Protocol of the Session on April 10, 2003

Der Transporteur muss dafür garantieren, dass der Transport von Kernbrennstoffen sicher durchgeführt wer

den kann. Für die Sicherung eines solchen Transports auf der Schiene sind das Eisenbahnbundesamt und der BGS als Polizeieinrichtung des Bundes zuständig. Die Länder werden beteiligt, weil es nicht völlig unbekannt ist, dass es militante Gruppierungen gibt, die den Transport solcher Stoffe nutzen, um ihre Haltung zur Kernenergie und zu Kernkraftwerken deutlich zu machen, und dass es bei dieser Gelegenheit durchaus beabsichtigt ist und vorkommt, dass der sichere Transport durch Eingriffe in das Transportsystem behindert wird.

Deswegen werden die Polizeien der Länder informiert, um sicherzustellen, dass der Schutz eines sicheren Transports auch außerhalb des eigentlichen Bahnkörpers gewährleistet werden kann. Wenn die Polizeien der Länder dazu an dem Tag, für den ein solcher Transport angemeldet wird, aufgrund anderer polizeilicher Lagen nicht imstande wären, würde ein solcher Transport an diesem Tag nicht stattfinden.

Katastrophenschutz in diesem Zusammenhang ist ein ganz anderes Thema. Nur weil Züge mit Gefahrgütern, auch mit abgebrannten Brennelementen, auf unseren Verkehrswegen unterwegs sind, besteht noch keine Katastrophengefahr. Natürlich kann es immer vorkommen, dass auf Verkehrswegen Havarien auftreten. Aber gerade beim Transport abgebrannter Brennelemente im Castor sind die Sicherheitsvorkehrungen bei der Begleitung eines solchen Zuges so hoch, dass sich eine Information der Katastrophenschutzbehörden im Vorfeld eigentlich von vornherein ausschließt.

Denn bei einer möglichen Gefährdung auf dem Schienenweg - das ist das, was Sie beschrieben haben - würde, wenn auf der vorgesehenen Bahnstrecke irgendeine Havarie wäre und der Zug nicht sicher fahren könnte, allein schon über die Begleitung durch den Bundesgrenzschutz, die sich auf einem solchen Zug befindet, oder durch Verantwortliche des Eisenbahnbundesamtes sofort reagiert werden können, sodass es zu Havarien auf dem Verkehrsweg dem Grunde nach nicht kommen kann.

Ausschließen kann man so etwas - da gebe ich Ihnen Recht - nicht. Aber das Handeln von Einsatzkräften der Gefahrenabwehr - der Feuerwehren, des Technischen Hilfswerks oder anderer - würde gerade bei CastorTransporten ganz anders verlaufen als bei einem Unfall auf Verkehrswegen mit Gefahrgütern, die nicht unter die strengen Regelungen des Atomgesetzes fallen.

Ich habe in allen Ländern - ganz besonders in Mecklenburg-Vorpommern - recherchieren lassen, durch die dieser Transport gefahren ist. Es ist überall so verfahren worden - insoweit weise ich den Vorwurf der Desinformation schlichtweg zurück -, wie es seit Jahren, abgestimmt zwischen Bund und Ländern und hier zwischen den Gremien der Umwelt- und der Innenminister des Bundes und der Länder, gemacht wird, nämlich dass bei Transporten von abgebrannten Kernbrennelementen eine Information an die kommunale Ebene als Gefahrenabwehrbehörde nicht erfolgt. Genau so haben sich alle Länder - einschließlich Mecklenburg-Vorpommerns -, durch die dieser Transport geführt wurde, verhalten. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Minister, wären Sie bereit, eine Frage des Abgeordneten Herrn Gallert zu beantworten? - Bitte sehr.

Herr Minister, ich will nur darauf hinweisen, dass die PDS auch in Mecklenburg-Vorpommern nicht den Innenminister stellt.

(Lachen bei der CDU)

Meine Frage ist aber eine andere. Herr Köck hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die unteren Katastrophenschutzbehörden nicht über den Transport informiert gewesen sind. Nun sagen Sie, wenn irgendetwas auf dem Schienenweg passiere, seien sie nicht zuständig.

Nun frage ich Sie einmal: Nehmen wir einmal an, es wäre wirklich irgendetwas passiert, wer wäre denn für die Evakuierung der Ortschaften im Umkreis von 1 oder 2 km im Falle des Falles zuständig gewesen? Wie hätte das denn der Bundesgrenzschutz machen sollen, ohne dass zum Beispiel die örtlichen Behörden überhaupt gewusst haben, dass ein solcher Transport durch ihr Territorium führt?

