Protocol of the Session on March 13, 2003

Frau Sitte, es tut mir Leid, aber ich habe mich heute früh bei Ihren Ausführungen zurückversetzt gefühlt in die Mitte der 70er-Jahre, EOS „Karl-Marx“, Staatsbürgerkundeunterricht. Gott sei Dank ist diese Zeit vorbei.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Abbau überzogener Bürokratiebelastungen und eine konsequente Deregulierung sind die beste Strategie für Wachstum und Beschäftigung. Das sagen Ihnen alle ernst zu nehmenden Wirtschaftler und auch Wissenschaftler dieser Welt. Nur Wachstum und Beschäftigung sind andererseits auch wieder der Lösungsansatz für die Lösung der sozialen und der Finanzprobleme.

Deregulierung und Bürokratieabbau sind das erklärte Ziel der Regierungskoalition. Deshalb auch die Initiativen zur Investitionserleichterung, zu diesen beiden Gesetzen, um auf Landesebene zu deregulieren.

Auf Bundesebene haben wir die Initiative „Modellregion Sachsen-Anhalt“ gestartet. Es scheint im Moment so, dass Herr Clement über seine Vorschläge selbst erschrocken ist. Ich wünsche ihm Mut, damit er zusammen mit Herrn Wendt die Kraft dafür aufbringt, dies in seinen eigenen Reihen durchzusetzen.

(Frau Dr. Sitte, PDS: Fragen Sie danach doch einmal Frau Merkel und Herrn Stoiber!)

Diese Initiativen haben zwei Auswirkungen: erstens den rein praktischen Nutzen, die tatsächlichen Investitions

erleichterungen und Wirtschaftsstimulierungen durch Deregulierungen für die Wirtschaft, und zweitens einen psychologischen Nutzen. Ich komme darauf zurück, auch wenn die Oppositionsfraktionen das vorhin ins Lächerliche gezogen haben. Stimmungen sind äußerst wichtig für die Wirtschaft. Es geht um das Image nach außen.

Mit dem Stichwort „Modellregion“ war Sachsen-Anhalt erstmals seit Jahren - ich kann mich nicht erinnern, dass das irgendwann schon einmal passiert ist - Thema des Leitartikels im Wirtschaftsteil der „FAZ“ vom 11. Februar. Stichwort war „Sachsen-Anhalt geht als Modellregion voran“. Im Kommentar war formuliert: „Der innovative Osten“. Meine Damen und Herren! Wann hat es das jemals für Sachsen-Anhalt gegeben?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Genau dies wirkt, genau dies macht interessante Investoren auf unser Land aufmerksam. Dies bringt Investitionen, interessante, exportorientierte Arbeitsplätze und damit auch die Stärkung heimischer Dienstleistungen und des heimischen Mittelstandes.

(Herr Dr. Püchel, SPD: In einem Jahr lese ich Ih- nen das wieder vor, was Sie heute gesagt ha- ben!)

Herr Püchel, es sei mir gestattet, bei diesem Stichwort auf einige Äußerungen von heute früh zurückzukommen, um noch einmal den Sinn der Investitionserleichterungsgesetze zu erläutern und die Frage zu beantworten, ob es bisher überhaupt etwas gebracht hat.

Sie sind genau wie ich Naturwissenschaftler und haben wie auch ich im Studium gelernt, sich an Daten, Zahlen und Fakten zu orientieren. Zum Zweiten ist es wichtig, dass man, wenn man über die Qualität einer Wirtschaftspolitik urteilt, auch diejenigen hört, für die das gemacht wird, und zwar die Wirtschaft. Diesbezüglich gibt es ganz klare und deutliche positive Signale. Ich weiß nicht, auf welche Veranstaltungen Sie gehen. Dort, wo ich hingehe, höre ich die Signale.

Zu den Fakten: Wirtschaftswachstum in Sachsen-Anhalt im Jahr 2002 0,5 %, Gesamtwachstum Ost 0,1 % und 0,2 % im Bund.

