Protocol of the Session on February 7, 2003

- Zunächst Frau Dr. Weiher. Dann folgt Herr El-Khalil. - Bitte schön, Frau Dr. Weiher.

Herr Bischof, es geht nicht um die Zumutbarkeit. Es geht um die Ungleichbehandlung. Eine Ungleichbehandlung ist nach der Landesverfassung nicht zulässig. Darum geht es mir. Es geht nicht darum, ob es für jemanden, der arbeitslos ist, zumutbar ist, seine Kinder im Vergleich zu jemandem, der arbeitet, nur drei, vier oder fünf Stunden zu betreuen. Das wissen Sie auch.

Ich brauche Ihnen mit Sicherheit nicht die Zahlen der Betreuungsbedarfe der letzten Jahre vorzulegen. Die kennen Sie genauso gut wie ich.

Es geht vielmehr um die Frage - diese haben Sie nicht beantwortet -, wie Sie das mit der Landesverfassung in Übereinstimmung bringen wollen. Zwischen einer kleinen Ausgrenzung und einer großen Ausgrenzung gibt es für mich keinen Unterschied. Es ist eine Ausgrenzung.

(Beifall bei der PDS)

Frau Weiher, wir sind in dieser Frage unterschiedlicher Meinung. Ich finde es gut, dass Sie es zugeben, dass die PDS die Krippe geopfert hat.

(Frau Dr. Weiher, PDS: Wir hätten die nicht ge- opfert!)

Sie haben eben gesagt - das halte ich für sehr wichtig -: Es ist kein Unterschied, ob es eine kleinere oder größere Ausgrenzung ist.

(Frau Dr. Weiher, PDS: Es ist eine Ausgrenzung!)

- Es ist eine. - Für uns ist eine kleinere Ausgrenzung zurzeit der Kompromiss. Die größere haben wir nicht gewollt. Darin, finde ich, liegt die größere Benachteiligung von Eltern.

(Frau Dr. Weiher, PDS: Wir wollen gar keine Aus- grenzung! Das ist der Punkt!)

Im Übrigen habe ich das Urteil von Dresden genau gelesen. Darin steht genau zu der Problematik etwas, nach der Sie fragen. Darin wird gesagt: Es darf nicht die Grundlage sein, dass die Eltern danach, ob sie berufs

tätig oder nicht berufstätig sind, unterschiedliche Ansprüche haben. In Sachsen-Anhalt haben alle den gleichen Anspruch auf fünf Stunden Betreuung. Ich bin überzeugt, dass das verfassungsgemäß ist.

(Beifall bei der SPD - Frau Dr. Weiher, PDS: Wir wollen gar keine Ausgrenzung!)

Herr El-Khalil, bitte.

Herr Bischof, meine Frage baut auf der Frage auf, die eben gestellt worden ist. Sie sagten in Ihrer Rede, dass Sie den Eltern mehr Erziehung zumuten. Das ist richtig. Sie meinten dies sicherlich zeitlich; denn es ist ja keine Zumutung, wenn Eltern sich mit ihren Kindern beschäftigen sollen.

(Zuruf von Herrn Bullerjahn, SPD)

Weiterhin sprachen Sie vom Selbstverständnis der Familie und von ihrer Verantwortung. Das ist der zentrale Punkt. Ich denke, Kinder sind am besten in der Familie aufgehoben, wenn die Familie dies leisten kann. Ich bin nicht der Meinung, dass Kinder Eigentum des Staates sind und dass der Staat für alles verantwortlich ist.

(Frau Dr. Weiher, PDS: Das hat niemand be- hauptet!)

Ich habe folgende konkrete Frage: Haben die Kinder nicht auch ein Anrecht darauf, dass sie von ihren Eltern betreut werden? Ja oder nein?

(Zuruf von Frau Dr. Weiher, PDS)

Herr El-Khalil, es geht nicht um die Frage, ob Kinder ein Recht auf Erziehung in der Familie haben. Das ist das Grundsätzliche. Vielmehr soll die staatliche Betreuung ein zusätzliches Angebot sein.

In der Anhörung - Sie waren vielleicht dabei - haben alle Verbände und Wissenschaftler gesagt: Insbesondere in der heutigen Zeit, in der wir sehr viele Ein-Kind-Familien haben, ist der Anspruch darauf, dass man von Anfang an Gemeinschaft mit anderen erfährt, sehr hoch zu bewerten.

(Zuruf von Herrn El-Khalil, CDU)

Dies muss schon in der Krippe, aber auch im Kindergarten möglich sein. Deshalb ist dieses Angebot ein zusätzliches, das unbedingt nötig ist und das nicht dem Punkt widerspricht, dass Eltern die Erstverantwortung haben.

(Zustimmung bei der SPD)

Frau Dr. Sitte, bitte.

Ich habe keine Frage. Ich möchte eine Kurzintervention machen.

Vielen Dank, Herr Bischoff. - Frau Dr. Sitte, bitte Ihre Zwischenbemerkung.

Ich möchte auf die Bemerkung von Herrn Bischoff reagieren, die PDS hätte die Krippe aufgegeben. Ich will ganz klar sagen: Wir tragen weder den Kompromiss noch den Gesetzentwurf der Landesregierung, weder in der jetzigen noch in der vorigen Fassung, mit.

