Dass die Bundesanstalt für Arbeit Defizite erwirtschaftet, ist wirklich kein neuer Zustand. Im Jahr 2002 war das Defizit auf 2 Milliarden € veranschlagt; so hoch sollte zumindest der Bundeszuschuss ausfallen. Gelandet ist die Bundesanstalt für Arbeit bei einem Bundeszuschuss
Für das Jahr 2003 beruht der Haushaltsplan der Bundesanstalt für Arbeit auf einer erwarteten durchschnittlichen Arbeitslosenzahl von 4,14 Millionen Arbeitslosen. Zurzeit - wir haben es gehört - liegt die Zahl der Arbeitslosen bei 4,7 Millionen, sodass zu befürchten ist, dass der Durchschnitt wohl etwas höher ausfallen wird.
Dazu kommt, dass die Einnahmen der Bundesanstalt für Arbeit angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung viel zu hoch veranschlagt worden sind. Sie liegen um ca. 4 % über dem Einnahmeniveau der letzten Jahres. Sie sind also viel zu optimistisch veranschlagt worden. Angesichts der Entwicklung der Arbeitslosenzahlen sind die Pflichtleistungen, besonders das Arbeitslosengeld, zu niedrig veranschlagt worden.
Vor diesem Hintergrund ist es geradezu absurd, dass sowohl die Bundesregierung als auch die Bundesanstalt für Arbeit an dem Ziel festhalten, den Haushalt der Bundesanstalt zuschussfrei zu halten. Die Auswirkungen auf die aktive Arbeitsmarktpolitik, besonders in den neuen Bundesländern, sind gravierend.
Aus allen Ländern, aus den neuen Bundesländern natürlich im Besonderen, kommen die gleiche Signale: ABM, SAM und berufliche Weiterbildung werden drastisch heruntergefahren. Arbeitsfördergesellschaften, viele Träger sehen sich vor dem Aus. Bei Bildungsträgern werden Kündigungen anvisiert oder sind bereits ausgesprochen worden.
Die Ursachen sind vielfältig. Im Land Sachsen-Anhalt stehen beispielsweise im Jahre 2003 im Vergleich zum Jahr 2002 1,25 Milliarden € weniger zur Verfügung. Angesichts der auf 288 000 gestiegenen Zahl der Arbeitslosen wird dieser Rückgang überwiegend zulasten der aktiven Arbeitsmarktpolitik gehen.
Zum Rückgang der Mittel im so genannten Eingliederungstitel kommt hinzu, dass aus diesen Mitteln im Jahr 2003 zusätzliche Ausgaben finanziert werden müssen, wie beispielsweise SAM, die bisher im Bundeshaushalt voranschlagt worden sind, wie zum Beispiel PSA, die Personal-Service-Agenturen, die mit den HartzGesetzen neu eingeführt worden sind.
Für den Zuständigkeitsbereich des Arbeitsamtes Sangerhausen bedeutet das zum Beispiel, dass real 40 Millionen € weniger für die aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung stehen. Im Arbeitsamtsbereich Halberstadt werden zum Beispiel im laufenden Jahr allein bei einer Arbeitsfördergesellschaft sieben Maßnahmen mit 57 Teilnehmern und Teilnehmerinnen auslaufen. Die Maßnahmeplanung für das Jahr 2003 kam zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass im gesamten Arbeitsamtsbereich noch drei Maßnahmen mit 22 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in ABM möglich sein werden. Die oben genannte Gesellschaft wurde nicht berücksichtigt.
Wie soll nun diese Quadratur des Kreises gelingen? Zunächst einmal werden die Bedingungen für die Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik drastisch verschlechtert. Die Laufzeit von ABM soll pro Teilnehmerin bzw. Teilnehmer maximal sechs Monate betragen. Damit soll der Durchstoß der Arbeitslosen erhöht und die Behauptungen des Landesarbeitsamtes untermauert werden, man werde die Förderzahlen des Jahres 2002 wieder erreichen. Der dazu notwendige Verwaltungsaufwand wird in keinem Verhältnis zu den Möglichkeiten der Träger und zum Nutzen der Maßnahmen stehen.
Die verstärkte Förderung soll reduziert werden. Anstatt 20 % werden im Jahre 2003 nur noch 5 % des förderfähigen Arbeitsentgeltes gezahlt. Damit sind die Kosten für Material und Technik von ABM im Grunde nicht zu finanzieren.
