Protocol of the Session on February 7, 2003

Ich bin mit meinen Ausführungen gleich am Ende. - Ich bitte Sie, sich trotz aller Meinungsunterschiede und ohne Blick auf die Parteiräson in die Friedensbewegung einzureihen, Menschen aufzufordern und zu ermutigen, sich anzuschließen und mit anderen gemeinsam gegen den Krieg aufzustehen. Um gegen den Krieg zu sein, bedarf es keiner Parteizugehörigkeit.

(Beifall bei der PDS)

Herr Abgeordneter Kehl, möchte Sie Ihre Frage noch stellen? - Bitte.

Frau Dr. Hein, Sie sagten, man muss verantwortungsvoll mit dem Thema Krieg und der Außenpolitik umgehen. Gleichzeitig sagen Sie, Sie unterstützen in diesem Zusammenhang die Bundesregierung in ihrer Politik.

Halten Sie es für verantwortungsbewusst, wenn die Bundesregierung und auch Sie von der PDS sowohl im Bundestagwahlkampf als auch in den Landtagswahlkämpfen, die kürzlich geführt worden sind, die Außenpolitik zum Wahlkampfthema machen?

Für die PDS - die SPD muss für sich selbst sprechen - ist das Thema Frieden - das wissen Sie, wenn Sie unsere Geschichte ein bisschen verfolgt haben,

(Minister Herr Dr. Daehre: Die kenne ich noch! Oh, oh! - Zurufe von der CDU - Unruhe)

vor allen Dingen die der letzten zwölf Jahre - mitnichten ein Wahlkampfthema. Wir haben uns mit diesem Thema sehr schwer getan

(Zuruf von Minister Herrn Dr. Daehre - Frau von Angern, PDS: Hören Sie doch mal zu!)

und werden uns weiterhin damit schwer tun. Aber es ist für uns ein Grundsatz der Politik.

(Zurufe von Minister Herrn Dr. Daehre und von Herrn Krause, PDS - Unruhe)

- Ich habe vorhin gesagt, gerade in Kenntnis der eigenen Geschichte. - Ich muss Ihnen sagen: Wenn Sie diese Frage momentan zu einem Wahlkampfthema deklarieren, dann ist das Ihre Auslegung. Unsere ist es nicht.

(Beifall bei der PDS)

Danke, Frau Dr. Hein. - Der Einbringer für die SPD-Fraktion ist der Abgeordnete Herr Dr. Fikentscher.

Zuvor möchte ich Schülerinnen und Schüler des Burggymnasiums Aken und der Berufsbildenden Schule Quedlinburg recht herzlich begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Deutschland wird sich an einem Krieg im Irak nicht beteiligen. - Dieser Satz von Bundeskanzler Gerhard Schröder steht seit dem vergangenen Sommer fest. Dieser Satz ist immer, wenn nachgefragt wurde, wiederholt und eindeutig bestätigt worden.

Als es um die Frage ging, was dies international bedeute, weil Deutschland schließlich nicht allein dastehe, hat der Bundeskanzler hinzugefügt: Diese Grundposition werden wir unmissverständlich auch in Erklärungen und Abstimmungen deutlich machen.

Das ist eine klare Aussage. Dennoch gab es von verschiedenen Seiten Kritik. Es gab Kritik von denjenigen, die einen radikalen Pazifismus vertreten, weil sie sagen:

Ihr seid irgendwo doch beteiligt, und es gab Kritik von denjenigen, die diese klare, konsequente Haltung im internationalen Geflecht nicht für richtig gehalten haben oder noch immer nicht für richtig halten.

Für uns ist jedoch Folgendes unstrittig: Wir warnen dringend davor, dass wir in Deutschland eine Debatte führen, in der Krieg als ein normales Mittel der Politik neben anderen vorkommt.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Krieg kann unter bestimmten Bedingungen - das muss man leider zugeben - unvermeidbar sein. Wir sind auch keine pazifistische Partei. Aber wenn ein Krieg ausbricht, ist dies immer das Eingeständnis, dass zuvor die Politik versagt hat.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Ein solches Scheitern der Politik bedauern wir. Deswegen wollen wir versuchen, alle Möglichkeiten auszunutzen, um dieses Scheitern der Politik, das letztlich zum Krieg führen kann, nicht eintreten zu lassen.

