Protocol of the Session on March 14, 2003

In diesem Zusammenhang ist für die PDS noch immer ungeklärt, wie die Arbeitsämter vor Ort mit arbeitslosen Eltern umgehen werden und welche Aufgabe das Ministerium dabei haben wird.

Eine interessante Frage, auch schon von Frau Kuppe aufgeworfen, ist, wie seitens der Kommunen der Begriff „Eltern“ ausgelegt wird. Was ist mit getrennt lebenden Eltern? Wie ist der Umgang mit Großeltern?

Aber, meine Damen und Herren, eine katastrophale Situation zeichnet sich für die integrativen Einrichtungen ab. Wie wird der Übergang zum neuen Gesetz bei Kindern mit Behinderungen gestaltet? Sollen allen Ernstes all diese Kinder neu überprüft werden? Wenn das tatsächlich geschehen soll, geht das einher mit der Grundintention, dass die bisher erteilten Bescheide unrichtig seien. Da frage ich mich zudem, ob denn nun ganz andere Menschen darüber entscheiden werden. Wie wird schließlich die Zusammensetzung und die Personalausstattung der Integrationsgruppen aussehen?

Des Weiteren drängt sich mir mehr und mehr die Frage auf, ob das Kinderförderungsgesetz in diesem Punkt nicht sogar gegen Bundesrecht verstößt, namentlich gegen die §§ 39 und 40 BSHG, wenn der Leistungsbezug durch Landesgesetz eingeschränkt wird.

Im Bereich der Behindertenhilfe gibt es zum Glück keine Kürzung von Leistungen, wenn die Erziehungsberechtigten erwerbslos sind. Folge daraus muss auch im Land sein, dass Einschränkungen der Betreuungszeiten für Kinder mit Behinderungen nicht in Betracht kommen. Im Übrigen ist auch die Begrifflichkeit „behinderungsbedingter Mehrbedarf“ mehr als unglücklich gewählt. Wenn Sie schon von einem Mehrbedarf sprechen, dann tun Sie das wenigstens während der gesamten Betreuungszeit; denn Kind ist eben nicht gleich Kind. Das ist vielleicht die höchste Vorstellung der Integration, entspricht aber nun einmal nicht den Realitäten.

Übrigens wird es für die integrativen Einrichtungen noch zu einem höheren Kostenaufwand kommen, da in Zukunft eine veränderte Organisation und Durchführung des Behindertentransports erforderlich sein wird. Schließlich bedarf es nun doppelter Fahrten: für Kinder mit Halbtags- und für Kinder mit Ganztagsanspruch. Nun hoffe ich nicht, dass Sie die Sondereinrichtungen anstreben. Doch die Frage der finanziellen Belastung steht für integrative Einrichtungen momentan an erster Stelle.

All diese noch offenen Fragen, die teilweise durch Träger an uns herangetragen worden sind, lassen mich zu dem Vorwurf gegenüber der Landesregierung kommen, dass sie Träger von integrativen Einrichtungen bei der Erarbeitung des Kinderförderungsgesetzes nicht ausreichend einbezogen hat. Doch auch das fügt sich nur in das Gesamtbild ein. Es ging und geht Ihnen eben nicht um die Ansprüche von Kindern, sondern nur um Einsparungen.

Nun komme ich zum Personal und bleibe dennoch zunächst bei den integrativen Einrichtungen. Für behinderte Kinder soll nach Lesart des Gesetzes in erster Linie der Personalbedarf nach den gleichen Gesichtspunkten wie für nichtbehinderte Kinder gelten. Man kann jedoch nicht allen Ernstes mit einem Personalschlüssel für nichtbehinderte Kinder behinderte Kinder fördern wollen.

Unter den Erzieherinnen hat das neue Gesetz natürlich auch für Verunsicherung und Angst vor Entlassungen gesorgt. Deshalb fordern wir in unserem Antrag auch eine Berichterstattung zu den Folgen des neuen Gesetzes für das Personal.

Welche Beratung lassen Sie den Einrichtungsträgern diesbezüglich zukommen? Wer finanziert den Trägern die Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen? Diese möchte ich sicherlich nicht abschaffen; aber es ist ein Problem, das vorhanden ist. Wer finanziert ihnen die Abfindungen? Sind die von Ihnen eingestellten 15 Millionen € Übergangsgeld tatsächlich ausreichend angesichts dieser finanziellen Verantwortlichkeiten und angesichts der Tatsache, dass Sie im Haushalt 2003 die Kommunalfinanzen um 350 Millionen € gekürzt haben? Mit welcher finanziellen Belastung werden die Kommunen infolge der Gesetzesänderung also tatsächlich klarkommen müssen?