(Beifall bei der PDS)

Demzufolge stellt sich nach unserer Lesart die Frage, ob wir die Krippe aufgegeben hätten, nicht. Wir hätten das alte Gesetz nur an einem einzigen Punkt verbessert, nämlich in der Frage des Bildungsauftrages. Demzufolge ist die Interpretation von Herr Bischoff nicht zulässig.

(Beifall bei der PDS)

Für die FDP-Fraktion erteile ich nun Frau Seifert das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! In den letzten Wochen haben uns die Themen Haushaltslage und Kinderbetreuung sehr intensiv beschäftigt. Ich denke, uns ist allen klar geworden, wie dramatisch die finanzielle Lage in SachsenAnhalt ist. Wir wissen nicht erst seit heute, dass wir die Finanzmittel bündeln müssen, um einen effizienteren Einsatz zu ermöglichen.

Langfristig wird die Methode der effizienten Mittelverwendung den entsprechenden Erfolg haben. Prioritäten zu setzen heißt nicht, von vornherein alles infrage zu stellen. Vielmehr heißt es, zu prüfen, welche Wertigkeit die Aufgabe hat und wie sie finanziert werden kann.

Für die FDP hat die Frage der Kinderbetreuung einen außerordentlich hohen Stellenwert. Deshalb ist es uns wichtig, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das für alle Beteiligten Planungssicherheit über ein längeren Zeitraum schafft und das trotz angespannter Haushaltslage Bestand hat.

Keine Landesregierung, welcher politischen Zusammensetzung auch immer, wäre aus heutiger Sicht an dieser Entscheidung vorbei gekommen, ohne an anderer Stelle finanzielle Einschnitte vorzunehmen.

Mit der Verabschiedung des Kinderförderungsgesetzes muss unser Land den Vergleich mit anderen Bundesländern nicht scheuen. Unsere Aufgabe als Parlamentarier ist es, eine öffentlich geförderte Tagesbetreuung auf den Weg zu bringen, die qualitativ anspruchsvoll, zukunftsorientiert, stabil, finanzierbar ist und langfristig, auch bei knapper Kasse, Kontinuität in die Einrichtung bringen kann.

Zusammengefasst heißt das, dass ein hohes Maß an Effizienz zu erreichen ist. Spätestens nach der gestrigen Haushaltsdebatte muss uns das eigentlich klar sein. Mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung haben wir einen richtigen und, ich denke, auch wichtigen Schritt in diese Richtung gemacht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Unsere Intention ist es, die Eltern in der Wahrnehmung ihrer Erziehungsverantwortung zu unterstützen, jedoch nicht, diese zu ersetzen.

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

Wir trauen den Eltern die Erziehung der Kinder zu, wir muten sie ihnen aber nicht zu. Eltern können Hilfe bei der Erziehung in Anspruch nehmen, indem sie von den gesellschaftlichen Angeboten für ihre Kinder Gebrauch machen. Jedoch sollen sie diese als Ergänzungsangebote sehen.

In der Anhörung zum Gesetz und in der Diskussion in den Ausschüssen wurde kritisiert, die Erziehung der Null- bis Dreijährigen allein in die Hand der Eltern zu legen. Dieser Kritik haben wir uns gestellt. Durch die konstruktive Mitarbeit der Opposition, nach bezahlbaren Lösungen zu suchen, konnte ein vertretbarer Kompromiss gefunden werden. Somit ist der Rechtsanspruch auf öffentliche Tagesbetreuung für die Gruppe der Null- bis Sechsjährigen gesichert und auch die Kinder im Alter von null bis drei Jahren können nunmehr eine Tageseinrichtung besuchen.

Die Einschränkung auf die Betreuung von 25 Stunden pro Woche für die Kinder, deren Eltern nicht berufstätig sind, ist das Ergebnis und der Kompromiss nach langen Verhandlungen. Die Einigung zwischen Koalition und SPD und das vorliegende Ergebnis zeigen, wie wichtig allen das Thema der Kinderbetreuung mit Blick auf eine finanzierbare Zukunft ist.

Der Ministerpräsident hat gestern ausdrücklich betont, weder die Regierungskoalition noch die SPD hätten es nötig gehabt, aufeinander zuzugehen. Für mich ist dieses Aufeinanderzugehen ein Ausdruck für ein wünschenswertes, gutes parlamentarisches Miteinander im Sinne der Sache.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Die von der FDP eingebrachten Inhalte spiegeln sich zum Beispiel in der konkreten Festschreibung der Bildungsinhalte und in der Öffnung der Krippenlandschaft für alternative Betreuungsformen wider.

Die Festschreibung des konkreten Bildungsinhaltes im Gesetz ist eine der wichtigsten Forderungen der FDP. Sie ist ebenso wichtig wie die Forderung nach der Konkretisierung dieses Bildungsinhaltes durch das Sozialministerium im Einvernehmen mit dem Kultusministerium.

Von großer Bedeutung ist für mich - ich bin beeindruckt, von wie vielen diese Auffassung geteilt wird - die Öffnung der Krippenlandschaft für alternative Betreuungsformen. Den individuellen Betreuungscharakter, den eine solche Betreuungsform bieten kann, halte ich gerade für ganz kleine Kinder für unverzichtbar.

Die Änderungen im Gesetz, die die Festschreibung von Zulassungsvoraussetzungen für die Tagespflege betreffen, hätte ich mir auch in Form von Verordnungen vorstellen können, aber wir halten auch die vorgesehene Regelung im Gesetz für vertretbar.