Sechstens. Die Länder sollen eigene steuerpolitische Gestaltungsmöglichkeiten erhalten, um so in größerem Umfang eigenverantwortlich tätig zu werden. Hervorheben - und das als Reformvorschlag anschließen - möchte ich insbesondere an dieser Stelle, dass Bund und Länder nicht weiterhin staatliche Aufgaben auf die Kommunen verlagern dürfen, ohne dass diesen dafür die erforderlichen Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden.
Derjenige Gesetzgeber, meine Damen und Herren, der den Kommunen Aufgaben überträgt, muss auch für die Finanzierung geradestehen.
Lassen Sie mich das so sagen, wie ich es als Bürgermeister sagen würde: Wer die Musik bestellt, bezahlt.
Meine Damen und Herren! Wenn es gelingen würde, anhand dieser und weiterer Reformvorschläge eine Korrektur des Föderalismus vorzunehmen, wäre dies für die Zukunft des Bundesstaats Deutschland ein großer Gewinn und würde, wie eingangs bereits gesagt, noch einmal nachdrücklich hervorheben, dass unser Staatssystem auch nach nunmehr fast 60-jährigem Bestehen seine hohe Fähigkeit zur Anpassung an die Aktualität noch nicht verloren hat.
Die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland brauchen diese Veränderung und Anpassung, damit sie und nachfolgende Generationen in einem immer jung bleibenden Deutschland eine Zukunft haben.
Ich möchte mich an dieser Stelle abschließend bedanken für die angenehme Zusammenarbeit in der Arbeitsgruppe - das war sehr sachlich - und ich bitte Sie alle um Ihre Zustimmung. - Vielen Dank.
Wir stimmen ab über den Antrag aller vier Fraktionen mit der Überschrift „Den Föderalismus modernisieren - Sachsen-Anhalt voranbringen - den Landtag stärken“. Wer stimmt zu? - Das ist offensichtlich die Mehrheit. Wer stimmt dagegen? - Niemand. Enthält sich jemand der Stimme? - Niemand. Dann ist dieser Antrag einstimmig angenommen worden und der Tagesordnungspunkt 6 ist erledigt.
Wir treten jetzt in eine Mittagspause ein. Ich schlage Ihnen allerdings vor, dass wir die vollen 60 Minuten nicht ausschöpfen, sondern uns um 14.15 Uhr, also in 50 Minuten, hier wieder treffen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Derzeit ist nichts wichtiger als die von vielen Menschen in diesem Land unterstützten Bemühungen, einen Krieg gegen den Irak zu verhindern.
Die US-Administration scheint wild entschlossen zu sein, einen Krieg gegen den Irak vom Zaune zu brechen.
Zwar bemühen sich die USA intensiv darum, für einen so genannten Präventivkrieg das Votum des Sicherheitsrates zu erhalten - darum hat Colin Powell am Mittwoch vor dem UN-Sicherheitsrat eindringlich versucht, Belege für die Gefährlichkeit des Irak vorzulegen -, aber die USA scheinen nach wie vor fest entschlossen zu sein, auch ohne die Uno einen Krieg zu beginnen.
Bushs Rede am Mittwoch vergangener Woche ist auch von Kriegsgegnern in den USA als Kriegsrede eingestuft worden. Colin Powell aber konnte vorgestern mit seinen Belegen nicht einmal ausgewiesene Geheimdienstleute überzeugen.
Saddams Regime ist menschenverachtend - daran besteht kein Zweifel. Aber darf deshalb das irakische Volk und die gesamte Region in einen entsetzlichen Krieg verwickelt werden?
Wer vor einigen Wochen im MDR den Dokumentarfilm „Die Kinder von Bagdad“ gesehen hat, in dem die Folgen des vorangegangenen Golfkrieges dokumentiert wurden, unter denen vor allem die Kinder zu leiden hatten, kann Krieg nicht ernsthaft als mögliche Handlungsoption aufrechterhalten, gerade weil es Saddam am Ende gleich ist, welche Opfer sein Volk in einem solchen Krieg bringen muss.
Die Bilder dieses Films mahnen uns zu verantwortungsbewusstem Handeln. Er zeigt die massive Umweltkatastrophe infolge der abgefackelten Ölfelder und die Missbildungen bei Kindern, die nach dem Einsatz von abgereicherter Uranmunition im Irak zur Welt kamen. Diese Bilder, meine Damen und Herren, sind nur noch vergleichbar mit den Erinnerungen an die jahrzehntelangen Folgen der beiden Atombombenabwürfe in Hiroschima und Nagasaki.