Der Eigenanteil an den Maßnahmen, der von den Trägern zu erbringen ist, soll drastisch erhöht werden. Einige Arbeitsämter werden in Zukunft keine einzige Maßnahme mehr zu 100 % fördern. Das ist das Aus für viele, für die meisten kleinen Träger, vor allem im sozialen Bereich, die keine oder nur geringe Möglichkeiten haben, Eigenmittel zu erwirtschaften.
In Halle, wo von 926 in ABM beschäftigten Personen 873 bei kleinen freien Trägern beschäftigt waren, die fast alle vom Arbeitsamt zu 100 % gefördert worden sind, stehen nach Angabe eines „Aktionsbündnisses für soziale Verantwortung“ 75 % vor dem Aus. Das heißt nicht nur, dass die ABM-Stellen wegfallen - das wäre noch nicht einmal das Hauptproblem -, sondern das bedeutet, dass in der Regel gleichzeitig die Vereine vor dem Aus stehen und dass damit wertvolle Arbeit verloren geht.
Das Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe rechnet aufgrund der hohen Vorbindungen aus dem Vorjahr mit einer durchschnittlichen Kürzung bei der Neubewilligung so genannter klassischer Instrumente, also berufliche Weiterbildung und ABM, um etwa 40 %. Alleiniges Kriterium für die Bewilligung von beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen soll eine Verbleibquote, also eine Vermittlungsquote in den ersten Arbeitsmarkt, von 70 % sein.
Bei einem Bestand an gemeldeten offenen Stellen im Februar 2002 von 10 044, die nicht mehr und nicht weniger als 288 000 Arbeitslosen zur Verfügung stehen, wird diese Forderung - befürchten wir - nicht die gewünschten Effekte - nämlich intensivere Vermittlungsbemühungen, arbeitsmarktnähere Qualifizierung und eine höhere Qualität der Ausbildung, gegen die niemand etwas haben kann - haben. Sie wird vor allem einen massiven Einbruch auf dem Weiterbildungsmarkt zur Folge haben.
Allerdings werden die angepeilten Einsparungen auf diese Weise noch lange nicht erreicht. Die zu niedrig veranschlagten Pflichtleistungen wie das Arbeitslosengeld können nach einer Untersuchung des Bremer Instituts für Arbeitsmarktforschung nur dann ausreichen, wenn die Arbeitslosengeldausgaben pro registrierten Arbeitslosen um ca. 700 € sinken.
Erbracht werden sollen diese Einsparungen unter anderem durch eine Kürzung der Anspruchsdauer bei der Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung, durch Abzüge beim Arbeitslosengeld bei verspäteter Meldung und durch die rigorose Handhabung der neuen Sperrzeitenregelung. Zudem könnten sich Entlastungen für den Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit dadurch ergeben, dass die aktive Arbeitsmarktförderung stärker auf so genannte arbeitsmarktnahe Zielgruppen konzentriert wird, das heißt auf Menschen, auf Arbeitslose, die noch einen relativ hohen Arbeitslosengeldanspruch haben.
Das heißt aber im Umkehrschluss, dass Menschen mit Arbeitslosenhilfeanspruch, dass Menschen, die nicht Leistungsempfängerinnen sind, zunehmend ausgegrenzt werden. Dabei beträgt der Anteil der Langzeitarbeitslosen an den Arbeitslosen insgesamt schon jetzt min
destens ein Drittel, wie im Arbeitsamtsbereich Stendal, oder 41,3 % wie im Februar aktuell in Halle.
Alle diese Tatsachen haben die PDS-Fraktion dazu veranlasst, den vorliegenden Antrag einzubringen. Es ist aus unserer Sicht dringend erforderlich, diese Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen und auf die Geschäftspolitik der Bundesanstalt für Arbeit einzuwirken.
