nicht zu versagen, da Cross-Border-Leasing-Geschäfte weder gegen deutsches noch gegen internationales Recht verstoßen.
Natürlich sind CBL-Geschäfte - wie im Übrigen alle Geschäfte - auch mit Risiken behaftet. Diese abzuwägen und im Wege der Verhandlung zu minimieren, ist Aufgabe der betroffenen Kommune. Nur die Kommune
selbst kann im Rahmen ihrer verfassungsmäßig garantierten Selbstverwaltung entscheiden, welche Risiken sie bereit ist einzugehen. Dabei ist allen Kommunen klar, dass diese Art der Sonderfinanzierung nicht die Lösung all ihrer Finanzprobleme bedeuten kann. Cross-BorderLeasing kann immer nur eine Ergänzung und Verbesserung vorhandener Finanzierung sein.
Die PDS-Fraktion möchte nun, dass Cross-Border-Leasing-Geschäfte in Sachsen-Anhalt verboten werden. Bei etwa 150 bis 180 in Deutschland durchgeführten CrossBorder-Leasing-Transaktionen ist bisher kein einziger Fall bekannt geworden, bei dem es zu einer Störung der Transaktion gekommen ist. Deutsche Kommunen haben auf diese Art und Weise mehrere Hundert Millionen Euro Gewinn verbucht.
Zum anderen ist es aber auch verfassungsrechtlich bedenklich, wenn nicht sogar unmöglich, Cross-BorderLeasing-Geschäfte zu verbieten. Ich verweise hier insbesondere auf die verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltung der Kommunen. Das Land hat nicht das Recht, ohne erkennbaren Grund die Entscheidungsfreiheit der Kommunen einzuschränken. Ein Verbot des Cross-Border-Leasing würde auch eine Diskriminierung der Rechtsordnung der Vereinigten Staaten von Amerika bedeuten, da hierdurch mittelbar US-amerikanische Marktteilnehmer erheblich benachteiligt würden.
Demnach verstößt ein Verbot des Cross-Border-Leasing unter anderem gegen zentrale Bestimmungen des Gesetzes zum Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag vom 29. Oktober 1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika. Auch nach Bestimmungen des General Agreement on Trade in Services - GATS - ist ein Verbot des Cross-Border-Leasing nicht möglich. Im GATS haben sich die WTO-Mitgliedstaaten, auch Deutschland, verpflichtet, Dienstleistungsanbieter, auch Anbieter von Finanzdienstleistungen, aus anderen Mitgliedstaaten grundsätzlich in gleicher Weise zu behandeln wie inländische Anbieter.
In Bayern gibt es derzeit den Entwurf eines Gesetzes, welches CBL-Geschäfte für die bayerischen Kommunen verbieten soll. Dieser Entwurf wird zurzeit auf Verfassungskonformität geprüft. Führende Verfassungsrechtler haben bisher erhebliche Bedenken gegen ein solches Verbot angemeldet, insbesondere wegen des Verstoßes gegen die Selbstverwaltungsgarantie der Kommunen und wegen des Verstoßes gegen internationales Recht.
Auch die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat sich mit dem Schreiben vom 24. Januar 2003 zu CrossBorder-Leasing-Geschäften geäußert. Sie kommt in einem siebenseitigen Schreiben unter anderem zu dem Fazit - ich zitiere -:
„US-Cross-Border-Geschäfte können die kommunalen Haushalte um einige Millionen entlasten, bergen aber auch Risiken, die sorgfältig gegenüber dem kurzfristigen Vorteil abgewogen werden müssen.“
In der Verantwortung stehen hierbei die Kommunen, die im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts die Entscheidung über das Zustandekommen solcher Geschäfte treffen. Die Kommunalaufsicht ersetzt nicht das eigenverantwortliche Handeln der Kommune.
Auch wenn CBL-Geschäfte hochkomplex sind, sind sie sowohl nach deutschem als auch nach US-Recht legal. US-Fiskus und Gesetzgeber haben Kenntnis von den Geschäften und hätten es in der Hand, durch Änderungen ihren Steuerpflichtigen die Vorteile nicht mehr zugute kommen zu lassen. Von dieser Möglichkeit hat der amerikanische Staat bisher keinen Gebrauch gemacht - übrigens bewusst!