Schadenslagen können aus den verschiedensten Gründen entstehen. Selbstverständlich sind die Behörden vor Ort, die Feuerwehr, das Technische Hilfswerk oder andere Hilfsorganisationen diejenigen, die bei Schadenslagen zum Einsatz kommen und die dann die notwendigen Handlungen vollziehen. Aber die Schadenslage muss eingetreten sein und dann kommen die Behörden zum Handeln, nicht präventiv nach dem Motto: Es fährt ein Zug durch unser Land und es könnte etwas passieren. Dann müssten Sie jeden Kilometer der Strecke permanent durch Helfer schützen, weil es täglich Gefahrguttransporte auf allen Verkehrswegen gibt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Besten Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren! Als nächstem Redner erteile ich Herrn Kosmehl für die FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Anlass der heutigen Aktuellen Debatte ist die Tatsache, dass ein Castor-Transport das Land SachsenAnhalt durchquert hat. Jeder von uns weiß: CastorTransporte sind notwendig, sei es der Transport zum Zwecke der Wiederaufbereitung, zum Beispiel in das französische La Hague, oder sei es der Transport zum Zwecke der Zwischen- und Endlagerung, zum Beispiel nach Gorleben.

Solche Transporte sind und bleiben notwendig - notwendig auch deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil es die Bundesregierung und im Besonderen Bundesumweltminister Trittin bisher nicht geschafft haben, ein tragfähiges und schlüssiges Entsorgungskonzept für die Endlagerung von radioaktivem Müll vorzulegen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Bisher haben Castor-Transporte aus verschiedenen Gründen andere Routen genommen. Im März 2003 aber hat nun ein Castor-Transport auch das Land SachsenAnhalt durchfahren. Die Entscheidung der Verantwort

lichen für den Castor-Transport - der Minister hat die Verantwortlichkeiten gerade dargestellt -, die Entscheidung, überhaupt eine Route durch Sachsen-Anhalt zu wählen, kann niemand hier in diesem Hohen Hause kritisieren, denke ich. Das Land Sachsen-Anhalt kann sich der Verantwortung nicht entziehen und es nur anderen Bundesländern zumuten, solche Transporte in ihrem Bereich stattfinden zu lassen.

Für die FDP-Fraktion steht fest: Aus der Notwendigkeit solcher Transporte folgt auch die Verpflichtung eines Bundeslandes, Transportrouten über sein Territorium zu dulden.

Die von der PDS geforderte Informationspolitik steht in krassem Gegensatz zu einer zwischen dem Bund und den Ländern abgestimmten Verfahrensweise. Aufgrund dieser Verfahrensweise ist zwar das Innenministerium über den geplanten Transport informiert worden, sollte aber diese Informationen nicht weitergeben.

Auf der Grundlage der heute zu verwendenden Sicherheitsstandards für Castor-Behälter ist eine Gefährdung nicht anzunehmen. Für andere Tatsachen, die eine Gefahrenlage herbeiführen könnten, gab es scheinbar keine Erkenntnisse. Eine Weiterinformierung anderer Stellen war damit nicht angezeigt.

Meine sehr geehrte Damen und Herren der PDS-Fraktion, wie soll Ihrer Ansicht nach denn eine Informationspolitik des Innenministeriums aussehen? Informationen für alle, das heißt Angaben zur Streckenführung, zur Transportzeit veröffentlichen? - Der Innenminister hat in seiner Rede angedeutet, welche Auswirkungen eine von Ihnen offenbar gewollte offene Informationspolitik haben könnte. Ich möchte dabei nachdrücklich unterstreichen, dass durch eine offene Informationspolitik potenziell auch die Zahl der Störaktionen erhöht wird. Störaktionen sind uns nicht unbekannt. Störaktionen machen CastorTransporte aber nicht sicherer, sondern ermöglichen erst eine Gefahrenlage auch für die Castoren selbst.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Lassen Sie mich an dieser Stelle aber eines betonen: Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, gewaltfrei gegen bekannte Castor-Transporte zu protestieren.

(Zuruf von Herrn Gallert, PDS)

Aus der Vergangenheit wissen wir aber, dass solche Demonstrationen gegen Castor-Transporte oftmals von Gewalt begleitet werden. Gewalt aber, meine Damen und Herren, direkt oder indirekt von Demonstrationen ausgehend, kann der Rechtsstaat nicht tolerieren.

Es ist selbstverständlich, dass bei konkreten Gefährdungslagen auch die örtlichen Gefahrenabwehrbehörden informiert und in die Maßnahmen zur Abwehr einer solchen konkreten Gefahr einbezogen werden. Dies kann aber im Umkehrschluss nur bedeuten, dass ohne eine solche Gefährdungslage eine Informierung der örtlichen Gefahrenabwehrbehörden nicht notwendig erscheint.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion hat keine Bedenken gegen die von Bund und Ländern bisher praktizierte Informationspolitik im Hinblick auf Castor-Transporte. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von Minister Herrn Dr. Rehberger und von Minister Herrn Dr. Daehre)

Herr Kosmehl, wären Sie bereit, eine Frage der Abgeordneten Frau Dr. Sitte zu beantworten?

