Protocol of the Session on December 12, 2002

(Beifall bei der SPD)

Das war in diesem Land alles schon einmal ganz anders. Genau drei Jahre ist es her, dass die damalige Landesregierung ein schlüssiges Gesamtkonzept vorgelegt hatte. Unser Leitbild sah eine abgestimmte Reform aller Verwaltungsebenen im Land von der Basis bis zur Spitze vor.

Meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, Sie haben unser schlüssiges Konzept durch Chaos ersetzt.

(Beifall bei der SPD)

Die meisten von Ihnen kennen die Ausrede: Nur Dumme halten Ordnung, das Genie beherrscht das Chaos. - Die Politik dieser Landesregierung ist in diesem Sinne von Genialität in Reinstform geprägt.

(Heiterkeit bei der SPD)

Gerade eben in der Debatte zur Finanzpolitik wurden fehlende Handlungsspielräume beklagt und wurde auf die Bundesregierung geschimpft - ein untauglicher Versuch, von den eigenen Versäumnissen abzulenken.

Es muss immer wieder festgehalten werden: Mit dem Verzicht auf eine umfassende Verwaltungs-, Kommunal- und Funktionalreform werden Einsparpotenziale im Land verschenkt. Dort, wo die Landesregierung Politik gestalten könnte, tut sie es vorsätzlich nicht.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Politik ist von Populismus und Halsstarrigkeit getrieben sowie von Widersprüchlichkeit geprägt. Wenn es einen roten Faden in der Politik von CDU und FDP gibt, dann ist es die Widersprüchlichkeit in Bezug auf die Verwaltungs- und Kommunalreform.

Diese Widersprüchlichkeit zeigt sich erstens schon bei der Einrichtung des Landesverwaltungsamtes. Vor nicht allzu langer Zeit warf mir die CDU in Bezug auf das Landesverwaltungsamt noch Etikettenschwindel vor und behauptete, ich würde eine Mammutbehörde schaffen wollen. Im September 2000 forderte sie noch zwei Regierungspräsidien.

Mit dem so genannten Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz - schönes Wort - und der Antwort auf die Anfrage bekennt sich Landesregierung nunmehr wenigstens zum Landesverwaltungsamt. Vielleicht waren das auch die ersten Anflüge von Lernfähigkeit bei Ihnen.

In der Antwort auf Frage 34 der Großen Anfrage wird hierzu ausgeführt - ich zitiere -:

„Im Gegensatz zur regionalen Verteilung der Aufgaben bei den Regierungspräsidien werden die Aufgaben des künftigen Landesverwaltungsamtes zentral durch eine Behörde wahrgenommen.“

In der Antwort auf Frage 37 heißt es weiter:

„Es ist das erklärte Ziel der Landesregierung, die dem Landesverwaltungsamt zu übertragenden Aufgaben grundsätzlich nur an einem Standort wahrnehmen zu lassen.“

Die Drucksache mit der Antwort der Landesregierung trägt das Datum vom 13. November 2002 - so weit, so gut. Das Hin und Her geht eine Woche später schon wieder weiter. Denn am 20. November 2002 haben CDU und FDP im Innenausschuss Änderungen zu dem Gesetzentwurf beschlossen, mit denen das erklärte Ziel der Landesregierung gleich wieder preisgegeben wurde. Statt „grundsätzlich“ soll jetzt nur noch „vorrangig“ eine Aufgabe an einem Standort mit Zuständigkeit jeweils für das ganze Land wahrgenommen werden. Was heißt „vorrangig“? - Nichts anderes, als dass die gleiche Aufgabe auch weiterhin an allen drei Standorten wahrgenommen werden kann.

(Unruhe bei der CDU - Zuruf von der FDP)

- Natürlich! Dann hätten Sie es doch nicht ändern müssen. - Damit wird das Wenige beseitigt, was Sie vernünftigerweise noch tun wollten. Diesen Etikettenschwindel kann man sogar um ein ganzes Jahr vorziehen, wenn nicht sogar um zwei. Damit hätten Sie morgen schon anfangen können. Herr Leimbach hätte ab Montag schon alles übernehmen können. Sie hätten nichts mehr ändern müssen. Es bleibt ja doch alles beim Alten.

(Beifall bei der SPD - Frau Dr. Kuppe, SPD: Ge- nau so ist es!)

Ich wollte an dieser Stelle eigentlich den Ministerpräsidenten persönlich ansprechen. Leider ist er nicht da. Nach der Einbringung des Regierungsentwurfes schien

es so, als hätte er sich in der Frage des Landesverwaltungsamtes durchgesetzt. Jetzt geht es um die Frage, ob er bei Fragen der Verwaltungsreform den erforderlichen Rückhalt in den Fraktionen von CDU und FDP überhaupt noch hat.

(Minister Herr Dr. Daehre: Oh!)

Nach den Änderungen, die seine Fraktionskollegen im Innenausschuss herbeigeführt haben, kann ich nur sagen: Sein bescheidender Reformansatz wurde von den eigenen Fraktionären ad absurdum geführt.

(Beifall bei der SPD - Frau Dr. Kuppe, SPD: So ist es!)

Es stellt sich die Frage, wer hier die Entscheidung trifft, der Ministerpräsident oder Vertreter der Fraktionen.

Meine Damen und Herren! Von Widersprüchlichkeiten ist zweitens auch die Haltung der Regierungsparteien zur Kommunalreform geprägt. Herr Lukowitz sagt hier im Landtag, die FDP will Reformen auf der kommunalen Ebene wie die SPD. - So ist es heute noch.