Mit Freude habe ich in der gemeinsamen Erklärung des Arbeitsministers Herrn Dr. Rehberger, des Arbeitgeberpräsidenten Herrn Dr. Fänger und des DGB-Chefs Herrn Dr. Weißbach gelesen - ich zitiere -:
„Der Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit ist unrealistisch. Er basiert auf nicht eingetroffenen Wirtschaftsdaten. Bereits bei seiner Verabschiedung war klar, dass die eingeplanten Mittel für das Arbeitslosengeld bei weitem nicht ausreichen, weil die Arbeitslosenzahlen in die Höhe schnellen werden. Und es ist illusorisch, dass bei der derzeitigen Situation der öffentlichen Haushalte höhere Mittel der Kommunen und Landkreise für den zweiten Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt werden.“
Wenn ich mich recht erinnere, hat der Arbeitsminister gestern in der Debatte zum Zweiten Investitionserleichterungsgesetz angekündigt, dass er den Bundesarbeitsminister Clement auffordern will, in Richtung ABM für den Osten, für Sachsen-Anhalt aktiv zu werden. Im völligen Widerspruch dazu steht allerdings der Satz in der erwähnten Pressemitteilung - ich zitiere erneut -:
„Wir befürworten das Ziel, dass die Bundesanstalt für Arbeit ohne staatliche Zuschüsse auskommt. Ein Ausgleich des Haushalts darf jedoch nicht zulasten der Arbeitslosen und der Kommunen erfolgen. Die jetzt initiierten Einschnitte bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik, insbesondere bei der Bildung, der Qualifizierung sowie bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, halten wir für untragbar.“
Angesichts dessen frage ich Sie, meine Damen und Herren: Wie soll das gehen? Diese Frage richte ich an alle in diesem Hohen Hause. Das ist kein Vorwurf an irgendjemanden. Alle wissen, wir brauchen mehr Geld. Aus dem Bundeshaushalt soll es nicht kommen. Von den Kommunen kann es nicht kommen. Wollen Sie den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung erhöhen? - Ich denke, nein. Also höhere Einnahmen bei der Bundesanstalt für Arbeit werden nicht kommen. Damit ist das Rätsel komplett.
Der Alternativantrag der Fraktionen der FDP und der CDU löst dieses Rätsel leider nicht. Die statt des Bundeszuschusses von der Bundesanstalt für Arbeit eingeforderte Investitionspauschale für die Kommunen ist ausdrücklich auf den ersten Arbeitsmarkt gerichtet. Ich finde das okay. Ich habe nichts dagegen. Aber das Rätsel, das ich gerade erwähnt habe, löst es nicht. An keiner Stelle darf eingespart werden. Geld ist nicht da. Es soll aber auch keines dazukommen. Wie Sie das Problem lösen wollen, ist mir ein Rätsel.
Auch der Alternativantrag der SPD-Fraktion lässt die Finanzierungsfrage offen. Ihre Kolleginnen und Kollegen in Thüringen, meine Damen und Herren von der SPD, waren da etwas mutiger. Sie nämlich forderten in einer
Presseinformation vom 17. Februar 2003 von der Bundesregierung die Einführung einer Arbeitsmarktpauschale in Höhe der von der Bundesanstalt für Arbeit vorgenommenen Kürzungen bei der aktiven Arbeitsmarktförderung. Sie lassen in Ihrem Alternativantrag Vorschläge, wie das, was Sie richtigerweise anmahnen, finanziert werden soll, komplett aus.
Die PDS-Fraktion will ausdrücklich einen Bundeszuschuss einfordern. Wir denken, dass es dazu keine Alternative gibt. Ich bin auf die Debatte gespannt. - Danke, meine Damen und Herren.
Danke, Frau Abgeordnete Dirlich für die Einbringung. - Für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Frau Ute Fischer das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Leider gibt es zu diesem wichtigen Thema drei verschiedene Anträge der vier Fraktionen, obwohl wir uns eigentlich in der Zielrichtung alle einig sind. Wir wollen eine Verstetigung der aktiven Arbeitsmarktpolitik für Ostdeutschland. Die Geschäftspolitik der Bundesanstalt für Arbeit steht in der Kritik. Maßnahmenträger, Arbeitslose und Bildungsträger schreiben die Fraktionen an. Der Staatssekretär, die Wirtschaftsverbände und der DGB fordern gemeinsam mehr aktive Arbeitsmarktpolitik und mehr ABM.
Das ist eigentlich eine Wandlung innerhalb des Ministeriums. Früher waren ganz andere Töne zu hören. Gestern hat Minister Herr Rehberger noch gegen ABM gewettert und meinte, Nürnberg sei für die Arbeitslosigkeit verantwortlich.
Niemand kann und will sich dem Anliegen verschließen. Trotz ähnlichen Inhalts gehen die Aufträge an die Landesregierung an unterschiedliche Adressen.
Der Antrag der PDS-Fraktion geht unserer Fraktion nicht weit genug. Er beschreibt die derzeitige Geschäftspraxis der Bundesanstalt für Arbeit unvollständig. Er lässt die vorhandenen Spielräume, die die Arbeitsämter durchaus haben, aus und nennt auch nicht den Handlungsbedarf innerhalb von Sachsen-Anhalt.