Mit dieser Frage beziehe ich mich nicht nur auf die wenigen Tage, die zwischen dem seitens des Ministeriums angekündigten und dem tatsächlichen In-Kraft-Treten des Gesetzes liegen. Es geht mir um die Zeit vom 1. Januar 2003 bis zum 7. März 2003 und darüber hinaus auch um die so genannten Spätfolgen. Reichen hierfür tatsächlich 15 Millionen € aus, oder ist es nicht eher so, dass das Problem der finanziellen Belastungen erst an die Kommunen und dann zwangsläufig an die Eltern weitergegeben wird? Damit habe ich natürlich ein heftiges Problem. Es kann nicht sein, dass Kinderbetreuung

in Zukunft ausschließlich eine Frage des Geldbeutels der Eltern sein wird.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Frau Fi- scher, Naumburg, SPD, und von Frau Kachel, SPD)

Ich denke aber, genau das ist das Ziel Ihrer Politik.

(Zurufe von der CDU: Das stimmt doch gar nicht! - Sozialpopulismus!)

- Jetzt wird es lebendig. - Schließlich möchte ich auch noch auf die nicht vorhandenen Durchführungsbestimmungen zu sprechen kommen, wozu ich der Meinung bin, dass ihre Notwendigkeit aus meinen vorangegangenen Ausführungen eigentlich mehr als deutlich wird. Es hört sich vielleicht ganz nett an, wenn Sie, Herr Minister, sagen, dass das Gesetz allein ausreichend sei und es momentan keiner Durchführungsbestimmungen bedürfe. Doch das entspricht nun einmal nicht den Realitäten vor Ort. Auch wenn Sie, Herr Kurze, den Kindertagesstätten per Brief mitteilen, dass nun die Phase der Ungewissheit abgeschlossen sei, kann ich nur sagen: Thema verfehlt!

(Beifall bei der PDS - Unruhe bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, Sie haben in einem Wahnsinnstempo ein äußerst wichtiges Gesetz mit gravierenden Folgen für die Betroffenen durch den Landtag gejagt.

(Zuruf von der CDU: Aber nun!)

Die Problemlösung und damit den schwarzen Peter überlassen Sie aber nun den Kommunen und den Einrichtungen vor Ort.

(Beifall bei der PDS)

Das ist verantwortungslos. Ich bin bestimmt nicht diejenige, die Ihnen zur Umsetzung dieses Gesetzes verhelfen möchte. Ich fordere Sie aber auf: Werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht und setzen Sie sich mit den Problemen vor Ort auseinander, und zwar nicht nur in einem Frage-Antwort-Katalog auf der Homepage des Ministeriums, der noch nicht einmal für alle Menschen zugänglich ist; Frau Kuppe erläuterte das ausreichend. Sie wissen genauso gut wie ich, dass sich aus diesen 24 Seiten auf der Homepage keinerlei Rechtsverbindlichkeit entwickelt.

(Beifall bei der PDS)

Die Zeit, die Sie in die Erstellung dieser Seiten gesteckt haben, hätten Sie lieber in die Erarbeitung der Durchführungsbestimmungen investieren sollen, damit vor Ort endlich eine gleichmäßige Handlungsfähigkeit gegeben ist. Das sind Sie den Kindern, den Eltern, den Erzieherinnen und den Kommunen einfach schuldig. In diesem Sinne wird meine Fraktion den Antrag der SPD-Fraktion mittragen.

Der Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP hingegen ist mehr als aussageleer. Sie reden davon, dass die Landesregierung in dem erforderlichen Umfang schnellstmöglichen Gebrauch von den Verordnungsermächtigungen zu machen habe. - Das steht schon im Gesetz. Aber was sagt uns das? Jedenfalls nichts über die wesentlichen Dinge, wie den zeitlichen oder inhaltlichen Rahmen. Daher wird die PDS-Fraktion diesen Antrag nicht mittragen. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Frau von Angern. - Damit sind die beiden Anträge eingebracht worden. Bevor wir nun in die Debatte eintreten, haben wir die Freude, Gäste auf den Tribünen begrüßen zu können. Auf der rechten Seite sind es Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schulen in Quedlinburg und auf der linken Seite ist es eine Gruppe des Kinderheims „Waldmühle“.