Von uns werden in diesem Zusammenhang immer wieder zwei Gründe, die Gerhard Schröder als Erster so klar benannt hat, angeführt.

Der erste ist: Ein Krieg gegen den Irak stellt die Terrorismusbekämpfung infrage. Es ist - natürlich unter der Führung der USA, der größten Macht auf dieser Erde - ein Bund gegen den Terrorismus zustande gekommen, der sich darauf verständigt hat, den Terrorismus weltweit zu bekämpfen. Jedoch sollte man sich daran erinnern: Noch niemand hat von einem einzigen islamischen Führer eine eindeutige Stellungnahme gegen die terroristische Organisation el-Kaida und gegen Osama bin Laden gelesen. Sie machen zwar mit, aber sie haben sich nicht eindeutig davon distanziert.

Das bedeutet, dass das Ganze, was da geschmiedet worden ist, ein zerbrechliches Gebilde ist, das unter einem Irak-Krieg sehr leicht und höchstwahrscheinlich völlig zerbrechen könnte. Damit wäre die Gefahr des Terrorismus größer und nicht kleiner geworden.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Der zweite Grund, der massiv gegen einen Irak-Krieg spricht, betrifft die Frage: Was wird danach? Diese Frage ist bis jetzt von niemandem beantwortet worden.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand davon ausgehen kann oder darf, dass die Völker im Irak - ein geschlossenes Volk ist es nicht - darauf warten, von den Amerikanern oder von anderen befreit zu werden, um dann Demokratie und Freiheit aufzubauen. Die Verhältnisse im Inneren des Landes sind nicht so, dass ein solcher Anstoß ausreichend wäre. Die Annahme, dass unter einer Besatzungsmacht in diesen großen Ländern mit so völlig unterschiedlichen Völkern und unterschiedlichen Denkweisen in absehbarer Zeit die Ideale der Freiheit, der Gerechtigkeit, der Demokratie usw. aufblühen würden, ist eine gefährliche Illusion, wenn der Krieg eines Tages ausbräche, enden würde und man eine solche Situation dort vorfinden würde.

Es ist hinlänglich bekannt, dass es in den USA Denkschulen des Neokonservatismus gibt, die in den letzten Jahren unter der Bush-Administration einen großen Einfluss gewonnen haben. Die meinen es, nach allem, was man hört, sogar ehrlich, aber sie haben eine Art Sendungsbewusstsein, dass man davor andererseits wieder Angst bekommen kann. Sie wollen andere Völker, ande

re Länder mit anderen Kulturen beglücken und sehen aus dieser Sicht heraus nicht, was es für ein Debakel, aber auch für eine Katastrophe geben kann.

Die Lage im Irak ist schrecklich; darüber dürfen wir uns keine Illusionen machen. In diesem Land herrschen politische, nationale und religiöse Unterdrückung. Wir unterschätzen nicht die Gefahr, die in dem Land steckt und die von diesem Land ausgehen kann.

Das Regime des Saddam Hussein ist ein schlimmes Regime. Es ist eine Gefahr für das eigene Volk. Saddam Hussein hat gegen die eigene Bevölkerung neben vielen anderen Unterdrückungsmaßnahmen auch Giftgas eingesetzt. Es ist auch eine Gefahr für die Umgebung. Saddam Hussein hat im Krieg gegen den Iran und im Krieg gegen Kuwait Giftgas eingesetzt und schlimme Methoden angewandt. Das ist eine Gefahr. Im Irak befanden sich nachweislich Massenvernichtungswaffen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich dort noch welche befinden, ist relativ groß.