Hinzu kommt, dass aufgrund des jahrelangen Embargos viele an einer Parasitenkrankheit erkrankte Kinder dem sicheren Tod ausgeliefert sind, weil das notwendige Medikament, das eine sichere Behandlung garantiert, auf der Embargoliste steht. Ich frage Sie: Wer will das weiter verantworten?
Gerade weil die Situation im Nahen und Mittleren Osten so labil ist, verbietet es sich, einen Krieg vom Zaune zu brechen. Hinzu kommt, dass andere autoritäre Regime die Instabilität dieser Region verschärfen werden, wenn infolge eines Krieges weitere politische Umbrüche erfolgen, die islamischen Fundamentalisten in dieser Region an die Macht verhelfen.
Auch die Verquickung von Saddams Regime mit Leuten von El-Kaida wäre kein ausreichender Grund für einen Krieg. Immerhin ist bekannt, dass sich dieses Terrornetzwerk nicht auf ein einzelnes Land beschränkt und seine Operationsbasis längst bis in die USA hinein ausgeweitet hat.
Aber es geht den USA nicht wirklich um die Abschaffung eines diktatorischen Regimes, sondern um die Erweiterung eigener Einflusssphären. Das pfeifen inzwischen die Spatzen von den Dächern. Demokratie kann ohnehin nicht herbeigebombt werden.
Ein Krieg gegen den Irak wäre völkerrechtswidrig und eine Beteiligung Deutschlands grundgesetzwidrig. Wir dürfen das nicht vergessen. Darum sind wir bereit, die Bundesregierung ausdrücklich in ihrem Ansinnen zu unterstützen, einen Krieg gegen den Irak zu verhindern.
Das ist unsere politische, menschliche und humanitäre Pflicht, gerade aus der Kenntnis der eigenen Geschichte heraus.
In Europa sind vier Fünftel der Bevölkerung gegen einen Krieg. Das Friedensengagement, das unterschiedlich weit geht und unterschiedlich motiviert ist, verbindet Menschen aller Religionen und Weltanschauungen auf einem gemeinsamen Nenner, dem der Menschlichkeit und des Ringens um Frieden.
Kriegsprävention und friedliche Konfliktlösung sind das Gebot der Stunde. Die Arbeit der Waffeninspekteure, vor der ich großen Respekt habe, ist das geeignetere Mittel, um Saddam in die Grenzen zu weisen.
Darum habe ich auch wenig Verständnis für die Haltung der acht Staatschefs in Europa, die den USA vorauseilend die Gefolgschaft zusicherten. Sie missachten damit auch die Interessen ihrer eigenen Völker.
Um den Krieg noch zu verhindern, gibt es nur einen einzigen Weg: Das ist der massenhafte Protest von möglichst vielen Menschen. Wenn Elton John angesichts seiner Ehrung in dieser Woche in Berlin die Gelegenheit genutzt hat, um Deutschland, also auch der Bundesregierung, für die derzeitige Haltung zu danken, dann ist das ein Zeichen, das über den Anlass hinausweist.
Es ist bereits fünf vor zwölf. Es ist an der Zeit, Zeichen zu setzen. Wir als Politikerinnen und Politiker dieses Landtages sind jedoch offensichtlich nicht in der Lage, parteipolitische Interessen hintanzustellen und uns auf eine gemeinsame Erklärung zu einigen. Das wäre aus unserer Sicht auf der Grundlage des heute vorliegenden SPD-Antrags durchaus möglich gewesen. Die Menschen in unserem Lande sind offensichtlich weiter als die von ihnen gewählten Volksvertreter.
Der Alternativantrag der CDU ist nicht der kleinste gemeinsame Nenner, auf den wir uns verständigen und hinter den auch wir uns stellen können; denn er lässt den Krieg ausdrücklich als mögliches Mittel offen. Somit werden wir zu keinem gemeinsamen Signal aus diesem Hohen Hause kommen.
Daher bleibt mir nur kundzutun, dass sich die Mitglieder der PDS überall in örtliche Initiativen einbringen werden, um die Bundesregierung zu stärken, bei ihrem Nein in der Uno und im Sicherheitsrat zu bleiben; denn nur wenn in diesen Gremien Mehrheiten nicht zustande kommen und sich die USA einem weltweiten Protest gegenübersehen, besteht noch die Chance, dass die USA auf diesen Waffengang verzichten.
Ich bin mit meinen Ausführungen gleich am Ende. - Ich bitte Sie, sich trotz aller Meinungsunterschiede und ohne Blick auf die Parteiräson in die Friedensbewegung einzureihen, Menschen aufzufordern und zu ermutigen, sich anzuschließen und mit anderen gemeinsam gegen den Krieg aufzustehen. Um gegen den Krieg zu sein, bedarf es keiner Parteizugehörigkeit.