Zusammenfassend möchte ich, um zum Schluss zu kommen, sagen: Das Grundansinnen der PDS zur Unterbindung von Cross-Border-Leasing-Geschäften in SachsenAnhalt ist abzulehnen, die Behandlung im Finanzausschuss durchaus wünschenswert. Da es keinerlei negative Erfahrungen mit Cross-Border-Leasing-Geschäften in Deutschland gibt, ein freiwilliger Verzicht auf mögliche Finanzvorteile nicht sinnvoll ist, ein Verbot von CrossBorder-Leasing einen ungerechtfertigten Eingriff in das verfassungsmäßig garantierte Recht auf Selbstverwaltung der Kommune darstellen würde, würde ein Verbot von Cross-Border-Leasing einen Bruch von völkerrechtlich verbindlichen bilateralen und multilateralen Verträgen darstellen. - Danke.
Dessen bin ich mir sehr bewusst, sehr geehrter Herr Bullerjahn. Sehen Sie, nicht alles wurde in Bayern erfunden. In Sachsen-Anhalt hat man nicht nur als Erstes Flugzeuge gebaut, von Sachsen-Anhalt in der Mitte Deutschlands ist auch so viel Gutes ausgegangen.
Daher sollten wir auf diese positiven Möglichkeiten, zu Geld zu kommen, nicht verzichten, sehr geehrter Herr Bullerjahn.
Einen Satz noch an die sehr geehrte Frau Dr. Weiher. Sie haben mich vorhin namentlich erwähnt. Wissen Sie, sehr geehrte Frau Doktor,
wenn ein Redebeitrag, den man in einem deutschen Fernsehsender als Interview abgibt, vollkommen aus dem Kontext heraus wiedergegeben wird, sehr geehrte Frau Doktor, ist das irgendwie nicht ganz in Ordnung.
Vielen Dank, Herr Scheurell. - Nun haben Sie noch einmal das Wort, Frau Dr. Weiher, wenn Sie es wünschen.
Ich muss allerdings sagen: Der Kontext dieses Zitates war das Cross-Border-Leasing-Geschäft in Wittenberg. Insofern ist das Zitat nicht aus irgendeinem Rahmen gerissen worden.
Die Dinge, die diesem Antrag möglicherweise unterstellt werden, kann ich so nicht sehen. Es geht nicht um ein Verbot von Cross-Border-Leasing-Geschäften. Lesen Sie sich bitte den Antrag noch einmal genau durch. Es geht darum zu prüfen, welche Risiken Kommunen und das Land möglicherweise erfahren, wie hoch diese sind, wer sie trägt und wie man sie minimieren kann. Wenn es nicht gelingen sollte, sie zu minimieren, dann muss man allerdings auch darüber nachdenken, ob diese Geschäfte weiterhin für die Kommunen und das Land tragfähig und genehmigungsfähig sind.
Es geht nur um eine Unterbindung in der Zeit, in der belastbare Kriterien nicht vorliegen, und nicht um ein generelles Verbot. Ich bin schon dafür, durchaus zu prüfen, ob es Finanzinstrumente gibt - kreativ genug sind wir alle in solchen Sachen -, die dazu da sind, entsprechende Kapitalmöglichkeiten für die öffentlichen Haushalte zu rekrutieren.
Von der Warte her kann ich Ihnen, Herr Minister, nicht zustimmen, dass mein Anfangsbeitrag von Mutmaßungen überladen gewesen sei. Vielmehr habe ich genau nur die Fragen formuliert, die mir in vielen Beiträgen aufgefallen sind und die genau zu diesen Risiken führen könnten. Ich habe nicht gesagt, dass sie in jedem Einzelfall eintreten werden. Aber ich denke, dass es einfach wert ist, genau über diese Fragen nachzudenken und danach abzuschätzen, ob solche Risiken bei Verträgen eintreten oder ob man solche Risiken bei Vertragsabschluss ausschließen kann.
Frau Dr. Weiher, möchten Sie eine Frage von Herrn Kosmehl und eine Frage von Herrn Scheurell beantworten?
Vielleicht im Anschluss. - Ich will auch noch eine Aussage von Herrn Scheurell hinterfragen. Er meinte, wenn ich das richtig verstanden habe, dass in Deutschland 150 Geschäfte erfolgreich abgeschlossen worden seien. Die Frage ist für mich: Wie messen Sie den Erfolg, wenn die Laufzeiten der Geschäfte noch gar nicht beendet sind?
Seit 1995 sind Verträge für diese Geschäfte mit deutschen Kommunen abgeschlossen worden - Cross-Border-Leasing-Geschäfte, wohlgemerkt. Ich spreche jetzt nicht von Sale-and-lease-back oder irgendwelchen Dingen, ich spreche direkt von Cross-Border-Leasing. Die Laufzeiten betragen 25 oder 30 Jahre. Das heißt, ab dem Jahr 2020 können wir darüber reden, ob die Geschäfte erfolgreich waren oder ob eben doch Risiken eingetreten sind. Genau darum geht es: diese Risiken möglichst gering zu halten.