Der Alternativantrag der Fraktionen der FDP und der CDU nennt ebenfalls die Probleme. Aber - es war nicht anders zu erwarten - obwohl Reformen im Land gefordert werden und es ein Konzept mit neuen Instrumenten gibt, klingt der Antrag eher nach „weiter so wie bisher“. Ob aber die Bundesregierung die richtige Adresse für den Antrag ist, wage ich zu bezweifeln.
Bundeskanzler Gerhard Schröder hat sich heute Vormittag in seiner Rede eindeutig zu der Arbeitsmarktpolitik in den neuen Bundesländern bekannt.
(Herr Tullner, CDU: Das hat er schon 20 000-mal gemacht! - Frau Liebrecht, CDU: Was soll das? - Weitere Zurufe von der CDU)
Bei der Bundesanstalt sollten wir uns dafür einsetzen, dass sich die Eingliederungschancen in den ersten Arbeitsmarkt und das Qualifikationsniveau der Arbeitsuchenden nicht verringern. Die Sonderregelungen für die neuen Bundesländer müssen auch weiterhin gelten
Ein Handlungsbedarf in Sachsen-Anhalt wird im Antrag der Regierungsfraktionen nicht festgestellt. Die SPDFraktion erweitert deshalb diese Forderung mit dem Auftrag an die Landesregierung, mit den örtlichen Strukturen der Arbeitsverwaltung dafür Sorge zu tragen, dass alle Handlungsspielräume vor Ort genutzt werden und dass sich die Geschäftspolitik auf die regionale Beschäftigungs- und Strukturentwicklung orientiert.
Ein Gespräch mit dem Direktor des Arbeitsamtes Merseburg stimmte mich optisch; denn er setzt große Hoffnungen in die neuen Instrumente des Hartz-Konzepts. Er konnte in dem anfangs genannten Positionspapier von Wirtschaft, DGB und Staatssekretär wenig Reformwillen erkennen. Gerade die Instrumente für die Wirtschaft bzw. die Möglichkeiten nach §§ 421i, j und k, das heißt Eingliederungshilfen für besonders benachteiligte Personengruppen, eröffnen - so seine Meinung - gute Chancen zur Vermittlung auf dem ersten Arbeitsmarkt. Die Gesetze - moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt - werden erst nach und nach für eine entsprechende Dynamik sorgen, aber nur, wenn alle am Konzept Beteiligten ihren Beitrag leisten.
Nicht Nürnberg produziert Arbeitslose. Die Wirtschaft entlässt. Die Banken entlassen. Die Verwaltungen setzen frei. Das Modul „kein Nachschub für Nürnberg“ scheint völlig aus dem Blick zu sein. Arbeitsmarktpolitik schafft keine Ansiedlungen und Arbeitsplätze, kann aber für Unternehmen, wenn sie sie nutzen, sehr hilfreich sein.
Herr Gerster stranguliert auch keine Kommunen, wie die „MZ“ vom 8. März nach einem Arbeitsmarktgespräch mit Staatssekretär Haseloff in einem Aufruf zu mehr ABM berichtete. Wir wollen, dass die Kommunen ihren sozialen Aufgaben und den Aufgaben der Jugendhilfe nachkommen können und dass diese nicht von Arbeitsämtern über einen 100-prozentigen Lohnkostenzuschuss finanziert erbracht werden müssen. Wir fordern auch, dass die Sonderregelungen Ost über das Jahresende hinaus Bestand haben. Trotzdem und unabhängig davon haben die arbeitsmarktpolitischen Sprecher der Ost-SPD-Fraktionen in einem Papier an die Bundesregierung ein kommunales Investitionsprogramm gefordert.
Die SPD-Fraktion wird die heute aufgeworfenen Fragen mit dem parlamentarischen Staatssekretär Gerd Andres, mit Maßnahmeträgern, mit Bildungsträgern, Gewerkschaften, Vertretern der Wirtschaft und den örtlichen Arbeitsamtsdirektoren mit dem Ziel beraten, die Arbeitsmarktpolitik auf hohem Niveau fortzusetzen und die Geschäftspolitik der Bundesanstalt für Arbeit auf regionale Bedingungen auszurichten.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Dirlich, was die Fakten zu dieser Problematik angeht, haben Sie zu Beginn Ihrer Rede Dinge gesagt,