(Zuruf von Frau Budde, SPD)

Wenn Sie sagen, es liege am Hochwasser, dann hätte Sachsen ein höheres Wirtschaftswachstum haben müssen als wir. Dies ist jedoch nicht der Fall.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Zweitens zur Arbeitslosigkeit. Sachsen-Anhalt hatte im Februar 2002 277 000 Arbeitslose, im Februar 2003 288 000 Arbeitslose, also 10 000 Arbeitslose mehr. Das ist allein auf die Reduzierung des Umfangs der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit zurückzuführen.

(Frau Budde, SPD: Sie sind doch immer gegen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gewesen! Da müssen Sie doch jetzt zufrieden sein!)

- Fakten und Daten, Frau Budde, keine Polemik! - Der Zuwachs bei der Arbeitslosigkeit ist im letzten Jahr in allen anderen Ländern höher gewesen als in SachsenAnhalt.

Die Investitionen im verarbeitenden Gewerbe - hören Sie mir auf mit dem Zellstoffwerk Arneburg! - lagen 1 Milliar

de € höher als im Jahr zuvor und für 2003 geht alles in dieselbe Richtung.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Was ist mit Arneburg? - Frau Budde, SPD: Sie müssen es doch besser wissen!)

- Frau Budde, Sie müssen nun einmal mit den Fakten leben, wie sie sind! - In Sachsen-Anhalt gab es bei den Gewerbesteuereinnahmen im Jahr 2002 einen Zuwachs um 10,8 %. Das ist bundesweit Spitze, alle anderen Länder haben weniger.

Jetzt zum Zweiten Investitionserleichterungsgesetz.

(Unruhe bei der SPD)

- Ich freue mich, dass Sie mir so aufmerksam zuhören und mir eine solche Resonanz entgegenbringen. Das ist mir bisher selten passiert, aber es kann ja nur vorteilhaft sein.

Ich möchte namens der FDP zu einigen wesentlichen Punkten, die auch in der öffentlichen Diskussion eine Rolle spielen, sprechen. Ich freue mich auf die Abstimmungen und Diskussionen in den Ausschüssen, das können Sie mir glauben. Wir werden sehen, was im Endeffekt herauskommt. Ich verspreche Ihnen vonseiten der FDP: Wir werden das massiv vorantreiben.

Der Inhalt dieses Entwurfes hält, was die Überschrift verspricht. Zum kommunalen Wirtschaftsrecht. Es gilt das Prinzip: Der Staat soll sich um seine Kernaufgaben kümmern. Das ist die ursprüngliche Aufgabe des Staates. Die wirtschaftliche Betätigung ist die Sache von Privaten.

Folgende Punkte sind hierbei wesentlich: Die Betätigung der Kommune außerhalb ihrer öffentlichen Verwaltung darf nur erfolgen, wenn ein öffentlicher Zweck die Betätigung rechtfertigt. Der öffentliche Zweck ist definiert: Energie- und Wasserversorgung, Abfall, Abwasser, Wohnungswirtschaft, öffentlicher Verkehr. Die Telekommunikation gehört nun nicht mehr dazu; wir haben alle erfahren, was mit den Gebühren passiert, wenn der Markt aufgemacht wird.

Für alle Betätigungen darüber hinaus gilt die Beweislastumkehr. Das ist ein ganz wesentlicher und wichtiger Fakt. Bisher musste der Private beweisen, dass er besser und wirtschaftlicher die Aufgaben erfüllen kann, jetzt muss die Gemeinde nachweisen, dass sie besser und wirtschaftlicher arbeiten kann. Ob dies auf dem Wege einer Genehmigung oder einer Zulassungsprüfung passiert, sei erst einmal dahingestellt. Mit dieser Beweislastumkehr wird sichergestellt, dass die Gemeinde nur tätig werden kann, wenn sie die Aufgaben tatsächlich besser und wirtschaftlicher erfüllen kann.