Frau Dr. Sitte: Nein. - Ich rufe damit den nächsten Redner auf. Für die SPD-Fraktion erhält das Wort der Abgeordnete Herr Rothe. Bitte sehr, Herr Rothe.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kosmehl, ich bin mit Ihnen einig, dass der Grundsatz der Bundestreue es verlangt, dass wir grundsätzlich bereit sind, auch Castor-Transporte durch Sachsen-Anhalt zuzulassen.

Der Landtagsbeschluss vom November 1999, Herr Dr. Köck, bezog sich auf die damalige spezielle Problemsituation, dass nämlich eine Brücke auf dem üblichen Transportweg durch Niedersachsen nach Gorleben erneuert werden musste und deshalb eine Ausweichtrasse über Sachsen-Anhalt in Betracht gezogen wurde. Für diesen spezifischen Einsatz hielten wir damals die Voraussetzungen nicht für gegeben. Insofern war das kein Grundsatzbeschluss, sondern einer, der sich auf die Situation im Herbst 1999 bezog.

Herr Minister Jeziorsky, Sicherheit ist immer relativ. Castoren sind wohl sicher, aber absolute Sicherheit sehe ich auf Erden nirgends. Wer sollte das besser wissen als Sie, Herr Jeziorsky; denn immerhin haben wir hier im Landtag vor bald sieben Jahren - es war am 20. Juni 1996 - in einer Aktuellen Debatte zum Thema Gefahrguttransporte in Sachsen-Anhalt einen Bericht über den Bahnbetriebsunfall entgegengenommen, der sich am 1. Juni 1996 auf der Bahnstrecke Magdeburg - Halle im Stadtgebiet Schönebeck ereignet hatte.

Gegen 17.30 Uhr entgleisten an diesem Samstag 13 Kesselwagen, von denen einer sofort explodierte und fünf in Brand gerieten. Um 17.36 Uhr waren die freiwilligen Feuerwehren Schönebeck, Salzelmen und Frohse am Unfallort. Erst um 17.48 Uhr traf die Information der Zugleitung der Deutschen Bahn AG über den Inhalt der Waggons und die Gefahrenklassifikation ein. Als die Einsatzkräfte erfuhren, dass es sich um Vinylchlorid handelte, waren die Löscharbeiten bereits seit zwölf Minuten in Gang. Herr Minister Dr. Heyer stellte im Landtag dazu fest - ich zitiere -:

„Erst dann“

- also nach den zwölf Minuten -

„konnten die Gefährlichkeit dieses Gefahrstoffes ermittelt und Maßnahmen des chemischen Schutzes für die eingesetzten Kräfte der Feuerwehren festgelegt werden. Diesem Zeitverzug ist es zuzurechnen, dass es in der ersten Phase des Einsatzes zu Gesundheitsschädigungen bei den eingesetzten Rettungs- und Hilfskräften kommen konnte.“

(Herr Gallert, PDS: Genau!)

Herr Jeziorsky, Sie haben damals als Landrat gemeinsam mit Herrn Dr. Heyer die verletzten Feuerwehrleute aufgesucht und mit ihnen gesprochen. Sicherlich teilen

Sie die Auffassung, dass wir ein Informationssystem brauchen, welches es den Sicherheitskräften jederzeit an jedem beliebigen Ort am Transportweg erlaubt, auf alle erforderlichen Informationen zurückzugreifen.

(Zustimmung von Herrn Kühn, SPD, und von Herrn Dr. Püchel, SPD)

Was liegt da näher, als den Landkreisen, durch die solche gefährlichen Transporte stattfinden, schon vor Antritt der Reise alle relevanten Informationen zur Verfügung zu stellen?

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Und, Herr Kosmehl, Sie haben auch nicht glaubhaft gemacht, dass der Bund die Länder daran hindern würde. Es gibt Aussagen, etwa von Greenpeace, dass einzelne Länder auf freiwilliger Basis diese Informationen den Kommunen zur Verfügung stellen. Dazu sollte man nicht einfach das Gegenteil behaupten.

In dem heute zu verhandelnden Fall wusste die Landesregierung von dem Gefahrguttransport; sie hat aber die Landkreise und kreisfreien Städte nicht informiert, dass ein Castor-Transport per Bahn durch Sachsen-Anhalt rollte.

Die einzelnen Castor-Transporte - das ist richtig dargestellt worden - werden durch das Bundesamt für Strahlenschutz genehmigt. Das Bundesamt veröffentlicht die erteilten Genehmigungen bzw. die Termine der einzelnen Transporte. Diese Termine sind auf den Internetseiten des Bundesamtes abrufbar. Die Bundesregierung hat somit für ihren Zuständigkeitsbereich ein offenes Verfahren gewählt und die Transparenz hergestellt.