(Beifall im ganzen Hause)

Zunächst hat Herr Minister Kley um das Wort gebeten. Bitte schön, Herr Kley.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe selten etwas Schlimmeres und Falscheres gehört als in den letzten Minuten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau von Angern, ich bin absolut erschüttert über das, was Sie hier geäußert haben. Ich finde es bezeichnend, dass Herr Dr. Eckert nicht hier ist. Der hätte Ihnen vielleicht erklären können, wie das Sozialhilferecht funktioniert. Er hätte Ihnen erklären können, dass das, was Sie hier erzählt haben, grottenfalsch war.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Unruhe bei der PDS)

Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Kenntnisse haben und auf was sich diese beziehen. Es kann sein, dass Sie der Meinung sind, dass Sie mit riesigem Populismus noch irgendjemanden hinter dem Ofen vorlocken können. Jeder, der sich nur andeutungsweise im Gesetzgebungsverfahren und im Sozialhilferecht auskennt, wird feststellen, dass Sie sich die letzten zehn Minuten hätten sparen können. Da kam nichts, aber auch gar nichts außer Falschheiten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Wider- spruch bei der SPD und bei der PDS - Zurufe von Herrn Dr. Heyer, SPD, und von Frau Bull, PDS - Herr Reck, SPD: Unerhört ist das!)

Wenn der Geist nicht blitzt, aber die Stimme - das scheint bei Ihnen gerade so zu sein.

(Heiterkeit bei der FDP und bei der CDU - Herr Reck, SPD: Das ist unerhört! - Frau Bull, PDS: Sie müssen einmal lernen, sich zu mäßigen! - Weitere Zurufe von der SPD und von der PDS)

Es ist natürlich durchaus so, dass ein neues Gesetz bei seiner Einsetzung immer zu gewissen Unsicherheiten führt. Das ist ganz klar. An dieser Stelle ist natürlich die Landesregierung gefragt, für Klarheit zu sorgen.

Herr Minister, möchten Sie eine Frage von Frau Dr. Sitte beantworten?

Bitte.

Bitte schön.

Herr Kley, glauben Sie angesichts dieses Gesetzes, dass die zahlreichen Veranstaltungen vor Ort, die außerordentlich gut von Eltern, Interessierten, Kindertagesstättenerzieherinnen und anderen Betroffenen besucht sind, gemacht werden, um Populismus zu verbreiten?

(Beifall bei der PDS)

Ich glaube nicht, dass die Betroffenen Populismus verbreiten, aber ich glaube, dass das Flugblatt der PDS, das offensichtliche Falschaussagen enthält, und die von Ihnen eben gemachten Aussagen sowohl zum Gesetzgebungsverfahren als auch zum Umgang mit dem Bundessozialhilfegesetz falsch und populistisch sind.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Unruhe bei der PDS)

Bei aller Notwendigkeit der Erklärung und Erläuterung gewisser Gesetze ist es aber wohl unstrittig, dass letztendlich bei der Durchführung und Umsetzung eines Gesetzes immer der Gesetzestext als solcher bindend ist. Es müsste also jedem hier im Saal klar sein, dass auch die Forderungen, die an uns gestellt werden, bestimmte Formulierungen des Gesetzes in dieser oder jener Gestalt zu interpretieren, nichts am Gesetzestext ändern und jederzeit, auch vor Gericht, der Gesetzestext als solcher maßgeblich ist. Keine Durchführungsbestimmung kann ein Gesetz ändern. Deshalb können wir heute nur feststellen, dass das, was im Gesetz steht, gültig ist.

(Unruhe bei der PDS - Frau Bull, PDS: Das hat doch niemand infrage gestellt!)

In § 3 des Gesetzes wird eindeutig auf den Bedarf abgestellt. Es ist nicht definiert, dass, wenn das eine oder andere eintritt, der eine oder andere Anspruch entsteht, sondern dass, wenn aufgrund von diesem und jenem ein Bedarf entsteht, ein Anspruch besteht.

(Zuruf von Frau Dr. Hein, PDS)

Wir gehen davon aus, dass das, was in diesem Hohen Hause so häufig gefordert wurde, nämlich die kommunale Selbstverwaltung, auch an dieser Stelle der Realität am ehesten entsprechen kann. Wir haben es gemerkt bei den vielen Fragerunden: Das Leben ist so vielgestaltig, dass man es nicht in einfache Formen gießen kann.

Wir haben daraus die Hoffnung gezogen und können wohl auch davon ausgehen, dass man vor Ort die jeweilige Situation am besten beurteilen kann und dort auch die Lösungen findet, die notwendig sind, um Erwerbstätigkeit bzw. berufliche Tätigkeit und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bekommen. Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht. Ein Großteil der Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften weiß auch sehr verantwortungsbewusst damit umzugehen.