Als letzter Punkt dazu das Residenzprinzip. Die FDP tritt massiv dafür ein, dass die wirtschaftliche Betätigung außerhalb des Gemeindegebietes nur noch in begründeten Ausnahmefällen zulässig ist. Bisher - das hatten Sie in der letzten Legislaturperiode geändert - gab es weitgehende Öffnungsklauseln.

Zweiter Punkt: Bildungsfreistellungsgesetz. Die FDP spricht sich ganz klar für die komplette Abschaffung des Bildungsfreistellungsgesetzes aus. Begründung: Es wird so gut wie nicht nachgefragt - Sie haben die Zahlen selbst gebracht -, nur im öffentlichen Dienst. Und was wir nicht brauchen, kann abgeschafft werden, meine Damen und Herren. Was soll das eigentlich?

(Zustimmung bei der FDP)

Drittens Umweltgesetzgebung: Abfallrecht. Die Verbringung von Siedlungsabfällen außerhalb des Landes und in das Land von außen hinein war bisher nicht statthaft. Dies ist weit weg jeglicher Logik. Denn Abfall ist inzwischen ein Wirtschaftsgut geworden, und zwar mit Brennwerten, die über denen der Braunkohle liegen. Mit diesen Restriktionen beschränkt man Wirtschaftskreisläufe, und die Behauptung, dass Sachsen-Anhalt damit zur Müllhalde Europas werde, ist absolut abwegig.

(Zuruf von Herrn Dr. Köck, PDS)

Es wird keine Subventionen für die Errichtung von thermischen Behandlungsanlagen geben, das steht fest. Es wird nur dort mit vollem unternehmerischen Risiko gebaut, wo es wirklich wirtschaftlich trägt.

In den vorgeschlagenen Änderungen zum Abwasser- und zum Wasserecht gilt das Motto: Auch hier Nutzung und Vorfahrt für private Möglichkeiten, ohne - hören Sie bitte zu - die öffentliche Daseinsvorsorge abzuschaffen.

(Zurufe von der SPD)

Es gilt, die effizienteren Möglichkeiten der Wirtschaft zu nutzen und damit zur Entlastung der kommunalen Haushalte beizutragen, um - das ist doch das Geheimnis der ganzen Geschichte - die Gebühren für die Bürger zu senken.

(Unruhe bei der SPD und bei der PDS)

Der Staat muss sich auf seine Kernaufgaben zurückziehen, liebe Frau Bürgermeisterin von der PDS.

(Frau Theil, PDS: Ich bin nicht mehr drin! - Hei- terkeit)

Darauf muss er sich konzentrieren. Er muss sich um die Gesetze kümmern, die die Qualität des Trinkwassers sichern, und darf sich nicht als Aktionär beteiligen.

Denkmalschutz und Bauordnung. Nur so viel: Auf diesem Gebiet gibt es noch viel zu tun, hier sind noch viele Ansätze für Investitionserleichterungen zu suchen. Das Wichtigste bei den Denkmalen ist: Wir brauchen eine vernünftige Handhabe zur Entlassung aus dem Denkmalschutz für Denkmale, für Häuser im Innenstadtbereich, die wirklich keine Denkmale mehr sind und keiner weiteren wirtschaftlichen und sonstigen Nutzung mehr zugeführt werden können. Wenn ich in die Gesichter der Bürgermeister schaue, ist genau das eines der Kernprobleme in vielen Mittelzentren. Wir müssen hierfür eine Handhabe schaffen. Ich habe in vielen Veranstaltungen sogar gehört: Schafft das gesamt Denkmalschutzgesetz ab und macht ein komplett neues Gesetz mit ganz ganz wenigen Vorschriften; hier muss etwas getan werden.

(Zurufe von der SPD)

- Ich habe nicht gesagt, dass es meine Meinung ist. Ich habe das gehört,

(Herr Dr. Püchel, SPD: Das haben Sie eben ganz stolz gesagt!)

von vielen maßgeblichen Leuten.

(Zuruf von Herrn Kühn, SPD)