In dieser klaren Lageeinschätzung sind wir uns wahrscheinlich alle einig. Diesbezüglich wird es wahrscheinlich auch keine Differenz zwischen der Einschätzung durch die Amerikaner und der in Deutschland geben. Die Frage ist jedoch: Was ist zu tun in dieser Lage, wenn man sie so einschätzt?

Die Vorwürfe gegen den Irak bestehen fort. Das Regime ist noch immer da. Der Irak hat nicht abgerüstet, jedenfalls nicht in dem Ausmaß, wie es nötig gewesen wäre - zumindest nicht nachweislich.

Man hätte die Blix-Kontrolleure - wenn ich sie einmal so salopp bezeichnen darf - aber nicht in den Irak schicken und dort kontrollieren lassen sollen, wenn man dann sagt: Wir warten aber gar nicht auf das Ergebnis der Kontrollen, sondern wir entscheiden unter ganz anderen Gesichtspunkten.

(Herr Schröder, CDU: Das hat aber Herr Schrö- der gemacht!)

Wenn ich jemanden in das Land schicke und ihn mit vielen Kompetenzen und viel Technik ausrüste, dann muss ich ihm auch die Möglichkeit geben, die Kontrollen zu Ende zu führen, und darf nicht eines Tages sagen, nun reicht es.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Es steht auch fest, dass das Regime von Saddam Hussein nicht ehrlich ist, auch nicht den Kontrolleuren gegenüber. Die Zusammenarbeit lässt nicht nur zu wünschen übrig, sie ist sehr, sehr schlecht. Man muss versuchen, die Bereitschaft zur Zusammenarbeit durch Druck zu erhöhen.

(Frau Feußner, CDU: Wie soll denn der Druck entstehen?)

Eine Unterstützung des Irak für den Terrorismus ist nicht nur nicht nachgewiesen worden. Vielmehr ist neueren Berichten zu entnehmen, dass die Geheimdienste herausgefunden haben, dass zwischen den el-Kaida-Terroristen und dem Regime in Bagdad grundlegende Differenzen bestehen und dass sie sich eben nicht gegenseitig unterstützen. Dieser Vorwurf kann offensichtlich nicht aufrechterhalten werden.

(Zuruf von Herrn Schröder, CDU)

Die Frage lautet: Reichen diese Gründe - auch die fehlende Zusammenarbeit mit der Uno -, um jetzt einen

Krieg in den Irak zu tragen? Bei dem Stichwort mangelnde Zusammenarbeit mit der Uno muss auch die Frage erlaubt sein, ob denn die Amerikaner mit den Waffenkontrolleuren gut genug zusammenarbeiten. Warum haben sie denen nicht ihre immer wieder angekündigten Beweise und Dokumente vorgelegt, damit sie besser kontrollieren können?

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Hier liegt auch noch einiges im Argen. Das verstärkt den Verdacht, dass die Amerikaner ein Ziel verfolgen, das zu verfolgen sie sich vorgenommen haben, und dass sie diese ganzen anderen Dinge nicht so ernst nehmen, wie sie unserer Meinung nach genommen werden müssten.

Für die Kontrollen ist Zeit nötig. Die Frage, ob wirkliche Beweise gefunden worden sind, ist noch offen, zumindest konnte sie nicht überzeugend beantwortet werden. Wenn die Kontrollen - ich sagte es bereits - jetzt nicht fortgeführt werden, hätte man mit ihnen gar nicht erst beginnen müssen.

Es bleibt die Frage, ob die USA einem Alleingang zustreben und ob man sie daran noch hindern kann. Deutschland wird nicht die Kraft und nicht die Möglichkeit haben, einen Krieg, den die Amerikaner führen wollen, zu verhindern, nicht durch sein Abstimmungsverhalten im UN-Sicherheitsrat und nicht durch sonstige Maßnahmen. Aber Deutschland ist unserer Meinung nach dazu verpflichtet und auch dazu in der Lage, daran mitzuwirken, dass alle friedlichen Möglichkeiten bis zum Letzten ausgeschöpft werden.