Die Funktionalreform soll wie im Entschließungsantrag vom Januar vorgesehen im Verhältnis 1 : 1 umgesetzt werden. So lässt sich auch Ihre Antwort auf Frage 20 der Großen Anfrage deuten. - Allein, Sie lügen sich an dieser Stelle wieder einmal in die Tasche. Denn mit dem Verzicht auf die Kommunalreform verspielen Sie die Möglichkeit einer nachhaltigen Funktionalreform.

(Beifall bei der SPD)

Fakt ist: Die im Entschließungsantrag zur Übertragung vorgesehenen Aufgaben setzen eine ganz bestimmte Leistungskraft der Kommunen voraus. Diese Leistungskraft macht sich eben auch an Mindestgrößen fest. Solange Sie sich dieser Einsicht verweigern, ist Ihre gesamte Reformrhetorik auf Sand gebaut.

(Beifall bei der SPD)

Der Städte- und Gemeindebund ist sich übrigens dessen bewusst und hat Angst vor einer Aufgabenübertragung auf die Kreise, da sie diese überfordern würde und nur in einer Erhöhung der Kreisumlage münden würde. Das hatte ich bereits beim letzten Mal gesagt.

Wenn Sie aber die Aufgaben nicht auf die Kreise und Gemeinden übertragen, wird das Landesverwaltungsamt genau die Mammutbehörde, die Sie mir immer vorgeworfen haben.

Meine Damen und Herren! Wenigstens der Herr Innenminister ist glücklich. Seine Haltung - das haben wir heute gehört - lautet ganz einfach und schlicht: Wir brauchen keine Kommunalreform, small is beautiful, je kleiner, desto feiner. Sein Prinzip ist das Prinzip Hoffnung, Hoffnung darauf, dass Freiwilligkeit alle Probleme löst.

Widersprüchlichkeit Nr. 3: Als Musterbeispiel für die Vorteile kleiner Landkreise wurde in der Antwort der Landkreis Wittmund angeführt, der kleinste Landkreis Deutschlands. Welch ein Zufall, denn Wittmund war der Partnerkreis des Landkreises Schönebeck, in dem Herr Jeziorsky Landrat war.

(Heiterkeit bei der SPD)

Wahrscheinlich beruft sich der Wittmunder Landrat ständig auf die Kleinheit von Schönebeck. Nur, Herr Minister, Sie sind nicht mehr Landrat. Ihre vornehmste Aufgabe

ist es nicht mehr, den Status quo auf der Landkreisebene zu verteidigen.

Da ist der altbekannte CDU-Landrat Herr Dr. Ermrich weiter. Nach ihm könnten - ganz aktuell - die Landkreise Wernigerode und Quedlinburg schon im nächsten Jahr fusionieren. Ganz aktuell: Eine allgemeine Kreisgebietsreform soll nach seiner Auffassung im Jahre 2008 folgen. - Ein Dementi dazu gibt es bisher nicht.

Das Prinzip Widersprüchlichkeit setzt sich fort. Widersprüchlichkeit Nr. 4: Unter großem Jubel haben Sie, meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, im Sommer die drei Vorschaltgesetze gekippt, wozu auch das Verbandsgemeindeeinführungsgesetz gehörte. Mit dem Gesetz zur qualifizierten Verwaltungsgemeinschaft schleichen Sie sich nun leise weinend durch die Hintertür wieder herein.

Zur Widersprüchlichkeit Nr. 5. Wenn der Ministerpräsident bei einer Mitgliederversammlung des Städte- und Gemeindebundes in Halle richtigerweise darauf hingewiesen hat, dass Freiwilligkeit allein nicht genügen und am Ende Druck - ich betone das - erforderlich sein wird, dann hätte er mit seiner Fraktion sprechen und ihr das sagen müssen. - Denn was ist passiert? Eine Woche später wird im Landtag wieder das Hohelied der Freiwilligkeit gesungen.

Unterstützen Sie also den Ministerpräsidenten und fangen Sie nicht mit alten Geschichten an. Fallen Sie ihm nicht in den Rücken.

Herr Dr. Püchel, Ihre Redezeit ist vorüber.

Herr Präsident, ich komme zum Ende. - Widersprüchlichkeit Nr. 6: Kreisgrenzen übergreifende Gemeindezusammenschlüsse. Der Ministerpräsident hat auf der bereits genannten Versammlung in Halle gesagt, dass dies möglich sein solle. Der Innenminister hat sich in der Landtagssitzung eine Woche später dagegen gesträubt.

Der Ministerpräsident sollte etwas dafür tun, dass es keine Widersprüchlichkeit Nr. 7 gibt. Legen Sie endlich ein schlüssiges Konzept vor oder noch besser: Lesen Sie in Ruhe unser Leitbild von 1999, wenn Sie zu Weihnachten Zeit haben.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Ihnen der Schreibstil bekannt vorkommen sollte, dann kann ich nur sagen: Wahrscheinlich hat der gleiche Beamte, der mir für das Leitbild zugearbeitet hat, genau das Gegenteil in die Antwort auf die Große Anfrage hineingeschrieben; er sitzt da oben.

(Beifall bei der SPD)

Ich fordere den Ministerpräsidenten auf: Nehmen Sie Ihre Richtlinienkompetenz wahr, ziehen Sie das Thema an sich und bereiten der Halsstarrigkeit Ihrer Leute endlich ein Ende. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Püchel. - Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst Schülerinnen und Schüler der